L 1 U 5021/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 3900/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 5021/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 11.10.2011 wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung und Entschädigung eines Arbeitsunfalls im Streit.

Der 1949 geborene Kläger kam am 24.03.2010 bei seiner Arbeit als Lagerist zu Fall und verletzte sich beim Sturz auf die linke Hand am Mittelfinger und am Ringfinger. Im Durchgangsarztbericht des Prof. Dr. S. vom 29.03.2010 ist angegeben, dass der Kläger bei der Arbeit gestolpert und sich bei dem Versuch verletzt habe, sich mit der linken Hand abzufangen. Der Kläger selbst gab am 21.03.2010 gegenüber der Beklagten an, dass er aufgrund eines Schwächeanfalls zu Boden gefallen sei und sich dabei verletzt habe.

Mit Bescheid vom 16.04.2010 hat die Beklagte die Entschädigung des am 24.03.2010 erlittenen Körperschadens mit der Begründung abgelehnt, dass kein Arbeitsunfall im Sinne des § 8 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) vorliege. Der während der Arbeit erlittene Schwächeanfall sei schicksalsbedingt und dem persönlichen Lebensbereich zuzuordnen.

Der deswegen am 23.04.2010 eingelegte Widerspruch wurde damit begründet, dass der Schwächeanfall aufgrund erhöhten Stresses im Betrieb des Klägers wegen einer ISO 9000 - Zertifizierung aufgetreten sei. Das gesamte Lager habe mit erheblich erhöhtem Aufwand und Arbeitseinsatz in die Lage versetzt werden müssen, die Iso-Zertifizierung zu bestehen. Der Schwächeanfall sei daher betrieblich verursacht und nicht aus innerer Ursache entstanden, was schon dadurch plausibel werde, dass dies bei dem Kläger noch nie vorgekommen sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22.07.2010 wurde der Widerspruch zurückgewiesen, da der Schwächeanfall des Klägers als innere Ursache zu werten sei. Eine erhöhte Arbeitsbelastung im Rahmen einer ISO-Zertifizierung erfülle keinen Umstand, welcher eine derart hohe Belastung darstelle, dass ein besonderer betrieblicher Umstand anzunehmen sei. Die alleinige Tatsache, dass die Beschwerden in einem zeitlichen Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit aufgetreten seien, rechtfertige nicht die Anerkennung eines Arbeitsunfalls.

Der Bevollmächtigte des Klägers hat am 29.07.2010 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Das SG hat am 16.11.2010 einen Erörterungstermin durchgeführt. Der Kläger hat in dem Termin bestätigt, dass ihm während seiner Tätigkeit auf der Laderampe schwarz vor Augen geworden sei und er dann hingefallen sei. Er sei direkt auf den Boden gestürzt und insbesondere nicht auf eine Kante oder auf ein Geländer. Er sei eine knappe Minute bewusstlos gewesen und sei danach von Kollegen aufgefunden worden, die den Notarzt benachrichtigt hätten. Auf Vorhalt des Durchgangsarztberichts, wonach er gestolpert sei und dann versucht habe sich mit der linken Hand abzufangen, hat der Kläger erklärt, dass er nicht gestolpert sei, sondern dass er alleine deswegen umgefallen sei, weil ihm schwarz vor Augen geworden sei. Seitdem sei er lediglich internistisch von Dr. T. in Waldkirch untersucht worden, der jedoch nichts festgestellt habe. Er vermute die Ursache für seinen Schwächeanfall in der ISO-Zertifizierung. Seine normale Arbeitszeit von 7.00 Uhr bis 16.00 Uhr habe im Zusammenhang mit der Vorbereitung für das Audit an mehreren Tagen bis 21.00 bzw. 21.30 Uhr abends ausgedehnt werden müssen. Diese lange Arbeitszeit habe sich "vielleicht" an zwei Arbeitstagen ergeben; es hätte aber auch schon vorher Arbeitstage mit deutlich verlängerter Arbeitszeit gegeben.

Der Bevollmächtigte des Klägers hat am 17.11.2010 eine weitere Klage beim SG zu dem Aktenzeichen S 9 U 6194/10 erhoben, mit welchem er eine Beweissicherung beantragt hat. Das Verfahren ist durch die Einholung eines handchirurgischen Sachverständigengutachtens vom 19.05.2011 beendet worden.

Das SG hat dann sachverständige Zeugenaussagen bei dem Internisten Dr. T. und dem Hausarzt Dr. E. eingeholt. Dr. T. hat am 28.12.2010 mitgeteilt, dass er den Kläger im Jahr 2010 lediglich einmal am 19.04.2010 zur Abklärung eines stattgehabten Kollapszustandes untersucht habe. Beim Kläger sei eine Verdickung der Muskulatur der linken Herzkammer festgestellt worden, welche jedoch nicht obstruktiv gewesen sei und nicht zur Erklärung des Schwächeanfalls habe dienen können. Ebenso wie die Echokardiographie hätten die Dopplersonographie der hirnzuführenden Gefäße und das Ruhe-EKG des Klägers keine Erklärungen für den Schwächeanfall des Klägers geben können. Der Hausarzt Dr. E. hat am 12.01.2011 mitgeteilt, dass der Kläger seit 1996 in seiner Behandlung und im Jahre 2010 lediglich am 21.05.2010, 07.06.2010 und 13.09.2010 in seiner Behandlung gewesen sei. Zur möglichen Verursachung des Sturzes hat Dr. E. keine Angaben gemacht.

Der ebenfalls angehörte Arbeitgeber des Klägers hat am 04.01.2011 mitgeteilt, dass der Kläger in den Monaten Februar und März 2010 je nach Schicht zwischen 6.30 Uhr und 21.20 Uhr gearbeitet habe. Der Kläger habe am 22.03.2010 (Montag) von 6.34 Uhr bis 14.06 Uhr und am 23.03.2010 von 7.00 Uhr bis 17.28 Uhr gearbeitet. Am Mittwoch, dem 24.03.2010, habe er dann von 7.00 Uhr bis 16.00 Uhr arbeiten sollen; der Unfall habe sich gegen 11.30 Uhr geeignet. Der Kläger sei während dieser Zeit täglich mit der Umsetzung der Zertifizierung betraut gewesen. Diese habe jedoch die normale Arbeitsleistung nicht wesentlich beeinträchtigt. Die Warenannahme sei in der Arbeitsplatzbeschreibung nunmehr konkretisiert worden und habe im Gegensatz zu früher sorgfältiger dokumentiert werden müssen. Auch sei bei der Durchführung der Wareneingangskontrolle (z. B. Temperaturkontrolle) mehr Sorgfalt vorausgesetzt worden. Es sei aufgrund dieser Sachlage nicht erkennbar, dass in der Umsetzung der Zertifizierung ein Grund für den Arbeitsunfall liegen könne.

Mit Urteil vom 11.10.2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Nach der Aussage des Klägers sei davon auszugehen, dass die Ursache des Sturzes das "Schwarz-vor-Augen-werden" und eine vorübergehende Ohnmacht des Klägers gewesen sei. Damit sei jedoch eine innere Ursache als Auslöser der Verletzungen nachgewiesen, die ihrer Art nach eine unversicherte Tatsache sei. Eine relevante Mitwirkung der Gegebenheiten an der Unfallstelle, welche zur Annahme der Kausalität führen könne, liege nicht vor. Der vorübergehende erhöhte Arbeitsanfall des Klägers habe nicht ein Ausmaß erreicht, welches eine relevante Risikoerhöhung gegenüber den sonst alltäglichen Lebensumständen des Klägers naheliegend erscheinen lasse. Das Urteil des SG ist dem Bevollmächtigten des Klägers am 11.11.2011 zugestellt worden.

Der Bevollmächtigte des Klägers hat am 17.11.2011 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Gleichzeitig mit der Einlegung der Berufung ist die Einholung eines handchirurgischen Gutachtens nach § 109 SGG beantragt worden, wobei indes ein einschlägiger Gutachter trotz ausdrücklicher Aufforderung und Fristsetzung einschließlich Fristverlängerung bis zum 31.01.2012 nicht benannt worden ist. Das SG habe unzutreffend die Kausalitätstheorie der wesentlichen Bedingungen nicht angewendet, sondern eine Kausalitätsbeurteilung im Sinne einer conditio sine qua non vorgenommen. Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung komme es maßgeblich darauf an, dass die Tätigkeit nicht hinweg gedacht werden könne, ohne dass der entsprechende Erfolg eingetreten wäre. Dies sei bei dem vorliegenden Geschehen der Fall, denn die stressbedingte Mehrbelastung sei außergewöhnlich und ungewöhnlich hoch gewesen und als maßgebliche Ursache für den Zustand der Absence anzunehmen. Das SG führe aus, dass eine innere Ursache festgestellt worden sei, postuliere diese jedoch einfach, ohne ein entsprechendes medizinisches Korrelat anzugeben. Es sei vielmehr gerade medizinisch bestätigt, dass ein medizinisches Ereignis intern vorgelegen habe und vorliege.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 11.10.2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 16.04.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 22.07.2010 aufzuheben und festzustellen, dass es sich bei dem Sturz des Klägers am 24.03.2010 um einen Arbeitsunfall handelte, sowie die Beklagte dazu zu verurteilen, dem Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalls eine Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung im gesetzlichen Umfang zu gewähren, hilfsweise, ein handchirurgisches Gutachten im Rahmen des § 109 SGG über den Kläger einzuholen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.

Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten, die Akten des SG sowie die Akten des LSG Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den § 143 f. und 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige Berufung ist nicht begründet. Der Senat hat über die Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 SGG durch Beschluss entschieden, weil er das Rechtsmittel einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat. Im Anhörungsverfahren (vgl. Hinweis vom 02.02.2012) haben sich keine Gesichtspunkte ergeben, von dieser Verfahrensform abzuweichen. Dem hilfsweise gestellten Antrag auf eine Begutachtung nach § 109 SGG war bereits deswegen nicht nachzukommen, weil bis zuletzt trotz richterlichen Hinweises ein Gutachter nicht namentlich benannt worden ist.

Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3, 6 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII ). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls i. S. des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis – dem Unfallereignis - geführt hat und das Unfallereignis einen Gesundheits(-erst-)schaden oder den Tod des Versicherten verursacht (haftungsbegründende Kausalität) hat. Das Entstehen von längerandauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheits(-erst-)schadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist nicht Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (ständige Rechtsprechung, vgl. stellvertretend BSG, Urteile vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R, B 2 U 40/05 R, B 2 U 26/04 R -).

Nach § 26 Abs. 1 SGB VII haben Versicherte Anspruch auf Entschädigungsleistungen u. a. in Form von Heilbehandlung (§ 27 SGB VII) oder Geldleistungen (Verletztengeld § 45 SGB VII und Rente § 56 SGB VII ). Insbesondere nach § 56 Abs. 1 SGB VII erhalten Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, eine Rente. Mit der Formulierung "infolge eines Versicherungsfalls" bringt das Gesetz zum Ausdruck, dass die Leistungen nur gewährt werden können, wenn Gesundheitsstörungen durch den Arbeitsunfall rechtlich wesentlich verursacht worden sind.

Entsprechend den Ausführungen des SG fehlt es vorliegend an dem Erfordernis eines von außen auf den Körper des Klägers wirkenden Ereignisses, welches für die Anerkennung des Vorfalls als Arbeitsunfall im Sinne des SGB VII erforderlich wäre. Andererseits lag durch die plötzlich eintretende, vom Kläger bestätigte vorübergehende Bewusstlosigkeit ein inneres Geschehen vor, welches alleine bereits geeignet ist, die Verletzungen des Klägers zu erklären.

Nach der im Sozialrecht anzuwendenden Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (st. Rspr., vgl. stellvertretend BSG vom 12.04.2005 a.a.O., RdNr. 11). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSGE 1, 72, 76).

Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht ebenso wie die im Zivilrecht geltende Adä-quanztheorie (vgl. dazu nur Heinrichs in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 67. Aufl. 2008, Vorb. v. § 249 RdNr. 58 ff. m. w. N. sowie zu den Unterschieden BSGE 63, 277, 280 = SozR 2200 § 548 Nr. 91) auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Aus-gangsbasis. Nach dieser ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht wer-den kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursa-chen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen.

Bei mehreren Ursachen ist sozialrechtlich allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende (Mit-)Ursache auch wesentlich war, ist unerheblich. Ist jedoch eine Ur-sache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Be-deutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vor-handenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erschei-nungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, son-dern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung aus-gelöst hätte. Bei der Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen (vgl. zum Vorstehenden insgesamt BSG, Urteile vom 09.05.2006, a.a.O.).

Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der je nach Fallgestaltung ggf. aus einem oder mehreren Schritten bestehende Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfol-gen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Für die Feststellung des Ursachenzusammenhangs - der haftungsbegründenden und der haftungsausfüllenden Kausalität - genügt hinreichende Wahrscheinlichkeit (st. Rspr. BSGE 19, 52 = SozR Nr. 62 zu § 542 a. F. RVO; BSGE 32, 203, 209 = SozR Nr. 15 zu § 1263 a. F. RVO; BSGE 45, 285, 287 = SozR 2200 § 548 Nr. 38, BSGE 58, 80, 83 = SozR 2200 § 555a Nr. 1). Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSG, Urteil vom 09.05.2006 a.a.O. m.w.N.). Dagegen müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß i. S. des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden (BSG SozR 3-5670 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2 m. w. N.).

Nach diesen Grundsätzen liegt zur Überzeugung des Senats eine unfallbedingte Kausalität für den Sturz des Klägers nicht vor. Insoweit fehlt es bereits an einer dem Unfallbegriff inhärenten Einwirkung auf den Körper des Klägers von außen. Zwar muss die Einwirkung von außen nicht äußerlich sichtbar sein (BSG vom 12.04.2005 - B 2 U 27/04 R - mit Hinweis auf BSG SozR 2200 § 548 Nr. 56: Störung eines Herzschrittmachers durch Kurzwellen eines elektrischen Geräts), ganz verzichtet werden kann hierauf jedoch nicht.

Der Kläger hat mehrfach bestätigt, dass ihm zuerst schwarz vor Augen wurde und sich der Sturz erst danach ereignet hat. Der Sturz und die daraus folgenden Verletzungen wurden auch nicht durch eine besonders gefährliche Umgebung am Arbeitsplatz in ihrem Gefahrenrisiko gesteigert, da der Kläger auf den flachen Boden gefallen ist. Der Sturz aufgrund einer plötzlich auftretenden Bewusstlosigkeit hätte sich daher mit denselben Folgen auch im privaten Bereich des Klägers ereignen können. Nach der Entscheidung des BSG vom 12.04.2005 (- B 2 U 27/04 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 15 = BSGE 94, 269) ist für das von außen auf den Körper einwirkende, zeitlich begrenzte Ereignis kein besonderes, ungewöhnliches Geschehen erforderlich; alltägliche Vorgänge wie Stolpern o.ä. genügen. Dies soll der Abgrenzung zu Gesundheitsschäden aufgrund von inneren Ursachen, wie Herzinfarkt, Kreislaufkollaps u.ä. dienen, wenn diese während der versicherten Tätigkeit auftreten, sowie zu vorsätzlichen Selbstschädigungen. Ein schlichter Sturz auf einem versicherten Weg genügt danach, es sei denn, der Unfall ist infolge einer nichtbetriebsbedingten krankhaften Erscheinung eingetreten und zur Schwere der Verletzung hat keine Gefahr mitgewirkt, der der Kläger auf dem Weg ausgesetzt war. Ist eine innere Ursache nicht feststellbar, liegt ein Arbeitsunfall vor (BSG a.a.O. m.w.N.). Vorliegend ist indes mit dem "Schwarz-vor-Augen-Werden" eine innere Ursache dokumentiert, ohne dass es indes entsprechend der Auffassung des Klägervertreters darauf ankäme, insoweit eine stichfeste medizinische Diagnose als alternative Ursache nachzuweisen. Da ein von außen einwirkendes unfreiwilliges und plötzliches Ereignis nicht feststellbar ist, sind die Einwände des Klägerbevollmächtigten nicht einschlägig, dass die Beklagte für eine Gelegenheitsursache oder andere Ursache (etwa Veranlagung oder degenerative Vorschädigung) beweispflichtig sei.

Die einzig denkbare mögliche äußere Einwirkung für den Sturz, der vom Kläger genannte Stress aufgrund der ISO-Zertifizierung seines Arbeitsbereichs, vermag nach den Ermittlungen des SG nicht eine derartige Stressbelastung zu begründen, dass insoweit mit einer arbeitsbedingten Bewusstlosigkeit zu rechnen war. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Auskünfte des Arbeitgebers zu den nur unwesentlich verlängerten Arbeitszeiten in der Unfallwoche und auf die sachverständigen Zeugenaussagen verwiesen, wonach bei dem Kläger aufgrund der genannten Belastung nicht mit einer Bewusstlosigkeit gerechnet werden musste. Auch lag kein Fall einer als außergewöhnliche Anstrengung in einer betriebsbezogenen Stresssituation zu bewertenden Arbeit vor (vgl. BSGE 62, 220 = SozR 2200 § 589 Nr. 10 zum Fall einer Hausschlachtung durch den Versicherten, wenn diese zu erheblicher Atemnot führt, der Versicherte zusammenbricht und innerhalb einer Stunde verstirbt).

Das Fehlen einer anderen bekannten möglichen Verursachung der Bewusstlosigkeit des Klägers allein erlaubt nicht den Schluss, dass die Tätigkeit des Klägers und die Schwierigkeiten bei der ISO-Zertifizierung die rechtlich wesentliche Bedingung für die Schädigung im oben genannten Sinne waren. Zwar läge es insofern nahe, diesen Vorgang mangels anderer genau nachgewiesener Ursachen für maßgeblich zu halten, doch ist dies irrelevant, sofern kein von außen plötzlich einwirkendes Ereignis im zuvor beschriebenen Sinn festgestellt werden kann (vgl. die Entscheidungen des erkennenden Senats vom 26.01.2009 - L 1 U 3612/08 - juris und vom 25.07.2011 - L 1 U 1269/11 -). Da ein von außen einwirkendes unfreiwilliges und plötzliches Ereignis nicht nachweisbar ist, kommt es zudem nicht darauf an, dass auch eine evtl. Gelegenheitsursache oder andere Ursache (etwa Veranlagung oder degenerative Vorschädigung) nicht eindeutig als Verursacher der Verletzungen des Klägers nachgewiesen sind. Kommt es - etwa aufgrund einer anlagebedingten Gelenkinstabilität - zum Umknicken im Sprunggelenk beim betrieblich bedingten Gehen, erfüllt die normale Fortbewegung ohne Hinzutreten sonstiger äußerer Einflüsse auch nicht das Merkmal eines von außen einwirkenden Ereignisses (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 16.04.2010 - L 8 U 5043/09 -, UV-Recht Aktuell 2010, 581, Breith. 2010, 645).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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