L 14 RJ 332/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 4 RJ 1276/99 A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 14 RJ 332/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 2. Februar 2001 wird zurückgewiesen.
II. Die Klage wegen "Einmalzahlung" wird abgewiesen.
III. Der Klägerin sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig zwischen den Beteiligten ist vor allem ein Anspruch auf Geschiedenen-Witwenrente.

Die in Bosnien-Herzegowina wohnende und diesem Staate angehörige Klägerin, geb. am 1927, stellte im Oktober 1998 über die örtliche Verbindungsstelle Mostar (BiH) bei der Beklagten Antrag auf Bewilligung von Witwenrente nach dem am 04.03.1935 geborenen und am 06.07.1993 verstorbenen Versicherten M. M., der als Gastarbeiter in der Bundesrepublik Deutschland mehr als 20 Jahre versicherungspflichtig beschäftigt gewesen war. Im diesbezüglichen Formular-Antrag waren der Tag der Eheschließung mit dem 03.02.1960 und der Tag der Scheidung (unrichtig) mit dem 01.03.1976 angegeben. Beigelegt waren diesem Antrag eine laut Datumsstempel beim Gemeindegericht D. am 11.11.1976 eingegangene "Ehescheidungsklage" (anwaltlicher Schriftsatz vom 08.11.1976).

Mit Bescheid vom 01.06.1999 lehnte die Beklagte die Gewährung der (kleinen und großen) Witwenrente ab, weil gemäß § 243 Abs.2 des Sozialgesetzbuches Teil VI (SGB VI) vor dem Tode des Versicherten weder Unterhalt gezahlt worden sei noch ein Anspruch auf Unterhalt bestanden habe (gemeint war wohl § 243 Abs.1 Nr.3 und Abs.2 Nr.3 SGB VI: geschiedene Ehegatten, "die im letzten Jahr vor dem Tode des geschiedenen Ehegatten (Versicherter) Unterhalt von diesem erhalten haben oder im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dessen Tode einen Anspruch hierauf hatten").

Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch machte die Klägerin sinngemäß geltend, dass sie die Voraussetzungen für die große Witwenrente nach § 243 Abs.3 Nrn.1, 2a und 3 SGB VI (ein Unterhaltsanspruch bestand nicht wegen eigenen Arbeitseinkommens; der Scheidung; jetzt Vollendung des 60. Lebensjahres) erfülle.

Die Widerspruchsstelle der Beklagten zog das Scheidungsurteil des Gemeindegerichts Duvno vom 05.04.1997 mit dem Rechtskraftsvermerk vom 13.07.1977 bei und wies den eingelegten Rechtsbehelf mit Widerspruchsbescheid vom 27.09.1999 zurück, weil eine Witwenrente gemäß § 243 SGB VI nur gewährt werden könne, wenn die Ehe vor dem 01.07.1977 geschieden worden sei. Im vorliegenden Falle liege der Zeitpunkt nach diesem Stichtag. Maßgebend sei nämlich die Rechtskraft des Scheidungsurteils. Es bestehe auch kein Anspruch auf Erziehungsrente gemäß § 47 SGB VI, weil diese Vorschrift zunächst Anwartschaftszeiten aus eigener Versicherung in der deutschen Rentenversicherung voraussetze, worüber die Widerspruchsführerin aber nicht verfüge.

Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Landshut machte die Klägerin geltend, sie sei am 05.04.1977 geschieden worden und gab an, ihr Ehemann habe am 26.09.1992 wieder geheiratet, dessen zweite Ehefrau sei nach ihm im Juli 1994 verstorben. Mit Urteil vom 02.02.2001 wies das Sozialgericht die Klage wegen Unbegründetheit ab und bezog sich hierbei gemäß § 136 Abs.3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) auf die Ausführungen des Widerspruchsbescheides vom 27.09.1999.

Mit dem Rechtsmittel der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren auf Zahlung einer Witwenrente aus den bereits in Erstinstanz vorgebrachten Gründen weiter und bat hilfsweise um eine einmalige "Auszahlung" wegen eigener Mittellosigkeit. Trotz Hinweisen des Senats hielt die Klägerin an dem Antrag auf Bewilligung einer Hinterbliebenenrente fest.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 02.02.2001 und den Bescheid vom 01.06.1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.09.1999 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Geschiedenen-Witwenrente, hilfsweise eine einmalige Leistung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und die Klage wegen einer einmaligen Leistung abzuweisen.

Dem Senat lagen zur Entscheidung die Prozessakten beider Rechtszüge vor. Zur Ergänzung des Tatbestands, insbesondere hinsichtlich des Vorbringens der Beteiligten, wird hierauf sowie auf den Inhalt der zu Beweiszwecken beigezogenen Versichertenakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143 ff., 151 SGG), aber in der Hauptsache nicht begründet.

Der Klägerin steht kein Anspruch auf Hinterbliebenenrente zu. Für Geschiedene kann unter Umständen eine kleine Witwenrente (§ 243 Abs.1 SGB VI) oder eine große Witwenrente (§ 243 Abs.2 und 3 SGB VI) gewährt werden. Die Klägerin erfüllt aber nicht hierfür die persönlichen Voraussetzungen.

Unabdingbare Voraussetzung sowohl für die höhere als auch die niedrigere Hinterbliebenenrente ist der Umstand, dass die Ehe mit dem verstorbenen Versicherten vor dem 01.07.1977 geschieden worden ist (§ 243 Abs.1 Nr.1 und Abs.2 Nr.1 SGB VI). Unerheblich ist es, dass die Klägerin einige der darüber hinaus vom Gesetz geforderten Voraussetzungen für die große Witwenrente (Vollendung eines gewissen Lebensalters, Kindererziehung usw.) erfüllt (vgl. § 243 Abs.3 SGB VI als erweiternde Vorschrift zu § 243 Abs.2 SGB VI für den Fall, dass kein Unterhaltsbezug oder Unterhaltsanspruch vor dem Tode des Versicherten im Sinne von § 243 Abs.2 Nr.3 bestanden hat). Damit sind aber nicht alle zur Anspruchsbegründung notwendigen Tatbestandsmerkmale der Norm gegeben.

Das Gesetz sieht auch keine Witwenrente für die nach dem 01.07. 1977 geschiedenen Ehegatten vor.

Vorliegend ist die Scheidung der Ehe am 13.07.1977 erfolgt. Maßgebend für die Beendigung der Ehe sind zunächst nicht das Datum des anwaltlichen Scheidungsantrags oder der Zeitpunkt des Eingangs dieses Antrags bei Gericht (08. bzw. 11.11.1976), so dass die etwas irreführende mehrmalige Vorlage des diesbezüglichen Schriftstücks im Renten-, Widerspruchs- und Klageverfahren untunlich gewesen ist. Nicht von ausschlaggebender Bedeutung ist ferner der Tag der mündlichen Verhandlung und der Verkündung des Scheidungsurteils, d.h. der 05.04.1977. Die Wirkung der Ehescheidung kann nur dann eintreten, wenn gegen das Scheidungsurteil vom 05.04.1977 kein Rechtsmittel eingelegt wird (s. die dortige Rechtsmittelbelehrung: Widerspruch binnen 15 Tagen nach Zustellung des Urteils) und Rechtskraft eintritt. Maßgebend ist hierfür der auf dem Urteil angebrachte gerichtliche Vermerk, dass Rechtskraft am 13.07.1977 eingetreten ist.

Unter Beachtung dieser Rechtslage war die Berufung zurückzuweisen.

Die weiterhin in zweiter Instanz erstmalig erhobene Klage auf einmalige Zahlung war unbegründet. Eine einmalige Zahlung an geschiedene Ehegatten, gleich ob im Sinne einer Rentenabfindung, einer Beitragserstattung oder einer sonstigen Sozialleistung des Rentenversicherungsträgers ist im Gesetz nicht vorgesehen. Eine diesbezügliche Erweiterung des Begehrens der Klägerin im Berufungsverfahren stellt eine unzulässige Klageänderung im Sinne von § 99 Abs.1 SGG dar. Die Beklagte hat sich auf diese Änderung nicht in einem Schriftsatz oder in der mündlichen Verhandlung eingelassen oder auf andere Art eingewilligt (§ 99 Abs.2 und Abs.1 SGG). Der Senat hält die Änderung auch nicht für sachdienlich, dies schon deshalb, weil in der Regel bei derartigen Anträgen eine Verbescheidung der Beklagten und die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens erforderlich ist und solange ein diesbezügliches Rechtsmittel unzulässig wäre, so dass eine sachliche Entscheidung ohnehin nicht ergehen könnte. Im Übrigen stellt sich das Vorbringen der Klägerin zu einer Einmalzahlung lediglich als ein bereits vom tatsächlichen Sachverhalt her unsubstantiiert vorgebrachter Gedanke dar.

In Anbetracht aller Umstände würde sich ein Aufschub der jetzigen Entscheidung bis zur weiteren Abklärung (Stellungnahmen und weitere Begründungen der Beteiligten, Schreiben des Gerichts, Übersetzungen usw.) und Nachholung der gegebenenfalls erforderlichen Bescheide im Renten- und Widerspruchsverfahren als eine nicht vertretbare Verzögerung des Urteils in zweiter Instanz darstellen. Es drängt sich auch nicht der Eindruck auf, dass die sofortige Entscheidung über die Witwenrente zu der Gefahr führt, dass weitere Prozesse zwischen den Beteiligten entstehen könnten, die bei anderer Verfahrensweise des Senats vermieden und bereits jetzt alsbald und endgültig durch eine zusätzliche Sachentscheidung bereinigt werden könnten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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