L 5 RJ 35/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 2 RJ 668/99 A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 RJ 35/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 8. September 2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Versichertenrente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Der am 1943 geborene Kläger mit Wohnsitz in Mazedonien hat nach seinen Angaben im ehemaligen Jugoslawien in 3-4 Monaten den Beruf eines Lastwagenfahrers erlernt. In Deutschland war er ab 12.04.1973 für 118 Beitragsmonate versicherungspflichtig beschäftigt, zuletzt (17.10.1974 - 31.03.1983) als Monteur in der LKW-Bandmontage bei der Firma I. AG in Ulm. Nach Rückkehr in sein Heimatland sind Versicherungszeiten vom 01.10.1986 bis 04.04.1996 verzeichnet. Von 12/84 bis 9/86 war er arbeitslos. Den ersten Rentenantrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 17.03.1997 ab.

Auf Antrag vom 08.10.1997 ließ die Landesversicherungsanstalt (LVA) Niederbayern-Oberpfalz den Kläger auf chirurgischem Gebiet untersuchen und begutachten. Mit Bescheid vom 29.10.1998 lehnte die LVA den Antrag ab. Trotz der vorliegenden Gesundheitsstörungen (wirbelsäulenabhängige Beschwerden bei Abnutzungserscheinungen, Abnutzungserscheinungen an den Hüftgelenken und leichte restriktive Ventilationsstörung ohne Beeinträchtigung des Gasaustausches) sei der Kläger noch in der Lage, mittelschwere Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mit qualitativen Einschränkungen (ohne länger andauernde Zwangshaltungen und ohne häufiges Bücken) vollschichtig zu verrichten. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 19.02.1999 zurückgewiesen.

Vor dem Sozialgericht (SG) Landshut hat der Kläger im Wesentlichen vorgetragen, ihm stehe seit 08.10.1997 Invalidenrente in Mazedonien zu. Sein Gesundheitszustand habe sich noch verschlechtert, so dass er auch in Deutschland Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit habe.

Im Auftrag des SG haben die Ärztin für Psychiatrie Dr. M. und die Ärztin Dr. T. den Kläger im September 2000 untersucht und begutachtet. Als Gesundheitsstörungen werden aufgeführt: Funktionseinschränkung der Wirbelsäule bei degenerativen Veränderungen mit pseudoradikulären Reizerscheinungen, cervikogener Kopfschmerz, Funktionseinschränkung der Hüftgelenke, Verdacht auf Polyneuropathie unklarer Genese, reaktive Depression und chronische Emphysembronchitis sowie nebenbefundlich eine Fettstoffwechselstörung und eine leichte Schwerhörigkeit. Leichte Arbeiten in Wechselhaltung könnten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig verrichtet werden. Unzumutbar seien Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten, mit häufigem Bücken, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, in Zwangshaltung sowie mit besonderen Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit.

Durch Urteil vom 08.09.2000 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger sei weder berufs- noch erwerbsunfähig. Er könne noch vollschichtig auf dem für ihn maßgeblichen allgemeinen Arbeitsmarkt leichte Arbeiten verrichten. Als Montagehelfer und damit ungelernter Arbeiter stehe ihm kein Berufsschutz zu.

Gegen das am 01.11.2000 zugestellte Urteil des SG richtet sich die Berufung des Klägers. Er sei nach allen fachärztlichen Untersuchungen und ärztlichen Attesten arbeitsunfähig; er habe Anspruch auf Rente.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Landshut vom 08.09.2000 sowie des Bescheides der Beklagten vom 19.02.1999 zu verurteilen, ihm ab Antragstellung (08.10.1997) Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 08.09.2000 zurückzuweisen.

Die Beklagte hat mitgeteilt, dass die Zahlung freiwilliger Beiträge für die Zeit von 01.12.1984 - 30.09.1986 sowie für die Zeit ab 01.05.1996 zulässig sei. Falls eine Leistung wegen verminderter Erwerbsfähigkeit anerkannt werde, sei die tatsächliche Zahlung von freiwilligen Beiträgen nicht erforderlich. Im anderen Fall werde der Kläger erneut aufgefordert, zur Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes freiwillige Beiträge zu entrichten.

Zur Aufklärung des Sachverhalts hat der Senat eine Arbeitgeberauskunft der Firma I. AG eingeholt. Danach war der Kläger als Monteur in der LKW-Bandmontage bei einer Anlernzeit von 6 Monaten beschäftigt. Die Entlohnung erfolgte nach Manteltarifvertrag Südwestmetall bei Beginn in Lohngruppe 050, bei Austritt in Lohngruppe 070.

Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Prozessakten beider Rechtszüge sowie die Verwaltungsakten der Beklagten.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Zutreffend hat das SG entschieden, dass dem Kläger ein Anspuch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht zusteht.

Der Anspruch des Klägers auf Versichertenrente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit ist wegen der Antragstellung vor dem 31.03.2001 (hier am 08.10.1997) an den Vorschriften des SGB VI in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung (a.F.) zu messen, da geltend gemacht ist, dass dieser Anspruch bereits seit einem Zeitpunkt vor dem 01.01.2001 besteht, vgl. § 300 Abs. 2 SGB VI. Für den Anspruch des Klägers sind aber auch die Vorschriften des SGB VI in der ab 01.01.2001 geltenden Fassung (n.F.) maßgebend, soweit sinngemäß auch (hilfsweise) vorgetragen ist, dass jedenfalls ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung seit einem Zeitpunkt nach dem 31.12. 2000 gegeben sei, vgl. § 300 Abs. 1 SGB VI.

Rechtsgrundlage sind die §§ 43, 44 SGB VI (a.F.). Neben der allgemeinen Wartezeit sind die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Antragstellung in Übereinstimmung mit der Beklagten nach § 43 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3, § 44 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 SGB VI (a.F.) erfüllt.

Der Senat weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung des SG als unbegründet zurück und sieht daher - insbesondere was die dort aufgeführten Gesundheitsstörungen, die Beurteilung des gesundheitlichen Leistungsvermögens sowie die qualitativen Leistungseinschränkungen und damit das Vermögen zur Ausübung einer Berufstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt betrifft - bis auf die folgenden Ausführungen von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe nach § 153 Abs. 2 SGG ab.

Auch der Senat ist nach Würdigung der überzeugenden und schlüssigen Ausführungen der vor dem SG gehörten Sachverständigen Dres. M. und T. zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes in Wechselhaltung besitzt. Bei den vorliegenden Gesundheitsstörungen (Funktionseinschränkung der Wirbelsäule bei degenerativen Veränderungen mit pseudoradikulären Reizerscheinungen, cervikogener Kopfschmerz, Funktionseinschränkung der Hüftgelenke, Verdacht auf Polyneuropathie unklarer Genese, reaktive Depression und chronische Emphysembronchitis) ist das festgestellte Leistungsvermögen unter Berücksichtigung qualitativer Leistungseinschränkungen (keine Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten, mit häufigem Bücken, keine Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, in Zwangshaltung sowie mit besonderen Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit) von den Sachverständigen schlüssig begründet.

Mögliche Defizite im Beweisergebnis gehen zu Lasten des Klägers. Er hat seine Berufung nicht substantiiert begründet. Er trägt lediglich vor, er sei arbeitsunfähig, das Urteil des SG sei falsch, er begehre Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Eine weitere Begründung ist nicht erfolgt, auch nicht nach Ladung zur mündlichen Verhandlung. Ärztliche Atteste, die eine Verschlechterung seines gesundheitliche Zustandes belegen könnten, hat der Kläger nicht vorgelegt. Zu einer erneuten medizinischen Sachaufklärung sieht sich der Senat daher nicht gedrängt. Die sich hieraus ergebenden Folgen hat der Kläger zu tragen. Dies entspricht dem Grundsatz, dass jeder Beteiligte die Beweislast für die Tatsachen trägt, die den von ihm geltend gemachten Anspruch begründen (sog. objektive Beweislast, vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 6. Auflage 1998, § 103, Rn 13, 15, 18, 19 ff.).

Obwohl der Kläger seinen maßgeblichen Beruf als Montagearbeiter nicht mehr ausüben kann, ist er aber dennoch nicht berufsunfähig. Für die Annahme von Berufsunfähigkeit reicht es nämlich nicht aus, wenn Versicherte ihren bisherigen Beruf nicht mehr ausüben können; vielmehr sind - wie sich aus § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI (a.F.) ergibt - Versicherte nur dann berufsunfähig, wenn ihnen auch die Verweisung auf andere Berufstätigkeiten aus gesundheitlichen Gründen oder sozial nicht mehr zumutbar ist (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. u.a. SozR 2200 1246 RVO Nr. 138).

Nach dem vom BSG entwickelten Mehr-Stufen-Schema (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 RVO Nr. 138 und 140) ist der Kläger der Gruppe mit dem Leitberuf des angelernten Arbeiters, und zwar des unteren Bereichs (Ausbildungs- oder Anlernzeit von 3 Monaten bis zu einem Jahr, vgl. BSG-Urteil vom 29.03.1994 - 13 RJ 35/93 = SozR 3-2200 § 1246 RVO Nr. 45), zuzuordnen.

So hat der Kläger in seiner Auskunft vom 05.06.1994 gegenüber dem SG eine Facharbeitertätigkeit und eine Anlernzeit in Deutschland verneint. Dem entspricht die Auskunft des Arbeitgebers vom 02.10.2001, wonach der Kläger angelernte Tätigkeiten mit einer Anlernzeit bis 6 Monate verrichtet habe. Die Einstufung nach Lohngruppe 050 des Manteltarifvertrags Südwestmetall bei Eintritt geht von einer Anlernzeit von 10 bis 12 Wochen aus. Die Höhergruppierung bis Lohngruppe 070 ist erfolgt, weil Arbeiten mit erschwerenden Belastungen auszuführen waren.

Der Kläger kann daher auf alle gesundheitlich und sozial verträglichen Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes auch außerhalb seiner bisherigen Berufstätigkeiten verwiesen werden.

Eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung, die ausnahmsweise die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit bei Versicherten, die der Gruppe mit dem Leitberuf des angelernten Arbeiters im unteren Bereich bzw. des ungelernten Arbeiters zuzuordnen sind, erforderlich machen würde, liegen beim Kläger nicht vor. So erscheinen die Leistungseinschränkungen in ihrer Mehrzahl nicht geeignet, das Feld körperlich leichter Arbeiten zusätzlich wesentlich einzuengen. Insbesondere ist die Umstellungsfähigkeit nach Ansicht der Sachverständigen Dr. M. durch die reaktiven Depression und die Schmerzsymptomatik zwar eingeschränkt, der Kläger kann sich jedoch noch auf einfachere, weniger qualifizierte Tätigkeiten als die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Montagearbeiter umstellen. Die dem Kläger zumutbaren Arbeiten sind unter den betriebsüblichen Bedingungen möglich, Einschränkungen hinsichtlich der Wegefähigkeit bzw. zusätzlicher Pausen bestehen nicht.

Zudem hat der Große Senat des BSG entschieden (vgl. Beschluss vom 19.12.1996, GS 2/95, in: SozR 3-2600 § 44 SGB VI Nr. 8), dass der Katalog zur Verschlossenheit des Arbeitsmarktes insbesondere bei älteren, arbeitslosen, ungelernten bzw. angelernten Versicherten keiner Erweiterung bedarf. Das Risiko, ob der Kläger auf eine seinem verbliebenen Leistungsvermögen entsprechende Arbeitsstelle vermittelt werden kann, fällt in den Risikobereich der Arbeitslosenversicherung (vgl. schon BSGE 56, 69; 44, 39).

Auch nach dem ab 01.01.2001 geltenden Recht des SGB VI (vgl. §§ 43, 240 SGB VI n.F.) hat der Kläger keinen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung, da hiernach - wie bisher - ein Rentenanspruch jedenfalls dann ausgeschlossen ist, wenn ein Versicherter - wie der Kläger - einen zumutbaren anderen Beruf als den bisherigen vollschichtig ausüben kann.

Der Anspruch des Klägers auf Invaliditätsleistungen nach dem Recht seines Herkunftsstaates führt nicht zu deutschen Rentenleistungen. Denn das auf den Kläger anwendbare zwischenstaatliche Sozialversicherungsabkommen enthält keine Bestimmungen über die gegenseitige Anerkennung der in einem Vertragsstaat festgestellten "Invalidität". Damit richten sich die Voraussetzungen einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ausschließlich nach den innerstaatlichen (hier: deutschen) Rechtsvorschriften desjenigen Vertragsstaates, aus dessen Sozialversicherungssystem Leistungen begehrt werden.

Nach alledem hat der Kläger keinen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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