Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 30 R 5401/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 13 R 708/09
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Bei dem Streit um die Höhe der Anrechnung von Einkommen auf eine Witwenrente richtet sich der Wert des Beschwerdegegenstandes nach der Höhe des Anrechnungsbetrages bis zum nächstfolgenden 01.07.; Folgewirkungen auf die Höhe des Zuschusses zum Krankenkassenbeitrag bleiben außer Ansatz.
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München
vom 30. April 2009 wird verworfen.
II. Die Beklagte erstattet der Klägerin die außergerichtlichen Kosten
des Verfahrens.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Höhe der Anrechnung von Erwerbseinkommen auf die Witwenrente der Klägerin.
Die 1950 geborene Klägerin bezieht von der Beklagten aus der Versicherung ihres am 09.06.1997 verstorbenen Ehemannes eine Witwenrente, auf die nach Maßgabe des § 97 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) i. V. mit den §§ 18a ff. des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) das Arbeitsentgelt aus der von der Klägerin ausgeübten versicherungspflichtigen Beschäftigung angerechnet wird.
Mit Schreiben vom 07.12.2001 beantragte die Klägerin die Erhöhung der Witwenrente, weil sich ihr Arbeitsentgelt wegen der Absenkung der tarifvertraglichen Gehaltsansprüche um 5 % und des Wegfalls des Weihnachts- und Urlaubsgeldes verringert habe. Die Beklagte erhöhte daraufhin nach § 18d Abs. 2 SGB IV die Witwenrente ab 01.11.2001 mit Bescheid vom 13.02.2002, weil das ab November 2001 zu berücksichtigende monatliche Einkommen von 5.232,12 DM (Bruttoentgelt) abzüglich 35 % davon (= Abzugsbetrag nach § 18b Abs. 5 SGB IV in der damaligen Fassung) = 3.400,88 DM (Nettoentgelt) um wenigstens 10 % geringer sei als das bisher berücksichtigte Einkommen von 3.871.86 DM. Der Anrechnungsbetrag i.S. des § 97 SGB VI verringerte sich dabei von 1.025,92 DM auf 837,53 DM.
Auf Nachfrage der Beklagten gab der Arbeitgeber die Auskunft, dass das Bruttoarbeitsentgelt ohne Sonderzuwendung im Monat Juli 2002 2675,21 EUR betrage. Zu der Frage nach jährlichen Sonderzuwendungen findet sich die Angabe: "1317,67 EUR/Mai 2002".
Mit Bescheid vom 24.06.2002 setzte die Beklagte die Witwenrente im Zusammenhang mit der Rentenanpassung auf Grund der Erhöhung des aktuellen Rentenwerts für die Zeit ab 01.07.2002 neu fest. Für die Einkommensanrechnung berücksichtigte sie dabei das sich aus dem Erwerbseinkommen des Kalenderjahres 2001 ergebende monatliche (nach § 18b Abs. 5 SGB IV in der ab 01.01.2002 geltenden Fassung um 40 % geminderte) Einkommen von 1.756,02 Euro (entsprechend 3.434,48 DM). Das zuletzt festgestellte Einkommen für Juli 2002 in Höhe von 1.671,01 Euro sei nicht heranzuziehen, weil es nicht um wenigstens 10 % geringer als das monatliche Einkommen aus dem Kalenderjahr 2001 sei. Der Anrechnungsbetrag erhöhte sich daraufhin von bisher 428,22 Euro auf 429,33 Euro. Insgesamt betrug der monatliche Zahlbetrag der Rente 495,64 EUR.
Gegen den Bescheid vom 24.06.2002 erhob die Klägerin mit Schreiben vom 12.07.2002 Widerspruch und führte zur Begründung insbesondere aus, dass bei der Berechnung von Einkommensänderungen nach § 18d Abs. 1 SGB IV die 10 %-Grenze des § 18d Abs. 2 SGB IV nicht zu prüfen sei. Zu berücksichtigen sei deshalb das vom Arbeitgeber am 10.06.2002 bestätigte monatliche Bruttoarbeitsentgelt von 2.675,21 Euro.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29.10.2002 zurück, im Wesentlichen mit der Begründung, dass nach § 18d Abs. 1 i.V. mit § 18b Abs. 2 SGB IV als maßgebendes Einkommen i.S. des § 18b Abs. 1 SGB IV das im letzten Kalenderjahr (also das im gesamten Jahr 2001) erzielte Einkommen gelte - auch dann, wenn sich in den letzten Monaten dieses Kalenderjahrs das Arbeitsentgelt um wenigstens 10 % verringert habe.
Mit der Klage beim Sozialgericht München vom 11.11.2002 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin weiter geltend gemacht, dass bei der Einkommensanrechnung ein monatlich gemindertes Bruttoarbeitsentgelt von 2.675,21 zugrunde zu legen sei. Grundsätzlich sei das anzurechnende Einkommen nach § 18b SGB IV zu ermitteln, sofern keine Änderungen in den Einkommensverhältnissen erkennbar seien. Eine vor der jährlichen Rentenanpassung eingetretene Einkommensänderung sei nach § 18d Abs. 1 und Abs. 2 SGB IV zu beurteilen. Dabei gelte der Grundsatz, dass die Einkommensänderung (Erhöhung oder Minderung) nach § 18d Abs. 1 SGB IV erst vom Zeitpunkt der nächsten Rentenanpassung an zu berücksichtigen sei. Ein Ausnahmefall sei die Einkommensminderung um wenigstens 10% bezogen auf das bisher berücksichtigte Einkommen. Diese Minderung könne nach § 18d Abs. 2 SGB IV bereits vom Zeitpunkt ihres Eintritts an berücksichtigt werden. Es handele sich um eine vorzeitig anerkannte und ununterbrochen fortdauernde Einkommensminderung. Spätestens zur nächsten Rentenanpassung müsse auch eine Einkommensminderung, die nicht die 10%-Grenze überschreite, berücksichtigt werden.
Mit Urteil vom 30.04.2009 hat das Sozialgericht München die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 24.06.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.10.2002 verurteilt, für die Zeit der Gewährung der Witwenrente ab der Rentenanpassung vom 01.07.2002 nach § 18d SGB IV in der Fassung vom 01.07.2001 bei der Ermittlung der Höhe der Einkommensanrechnung auf die Witwenrente ein monatlich gemindertes Bruttoarbeitsentgelt von 2.675,21 Euro zugrunde zu legen.
Die Beklagte habe den Unterschied zwischen dem aktuellen Einkommen für die Zeit ab 01.07.2002 und dem Einkommen des Jahres 2001 durch nochmalige Anwendung der 10 %-Klausel für nicht relevant erklärt und auf diese Weise das Einkommen des Jahres 2001 für weiterhin maßgeblich erachtet, obwohl doch in zehn von zwölf Monaten dieses Jahres ein Einkommen erzielt worden sei, das seit November 2001 gerade nicht mehr erzielt worden sei. Der Fehler bestehe in der rechtssystematisch unverständlichen Anwendung der 10 %-Klausel aus § 18d Abs. 2 SGB IV in Absatz 1 der Vorschrift, also in der Übernahme der besonderen Hürde einer Ausnahmevorschrift in die regelmäßig anzuwendende Vorschrift. Die 10 %-Klausel sei jedoch genau nach Gesetzeswortlaut auf die mittels Antrag einzuleitenden Bedarfsänderungen außerhalb des Anpassungsrhythmus beschränkt.
Gegen das am 10.07.2009 zugestellte Urteil des Sozialgerichts München hat die Beklagte am 07.08.2009 Berufung eingelegt mit den Anträgen, das Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat sie u.a. ausgeführt, dass entgegen der Annahme des Erstgerichts der bei der Anpassung zum 01.07.2002 vorgenommene 10 %-Vergleich nicht auf der Grundlage des § 18d Abs. 2 SGB IV erfolgt sei, sondern auf § 18b Abs. 3 SGB IV beruhe, denn bei jeder Einkommensüberprüfung zum 1. Juli sei im Ergebnis § 18b Abs. 3 SGB IV wie bei dem erstmaligen Zusammentreffen der Rente mit Erwerbseinkommen anzuwenden. Werde für einen Bezieher von Erwerbseinkommen das laufende monatliche Einkommen berücksichtigt (z.B. weil das laufende Erwerbseinkommen um wenigstens 10 % geringer war als das bisher berücksichtigte Erwerbseinkommen), sei bei dem unmittelbar darauf nächstfolgenden Juli das Einkommen zunächst nach § 18b Abs. 2 SGB IV zu ermitteln. Als monatliches Einkommen gelte danach das im letzten Kalenderjahr erzielte Einkommen (§ 18b Abs. 2 Satz 1 SGB IV). Alternativ hierzu sei vom laufenden Erwerbs-einkommen auszugehen, wenn dieses voraussichtlich um durchschnittlich 10 vom Hun-dert geringer sei als das nach dem Kalenderjahresdurchschnitt ermittelte Einkommen. Der Rückgriff auf das letzte Kalenderjahr solle sicherstellen, dass Einkommensschwankungen wie sie für Erwerbseinkommen typisch seien, ausgeglichen würden und einmalige Einkommen angemessen berücksichtigt würden. § 18d Absatz 1 erster Halbsatz SGB IV könne nicht dazu führen, dass das aktuell bezogene Einkommen berücksichtigt werde, denn diese Regelung verweise auf die Rentenanpassung (ab 01.07.). Dieser Verweis könne sich nur auf eine Einkommensänderung beziehen, die nach diesem Termin eingetreten sei.
Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 30.08.2009 die Zurückweisung der Berufung beantragt und zur Begründung insbesondere ausgeführt, dass § 18b Abs. 3 SGB IV nicht anwendbar sei, weil alle Voraussetzungen dieser Bestimmung (kein Erwerbseinkommen oder nur Erwerbsersatzeinkommen im letzten Kalenderjahr, § 18b Abs. 3 Satz 1; erstmalige Feststellung der Rente, § 18b Abs. 3 Satz 2 SGB IV) nicht erfüllt seien. Die Einkommensanrechnung ab Juli 2002 richte sich deshalb nur nach § 18d Abs. 1 i.V.m § 18b Abs. 1 und 2 SGB IV. Nach § 18d Abs. 1 SGB IV seien sowohl Einkommenserhöhungen als auch Einkommensminderungen im Vergleich zum bisher berücksichtigten Einkommen nach § 18b Abs. 1 bzw. Abs. 2 SGB IV zu berücksichtigen. Der Prozessbevollmächtigte weist auf das Urteil des BSG vom 17.04.2008 - B 13/4 R 41/06 R hin und will daraus ableiten, dass auch kleinere Minderungen des laufenden Einkommens spätestens einmal im Jahr zu berücksichtigen seien, auch wenn die Minderung nicht 10% betrage. Im Übrigen erklärt er, dass mit Bescheid vom 13.02.2002 ein geringeres zu berücksichtigendes Einkommen festgeschrieben worden sei.
Mit Schriftsätzen der Klägerin vom 17.05.2010, 19.08.2010 und 14.10.2010 sowie der Beklagten vom 12.08.2010, 21.09.2010 und 03.12.2010, auf die Bezug genommen wird, begründeten die Parteien ausführlich ihre unterschiedlichen Auffassungen.
Zuletzt hat die Beklagte auf richterliche Anforderung den Bescheid über die Einkommensanrechnung ab 01.07.2003 übersandt. Für die Einkommensanrechnung wird darin von dem Arbeitsentgelt für das Jahr 2002 ausgegangen.
Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 30.04.2009 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 24.Juni 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. Oktober 2002 abzuweisen.
Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung wird auf den Inhalt der Akte der Beklagten sowie der Akten des gerichtlichen Verfahrens verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist gemäß § 158 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als unzulässig zu verwerfen.
Gemäß § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro nicht übersteigt und keine Leistungen für mehr als ein Jahr betroffen sind.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes erreicht nicht 750 EUR.
Das SG hat entsprechend dem Antrag der Klägerin im Urteilstenor nur das der Einkommensanrechnung zugrunde zu legende Bruttoarbeitsentgelt von 2.675,21 EUR genannt. Bei einem unbezifferten Antrag, einem Feststellungsantrag oder einem Grundurteil nach § 130 SGG, bei dem eine Feststellung ggf. nur über einzelne Berechnungsfaktoren und nicht über die Höhe des Anspruchs getroffen wird, muss das Gericht den Wert des Beschwerdegegenstandes ermitteln (Leitherer in: Meyer/Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. § 144 Rn. 15a).
Gestritten wird hier im Kern um die Differenz zwischen dem die Rente mindernden Anrechnungsbetrag, den die Beklagte im angegriffenen Bescheid aus dem Bruttoeinkommen des Kalenderjahres 2001 errechnet hat (= 429,33 EUR), zu dem Betrag, der bei Zugrundelegung der Rechtsauffassung der Klägerin anzurechnen ist.
Bei der Berechnung des Betrags ist § 97 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI anzuwenden. Danach ist das Einkommen anrechenbar, das monatlich das 26,4 fache des aktuellen Rentenwerts von damals 25,86 EUR (= 682,70 EUR) übersteigt.
Bei Berücksichtigung des laufenden monatlichen Einkommens (2.675,21 EUR), auf das die Klägerin und auch der Tenor des Urteils sinngemäß abstellen, sind neben dem Bruttoarbeitsentgelt von 2.675,21 EUR zusätzlich auch Sonderzuwendungen mit einem Zwölftel (1.317,67 EUR: 12 = 109,80 EUR) zu berücksichtigen (vgl. §§ 18d Abs. 2 Satz 2, 18b Abs. 3 Satz 2 2. Halbsatz SGB IV). Bezüglich der Sonderzuwendung trifft der Tenor des Urteils zwar keine Aussage. Auch ohne entsprechenden Zusatz im Tenor des Grundurteils sind aber im Ergebnis Zahlungen in gesetzlicher Höhe zu leisten (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 130 Rn. 3a). Die Berücksichtigung der Sonderzuwendungen ist nach dem Vortrag der Beteiligten auch nicht strittig. Dies wird auch durch eine beim SG vorgelegte Bestätigung des Arbeitgebers vom 17.04.2009, wonach in den Jahren 2001, 2002 und 2003 kein "Weihnachtsgeld" gezahlt worden ist, nicht in Frage gestellt. Zum einen, weil es sich bei der bis Mai bereits gezahlten Sonderzuwendung kaum um das Weihnachtsgeld handeln dürfte, zum anderen, weil die Berücksichtigung der jährlichen Sonderzuwendung auf einer vorausschauenden Schätzung und Durchschnittsberechnung bei der Einkommensanrechnung beruht (vgl. Seewald, Kasseler Kommentar, § 18b SGB IV Rnr 19).
Das maßgebliche Einkommen (2.675,21 EUR + 109,80 EUR = 2.785,01) ist nach § 18b Abs. 5 SGB IV um 40% zu kürzen (60% v. 2.785,01 EUR = 1.671,01 EUR). Von dem nach § 97 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI verbleibenden anrechenbaren Einkommen (1671,01 EUR - 682,70 EUR = 988,31 EUR) werden nach § 97 Abs. 2 Satz 3 SGB VI 40 % angerechnet (= 395,32 EUR).
Je nach der vertretenen Rechtsauffassung kommt es demnach zu einem die monatliche Rentenleistung mindernden Anrechnungsbetrag von 429,33 EUR bzw. 395,32 EUR. Die Differenz beträgt 34,01 EUR.
Weitere rechtliche oder wirtschaftliche Folgewirkungen bleiben bei der Berechnung des Beschwerdegegenstands außer Ansatz (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 144 Rn. 15). Der Wert des Beschwerdegegenstandes ist lediglich nach dem Geldbetrag zu berechnen, um den unmittelbar gestritten wird (BSG, Beschluss v. 06.02.1997 - 14/10 BKg 14/96, SozR 3-1500 § 144 Nr 11, juris; BSG, Beschluss v. 31.01.2006 - B 11a AL 177/05 B). Daher ist nicht auch die - je nach Anrechnungsbetrag - unterschiedliche Höhe des Zuschusses zum Krankenkassen- bzw. Pflegeversicherungsbeitrag zum 01.07.2002 zu berücksichtigen (jeweils 7% bzw. 0,85% von dem um das anzurechnende Einkommen geminderten Rentenbetrag).
Es wird auch nicht um wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr gestritten. Dies ergibt sich daraus, dass der angegriffene Bescheid vom 24.06.2002 unter Berücksichtigung von § 18d Abs. 1 SGB IV nur den Zeitraum bis zur nächsten Rentenanpassung abdeckt. Aufgrund der Rechtsauffassung der Beklagten war abzusehen, dass sie das im Jahr 2002 gegenüber dem Vorjahr verringerte Entgelt jedenfalls bei der nächsten Rentenanpassung zum 01.07.2003 unter Anwendung des § 18b SGB IV berücksichtigen würde. Der vorgelegte Bescheid vom 19.05.2003 bestätigt dies: Bei der Berechnung des anzurechnenden Einkommens ab 01.07.2003 hat die Beklagte das Arbeitsentgelt für 2002 zugrunde gelegt. Strittig ist damit nur der Zeitraum vom 01.07.2002 bis zum 30.06.2003.
Der Wert des Beschwerdegegenstands beträgt daher 408,12 EUR (12 x mtl. Differenz der Anrechungsbeträge 34,01 EUR).
Das SG hat die Berufung auch nicht rechtswirksam zugelassen. Denn die im Ergebnis unzutreffende Rechtsmittelbelehrung, die Berufung sei zulässig, ist keine Entscheidung über die Zulassung. Legt ein Beteiligter entsprechend der Belehrung Berufung ein, ist diese unzulässig und es bleibt beim Grundsatz, dass das Landessozialgericht nicht über die Zulassung der Berufung entscheiden darf, weil eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht vorliegt. Eine Auslegung oder Umdeutung der Berufung in eine Nichtzulassungsbeschwerde kommt nicht in Betracht, weil der Kläger der falschen Rechtsmittelbelehrung folgend wirklich Berufung einlegen wollte (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 144, Rn. 45; ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, vgl. BSG, Urteil v. 20.05.2003 - B 1 KR 25/01 - SozR 4-1500 § 158 Nr 1).
Im Übrigen wäre die Berufung auch unbegründet gewesen. Der Senat sieht sich angesichts der Verfahrenslänge ausnahmsweise zu folgenden - das Urteil nicht tragenden - Hinweisen in der Sache veranlasst.
Die Auffassung der Beklagten, dass bei der Berücksichtigung von Einkommensänderungen zum 1. Juli eines jeden Jahres als monatliches Einkommen das im letzten Kalenderjahr erzielte durchschnittliche monatliche Einkommen gilt, mag grundsätzlich dem Wortlaut des § 18d Abs. 1 i. V. mit § 18b Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 SGB IV entsprechen. Dies kann aber nach Ansicht des Senats jedenfalls nicht für den Fall gelten, dass seit der letzten Rentenanpassung eine Minderung des Einkommens bereits nach § 18d Abs. 2 SGB IV berücksichtigt worden ist.
Eine solche durch Bescheid umgesetzte verminderte Einkommensanrechnung richtet sich nach § 18d Abs. 2 SGB IV daran aus, ob das laufende Einkommen im Durchschnitt voraussichtlich um wenigstens 10% geringer ist als das (bisher) berücksichtigte Einkommen. Das bisher berücksichtigte Einkommen ist mit dem nach § 18b Abs. 2 Satz 1 SGB IV bezeichneten Zeitraum nicht identisch.
Das zeigt sich z.B. wenn - wie im vorliegenden Fall - nur vom vorletzten Monat des letzten Kalenderjahres an ein geringeres Entgelt erzielt wird. Hat sich beispielsweise ab November des letzten Kalenderjahres das bisherige Entgelt von monatlich 3.000 Euro auf den Betrag von 2.690 Euro verringert, dann ist ab November dieses Kalenderjahrs das laufende Entgelt von 2.690 Euro zu berücksichtigen, weil es um wenigstens 10 % geringer ist als das bisherige monatliche Einkommen von 3.000 Euro (§ 18d Abs. 2 SGB IV). Das laufende monatliche Einkommen von 2.690 Euro ist aber nicht um wenigstens 10 % geringer als das durchschnittliche monatliche Einkommen des Vorjahres (10 x 3.000 Euro
+ 2 x 2.690 Euro = 35.380 Euro/12 = 2.948,33 Euro - 294,83 Euro = 2.653,50 Euro).
Die ausnahmsweise vorzeitige - d.h. vor der nächsten Rentenanpassung - vorgenommene Berücksichtigung einer Einkommensminderung nach eigenen Berechnungsregeln würde unterlaufen, wenn die Beklagte zur nächsten Rentenanpassung (01.07.) wieder eine neue Berechnung mit der Bezugsgröße des letzten Kalenderjahres vornehmen und Änderungen des laufenden Einkommens nur bei Überschreitung der 10%-Hürde berücksichtigen könnte. Gegen diese Auslegung der Beklagten sprechen insbesondere der Wortlaut sowie Sinn und Zweck des § 18d SGB IV unter Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Aspekte.
§ 18d Abs. 1 Satz 1 SGB IV regelt die Berücksichtigung von "Einkommensänderungen". Einkommensänderungen sind Abweichungen des Einkommens von dem jeweils zuletzt berücksichtigten Einkommen (Seewald: in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, 71. Ergänz.lief. 2011, § 18d Rn. 2; Mette in: Beck´scher Online Kommentar, § 18d, Rn. 7; Jürgen Winkler, SGB IV, § 18d Rn.5). Aus dem so verstandenen Begriff der "Einkommensänderung" kann daher bereits abgeleitet werden, dass dann, wenn eine Einkommensänderung bereits nach § 18d Abs. 2 SGB IV berücksichtigt worden ist, nur noch Änderungen, die danach und im Vergleich dazu eintreten, nach § 18d Abs. 1 SGB IV zu berücksichtigen sind. Zu einer umfassenden Neuberechnung wie bei der erstmaligen Feststellung der Rente nach § 18b Abs. 3 besteht insoweit kein Anlass mehr.
Dies wird durch die Überlegung gestützt, dass § 18d SGB IV eine Sonderregelung zu § 48 SGB X ist (Seewald, Kasseler Kommentar, a.a.O., § 18d Rn. 5; s. auch BT-Drs. 500/84 S. 47 zu § 18d). Während § 48 Abs. 1 Nr. 1 SGB X eine Änderung zugunsten des Betroffenen grundsätzlich ab dem Zeitpunkt der Änderung vorsieht, führen Einkommensminderungen nur dann zu einer zeitnahen Berücksichtigung nach § 18d Abs. 2 SGB IV, wenn das bisher berücksichtigte Einkommen um 10 v.H. höher war als das laufende Einkommen. Die 10%-Hürde bedeutet insofern bereits eine Erschwerung gegenüber § 48 SGB X. Es ist aber aus Wortlaut und Systematik nicht ersichtlich, dass einem Verwaltungsakt nach § 18d SGB Abs. 2 IV - anders als nach § 48 SGB X - nur eine zeitlich beschränkte Bindungswirkung hinsichtlich der berücksichtigten Änderung zukommen soll.
Eine erneute Betrachtung derselben Einkommensänderung unter geänderten Vorzeichen wäre auch mit Sinn und Zweck des § 18d SGB IV nicht vereinbar. Wie das BSG in seinem Urteil vom 17.04.2008 (B 13/4 R 41/06 R, SozR 4-2400 § 18d Nr 1, juris) ausgeführt hat, liegt in der aufschiebenden Berücksichtigung einer Einkommensminderung ein Eingriff in den ansonsten bestehenden und durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Anspruch auf Witwenrente. Dieser Eingriff lässt sich allenfalls durch Gesichtspunkte der Verwaltungsvereinfachung rechtfertigen (BSG, a.a.O., juris Rn. 12f). Bei einer bereits berücksichtigten Änderung zugunsten der Klägerin stehen der Weitergeltung keine erkennbaren verwaltungstechnischen Schwierigkeiten entgegen. Es ist vielmehr die in § 18d Abs. 2 SGB IV erkennbare Wertung des Gesetzgebers, dass bei einer wesentlichen Änderung (über 10%) eine "vorzeitige" Änderung vorgenommen werden kann und insoweit die Gründe der Verwaltungsvereinfachung zurückgestellt werden, weiter zur Geltung zu bringen.
Die Auffassung der Beklagten, dass bei einer bereits nach § 18d Abs. 2 SGB IV berücksichtigten Einkommensminderung das laufende Einkommen zum 1. Juli nur dann zu berücksichtigen ist, wenn dieses voraussichtlich um durchschnittlich 10 vom Hundert geringer ist als das nach dem Kalenderjahresdurchschnitt des Vorjahrs ermittelte Einkommen, ergibt sich nicht aus dem Gesetzeswortlaut - auch nicht aus dem Wortlaut des § 18b Abs. 3 Satz 1 oder 2 SGB IV, weil dessen Voraussetzungen nicht vorliegen, wie die Klägerin zutreffend ausgeführt hat. Die Beklagte hat aber offenbar selbst erkannt, dass die uneingeschränkte Anwendung des Wortlauts der §§ 18b Abs. 1 und 2 SGB IV in Fällen, in denen nach § 18d Abs. 2 SGB IV ein vermindertes Einkommen berücksichtigt wurde, zu Ergebnissen führt, die mit Sinn und Zweck der §§ 18d, 18b SGB IV nicht mehr vereinbar sind. Die Beklagte hat deshalb offensichtlich eine unbewusste Regelungslücke angenommen, die sie durch eine analoge Anwendung des § 18b Abs. 3 Satz 2 SGB IV schließen will.
Sie berücksichtigt deshalb in Fällen einer vorherigen Einkommensminderung nach § 18d Abs. 2 SGB IV - entgegen dem Wortlaut des § 18d Abs. 1 i.V. mit § 18b Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 SGB IV - das laufende Einkommen nach § 18b Abs. 3 Satz 2 SGB IV dann, wenn dieses um wenigstens 10 % geringer ist als durchschnittliche monatliche Einkommen des letzten Kalenderjahres. Diese Auslegung wird jedoch der Rechtslage nicht gerecht (s.o.).
Wenn die Beklagte schon von einer unbewussten Regelungslücke ausgeht, so müsste diese - entgegen der Auffassung der Beklagten - nicht durch analoge Anwendung des § 18b Abs. 3 Satz 2 SGB IV, sondern des § 18b Abs. 3 Satz 1 SGB IV zu schließen sein. Denn wegen der zuvor bereits nach § 18d Abs. 2 SGB IV berücksichtigten Änderung kann es für die erneute Änderung nicht mehr auf das Einkommen im letzten Kalenderjahr ankommen, sondern nur auf das seit der Änderung berücksichtigte laufende Einkommen.
Der Einkommensanrechnung ab Juli 2002 war deshalb - wie das SG im Ergebnis zutreffend entschieden hat - nicht das Arbeitsentgelt des Jahres 2001, sondern das laufende Einkommen (Juli 2002) zugrunde zu legen, das insofern wiederum von der im November 2001 berücksichtigten Änderung abweicht, als auch die Sonderzuwendung (vgl. § 18b Abs. 3 Satz 2 2. Halbsatz; § 18d Abs. 2 Satz 2 SGB IV) und statt eines Abzugs von 35% nunmehr ein Abzug von 40% (Änderung des § 18b Abs. 5 SGB IV) zu berücksichtigen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
vom 30. April 2009 wird verworfen.
II. Die Beklagte erstattet der Klägerin die außergerichtlichen Kosten
des Verfahrens.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Höhe der Anrechnung von Erwerbseinkommen auf die Witwenrente der Klägerin.
Die 1950 geborene Klägerin bezieht von der Beklagten aus der Versicherung ihres am 09.06.1997 verstorbenen Ehemannes eine Witwenrente, auf die nach Maßgabe des § 97 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) i. V. mit den §§ 18a ff. des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) das Arbeitsentgelt aus der von der Klägerin ausgeübten versicherungspflichtigen Beschäftigung angerechnet wird.
Mit Schreiben vom 07.12.2001 beantragte die Klägerin die Erhöhung der Witwenrente, weil sich ihr Arbeitsentgelt wegen der Absenkung der tarifvertraglichen Gehaltsansprüche um 5 % und des Wegfalls des Weihnachts- und Urlaubsgeldes verringert habe. Die Beklagte erhöhte daraufhin nach § 18d Abs. 2 SGB IV die Witwenrente ab 01.11.2001 mit Bescheid vom 13.02.2002, weil das ab November 2001 zu berücksichtigende monatliche Einkommen von 5.232,12 DM (Bruttoentgelt) abzüglich 35 % davon (= Abzugsbetrag nach § 18b Abs. 5 SGB IV in der damaligen Fassung) = 3.400,88 DM (Nettoentgelt) um wenigstens 10 % geringer sei als das bisher berücksichtigte Einkommen von 3.871.86 DM. Der Anrechnungsbetrag i.S. des § 97 SGB VI verringerte sich dabei von 1.025,92 DM auf 837,53 DM.
Auf Nachfrage der Beklagten gab der Arbeitgeber die Auskunft, dass das Bruttoarbeitsentgelt ohne Sonderzuwendung im Monat Juli 2002 2675,21 EUR betrage. Zu der Frage nach jährlichen Sonderzuwendungen findet sich die Angabe: "1317,67 EUR/Mai 2002".
Mit Bescheid vom 24.06.2002 setzte die Beklagte die Witwenrente im Zusammenhang mit der Rentenanpassung auf Grund der Erhöhung des aktuellen Rentenwerts für die Zeit ab 01.07.2002 neu fest. Für die Einkommensanrechnung berücksichtigte sie dabei das sich aus dem Erwerbseinkommen des Kalenderjahres 2001 ergebende monatliche (nach § 18b Abs. 5 SGB IV in der ab 01.01.2002 geltenden Fassung um 40 % geminderte) Einkommen von 1.756,02 Euro (entsprechend 3.434,48 DM). Das zuletzt festgestellte Einkommen für Juli 2002 in Höhe von 1.671,01 Euro sei nicht heranzuziehen, weil es nicht um wenigstens 10 % geringer als das monatliche Einkommen aus dem Kalenderjahr 2001 sei. Der Anrechnungsbetrag erhöhte sich daraufhin von bisher 428,22 Euro auf 429,33 Euro. Insgesamt betrug der monatliche Zahlbetrag der Rente 495,64 EUR.
Gegen den Bescheid vom 24.06.2002 erhob die Klägerin mit Schreiben vom 12.07.2002 Widerspruch und führte zur Begründung insbesondere aus, dass bei der Berechnung von Einkommensänderungen nach § 18d Abs. 1 SGB IV die 10 %-Grenze des § 18d Abs. 2 SGB IV nicht zu prüfen sei. Zu berücksichtigen sei deshalb das vom Arbeitgeber am 10.06.2002 bestätigte monatliche Bruttoarbeitsentgelt von 2.675,21 Euro.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29.10.2002 zurück, im Wesentlichen mit der Begründung, dass nach § 18d Abs. 1 i.V. mit § 18b Abs. 2 SGB IV als maßgebendes Einkommen i.S. des § 18b Abs. 1 SGB IV das im letzten Kalenderjahr (also das im gesamten Jahr 2001) erzielte Einkommen gelte - auch dann, wenn sich in den letzten Monaten dieses Kalenderjahrs das Arbeitsentgelt um wenigstens 10 % verringert habe.
Mit der Klage beim Sozialgericht München vom 11.11.2002 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin weiter geltend gemacht, dass bei der Einkommensanrechnung ein monatlich gemindertes Bruttoarbeitsentgelt von 2.675,21 zugrunde zu legen sei. Grundsätzlich sei das anzurechnende Einkommen nach § 18b SGB IV zu ermitteln, sofern keine Änderungen in den Einkommensverhältnissen erkennbar seien. Eine vor der jährlichen Rentenanpassung eingetretene Einkommensänderung sei nach § 18d Abs. 1 und Abs. 2 SGB IV zu beurteilen. Dabei gelte der Grundsatz, dass die Einkommensänderung (Erhöhung oder Minderung) nach § 18d Abs. 1 SGB IV erst vom Zeitpunkt der nächsten Rentenanpassung an zu berücksichtigen sei. Ein Ausnahmefall sei die Einkommensminderung um wenigstens 10% bezogen auf das bisher berücksichtigte Einkommen. Diese Minderung könne nach § 18d Abs. 2 SGB IV bereits vom Zeitpunkt ihres Eintritts an berücksichtigt werden. Es handele sich um eine vorzeitig anerkannte und ununterbrochen fortdauernde Einkommensminderung. Spätestens zur nächsten Rentenanpassung müsse auch eine Einkommensminderung, die nicht die 10%-Grenze überschreite, berücksichtigt werden.
Mit Urteil vom 30.04.2009 hat das Sozialgericht München die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 24.06.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.10.2002 verurteilt, für die Zeit der Gewährung der Witwenrente ab der Rentenanpassung vom 01.07.2002 nach § 18d SGB IV in der Fassung vom 01.07.2001 bei der Ermittlung der Höhe der Einkommensanrechnung auf die Witwenrente ein monatlich gemindertes Bruttoarbeitsentgelt von 2.675,21 Euro zugrunde zu legen.
Die Beklagte habe den Unterschied zwischen dem aktuellen Einkommen für die Zeit ab 01.07.2002 und dem Einkommen des Jahres 2001 durch nochmalige Anwendung der 10 %-Klausel für nicht relevant erklärt und auf diese Weise das Einkommen des Jahres 2001 für weiterhin maßgeblich erachtet, obwohl doch in zehn von zwölf Monaten dieses Jahres ein Einkommen erzielt worden sei, das seit November 2001 gerade nicht mehr erzielt worden sei. Der Fehler bestehe in der rechtssystematisch unverständlichen Anwendung der 10 %-Klausel aus § 18d Abs. 2 SGB IV in Absatz 1 der Vorschrift, also in der Übernahme der besonderen Hürde einer Ausnahmevorschrift in die regelmäßig anzuwendende Vorschrift. Die 10 %-Klausel sei jedoch genau nach Gesetzeswortlaut auf die mittels Antrag einzuleitenden Bedarfsänderungen außerhalb des Anpassungsrhythmus beschränkt.
Gegen das am 10.07.2009 zugestellte Urteil des Sozialgerichts München hat die Beklagte am 07.08.2009 Berufung eingelegt mit den Anträgen, das Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat sie u.a. ausgeführt, dass entgegen der Annahme des Erstgerichts der bei der Anpassung zum 01.07.2002 vorgenommene 10 %-Vergleich nicht auf der Grundlage des § 18d Abs. 2 SGB IV erfolgt sei, sondern auf § 18b Abs. 3 SGB IV beruhe, denn bei jeder Einkommensüberprüfung zum 1. Juli sei im Ergebnis § 18b Abs. 3 SGB IV wie bei dem erstmaligen Zusammentreffen der Rente mit Erwerbseinkommen anzuwenden. Werde für einen Bezieher von Erwerbseinkommen das laufende monatliche Einkommen berücksichtigt (z.B. weil das laufende Erwerbseinkommen um wenigstens 10 % geringer war als das bisher berücksichtigte Erwerbseinkommen), sei bei dem unmittelbar darauf nächstfolgenden Juli das Einkommen zunächst nach § 18b Abs. 2 SGB IV zu ermitteln. Als monatliches Einkommen gelte danach das im letzten Kalenderjahr erzielte Einkommen (§ 18b Abs. 2 Satz 1 SGB IV). Alternativ hierzu sei vom laufenden Erwerbs-einkommen auszugehen, wenn dieses voraussichtlich um durchschnittlich 10 vom Hun-dert geringer sei als das nach dem Kalenderjahresdurchschnitt ermittelte Einkommen. Der Rückgriff auf das letzte Kalenderjahr solle sicherstellen, dass Einkommensschwankungen wie sie für Erwerbseinkommen typisch seien, ausgeglichen würden und einmalige Einkommen angemessen berücksichtigt würden. § 18d Absatz 1 erster Halbsatz SGB IV könne nicht dazu führen, dass das aktuell bezogene Einkommen berücksichtigt werde, denn diese Regelung verweise auf die Rentenanpassung (ab 01.07.). Dieser Verweis könne sich nur auf eine Einkommensänderung beziehen, die nach diesem Termin eingetreten sei.
Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 30.08.2009 die Zurückweisung der Berufung beantragt und zur Begründung insbesondere ausgeführt, dass § 18b Abs. 3 SGB IV nicht anwendbar sei, weil alle Voraussetzungen dieser Bestimmung (kein Erwerbseinkommen oder nur Erwerbsersatzeinkommen im letzten Kalenderjahr, § 18b Abs. 3 Satz 1; erstmalige Feststellung der Rente, § 18b Abs. 3 Satz 2 SGB IV) nicht erfüllt seien. Die Einkommensanrechnung ab Juli 2002 richte sich deshalb nur nach § 18d Abs. 1 i.V.m § 18b Abs. 1 und 2 SGB IV. Nach § 18d Abs. 1 SGB IV seien sowohl Einkommenserhöhungen als auch Einkommensminderungen im Vergleich zum bisher berücksichtigten Einkommen nach § 18b Abs. 1 bzw. Abs. 2 SGB IV zu berücksichtigen. Der Prozessbevollmächtigte weist auf das Urteil des BSG vom 17.04.2008 - B 13/4 R 41/06 R hin und will daraus ableiten, dass auch kleinere Minderungen des laufenden Einkommens spätestens einmal im Jahr zu berücksichtigen seien, auch wenn die Minderung nicht 10% betrage. Im Übrigen erklärt er, dass mit Bescheid vom 13.02.2002 ein geringeres zu berücksichtigendes Einkommen festgeschrieben worden sei.
Mit Schriftsätzen der Klägerin vom 17.05.2010, 19.08.2010 und 14.10.2010 sowie der Beklagten vom 12.08.2010, 21.09.2010 und 03.12.2010, auf die Bezug genommen wird, begründeten die Parteien ausführlich ihre unterschiedlichen Auffassungen.
Zuletzt hat die Beklagte auf richterliche Anforderung den Bescheid über die Einkommensanrechnung ab 01.07.2003 übersandt. Für die Einkommensanrechnung wird darin von dem Arbeitsentgelt für das Jahr 2002 ausgegangen.
Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 30.04.2009 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 24.Juni 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. Oktober 2002 abzuweisen.
Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung wird auf den Inhalt der Akte der Beklagten sowie der Akten des gerichtlichen Verfahrens verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist gemäß § 158 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als unzulässig zu verwerfen.
Gemäß § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro nicht übersteigt und keine Leistungen für mehr als ein Jahr betroffen sind.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes erreicht nicht 750 EUR.
Das SG hat entsprechend dem Antrag der Klägerin im Urteilstenor nur das der Einkommensanrechnung zugrunde zu legende Bruttoarbeitsentgelt von 2.675,21 EUR genannt. Bei einem unbezifferten Antrag, einem Feststellungsantrag oder einem Grundurteil nach § 130 SGG, bei dem eine Feststellung ggf. nur über einzelne Berechnungsfaktoren und nicht über die Höhe des Anspruchs getroffen wird, muss das Gericht den Wert des Beschwerdegegenstandes ermitteln (Leitherer in: Meyer/Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. § 144 Rn. 15a).
Gestritten wird hier im Kern um die Differenz zwischen dem die Rente mindernden Anrechnungsbetrag, den die Beklagte im angegriffenen Bescheid aus dem Bruttoeinkommen des Kalenderjahres 2001 errechnet hat (= 429,33 EUR), zu dem Betrag, der bei Zugrundelegung der Rechtsauffassung der Klägerin anzurechnen ist.
Bei der Berechnung des Betrags ist § 97 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI anzuwenden. Danach ist das Einkommen anrechenbar, das monatlich das 26,4 fache des aktuellen Rentenwerts von damals 25,86 EUR (= 682,70 EUR) übersteigt.
Bei Berücksichtigung des laufenden monatlichen Einkommens (2.675,21 EUR), auf das die Klägerin und auch der Tenor des Urteils sinngemäß abstellen, sind neben dem Bruttoarbeitsentgelt von 2.675,21 EUR zusätzlich auch Sonderzuwendungen mit einem Zwölftel (1.317,67 EUR: 12 = 109,80 EUR) zu berücksichtigen (vgl. §§ 18d Abs. 2 Satz 2, 18b Abs. 3 Satz 2 2. Halbsatz SGB IV). Bezüglich der Sonderzuwendung trifft der Tenor des Urteils zwar keine Aussage. Auch ohne entsprechenden Zusatz im Tenor des Grundurteils sind aber im Ergebnis Zahlungen in gesetzlicher Höhe zu leisten (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 130 Rn. 3a). Die Berücksichtigung der Sonderzuwendungen ist nach dem Vortrag der Beteiligten auch nicht strittig. Dies wird auch durch eine beim SG vorgelegte Bestätigung des Arbeitgebers vom 17.04.2009, wonach in den Jahren 2001, 2002 und 2003 kein "Weihnachtsgeld" gezahlt worden ist, nicht in Frage gestellt. Zum einen, weil es sich bei der bis Mai bereits gezahlten Sonderzuwendung kaum um das Weihnachtsgeld handeln dürfte, zum anderen, weil die Berücksichtigung der jährlichen Sonderzuwendung auf einer vorausschauenden Schätzung und Durchschnittsberechnung bei der Einkommensanrechnung beruht (vgl. Seewald, Kasseler Kommentar, § 18b SGB IV Rnr 19).
Das maßgebliche Einkommen (2.675,21 EUR + 109,80 EUR = 2.785,01) ist nach § 18b Abs. 5 SGB IV um 40% zu kürzen (60% v. 2.785,01 EUR = 1.671,01 EUR). Von dem nach § 97 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI verbleibenden anrechenbaren Einkommen (1671,01 EUR - 682,70 EUR = 988,31 EUR) werden nach § 97 Abs. 2 Satz 3 SGB VI 40 % angerechnet (= 395,32 EUR).
Je nach der vertretenen Rechtsauffassung kommt es demnach zu einem die monatliche Rentenleistung mindernden Anrechnungsbetrag von 429,33 EUR bzw. 395,32 EUR. Die Differenz beträgt 34,01 EUR.
Weitere rechtliche oder wirtschaftliche Folgewirkungen bleiben bei der Berechnung des Beschwerdegegenstands außer Ansatz (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 144 Rn. 15). Der Wert des Beschwerdegegenstandes ist lediglich nach dem Geldbetrag zu berechnen, um den unmittelbar gestritten wird (BSG, Beschluss v. 06.02.1997 - 14/10 BKg 14/96, SozR 3-1500 § 144 Nr 11, juris; BSG, Beschluss v. 31.01.2006 - B 11a AL 177/05 B). Daher ist nicht auch die - je nach Anrechnungsbetrag - unterschiedliche Höhe des Zuschusses zum Krankenkassen- bzw. Pflegeversicherungsbeitrag zum 01.07.2002 zu berücksichtigen (jeweils 7% bzw. 0,85% von dem um das anzurechnende Einkommen geminderten Rentenbetrag).
Es wird auch nicht um wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr gestritten. Dies ergibt sich daraus, dass der angegriffene Bescheid vom 24.06.2002 unter Berücksichtigung von § 18d Abs. 1 SGB IV nur den Zeitraum bis zur nächsten Rentenanpassung abdeckt. Aufgrund der Rechtsauffassung der Beklagten war abzusehen, dass sie das im Jahr 2002 gegenüber dem Vorjahr verringerte Entgelt jedenfalls bei der nächsten Rentenanpassung zum 01.07.2003 unter Anwendung des § 18b SGB IV berücksichtigen würde. Der vorgelegte Bescheid vom 19.05.2003 bestätigt dies: Bei der Berechnung des anzurechnenden Einkommens ab 01.07.2003 hat die Beklagte das Arbeitsentgelt für 2002 zugrunde gelegt. Strittig ist damit nur der Zeitraum vom 01.07.2002 bis zum 30.06.2003.
Der Wert des Beschwerdegegenstands beträgt daher 408,12 EUR (12 x mtl. Differenz der Anrechungsbeträge 34,01 EUR).
Das SG hat die Berufung auch nicht rechtswirksam zugelassen. Denn die im Ergebnis unzutreffende Rechtsmittelbelehrung, die Berufung sei zulässig, ist keine Entscheidung über die Zulassung. Legt ein Beteiligter entsprechend der Belehrung Berufung ein, ist diese unzulässig und es bleibt beim Grundsatz, dass das Landessozialgericht nicht über die Zulassung der Berufung entscheiden darf, weil eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht vorliegt. Eine Auslegung oder Umdeutung der Berufung in eine Nichtzulassungsbeschwerde kommt nicht in Betracht, weil der Kläger der falschen Rechtsmittelbelehrung folgend wirklich Berufung einlegen wollte (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 144, Rn. 45; ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, vgl. BSG, Urteil v. 20.05.2003 - B 1 KR 25/01 - SozR 4-1500 § 158 Nr 1).
Im Übrigen wäre die Berufung auch unbegründet gewesen. Der Senat sieht sich angesichts der Verfahrenslänge ausnahmsweise zu folgenden - das Urteil nicht tragenden - Hinweisen in der Sache veranlasst.
Die Auffassung der Beklagten, dass bei der Berücksichtigung von Einkommensänderungen zum 1. Juli eines jeden Jahres als monatliches Einkommen das im letzten Kalenderjahr erzielte durchschnittliche monatliche Einkommen gilt, mag grundsätzlich dem Wortlaut des § 18d Abs. 1 i. V. mit § 18b Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 SGB IV entsprechen. Dies kann aber nach Ansicht des Senats jedenfalls nicht für den Fall gelten, dass seit der letzten Rentenanpassung eine Minderung des Einkommens bereits nach § 18d Abs. 2 SGB IV berücksichtigt worden ist.
Eine solche durch Bescheid umgesetzte verminderte Einkommensanrechnung richtet sich nach § 18d Abs. 2 SGB IV daran aus, ob das laufende Einkommen im Durchschnitt voraussichtlich um wenigstens 10% geringer ist als das (bisher) berücksichtigte Einkommen. Das bisher berücksichtigte Einkommen ist mit dem nach § 18b Abs. 2 Satz 1 SGB IV bezeichneten Zeitraum nicht identisch.
Das zeigt sich z.B. wenn - wie im vorliegenden Fall - nur vom vorletzten Monat des letzten Kalenderjahres an ein geringeres Entgelt erzielt wird. Hat sich beispielsweise ab November des letzten Kalenderjahres das bisherige Entgelt von monatlich 3.000 Euro auf den Betrag von 2.690 Euro verringert, dann ist ab November dieses Kalenderjahrs das laufende Entgelt von 2.690 Euro zu berücksichtigen, weil es um wenigstens 10 % geringer ist als das bisherige monatliche Einkommen von 3.000 Euro (§ 18d Abs. 2 SGB IV). Das laufende monatliche Einkommen von 2.690 Euro ist aber nicht um wenigstens 10 % geringer als das durchschnittliche monatliche Einkommen des Vorjahres (10 x 3.000 Euro
+ 2 x 2.690 Euro = 35.380 Euro/12 = 2.948,33 Euro - 294,83 Euro = 2.653,50 Euro).
Die ausnahmsweise vorzeitige - d.h. vor der nächsten Rentenanpassung - vorgenommene Berücksichtigung einer Einkommensminderung nach eigenen Berechnungsregeln würde unterlaufen, wenn die Beklagte zur nächsten Rentenanpassung (01.07.) wieder eine neue Berechnung mit der Bezugsgröße des letzten Kalenderjahres vornehmen und Änderungen des laufenden Einkommens nur bei Überschreitung der 10%-Hürde berücksichtigen könnte. Gegen diese Auslegung der Beklagten sprechen insbesondere der Wortlaut sowie Sinn und Zweck des § 18d SGB IV unter Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Aspekte.
§ 18d Abs. 1 Satz 1 SGB IV regelt die Berücksichtigung von "Einkommensänderungen". Einkommensänderungen sind Abweichungen des Einkommens von dem jeweils zuletzt berücksichtigten Einkommen (Seewald: in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, 71. Ergänz.lief. 2011, § 18d Rn. 2; Mette in: Beck´scher Online Kommentar, § 18d, Rn. 7; Jürgen Winkler, SGB IV, § 18d Rn.5). Aus dem so verstandenen Begriff der "Einkommensänderung" kann daher bereits abgeleitet werden, dass dann, wenn eine Einkommensänderung bereits nach § 18d Abs. 2 SGB IV berücksichtigt worden ist, nur noch Änderungen, die danach und im Vergleich dazu eintreten, nach § 18d Abs. 1 SGB IV zu berücksichtigen sind. Zu einer umfassenden Neuberechnung wie bei der erstmaligen Feststellung der Rente nach § 18b Abs. 3 besteht insoweit kein Anlass mehr.
Dies wird durch die Überlegung gestützt, dass § 18d SGB IV eine Sonderregelung zu § 48 SGB X ist (Seewald, Kasseler Kommentar, a.a.O., § 18d Rn. 5; s. auch BT-Drs. 500/84 S. 47 zu § 18d). Während § 48 Abs. 1 Nr. 1 SGB X eine Änderung zugunsten des Betroffenen grundsätzlich ab dem Zeitpunkt der Änderung vorsieht, führen Einkommensminderungen nur dann zu einer zeitnahen Berücksichtigung nach § 18d Abs. 2 SGB IV, wenn das bisher berücksichtigte Einkommen um 10 v.H. höher war als das laufende Einkommen. Die 10%-Hürde bedeutet insofern bereits eine Erschwerung gegenüber § 48 SGB X. Es ist aber aus Wortlaut und Systematik nicht ersichtlich, dass einem Verwaltungsakt nach § 18d SGB Abs. 2 IV - anders als nach § 48 SGB X - nur eine zeitlich beschränkte Bindungswirkung hinsichtlich der berücksichtigten Änderung zukommen soll.
Eine erneute Betrachtung derselben Einkommensänderung unter geänderten Vorzeichen wäre auch mit Sinn und Zweck des § 18d SGB IV nicht vereinbar. Wie das BSG in seinem Urteil vom 17.04.2008 (B 13/4 R 41/06 R, SozR 4-2400 § 18d Nr 1, juris) ausgeführt hat, liegt in der aufschiebenden Berücksichtigung einer Einkommensminderung ein Eingriff in den ansonsten bestehenden und durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Anspruch auf Witwenrente. Dieser Eingriff lässt sich allenfalls durch Gesichtspunkte der Verwaltungsvereinfachung rechtfertigen (BSG, a.a.O., juris Rn. 12f). Bei einer bereits berücksichtigten Änderung zugunsten der Klägerin stehen der Weitergeltung keine erkennbaren verwaltungstechnischen Schwierigkeiten entgegen. Es ist vielmehr die in § 18d Abs. 2 SGB IV erkennbare Wertung des Gesetzgebers, dass bei einer wesentlichen Änderung (über 10%) eine "vorzeitige" Änderung vorgenommen werden kann und insoweit die Gründe der Verwaltungsvereinfachung zurückgestellt werden, weiter zur Geltung zu bringen.
Die Auffassung der Beklagten, dass bei einer bereits nach § 18d Abs. 2 SGB IV berücksichtigten Einkommensminderung das laufende Einkommen zum 1. Juli nur dann zu berücksichtigen ist, wenn dieses voraussichtlich um durchschnittlich 10 vom Hundert geringer ist als das nach dem Kalenderjahresdurchschnitt des Vorjahrs ermittelte Einkommen, ergibt sich nicht aus dem Gesetzeswortlaut - auch nicht aus dem Wortlaut des § 18b Abs. 3 Satz 1 oder 2 SGB IV, weil dessen Voraussetzungen nicht vorliegen, wie die Klägerin zutreffend ausgeführt hat. Die Beklagte hat aber offenbar selbst erkannt, dass die uneingeschränkte Anwendung des Wortlauts der §§ 18b Abs. 1 und 2 SGB IV in Fällen, in denen nach § 18d Abs. 2 SGB IV ein vermindertes Einkommen berücksichtigt wurde, zu Ergebnissen führt, die mit Sinn und Zweck der §§ 18d, 18b SGB IV nicht mehr vereinbar sind. Die Beklagte hat deshalb offensichtlich eine unbewusste Regelungslücke angenommen, die sie durch eine analoge Anwendung des § 18b Abs. 3 Satz 2 SGB IV schließen will.
Sie berücksichtigt deshalb in Fällen einer vorherigen Einkommensminderung nach § 18d Abs. 2 SGB IV - entgegen dem Wortlaut des § 18d Abs. 1 i.V. mit § 18b Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 SGB IV - das laufende Einkommen nach § 18b Abs. 3 Satz 2 SGB IV dann, wenn dieses um wenigstens 10 % geringer ist als durchschnittliche monatliche Einkommen des letzten Kalenderjahres. Diese Auslegung wird jedoch der Rechtslage nicht gerecht (s.o.).
Wenn die Beklagte schon von einer unbewussten Regelungslücke ausgeht, so müsste diese - entgegen der Auffassung der Beklagten - nicht durch analoge Anwendung des § 18b Abs. 3 Satz 2 SGB IV, sondern des § 18b Abs. 3 Satz 1 SGB IV zu schließen sein. Denn wegen der zuvor bereits nach § 18d Abs. 2 SGB IV berücksichtigten Änderung kann es für die erneute Änderung nicht mehr auf das Einkommen im letzten Kalenderjahr ankommen, sondern nur auf das seit der Änderung berücksichtigte laufende Einkommen.
Der Einkommensanrechnung ab Juli 2002 war deshalb - wie das SG im Ergebnis zutreffend entschieden hat - nicht das Arbeitsentgelt des Jahres 2001, sondern das laufende Einkommen (Juli 2002) zugrunde zu legen, das insofern wiederum von der im November 2001 berücksichtigten Änderung abweicht, als auch die Sonderzuwendung (vgl. § 18b Abs. 3 Satz 2 2. Halbsatz; § 18d Abs. 2 Satz 2 SGB IV) und statt eines Abzugs von 35% nunmehr ein Abzug von 40% (Änderung des § 18b Abs. 5 SGB IV) zu berücksichtigen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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