Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 5 SB 1462/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 1086/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 29. Januar 2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) nach dem Sozialgesetzbuch - Neuntes Buch - (SGB IX) streitig.
Bei dem 1954 geborenen Kläger stellte das Landratsamt R. (LRA) mit Bescheid vom 17.04.2007 einen GdB von 20 seit 13.12.2006 fest. Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger einen höheren GdB geltend und begründete dies damit, dass das bei ihm vorliegende metabolische Syndrom, der Diabetes mellitus Typ 2, der Bluthochdruck usw. sowie seine psychische-depressive Persönlichkeitsstruktur und die bei ihm vorliegende erektile Dysfunktion aufgrund psychogener Ursachen nicht bzw. nicht ausreichend berücksichtigt worden seien. Aufgrund seiner Rückenbeschwerden sei er derzeit arbeitsunfähig. Seine diesbezüglichen Beschwerden hätten sich während des Kuraufenthalts in der Reha-Klinik Ü. in I. massiv verschlechtert. Nach Beiziehung des Kurentlassungsberichts vom 22.06.2007 wurden in der hierzu eingeholten gutachtlichen Stellungnahme folgende Funktionsstörungen als gegeben angesehen:
1. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden, Meralgie des N. cutaneus femoris GdB 20 2. Seelische Störung, erektile Dysfunktion GdB 20 3. Diabetes mellitus GdB 10 4. Bluthochdruck GdB 10.
Der Gesamt-GdB betrage 30. Mit Teilabhilfebescheid vom 27.07.2007 stellte das LRA einen GdB von 30 seit 13.12.2006 und eine dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit im Sinne des Einkommensteuerrechts fest. Der Kläger erklärte sich hiermit nicht einverstanden und machte geltend, seine Lendenwirbelsäulenbeschwerden seien unzureichend bewertet. Er habe ständige Schmerzen im rechten Bein, die beim Laufen und Stehen so stark werden würden, dass ein normaler Gang nicht mehr möglich sei. Sein Ziel sei es daher, einen Behindertenausweis mit dem Merkzeichen "G" zu erhalten. Mit Widerspruchsbescheid vom 10.12.2007 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Die Auswirkungen der Funktionsstörungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen begründeten keinen höheren GdB als 30. Die Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs G könnten schon mangels eines GdB von 50 nicht festgestellt werden.
Am 14.04.2008 beantragte der Kläger beim LRA wegen einer Verschlechterung seines Gesundheitszustandes die Erhöhung des GdB. Ferner leide er jetzt auch unter einer Hörminderung und einem beidseitigen Tinnitus. Auf Veranlassung des LRA übersandte der Internist Dr. W. die ihm vorliegenden ärztlichen Unterlagen, insbesondere die Untersuchungsberichte des Chirurgen und Orthopäden Dr. S. vom 30.03.2007, 01.08.2007 und 29.03.2008 sowie den Bericht über die MRT der Lendenwirbelsäule vom 26.04.2007, den Untersuchungsbericht des Nervenarztes E. vom 25.07.2007 und den Untersuchungsbericht des HNO-Arztes Dr. S.-S. vom 14.01.2008. Nach Einholung einer gutachtlichen Stellungnahme des Ärztlichen Dienstes des LRA, wonach als weitere Funktionsstörung Ohrgeräusche (Tinnitus) und eine beginnende Hörminderung mit einem GdB von 10 vorliege und insgesamt weiter ein GdB von 30 anzunehmen sei, lehnte das LRA den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 09.06.2008 mangels wesentlicher Verschlimmerung des Gesundheitszustandes und der damit einhergehenden Funktionsbeeinträchtigungen ab.
Dagegen legte der Kläger am 04.07.2008 Widerspruch ein und machte geltend, seine behandelnden Ärzte seien der Meinung, dass die vorliegenden Erkrankungen nicht ausreichend bewertet worden seien. Jetzt lägen sogar die Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich G vor. Hierzu übersandte er die fachärztliche Bescheinigung des Nervenarztes E. vom 01.07.2008, wonach beim Kläger ein chronifiziertes Wurzelreizsyndrom L5 rechts vorliege und ein erheblich chronifiziertes Schmerzsyndrom im Sinne einer Claudicatio spinalis mit eingeschränkter schmerzfreier Gehstrecke auf 100 Meter bestehe. In der daraufhin eingeholten gutachtlichen Stellungnahme wurde vorgeschlagen, den Wirbelsäulenschaden mit einem GdB von 30 zu bewerten und insgesamt einen GdB von 40 anzunehmen. Mit Teilabhilfebescheid vom 13.08.2008 stellte das LRA einen GdB von 40 seit 01.07.2008 fest. Hiergegen wandte sich der Kläger unter Vorlage des Untersuchungsberichts des HNO-Arztes Dr. L. vom 11.07.2008 (Tonaudiogramm: Hochtonbetonte Hörstörung beidseits; Hörverlust nach Röser 1973: rechts 4 %, links 5 %; weitere Diagnose: Tinnitus) und machte einen GdB von 50 geltend. Das LRA ließ sich von Dr. L. das am 11.07.2008 angefertigte Tonaudiogramm übersenden. Der Kläger legte noch die Bescheinigung des Facharztes E. vom 14.01.2009 vor. Nach nochmaliger versorgungsärztlicher Auswertung der vorliegenden ärztlichen Unterlagen wies das Regierungspräsidium - Landesversorgungsamt - den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 20.04.2009 zurück.
Am 05.05.2009 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG), mit der er einen GdB von mindestens 50 geltend machte. Zur Begründung brachte er vor, ein GdB von 40 werde dem Ausmaß seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht gerecht. Unter Berücksichtigung der anzusetzenden Teil-GdB-Werte sei ein GdB von 50 anzunehmen, zumal sein behandelnder Neurologe E. von einer mittelgradigen depressiven Störung und einem chronischen Schmerzsyndrom ausgehe und hierfür einen Teil-GdB von 30 als angemessen erachte. Der Kläger legte die Bescheinigung des Facharztes für Neurochirurgie und Schmerztherapeuten Dr. P. vom 11.02.2009 vor, nach der er nur etwa 100 m schmerzfrei gehen könne und dies auf eine Lumboischialgie rechts bei spinaler Stenose und eine ISG-Blockierung zurückzuführen sei.
Das SG hörte den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie E. , Dr. L. , Dr. W. und Dr. S. schriftlich als sachverständige Zeugen. Facharzt E. schilderte am 17.08.2009 unter Beifügung weiterer ärztlicher Unterlagen, insbesondere des Untersuchungsberichts der Orthopädischen Universitätsklinik H. vom 24.10.2008 und des Berichts der V. Klinik Bad R. vom 01.09.2008 über die stationäre Behandlung des Klägers vom 25.08.2008 bis 01.09.2008, den Krankheits- und Behandlungsverlauf und äußerte sich dahingehend, dass er für die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule ebenso wie für die seelische Störung einschließlich des bisher noch nicht berücksichtigten chronischen Schmerzsyndroms jeweils einen Teil-GdB von 30 für angemessen halte. Aus seiner Sicht sei von einem Gesamt-GdB von 50 auszugehen. Dr. L. diagnostizierte (Aussage vom 11.09.2009) eine beginnende Hörminderung - der Hörverlust von 2 % rechts und 4 % links entspreche Normalhörigkeit - und einen Tinnitus; auf HNO-ärztlichem Gebiet halte er einen Teil-GdB von 10 für gerechtfertigt. Dr. W. teilte unter dem 15.09.2009 mit, beim Kläger lägen ein Diabetes mellitus Typ 2b, eine Hyperlipidämie, eine Hyperurikämie und eine Adipositas Grad III seit Januar 2007 vor. Die Hauptbeschwerden des Klägers lägen auf orthopädischem Gebiet. Die seelische Beeinträchtigung des Klägers auch aufgrund der chronischen Schmerzzustände und die dauerhafte erektile Dysfunktion, die nur teilweise medikamentös beeinflussbar sei, bewerte er mit einem GdB von 20. Dr. S. verwies am 02.10.2009 auf die beigefügten Auszüge aus seiner Patientenkartei und gab unter Hinweis auf den am 17.07.2008 erhobenen Befund an, die Beeinträchtigungen des Klägers hätten sich nach seinen Beobachtungen seit Dezember 2007 verschlechtert. Nach den "Anhaltspunkten" sei auf chirurgisch-orthopädischem Gebiet - wie geschehen - ein GdB von 30 zu veranschlagen.
Anschließend beauftragte des SG den Nervenarzt Prof. Dr. G. , W. , mit der Erstattung eines Gutachtens. In seinem nervenärztlichen Gutachten vom 04.12.2009 gelangte der Sachverständige zu dem Ergebnis, beim Kläger liege eine chronische Wurzelaffektion L5 rechts vertebragener Genese, Claudicatio spinalis bei lumbaler Enge vor, die schwere funktionelle Auswirkungen mit anhaltender Bewegungseinschränkung schweren Grades habe und mit einem Teil- GdB von 30 zu bewerten sei. Ferner leide er unter einer Meralgia parästhetica rechts und einer leicht ausgeprägten sensomotorischen Polyneuropathie, die mit einem Taubheitsgefühl am lateralen Oberschenkel und leicht unsicherem "Seiltänzergang" verbunden sei (Teil-GdB 10). Zudem bestehe noch eine Dysthymia, eine leichte psychische Störung mit erhöhter Erschöpfbarkeit und Schlafstörungen (Teil-GdB 20). Unter Berücksichtigung der fachfremden Funktionsstörungen sei von einem Gesamt-GdB von 40 auszugehen. Der Behinderungszustand des Klägers habe sich seit September 2007 nicht verändert.
Mit Gerichtsbescheid vom 29.01.2010 wies das SG die Klage ab. Im Wesentlichen gestützt auf das Gutachten von Prof. Dr. G. bewertete es die Funktionsstörungen des Klägers mit einem GdB von 40. Die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule bedinge einen GdB von 30, die depressive Störung einen GdB von 20 und die übrigen Funktionsstörungen (Diabetes mellitus, Bluthochdruck, Hörminderung und Ohrgeräusche) bedingten jeweils einen GdB von 10. Dem vom Kläger vorgelegten Untersuchungsbericht von Dr. P. vom 11.02.2009 lasse sich kein Hinweis auf eine höhere Bewertung des Wirbelsäulenleidens entnehmen, da dieser bei seiner Untersuchung des Klägers nicht einmal ein sensibles oder motorisches Defizit in diesem Wirbelsäulenbereich festgestellt habe.
Gegen den seinem erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigen am 04.02.2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 04.03.2010 Berufung eingelegt. Damit macht er einen GdB von mindestens 50 und den Nachteilsausgleich G geltend. Zur Begründung bringt er vor, sein Wirbelsäulenleiden bedinge allein einen GdB von mindestens 50. Das Gutachten von Prof. Dr. G. spiegele lediglich eine Momentaufnahme seines Gesundheitszustandes wider und berücksichtige nicht, dass sein Leiden seit 2007 zyklisch verlaufe. Schwankungen bei längerem Leidensverlauf sei aber mit einem Durchschnittswert Rechnung zu tragen. Vor der Untersuchung durch Prof. Dr. G. sei eine Nervenwurzelinfiltration vorgenommen worden, was zu einem Abklingen der Schmerzen nach ca. 5 bis 6 Behandlungen führe. Die Schmerzmitteleinnahme könne dann reduziert werden. Er sei aber zu keiner Zeit schmerzfrei. Aufgrund des starken Schmerzmittelkonsums leide er inzwischen auch an Wassereinlagerungen in den Beinen. Nicht berücksichtigt sei ebenfalls, dass er - wie sich aus dem Befundbericht von Dr. P. vom 11.02.2009 ergebe - auch an einer Blockade des Iliosakralgelenkes leide, die bislang bei der Bewertung nicht berücksichtigt worden sei. Zudem habe das SG übersehen, dass Prof. Dr. G. in seinem Gutachten von schweren funktionellen Auswirkungen mit anhaltender Bewegungseinschränkung schweren Grades spreche. Dies gelte auch für die vorhandene Geh- und Stehunfähigkeit, die die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs G rechtfertige. Auch seine psychische Belastung und Konzentrationsschwäche sowie die Müdigkeit usw. seien nicht ausreichend berücksichtigt worden. Nach zunächst erfolgter Benennung des Orthopäden Dr. St. als Zeuge dafür, dass seine Schmerzen entgegen der Annahme von Dr. S. zum Teil Ausstrahlungen des Ischiasnervs seien, hat der Kläger mitgeteilt, er habe sich entschlossen, Dr. St. für dieses Verfahren an seine ärztliche Schweigepflicht zu binden. Dr. St. habe ihn wegen akuter Schmerzen behandelt und kenne seine ganze Krankengeschichte nicht ausreichend (Schreiben des Klägers vom Januar 2011).
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 29. Januar 2010 aufzuheben und die Bescheide des Beklagten vom 9. Juni 2008 und 13. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. April 2009 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, einen Grad der Behinderung von mindestens 50 und den Nachteilsausgleich G festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Er hält weiterhin einen GdB von 40 für angemessen und legt die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. Wo. vom 20.05.2011 vor. Die Tatsache, dass wiederholt CT-gesteuerte Facettengelenksinfiltrationen durchgeführt worden seien, rechtfertige noch keine höhere Bewertung. Im Übrigen hätten Schmerzen psychische Auswirkungen, die im Rahmen des für die seelische Störung angenommenen GdB von 20 bereits entsprechend mitberücksichtigt worden seien.
Der Senat hat Dr. W. schriftlich als sachverständigen Zeugen gehört. Dieser hat am 02.12.2010 unter Übersendung der ihm vorliegenden weiteren ärztlichen Unterlagen angegeben, beim Kläger sei es zu einer Chronifizierung der Beschwerden gekommen. Aufgrund einer Schmerzmittelunverträglichkeit (Tramal) sei ihm aufgrund seiner dauerhaften Schmerzen dazu geraten worden, regelmäßig eine invasive Schmerztherapie mit CT-gesteuerten Infiltrationen durchführen zu lassen. Mittlerweile sei nach Angaben des Klägers ein Dauerschmerz vorhanden, der durch die Infiltration für eine Zeit lang gemildert werde und dann wieder kontinuierlich zunehme. Aufgrund des chronischen Schmerzsyndroms komme es bei ihm zu deutlichen Einschränkungen der Beweglichkeit und der Bewegungsfähigkeit.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz und die Akten des Beklagte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung ist nur teilweise zulässig. Soweit mit der Berufung die Feststellung des Nachteilsausgleichs G begehrt wird, ist die Berufung mangels Beschwer unzulässig. Im angefochtenen Gerichtsbescheid des SG ist hierüber nicht entschieden worden. Ein Anspruch des Klägers auf den Nachteilsausgleich G war nicht Streitgegenstand des sozialgerichtlichen Verfahrens. Einen solchen Anspruch hat der Beklagte mit dem Teilabhilfebescheid vom 13.08.2008 (Widerspruchsbescheid vom 20.04.2009) bestandskräftig verneint; der Kläger hat den Nachteilsausgleich G im Klageverfahren nicht geltend gemacht. Im Übrigen ist die nach § 151 SGG insgesamt zulässige Berufung des Klägers nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtene Entscheidung des Beklagten ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von 50.
Gegenstand des Rechtsstreits sind die Bescheide vom 09.06.2008 und 13.08.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.04.2009. Damit hat der Beklagte beim Kläger einen GdB von 40 seit 01.07.2008 festgestellt, die Feststellung des begehrten GdB von 50 jedoch abgelehnt. Hierbei handelt es sich um einen Bescheid nach § 48 Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch - (SGB X), mit dem dem Neufeststellungsantrag des Klägers vom 15.04.2008 nur teilweise entsprochen worden ist.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Eine wesentliche Änderung im Hinblick auf den GdB gegenüber einer vorausgegangenen Feststellung liegt nur dann vor, wenn im Vergleich zu den den GdB bestimmenden Funktionsausfällen, wie sie der letzten Feststellung des GdB tatsächlich zugrunde gelegen haben, insgesamt eine Änderung eingetreten ist, die einen um wenigstens 10 geänderten Gesamt-GdB bedingt. Dabei ist die Bewertung nicht völlig neu, wie bei der Erstentscheidung, vorzunehmen. Vielmehr ist zur Feststellung der Änderung ein Vergleich mit den für die letzte bindend gewordene Feststellung der Behinderung oder eines Nachteilsausgleichs maßgebenden Befunden und behinderungsbedingten Funktionseinbußen anzustellen. Eine ursprünglich falsche Entscheidung kann dabei grundsätzlich nicht korrigiert werden, da die Bestandskraft zu beachten ist. Sie ist lediglich in dem Maße durchbrochen, wie eine nachträgliche Veränderung eingetreten ist. Dabei kann sich ergeben, dass das Zusammenwirken der Funktionsausfälle im Ergebnis trotz einer gewissen Verschlimmerung unverändert geblieben ist. Rechtsverbindlich anerkannt bleibt nur die festgestellte Behinderung mit ihren tatsächlichen Auswirkungen, wie sie im letzten Bescheid in den Gesamt-GdB eingeflossen, aber nicht als einzelne (Teil-)GdB gesondert festgesetzt worden sind. Auch der Gesamt-GdB ist nur insofern verbindlich, als er im Sinne des § 48 Abs. 3 SGB X bestandsgeschützt ist, nicht aber in der Weise, dass beim Hinzutreten neuer Behinderungen der darauf entfallende Teil-GdB dem bisherigen Gesamt-GdB nach den maßgebenden Bewertungsmaßstäben - ohne Gesamtwürdigung - hinzuzurechnen ist (vgl. BSG SozR 1300 § 48 Nr. 29). Die Verwaltung ist nach § 48 SGB X berechtigt, eine Änderung zugunsten und eine Änderung zuungunsten des Behinderten in einem Bescheid festzustellen und im Ergebnis eine Änderung zu versagen, wenn sich beide Änderungen gegenseitig aufheben (BSG SozR 3-3870 § 3 Nr 5).
Nach § 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als Grad der Behinderung, nach Zehnergraden abgestuft, festgestellt (§ 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX). Die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 17 BVG erlassenen und am 01.01.2009 in Kraft getretenen Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2008 gelten entsprechend (§ 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX), so dass die mit den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht 2008" (AHP) - soweit vorliegend relevant - inhaltsgleichen "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" (Anlage zu § 2 VersMedV - VG -) nun heranzuziehen sind.
Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet (vgl. Teil A Nr. 3 der VG). In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (VG a.a.O.). Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (Teil A Nr. 3 der VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung dieser Grundsätze in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (vgl. BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5, jeweils zu den AHP).
Das SG ist im angefochtenen Gerichtsbescheid unter Anwendung der genannten gesetzlichen Vorschriften und der Bewertungskriterien der VG zu dem Ergebnis gekommen, dass sich die Funktionsstörungen des Klägers gegenüber der letzten maßgeblichen Feststellung (Bescheid vom 27.07.2007) zwar wesentlich verschlimmert haben und seit 01.07.2008 einen GdB von 40 bedingen, aber ein GdB von 50 nicht anzunehmen ist. Diese Beurteilung gründete sich im Wesentlichen auf das vom SG eingeholte nervenärztliche Gutachten von Prof. Dr. G. , die Angaben der behandelnden Ärzte des Klägers und die aktenkundigen Klinik- und Arztberichte. Der Senat kommt nach eigener Überprüfung und unter Berücksichtigung des Beweisergebnisses im Berufungsverfahren zur selben Beurteilung.
Eine Würdigung der genannten ärztlichen Unterlagen ergibt, dass im Vordergrund der gesundheitlichen Beeinträchtigung des Klägers die Funktionsbeeinträchtigung im Bereich der Wirbelsäule einschließlich des damit verbundenen chronischen Schmerzsyndroms steht. Insoweit hat der Beklagte - und diesem folgend auch das SG - zu Recht einen GdB von 30 angenommen. Ausgangspunkt für die Bewertung von Wirbelsäulenschäden ist Teil B 18.9 der VG. Danach sind Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome ) mit einem GdB von 20 zu bewerten. Ein GdB von 30 setzt schwere funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt voraus. Beim Kläger liegt nach dem vom SG eingeholten nervenärztlichen Gutachten von Prof. Dr. G. eine chronische Wurzelaffekion L5 rechts vertebragener Genese und eine Claudicatio spinalis bei lumbalen Engen bis ca. 8 mm bei LWK 4/5 bzw. 9 mm bei LWK 5/ S1 vor. Der Arzt für Chirurgie und Orthopädie Dr. S. berichtete dem SG am 02.10.2009 über die am 17.07.2008 erhobenen Befunde und gab an, beim Kläger, der über die bekannten Beschwerden im unteren Rückenbereich geklagt habe, hätten sich im MRT eine Foramenstenose L4/5 links und L5/S1 rechts, eine Bandscheibenprotusion und spinale Enge L4/5 und L5/S1 sowie hypertrophe Spondylarthrosen bei L4/5 gezeigt. Dr. P. bescheinigte dem Kläger am 11.02.2009 eine Lumboischialgie rechts bei spinaler Stenose und eine ISG-Blockierung. Die aus diesen Befunden und Diagnosen resultierende Beeinträchtigung wertet der Senat als Lendenwirbelsäulenschaden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen, die - wie bereits dargelegt - mit einem GdB von 20 zu bewerten sind. Mit dieser aus der rein somatischen Beeinträchtigung resultierenden Bewertung wird den zusätzlich bestehenden schmerzbedingten Einschränkungen des Klägers aber nicht ausreichend Rechnung getragen. Zwar schließen nach Teil A 2 j) der VG die in der GdB-Tabelle angegebenen Werte die üblicherweise vorhandenen Schmerzen mit ein und berücksichtigen auch erfahrungsgemäß besonders schmerzhafte Zustände. Wenn nach Ort und Ausmaß der pathologischen Veränderungen eine über das übliche Maß hinausgehende Schmerzhaftigkeit nachgewiesen ist, die eine ärztliche Behandlung erfordert, können (aber) höhere Werte angesetzt werden (vgl. a.a.O.). So verhält es sich hier. Der Kläger leidet an einem chronischen Schmerzsyndrom im Bereich der Lendenwirbelsäule, das über das Ausmaß der Schmerzen hinausgeht, das üblicherweise mit mittelgradigen Funktionsstörungen verbunden sind. Dies ist für den Senat durch die Angaben des Nervenarztes E. vom 01.07.2008 gegenüber dem Beklagten und 17.08.2009 gegenüber dem SG sowie insbesondere den Ausführungen des sachverständigen Zeugen Dr. W. gegenüber dem Senat vom 02.12.2010 nachgewiesen. Nach diesen kommt es beim Kläger auf Grund des chronischen Schmerzsyndroms, das zur Durchführung einer invasiven Schmerztherapie mit CT-gesteuerten Infiltrationen geführt hat, zu deutlichen Einschränkungen der Beweglichkeit und Bewegungsfähigkeit. Diese Einschätzung korreliert auch mit der Beurteilung des Sachverständigen Prof. Dr. G. , der in seinem Gutachten von schweren funktionellen Auswirkungen mit anhaltender Bewegungseinschränkung schweren Grades gesprochen und einen Teil-GdB von 30 angenommen hat. Unter Berücksichtigung des somatischen Lendenwirbelsäulenbefundes und unter Einbeziehung des diesem unmittelbar zuzuordnenden chronischen Schmerzsyndroms hält der Senat diese Bewertung für zutreffend. Eine Erhöhung des GdB von 20 um mehr als 10 Punkte wegen der bestehenden Schmerzen ist allerdings nicht gerechtfertigt. Die Intensität der beim Kläger vorliegenden Schmerzzustände schwankt. Er ist zwar nach seinem Berufungsvorbringen zu keiner Zeit schmerzfrei. Die Einnahme von Schmerzmitteln kann aber nach der Durchführung einer Nervenwurzelinfiltration reduziert werden, da diese nach ca. 5 bis 6 Behandlungen zu einem Abklingen der Schmerzen führt. Es liegt mithin ein schwankender Schmerzverlauf vor, dem mit einem Durchschnittswert Rechnung zu tragen ist. Dem wird eine Erhöhung des GdB für den Wirbelsäulenschaden um 10 Punkte gerecht. Eine Erhöhung um 20 Punkte käme nur bei - hier nicht vorliegenden - dauerhaft schweren Schmerzen in Betracht.
Hinzu kommt die beim Kläger vorliegende psychische Störung (einschließlich erektiler Dysfunktion), für die ein GdB von 20 anzunehmen ist. Dies entspricht dem obersten Wert des für leichtere psychovegetative oder psychische Störungen nach Teil B 3.7 der VG anzusetzenden GdB. Der Senat sieht keinen Anlass, an der Richtigkeit dieser Bewertung zu zweifeln, nachdem der Sachverständige Prof. Dr. G. insoweit eine Dysthymia, eine leichte psychische Störung mit erhöhter Erschöpfbarkeit und Schlafstörungen (Teil-GdB 20), diagnostiziert hat, ohne das sich der Kläger im Berufungsverfahren gegen diese Bewertung gewandt hat. Soweit der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren unter Hinweis auf die Einschätzung seines Nervenarztes E. einen GdB von 30 für die psychische Störung und das chronische Schmerzsyndrom geltend gemacht hat, kann ihm nicht gefolgt werden. Das chronische Schmerzsyndrom ist hier allein dem Wirbelsäulenleiden zuzuordnen und führt zu einer entsprechenden Erhöhung des dafür vorgesehenen GdB. Eine nochmalige Berücksichtigung im Rahmen der psychischen Störung würde eine unzulässige Doppelbewertung darstellen und ist daher nicht möglich.
Als weitere Funktionsstörung ist der Diabetes mellitus zu berücksichtigen. Er bedingt einen GdB von 10. Diese Bewertungen entsprechen den Vorgaben der VG i. d. F. vom 14.10.2010 (Teil B 15.1). Weder die als sachverständige Zeugen gehörten Ärzte des Klägers noch der Kläger selbst haben sich im Übrigen gegen diese Bewertungen gewandt. Eine Insulinpflicht besteht nicht. Metformin wurde am 01.06.2007 während der stationären Behandlung in der Reha-Klinik in I. abgesetzt. Eine die Gefahr einer Hypoglykämieauslösung begründende Therapie wurde von keinem Arzt berichtet. Eine Beeinträchtigung der Lebensführung ist durch den Diabetes nicht ersichtlich, vielmehr hat Dr. W. , der nach Angaben des Klägers bei der Untersuchung durch Dr. G. die "Zuckereinstellung" im Rahmen des von der Krankenkasse durchgeführten Disease-Management-Programms vornehme, mitgeteilt, dass die Hauptbeschwerden auf orthopädischem Gebiet lägen (Aussage vom 15.09.2009). Der von Dr. W. für Mai 2008 bestätigte Bluthochdruck mit Fundus hypertonicus Grad I (Aussage vom 15.09.2009) ist mit dem GdB 10 nach Teil B 9.3 der VG zutreffend eingestuft. Die Blutdruckregulation war im Rahmen kreislaufaktivierender Verhaltensmaßnahmen weitgehend zu normalisieren gewesen (Entlassungsbericht der Reha-Klinik Ü. vom 22.06.2007). Der Bewertung des Bluthochdrucks mit einem GdB 10 hat Dr. W. auch nicht widersprochen.
Die von Dr. L. am 11.09.2009 beim Kläger diagnostizierte beginnende Hörminderung entspricht bei Hörverlusten von 2 % (rechts) und 4 % (links) noch Normalhörigkeit, so dass auch unter Berücksichtigung eines Tinnitus kein GdB von 10 anzunehmen ist.
Insgesamt ergibt sich kein höherer GdB als 40. Bei Teil-GdB-Werten von 30 (Lendenwirbelsäule und chronisches Schmerzsyndrom), 20 (psychische Störung) und 10 (Diabetes mellitus) und 10 (Bluthochdruck) ergibt sich kein höherer Gesamt-GdB als 40. Zu dieser Beurteilung ist im Übrigen auch der erstinstanzliche Sachverständige Prof. Dr. G. gelangt.
Der medizinische Sachverhalt ist ausreichend geklärt. Weitere Ermittlungen sind nicht erforderlich. Die Verwertung der Angaben des Orthopäden Dr. St. , der ihn wegen akuten Schmerzen behandelt habe, musste unterbleiben, da der Kläger diesen Arzt ausdrücklich nicht von der Schweigepflicht entbunden hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) nach dem Sozialgesetzbuch - Neuntes Buch - (SGB IX) streitig.
Bei dem 1954 geborenen Kläger stellte das Landratsamt R. (LRA) mit Bescheid vom 17.04.2007 einen GdB von 20 seit 13.12.2006 fest. Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger einen höheren GdB geltend und begründete dies damit, dass das bei ihm vorliegende metabolische Syndrom, der Diabetes mellitus Typ 2, der Bluthochdruck usw. sowie seine psychische-depressive Persönlichkeitsstruktur und die bei ihm vorliegende erektile Dysfunktion aufgrund psychogener Ursachen nicht bzw. nicht ausreichend berücksichtigt worden seien. Aufgrund seiner Rückenbeschwerden sei er derzeit arbeitsunfähig. Seine diesbezüglichen Beschwerden hätten sich während des Kuraufenthalts in der Reha-Klinik Ü. in I. massiv verschlechtert. Nach Beiziehung des Kurentlassungsberichts vom 22.06.2007 wurden in der hierzu eingeholten gutachtlichen Stellungnahme folgende Funktionsstörungen als gegeben angesehen:
1. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden, Meralgie des N. cutaneus femoris GdB 20 2. Seelische Störung, erektile Dysfunktion GdB 20 3. Diabetes mellitus GdB 10 4. Bluthochdruck GdB 10.
Der Gesamt-GdB betrage 30. Mit Teilabhilfebescheid vom 27.07.2007 stellte das LRA einen GdB von 30 seit 13.12.2006 und eine dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit im Sinne des Einkommensteuerrechts fest. Der Kläger erklärte sich hiermit nicht einverstanden und machte geltend, seine Lendenwirbelsäulenbeschwerden seien unzureichend bewertet. Er habe ständige Schmerzen im rechten Bein, die beim Laufen und Stehen so stark werden würden, dass ein normaler Gang nicht mehr möglich sei. Sein Ziel sei es daher, einen Behindertenausweis mit dem Merkzeichen "G" zu erhalten. Mit Widerspruchsbescheid vom 10.12.2007 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Die Auswirkungen der Funktionsstörungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen begründeten keinen höheren GdB als 30. Die Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs G könnten schon mangels eines GdB von 50 nicht festgestellt werden.
Am 14.04.2008 beantragte der Kläger beim LRA wegen einer Verschlechterung seines Gesundheitszustandes die Erhöhung des GdB. Ferner leide er jetzt auch unter einer Hörminderung und einem beidseitigen Tinnitus. Auf Veranlassung des LRA übersandte der Internist Dr. W. die ihm vorliegenden ärztlichen Unterlagen, insbesondere die Untersuchungsberichte des Chirurgen und Orthopäden Dr. S. vom 30.03.2007, 01.08.2007 und 29.03.2008 sowie den Bericht über die MRT der Lendenwirbelsäule vom 26.04.2007, den Untersuchungsbericht des Nervenarztes E. vom 25.07.2007 und den Untersuchungsbericht des HNO-Arztes Dr. S.-S. vom 14.01.2008. Nach Einholung einer gutachtlichen Stellungnahme des Ärztlichen Dienstes des LRA, wonach als weitere Funktionsstörung Ohrgeräusche (Tinnitus) und eine beginnende Hörminderung mit einem GdB von 10 vorliege und insgesamt weiter ein GdB von 30 anzunehmen sei, lehnte das LRA den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 09.06.2008 mangels wesentlicher Verschlimmerung des Gesundheitszustandes und der damit einhergehenden Funktionsbeeinträchtigungen ab.
Dagegen legte der Kläger am 04.07.2008 Widerspruch ein und machte geltend, seine behandelnden Ärzte seien der Meinung, dass die vorliegenden Erkrankungen nicht ausreichend bewertet worden seien. Jetzt lägen sogar die Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich G vor. Hierzu übersandte er die fachärztliche Bescheinigung des Nervenarztes E. vom 01.07.2008, wonach beim Kläger ein chronifiziertes Wurzelreizsyndrom L5 rechts vorliege und ein erheblich chronifiziertes Schmerzsyndrom im Sinne einer Claudicatio spinalis mit eingeschränkter schmerzfreier Gehstrecke auf 100 Meter bestehe. In der daraufhin eingeholten gutachtlichen Stellungnahme wurde vorgeschlagen, den Wirbelsäulenschaden mit einem GdB von 30 zu bewerten und insgesamt einen GdB von 40 anzunehmen. Mit Teilabhilfebescheid vom 13.08.2008 stellte das LRA einen GdB von 40 seit 01.07.2008 fest. Hiergegen wandte sich der Kläger unter Vorlage des Untersuchungsberichts des HNO-Arztes Dr. L. vom 11.07.2008 (Tonaudiogramm: Hochtonbetonte Hörstörung beidseits; Hörverlust nach Röser 1973: rechts 4 %, links 5 %; weitere Diagnose: Tinnitus) und machte einen GdB von 50 geltend. Das LRA ließ sich von Dr. L. das am 11.07.2008 angefertigte Tonaudiogramm übersenden. Der Kläger legte noch die Bescheinigung des Facharztes E. vom 14.01.2009 vor. Nach nochmaliger versorgungsärztlicher Auswertung der vorliegenden ärztlichen Unterlagen wies das Regierungspräsidium - Landesversorgungsamt - den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 20.04.2009 zurück.
Am 05.05.2009 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG), mit der er einen GdB von mindestens 50 geltend machte. Zur Begründung brachte er vor, ein GdB von 40 werde dem Ausmaß seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht gerecht. Unter Berücksichtigung der anzusetzenden Teil-GdB-Werte sei ein GdB von 50 anzunehmen, zumal sein behandelnder Neurologe E. von einer mittelgradigen depressiven Störung und einem chronischen Schmerzsyndrom ausgehe und hierfür einen Teil-GdB von 30 als angemessen erachte. Der Kläger legte die Bescheinigung des Facharztes für Neurochirurgie und Schmerztherapeuten Dr. P. vom 11.02.2009 vor, nach der er nur etwa 100 m schmerzfrei gehen könne und dies auf eine Lumboischialgie rechts bei spinaler Stenose und eine ISG-Blockierung zurückzuführen sei.
Das SG hörte den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie E. , Dr. L. , Dr. W. und Dr. S. schriftlich als sachverständige Zeugen. Facharzt E. schilderte am 17.08.2009 unter Beifügung weiterer ärztlicher Unterlagen, insbesondere des Untersuchungsberichts der Orthopädischen Universitätsklinik H. vom 24.10.2008 und des Berichts der V. Klinik Bad R. vom 01.09.2008 über die stationäre Behandlung des Klägers vom 25.08.2008 bis 01.09.2008, den Krankheits- und Behandlungsverlauf und äußerte sich dahingehend, dass er für die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule ebenso wie für die seelische Störung einschließlich des bisher noch nicht berücksichtigten chronischen Schmerzsyndroms jeweils einen Teil-GdB von 30 für angemessen halte. Aus seiner Sicht sei von einem Gesamt-GdB von 50 auszugehen. Dr. L. diagnostizierte (Aussage vom 11.09.2009) eine beginnende Hörminderung - der Hörverlust von 2 % rechts und 4 % links entspreche Normalhörigkeit - und einen Tinnitus; auf HNO-ärztlichem Gebiet halte er einen Teil-GdB von 10 für gerechtfertigt. Dr. W. teilte unter dem 15.09.2009 mit, beim Kläger lägen ein Diabetes mellitus Typ 2b, eine Hyperlipidämie, eine Hyperurikämie und eine Adipositas Grad III seit Januar 2007 vor. Die Hauptbeschwerden des Klägers lägen auf orthopädischem Gebiet. Die seelische Beeinträchtigung des Klägers auch aufgrund der chronischen Schmerzzustände und die dauerhafte erektile Dysfunktion, die nur teilweise medikamentös beeinflussbar sei, bewerte er mit einem GdB von 20. Dr. S. verwies am 02.10.2009 auf die beigefügten Auszüge aus seiner Patientenkartei und gab unter Hinweis auf den am 17.07.2008 erhobenen Befund an, die Beeinträchtigungen des Klägers hätten sich nach seinen Beobachtungen seit Dezember 2007 verschlechtert. Nach den "Anhaltspunkten" sei auf chirurgisch-orthopädischem Gebiet - wie geschehen - ein GdB von 30 zu veranschlagen.
Anschließend beauftragte des SG den Nervenarzt Prof. Dr. G. , W. , mit der Erstattung eines Gutachtens. In seinem nervenärztlichen Gutachten vom 04.12.2009 gelangte der Sachverständige zu dem Ergebnis, beim Kläger liege eine chronische Wurzelaffektion L5 rechts vertebragener Genese, Claudicatio spinalis bei lumbaler Enge vor, die schwere funktionelle Auswirkungen mit anhaltender Bewegungseinschränkung schweren Grades habe und mit einem Teil- GdB von 30 zu bewerten sei. Ferner leide er unter einer Meralgia parästhetica rechts und einer leicht ausgeprägten sensomotorischen Polyneuropathie, die mit einem Taubheitsgefühl am lateralen Oberschenkel und leicht unsicherem "Seiltänzergang" verbunden sei (Teil-GdB 10). Zudem bestehe noch eine Dysthymia, eine leichte psychische Störung mit erhöhter Erschöpfbarkeit und Schlafstörungen (Teil-GdB 20). Unter Berücksichtigung der fachfremden Funktionsstörungen sei von einem Gesamt-GdB von 40 auszugehen. Der Behinderungszustand des Klägers habe sich seit September 2007 nicht verändert.
Mit Gerichtsbescheid vom 29.01.2010 wies das SG die Klage ab. Im Wesentlichen gestützt auf das Gutachten von Prof. Dr. G. bewertete es die Funktionsstörungen des Klägers mit einem GdB von 40. Die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule bedinge einen GdB von 30, die depressive Störung einen GdB von 20 und die übrigen Funktionsstörungen (Diabetes mellitus, Bluthochdruck, Hörminderung und Ohrgeräusche) bedingten jeweils einen GdB von 10. Dem vom Kläger vorgelegten Untersuchungsbericht von Dr. P. vom 11.02.2009 lasse sich kein Hinweis auf eine höhere Bewertung des Wirbelsäulenleidens entnehmen, da dieser bei seiner Untersuchung des Klägers nicht einmal ein sensibles oder motorisches Defizit in diesem Wirbelsäulenbereich festgestellt habe.
Gegen den seinem erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigen am 04.02.2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 04.03.2010 Berufung eingelegt. Damit macht er einen GdB von mindestens 50 und den Nachteilsausgleich G geltend. Zur Begründung bringt er vor, sein Wirbelsäulenleiden bedinge allein einen GdB von mindestens 50. Das Gutachten von Prof. Dr. G. spiegele lediglich eine Momentaufnahme seines Gesundheitszustandes wider und berücksichtige nicht, dass sein Leiden seit 2007 zyklisch verlaufe. Schwankungen bei längerem Leidensverlauf sei aber mit einem Durchschnittswert Rechnung zu tragen. Vor der Untersuchung durch Prof. Dr. G. sei eine Nervenwurzelinfiltration vorgenommen worden, was zu einem Abklingen der Schmerzen nach ca. 5 bis 6 Behandlungen führe. Die Schmerzmitteleinnahme könne dann reduziert werden. Er sei aber zu keiner Zeit schmerzfrei. Aufgrund des starken Schmerzmittelkonsums leide er inzwischen auch an Wassereinlagerungen in den Beinen. Nicht berücksichtigt sei ebenfalls, dass er - wie sich aus dem Befundbericht von Dr. P. vom 11.02.2009 ergebe - auch an einer Blockade des Iliosakralgelenkes leide, die bislang bei der Bewertung nicht berücksichtigt worden sei. Zudem habe das SG übersehen, dass Prof. Dr. G. in seinem Gutachten von schweren funktionellen Auswirkungen mit anhaltender Bewegungseinschränkung schweren Grades spreche. Dies gelte auch für die vorhandene Geh- und Stehunfähigkeit, die die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs G rechtfertige. Auch seine psychische Belastung und Konzentrationsschwäche sowie die Müdigkeit usw. seien nicht ausreichend berücksichtigt worden. Nach zunächst erfolgter Benennung des Orthopäden Dr. St. als Zeuge dafür, dass seine Schmerzen entgegen der Annahme von Dr. S. zum Teil Ausstrahlungen des Ischiasnervs seien, hat der Kläger mitgeteilt, er habe sich entschlossen, Dr. St. für dieses Verfahren an seine ärztliche Schweigepflicht zu binden. Dr. St. habe ihn wegen akuter Schmerzen behandelt und kenne seine ganze Krankengeschichte nicht ausreichend (Schreiben des Klägers vom Januar 2011).
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 29. Januar 2010 aufzuheben und die Bescheide des Beklagten vom 9. Juni 2008 und 13. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. April 2009 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, einen Grad der Behinderung von mindestens 50 und den Nachteilsausgleich G festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Er hält weiterhin einen GdB von 40 für angemessen und legt die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. Wo. vom 20.05.2011 vor. Die Tatsache, dass wiederholt CT-gesteuerte Facettengelenksinfiltrationen durchgeführt worden seien, rechtfertige noch keine höhere Bewertung. Im Übrigen hätten Schmerzen psychische Auswirkungen, die im Rahmen des für die seelische Störung angenommenen GdB von 20 bereits entsprechend mitberücksichtigt worden seien.
Der Senat hat Dr. W. schriftlich als sachverständigen Zeugen gehört. Dieser hat am 02.12.2010 unter Übersendung der ihm vorliegenden weiteren ärztlichen Unterlagen angegeben, beim Kläger sei es zu einer Chronifizierung der Beschwerden gekommen. Aufgrund einer Schmerzmittelunverträglichkeit (Tramal) sei ihm aufgrund seiner dauerhaften Schmerzen dazu geraten worden, regelmäßig eine invasive Schmerztherapie mit CT-gesteuerten Infiltrationen durchführen zu lassen. Mittlerweile sei nach Angaben des Klägers ein Dauerschmerz vorhanden, der durch die Infiltration für eine Zeit lang gemildert werde und dann wieder kontinuierlich zunehme. Aufgrund des chronischen Schmerzsyndroms komme es bei ihm zu deutlichen Einschränkungen der Beweglichkeit und der Bewegungsfähigkeit.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz und die Akten des Beklagte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung ist nur teilweise zulässig. Soweit mit der Berufung die Feststellung des Nachteilsausgleichs G begehrt wird, ist die Berufung mangels Beschwer unzulässig. Im angefochtenen Gerichtsbescheid des SG ist hierüber nicht entschieden worden. Ein Anspruch des Klägers auf den Nachteilsausgleich G war nicht Streitgegenstand des sozialgerichtlichen Verfahrens. Einen solchen Anspruch hat der Beklagte mit dem Teilabhilfebescheid vom 13.08.2008 (Widerspruchsbescheid vom 20.04.2009) bestandskräftig verneint; der Kläger hat den Nachteilsausgleich G im Klageverfahren nicht geltend gemacht. Im Übrigen ist die nach § 151 SGG insgesamt zulässige Berufung des Klägers nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtene Entscheidung des Beklagten ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von 50.
Gegenstand des Rechtsstreits sind die Bescheide vom 09.06.2008 und 13.08.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.04.2009. Damit hat der Beklagte beim Kläger einen GdB von 40 seit 01.07.2008 festgestellt, die Feststellung des begehrten GdB von 50 jedoch abgelehnt. Hierbei handelt es sich um einen Bescheid nach § 48 Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch - (SGB X), mit dem dem Neufeststellungsantrag des Klägers vom 15.04.2008 nur teilweise entsprochen worden ist.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Eine wesentliche Änderung im Hinblick auf den GdB gegenüber einer vorausgegangenen Feststellung liegt nur dann vor, wenn im Vergleich zu den den GdB bestimmenden Funktionsausfällen, wie sie der letzten Feststellung des GdB tatsächlich zugrunde gelegen haben, insgesamt eine Änderung eingetreten ist, die einen um wenigstens 10 geänderten Gesamt-GdB bedingt. Dabei ist die Bewertung nicht völlig neu, wie bei der Erstentscheidung, vorzunehmen. Vielmehr ist zur Feststellung der Änderung ein Vergleich mit den für die letzte bindend gewordene Feststellung der Behinderung oder eines Nachteilsausgleichs maßgebenden Befunden und behinderungsbedingten Funktionseinbußen anzustellen. Eine ursprünglich falsche Entscheidung kann dabei grundsätzlich nicht korrigiert werden, da die Bestandskraft zu beachten ist. Sie ist lediglich in dem Maße durchbrochen, wie eine nachträgliche Veränderung eingetreten ist. Dabei kann sich ergeben, dass das Zusammenwirken der Funktionsausfälle im Ergebnis trotz einer gewissen Verschlimmerung unverändert geblieben ist. Rechtsverbindlich anerkannt bleibt nur die festgestellte Behinderung mit ihren tatsächlichen Auswirkungen, wie sie im letzten Bescheid in den Gesamt-GdB eingeflossen, aber nicht als einzelne (Teil-)GdB gesondert festgesetzt worden sind. Auch der Gesamt-GdB ist nur insofern verbindlich, als er im Sinne des § 48 Abs. 3 SGB X bestandsgeschützt ist, nicht aber in der Weise, dass beim Hinzutreten neuer Behinderungen der darauf entfallende Teil-GdB dem bisherigen Gesamt-GdB nach den maßgebenden Bewertungsmaßstäben - ohne Gesamtwürdigung - hinzuzurechnen ist (vgl. BSG SozR 1300 § 48 Nr. 29). Die Verwaltung ist nach § 48 SGB X berechtigt, eine Änderung zugunsten und eine Änderung zuungunsten des Behinderten in einem Bescheid festzustellen und im Ergebnis eine Änderung zu versagen, wenn sich beide Änderungen gegenseitig aufheben (BSG SozR 3-3870 § 3 Nr 5).
Nach § 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als Grad der Behinderung, nach Zehnergraden abgestuft, festgestellt (§ 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX). Die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 17 BVG erlassenen und am 01.01.2009 in Kraft getretenen Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2008 gelten entsprechend (§ 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX), so dass die mit den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht 2008" (AHP) - soweit vorliegend relevant - inhaltsgleichen "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" (Anlage zu § 2 VersMedV - VG -) nun heranzuziehen sind.
Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet (vgl. Teil A Nr. 3 der VG). In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (VG a.a.O.). Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (Teil A Nr. 3 der VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung dieser Grundsätze in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (vgl. BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5, jeweils zu den AHP).
Das SG ist im angefochtenen Gerichtsbescheid unter Anwendung der genannten gesetzlichen Vorschriften und der Bewertungskriterien der VG zu dem Ergebnis gekommen, dass sich die Funktionsstörungen des Klägers gegenüber der letzten maßgeblichen Feststellung (Bescheid vom 27.07.2007) zwar wesentlich verschlimmert haben und seit 01.07.2008 einen GdB von 40 bedingen, aber ein GdB von 50 nicht anzunehmen ist. Diese Beurteilung gründete sich im Wesentlichen auf das vom SG eingeholte nervenärztliche Gutachten von Prof. Dr. G. , die Angaben der behandelnden Ärzte des Klägers und die aktenkundigen Klinik- und Arztberichte. Der Senat kommt nach eigener Überprüfung und unter Berücksichtigung des Beweisergebnisses im Berufungsverfahren zur selben Beurteilung.
Eine Würdigung der genannten ärztlichen Unterlagen ergibt, dass im Vordergrund der gesundheitlichen Beeinträchtigung des Klägers die Funktionsbeeinträchtigung im Bereich der Wirbelsäule einschließlich des damit verbundenen chronischen Schmerzsyndroms steht. Insoweit hat der Beklagte - und diesem folgend auch das SG - zu Recht einen GdB von 30 angenommen. Ausgangspunkt für die Bewertung von Wirbelsäulenschäden ist Teil B 18.9 der VG. Danach sind Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome ) mit einem GdB von 20 zu bewerten. Ein GdB von 30 setzt schwere funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt voraus. Beim Kläger liegt nach dem vom SG eingeholten nervenärztlichen Gutachten von Prof. Dr. G. eine chronische Wurzelaffekion L5 rechts vertebragener Genese und eine Claudicatio spinalis bei lumbalen Engen bis ca. 8 mm bei LWK 4/5 bzw. 9 mm bei LWK 5/ S1 vor. Der Arzt für Chirurgie und Orthopädie Dr. S. berichtete dem SG am 02.10.2009 über die am 17.07.2008 erhobenen Befunde und gab an, beim Kläger, der über die bekannten Beschwerden im unteren Rückenbereich geklagt habe, hätten sich im MRT eine Foramenstenose L4/5 links und L5/S1 rechts, eine Bandscheibenprotusion und spinale Enge L4/5 und L5/S1 sowie hypertrophe Spondylarthrosen bei L4/5 gezeigt. Dr. P. bescheinigte dem Kläger am 11.02.2009 eine Lumboischialgie rechts bei spinaler Stenose und eine ISG-Blockierung. Die aus diesen Befunden und Diagnosen resultierende Beeinträchtigung wertet der Senat als Lendenwirbelsäulenschaden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen, die - wie bereits dargelegt - mit einem GdB von 20 zu bewerten sind. Mit dieser aus der rein somatischen Beeinträchtigung resultierenden Bewertung wird den zusätzlich bestehenden schmerzbedingten Einschränkungen des Klägers aber nicht ausreichend Rechnung getragen. Zwar schließen nach Teil A 2 j) der VG die in der GdB-Tabelle angegebenen Werte die üblicherweise vorhandenen Schmerzen mit ein und berücksichtigen auch erfahrungsgemäß besonders schmerzhafte Zustände. Wenn nach Ort und Ausmaß der pathologischen Veränderungen eine über das übliche Maß hinausgehende Schmerzhaftigkeit nachgewiesen ist, die eine ärztliche Behandlung erfordert, können (aber) höhere Werte angesetzt werden (vgl. a.a.O.). So verhält es sich hier. Der Kläger leidet an einem chronischen Schmerzsyndrom im Bereich der Lendenwirbelsäule, das über das Ausmaß der Schmerzen hinausgeht, das üblicherweise mit mittelgradigen Funktionsstörungen verbunden sind. Dies ist für den Senat durch die Angaben des Nervenarztes E. vom 01.07.2008 gegenüber dem Beklagten und 17.08.2009 gegenüber dem SG sowie insbesondere den Ausführungen des sachverständigen Zeugen Dr. W. gegenüber dem Senat vom 02.12.2010 nachgewiesen. Nach diesen kommt es beim Kläger auf Grund des chronischen Schmerzsyndroms, das zur Durchführung einer invasiven Schmerztherapie mit CT-gesteuerten Infiltrationen geführt hat, zu deutlichen Einschränkungen der Beweglichkeit und Bewegungsfähigkeit. Diese Einschätzung korreliert auch mit der Beurteilung des Sachverständigen Prof. Dr. G. , der in seinem Gutachten von schweren funktionellen Auswirkungen mit anhaltender Bewegungseinschränkung schweren Grades gesprochen und einen Teil-GdB von 30 angenommen hat. Unter Berücksichtigung des somatischen Lendenwirbelsäulenbefundes und unter Einbeziehung des diesem unmittelbar zuzuordnenden chronischen Schmerzsyndroms hält der Senat diese Bewertung für zutreffend. Eine Erhöhung des GdB von 20 um mehr als 10 Punkte wegen der bestehenden Schmerzen ist allerdings nicht gerechtfertigt. Die Intensität der beim Kläger vorliegenden Schmerzzustände schwankt. Er ist zwar nach seinem Berufungsvorbringen zu keiner Zeit schmerzfrei. Die Einnahme von Schmerzmitteln kann aber nach der Durchführung einer Nervenwurzelinfiltration reduziert werden, da diese nach ca. 5 bis 6 Behandlungen zu einem Abklingen der Schmerzen führt. Es liegt mithin ein schwankender Schmerzverlauf vor, dem mit einem Durchschnittswert Rechnung zu tragen ist. Dem wird eine Erhöhung des GdB für den Wirbelsäulenschaden um 10 Punkte gerecht. Eine Erhöhung um 20 Punkte käme nur bei - hier nicht vorliegenden - dauerhaft schweren Schmerzen in Betracht.
Hinzu kommt die beim Kläger vorliegende psychische Störung (einschließlich erektiler Dysfunktion), für die ein GdB von 20 anzunehmen ist. Dies entspricht dem obersten Wert des für leichtere psychovegetative oder psychische Störungen nach Teil B 3.7 der VG anzusetzenden GdB. Der Senat sieht keinen Anlass, an der Richtigkeit dieser Bewertung zu zweifeln, nachdem der Sachverständige Prof. Dr. G. insoweit eine Dysthymia, eine leichte psychische Störung mit erhöhter Erschöpfbarkeit und Schlafstörungen (Teil-GdB 20), diagnostiziert hat, ohne das sich der Kläger im Berufungsverfahren gegen diese Bewertung gewandt hat. Soweit der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren unter Hinweis auf die Einschätzung seines Nervenarztes E. einen GdB von 30 für die psychische Störung und das chronische Schmerzsyndrom geltend gemacht hat, kann ihm nicht gefolgt werden. Das chronische Schmerzsyndrom ist hier allein dem Wirbelsäulenleiden zuzuordnen und führt zu einer entsprechenden Erhöhung des dafür vorgesehenen GdB. Eine nochmalige Berücksichtigung im Rahmen der psychischen Störung würde eine unzulässige Doppelbewertung darstellen und ist daher nicht möglich.
Als weitere Funktionsstörung ist der Diabetes mellitus zu berücksichtigen. Er bedingt einen GdB von 10. Diese Bewertungen entsprechen den Vorgaben der VG i. d. F. vom 14.10.2010 (Teil B 15.1). Weder die als sachverständige Zeugen gehörten Ärzte des Klägers noch der Kläger selbst haben sich im Übrigen gegen diese Bewertungen gewandt. Eine Insulinpflicht besteht nicht. Metformin wurde am 01.06.2007 während der stationären Behandlung in der Reha-Klinik in I. abgesetzt. Eine die Gefahr einer Hypoglykämieauslösung begründende Therapie wurde von keinem Arzt berichtet. Eine Beeinträchtigung der Lebensführung ist durch den Diabetes nicht ersichtlich, vielmehr hat Dr. W. , der nach Angaben des Klägers bei der Untersuchung durch Dr. G. die "Zuckereinstellung" im Rahmen des von der Krankenkasse durchgeführten Disease-Management-Programms vornehme, mitgeteilt, dass die Hauptbeschwerden auf orthopädischem Gebiet lägen (Aussage vom 15.09.2009). Der von Dr. W. für Mai 2008 bestätigte Bluthochdruck mit Fundus hypertonicus Grad I (Aussage vom 15.09.2009) ist mit dem GdB 10 nach Teil B 9.3 der VG zutreffend eingestuft. Die Blutdruckregulation war im Rahmen kreislaufaktivierender Verhaltensmaßnahmen weitgehend zu normalisieren gewesen (Entlassungsbericht der Reha-Klinik Ü. vom 22.06.2007). Der Bewertung des Bluthochdrucks mit einem GdB 10 hat Dr. W. auch nicht widersprochen.
Die von Dr. L. am 11.09.2009 beim Kläger diagnostizierte beginnende Hörminderung entspricht bei Hörverlusten von 2 % (rechts) und 4 % (links) noch Normalhörigkeit, so dass auch unter Berücksichtigung eines Tinnitus kein GdB von 10 anzunehmen ist.
Insgesamt ergibt sich kein höherer GdB als 40. Bei Teil-GdB-Werten von 30 (Lendenwirbelsäule und chronisches Schmerzsyndrom), 20 (psychische Störung) und 10 (Diabetes mellitus) und 10 (Bluthochdruck) ergibt sich kein höherer Gesamt-GdB als 40. Zu dieser Beurteilung ist im Übrigen auch der erstinstanzliche Sachverständige Prof. Dr. G. gelangt.
Der medizinische Sachverhalt ist ausreichend geklärt. Weitere Ermittlungen sind nicht erforderlich. Die Verwertung der Angaben des Orthopäden Dr. St. , der ihn wegen akuten Schmerzen behandelt habe, musste unterbleiben, da der Kläger diesen Arzt ausdrücklich nicht von der Schweigepflicht entbunden hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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