L 16 RJ 73/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 30 RJ 1322/94
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 RJ 73/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts München vom 23.09.1999 und der Bescheid der Beklagten vom 04.02.1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.11.1994 abgeändert und die Beklagte verurteilt, für die Zeit vom 01.12.1994 bis zum 31.05.1995 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit zu gewähren.
II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitgegenstand ist die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ab Antragstellung am 30.11.1993.

Die am 1952 geborene Klägerin war von 1972 bis 1980 und von 1988 bis 1993 in der Bundesrepublik versicherungspflichtig beschäftigt. Sie hat keinen Beruf erlernt. Sie war als Kontrolleurin, Zimmermädchen, Packerin und zuletzt bis zum Beginn der Arbeitsunfähigkeit am 07.12.1992 als Bandarbeiterin beschäftigt. Entlohnt wurde sie dabei laut Arbeitgeberauskunft nach der Lohngruppe 3 der Bayerischen Metallindustrie.

Ihr Erstantrag auf Rente ist am 08.04.1986 abgelehnt worden, obwohl die Invalidenkommission sie wegen eines depressiven Syndroms für invalide befunden hatte. Die Klage dagegen war nach einem neurologisch-psychiatrischen Gutachten am 19.06.1991 zurückgenommen worden.

Den zweiten Rentenantrag stellte sie am 30.11.1993, wenige Monate nach einem Reha-Verfahren in S. , aus dem sie als arbeitsfähig für mittelschwere Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung entlassen worden war. Gestützt auf diese Leistungsbeurteilung lehnte die Beklagte den Rentenantrag am 04.02.1994 ab.

Während des Widerspruchsverfahrens wurde bei der Klägerin am 31.05.1994 eine Versteifungsoperation der Lendenwirbelsäule durchgeführt. Aus der Anschlussheilbehandlung in E. wurde sie am 19.08.1994 als arbeitsunfähig entlassen. Wegen deutlicher Verbesserungstendenz wies die Beklagte den Widerspruch am 21.11.1994 zurück.

Im Klageverfahren wurden Befundberichte und Arztbriefe der behandelnden Ärzte und Kliniken beigezogen. Der orthopädische Sachverständige Dr.L. stellte eine verminderte Belastbarkeit des Achsenorgans durch ein mäßggradiges Halswirbelsäulen- und Schulterarmsyndrom ohne peripher-neurogenen Defekt und ein chronisches Lendenwirbelsäulensyndrom mit chronischem Schmerzsyndrom fest. Diffuse Schmerzen seien ohne Erklärung und die Mitarbeit der Klägerin nicht ausreichend gewesen. Er hielt ab Juni 1995 leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung, überwiegend in geschlossenen Räumen für vollschichtig zumutbar. Ausgeschlossen seien häufiges Bücken, Arbeiten an Maschinen und am Fließband sowie Überkopfarbeiten. Die Neurologin und Psychiaterin Dr.P. ging in ihrem Gutachten vom 07.07.1995 nach ambulanter Untersuchung von einem chronifizierten Schmerzsyndrom des Bewegungsapparates bei einer Primärpersönlichkeit mit depressiven und zwanghaften Zügen aus. Es könnten keine höheren Anforderungen an Konzentrations- und Reaktionsfähigkeit, Ausdauer und nervliche Belastbarkeit gestellt werden. Ausgeschlossen seien Akkord- und Schichtbedingungen sowie Zeitdruck. Im Übrigen verfüge die Klägerin aber über ein vollschichtiges Leistungsvermögen. Den Verdacht auf ein akut- oder chronisch-entzündliches rheumatisches Geschehen konnte der Internist Dr.W. in seinem Gutachten vom 17.10.1995 ausschließen. Mit Ausnahme der Zeit von der Wirbelsäulenoperation bis Mai 1995 hielt er leichte Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen entsprechend den orthopädischen und psychiatrischen Sachverständigen für vollschichtig zumutbar. Den Vergleichsvorschlag der Beklagten vom 28.11.1995, Erwerbsunfähigkeitsrente auf Zeit vom 01.12.1994 bis 31.05.1995 zu gewähren, lehnte die Klägerin ab.

Sie forderte die Anhörung Prof.S. , des Leiters der Rheumaeinheit des Klinikums Innenstadt M. gemäß § 109 SGG. In seinem Gutachten vom 30.09.1996 schrieb dieser, seit Jahren liege ein Fibromyalgiesyndrom vor, das weder von Dr.L. noch von Dr.P. in Erwägung gezogen worden sei. Dem widersprach der Internist und Psychotherapeut Dr.R. im Namen der Beklagten. Wegen des Befundes, untypischer Beschwerden und teilweiser Besserung durch Medikation bestünden Zweifel an der Diagnose der Fibromyalgie. Selbst bei bestehender Krankheit sei damit keine quantitative Leistungsminderung verbunden. Nachdem Prof.S. an seiner Einschätzung festhielt, wies die Beklagte darauf hin, die Beurteilung des Fibromyalgiesyndroms gehöre in die Zuständigkeit eines Psychiaters, so dass das Gutachten der Dr.P. kompetenter erscheine. Das Sozialgericht München wies die Klage am 23.09.1999 mit der Begründung ab, die Diagnose Prof.S. sei nicht zwingend und seine Leistungseinschätzung nicht begründet. Eine befristete Rente stehe nicht zu, da das dem Vergleichsangebot zugrunde liegende Gutachten des Internisten Dr.W. nicht fachkompetent erscheine.

Gegen das am 05.01.2000 zugestellte Urteil legte die Klägerin am 07.02.2000 (ein Montag) Berufung ein. Nach der Beiziehung von Befundberichten der behandelnden Ärzte beauftragte das Gericht die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr.O. mit der Erstellung eines Gutachtens. Die Sachverständige diagnostizierte nach ambulanter Untersuchung am 04.09.2000 eine Dysthymia mit begleitender somatoformer Schmerzstörung und keine Fibromyalgie. In Übereinstimmung mit den Dres.P. und W. ging sie von einem vollschichtigen Leistungsvermögen aus. Als Einschränkungen nannte sie die Begrenzung auf leichte Tätigkeiten in geschlossenen, wohl temperierten Räumen, zu ebener Erde ohne herausragende psychomentale Anforderungen. Die Umstellungsfähigkeit für Tätigkeiten wie Sortiererin und Montiererin sei erhalten. Der Sachverständigen war das Anforderungsprofil der genannten Tätigkeiten als Anlage zum Gutachtensauftrag übersandt worden. Auch im Reha-Entlassungsbericht der Hochschwarzwaldklinik S., in der sich die Klägerin vom 25.04. bis 06.06. 2000 aufhielt, wurde die Klägerin trotz der Diagnose eines Fibromyalgiesyndroms als vollschichtig leistungsfähig beurteilt. Die Anhebung des GdB nach dem Schwerbehindertengesetz auf über 50 v.H. wurde vom Versorgungsamt am 25.01.2000 abgelehnt.

Weil die behandelnden Ärzte von einer hinzugetretenen Einsteifung der rechten Schulter berichteten, und der Psychiater Dr.R. angab, die Klägerin seit Januar 2001 wegen somatisierter Depression zu behandeln, veranlasste das Gericht eine orthopädische und neuerliche nervenärztliche Begutachtung. Der Orthopäde Dr.Z. beschrieb in seinem Gutachten vom 22.11. 2001 eine ausgeprägte Demonstrationsneigung der Klägerin. Wegen Narbenneuralgien von Seiten der Spondylodese könne der Klägerin Stehen, Sitzen und Gehen nicht länger als eine Stunde ohne Unterbrechung zugemutet werden. Die weitgehende Einsteifung des Schultergelenks rechts sei mit Ruhe- und Belastungsschmerz verbunden, so dass die rechte Gebrauchshand beeinträchtigt sei. Es seien daher keine Arbeiten zumutbar, die Kraft oder Feinmotorik erforderten, ebenso wenig Arbeiten, die das Abspreizen des Arms oder das Nachvorneheben über 50 Grad erforderten.

Die Beklagte verneinte eine Benennungspflicht, da die Klägerin nicht wie ein Einarmiger behindert sei. Im Übrigen seien ihr entsprechend dem beigefügten berufskundlichen Gutachten Dr.S. (erstellt im Auftrag des Sozialgerichts Hamburg am 12.09.2000) Pack-, Montier- und Produktionstätigkeiten in wechselnder Körperhaltung vollschichtig zumutbar.

Auf die Frage, ob eine Leidensverschlimmerung eingetreten sei, antwortete Dr.O. nach ambulanter Untersuchung am 29.04.2002, die Mitarbeit und Auskunftsbereitschaft der Klägerin sei nicht gegeben gewesen. Wahrscheinlich habe die Klägerin willentlich den Beitrag zur Sachaufklärung versäumt. Die Diagnose einer tiefgreifenden depressiven Verstimmung sei nicht möglich. Es handele sich eher um eine Versagenshaltung, die ausgesprochen tendenziell imponiere. Die dargebotene Selbsteinschätzung spiegele einen hohen Leidensdruck wieder, vermöge aber nicht davon zu überzeugen, dass eine zumutbare Willensanstrengung nicht doch noch möglich wäre. Eine sozialmedizinisch relevante Gesundheitsstörung mit Auswirkungen auf die quantitative Leistungsfähigkeit könne auch nach telefonischer Rücksprache mit Dr.R. nicht festgestellt werden. Dieses Gutachten wurde dem Klägerbevollmächtigten am 15.05.2002 zur Stellungnahme bis 17.06.2002 übersandt.

Ein in der mündlichen Verhandlung am 07.08.2002 geschlossener Vergleich wurde innerhalb der Widerrufsfrist am 21.08.2002 wegen notwendiger abschließender Erörterung mit Dr.R. widerrufen.

In der mündlichen Verhandlung am 27.11.2002 regte der Klägerbevollmächtigte an, Dr.R. als sachverständigen Zeugen zur näheren Erläuterung seines heute vorgelegten Berichts zu hören. Im Hinblick auf diese Äußerungen möge ein weiteres Gutachten von Gerichts wegen eingeholt werden. Hilfsweise beantragt er die Anhörung eines ärztlichen Sachverständigen gemäß § 109 SGG.

Die Beklagte wiederholte das Vergleichsangebot vom 28.11.1995. Im Übrigen beantragte sie die Zurückweisung der Berufung.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beklagtenakten, der Akten des Sozialgerichts München, der Schwerbehindertenakten sowie der Berufungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Streitgegenstand ist die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ab der Antragstellung am 30.11.1993. Das Vergleichsangebot der Beklagten vom 28.11.1995, das diese am 27.11.2002 wiederholt hat, ist nicht angenommen worden.

Die Streitsache ist entscheidungsreif. Insbesondere ist der Anregung des Klägerbevollmächtigten nicht zu folgen, den behandelnden Arzt Dr. R. zur Erläuterung seines Attests vom 27.11.2002 zu laden bzw. einen anderen Arzt gemäß § 109 SGG zu hören. Grundlage einer Entscheidung über Erwerbsunfähigkeit ist nicht die Einschätzung des dem Versicherten durch langjährige Behandlung verbundenen Arztes, sondern die gutachterliche Würdigung kompetenter, erfahrener und neutraler Sachverständiger, die nach sorgfältigem Aktenstudium und eigener ambulanter Untersuchung ihre Auffassung überzeugend begründen. Das Attest bietet keinen konkreten Anhalt für Zweifel an der Schlüssigkeit des Gutachtens von Dr.O. , deren Unbefangenheit bislang nicht in Frage gestellt worden ist. Darüber hinaus hat die Sachverständige bei der Abfassung ihres Gutachtens nicht nur den von Dr.R. am 11.09.2001 verfassten Befundbericht berücksichtigt, sondern telefonisch dessen aktuelle Einschätzung der maßgeblichen Frage eingeholt.

Der am 27.11.2002 erstmals hilfsweise gestellte Antrag gemäß § 109 SGG ist als verspätet zurückzuweisen. Spätestens seit der mündlichen Verhandlung am 07.08.2002 war deutlich, dass die Beweiserhebung durch das Gericht abgeschlossen war. Eine Vertagung ist lediglich wegen des widerruflichen Vergleichs erfolgt. Der Klägerin hätte es oblegen, den Antrag binnen angemessener Frist zu stellen. Diese ist nach über drei Monaten zweifellos verstrichen (Jens Meyer-Ladewig, SGG, 7. Auflage, § 109 Rdz.8a).

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, erweist sich aber weitgehend als unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts München vom 23.09.1999 ist nur insoweit zu beanstanden, als es die Gewährung von Erwerbsunfähigkeitsrente auch für die Zeit om 01.12.1994 bis 31.05.1995 versagt hat. Im Übrigen hat es aber die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 04.02.1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.11.1994 zutreffend abgewiesen. Die Klägerin hat weder in der Zeit bis 31.05.1994 noch in der Zeit ab 01.06.1995 Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Die Klägerin ist weder berufsunfähig noch erwerbsunfähig bzw. erwerbsgemindert.

Unstreitig war die Klägerin in der Zeit vom 31.05.1994 bis 31.05.1995 erwerbsunfähig. Mit Vergleichsangebot vom 28.11. 1995 hat die Beklagte den Eintritt der Erwerbsunfähigkeit auf Zeit am 31.05.1994 anerkannt. Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts stellte sich dieses Vergleichsangebot nicht lediglich als nicht großzügiger Versuch einer gütlichen Einigung dar, sondern entsprach der übereinstimmenden Beurteilung der Sachverständigen. Die Beklagte hatte sich zwar von der Leistungseinschätzung des Internisten Dr.W. leiten lassen. Dieser folgte jedoch mit seiner Beurteilung des eingeschränkten Leistungsvermögens im Anschluss an die Wirbelsäulenoperation am 31.05.1994 lediglich Herrn Dr.L. , der in seinem sicherlich fachkompetenten Gutachten vom 20.04.1995 schlüssig dargelegt hatte, dass die Größenordnung des operativen Eingriffs eine Einschränkung des zeitlichen Leistungsvermögens zur Folge hatte. Er folgte damit dem Arbeitsamtsarzt Dr.B. , der in seinem Gutachten vom 28. September 1994 wegen des Schmerzsyndroms nach operativer Versteifung der unteren Lendenwirbelsäule, Schulter-Armsyndroms links, schmerzhaften Knorpelveränderungen an beiden Kniegelenken und einer Hörminderung lediglich vier bis fünf Stunden an täglicher Arbeitszeit attestiert hatte. Die Beklagte hatte in ihrer sozialmedizinischen Stellungnahme vom 11.10.1994 zum Entlassungsbericht aus E. lediglich eine deutliche Besserungstendenz bestätigt, hingegen noch keine wesentliche Besserung feststellen können.

Für die Zeit von der Antragstellung bis zum 30.05.1994 und ab 01.06.1995 ist keine relevante Erwerbsminderung nachgewiesen. Berufsunfähig ist ein Versicherter, dessen Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (§ 43 Abs.2 Satz 2 SGB VI in der bis 31.12.2000 maßgebenden Fassung). Zwar ist das Leistungsvermögen der Klägerin soweit beeinträchtigt, dass sie ihren zuletzt in der Bundesrepublik ausgeübten Beruf als Bandarbeiterin nicht mehr ausüben kann. Ihr Restleistungsvermögen ist jedoch noch dergestalt, dass sie noch zumutbar auf eine andere Tätigkeit verwiesen werden kann.

Die soziale Zumutbarkeit der Verweisungstätigkeit beurteilt sich nach der sozialen Wertigkeit des bisherigen Berufs. Um diese zu beurteilen, hat das Bundessozialgericht die Berufe der Versicherten in Gruppen eingeteilt. Ausgehend von der Bedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufes haben, werden die Gruppen durch den Leitberuf des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert (vgl. Bundessozialgerichtsentscheidungen in SozR 2200 § 1246 RVO Nr.138 und 140). Ausschlaggebend für die Einordnung eines bestimmten Berufes in dieses Mehrstufenschema ist die Qualität der verrichteten Arbeit, d.h. der aus einer Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnde Wert der Arbeit für den Betrieb. Dabei ist allein auf das Erwerbsleben in der Bundesrepublik abzustellen. Dem Versicherten ist die Verweisung auf die im Vergleich zu seinem bisherigen Beruf nächstniedrigere Gruppe zumutbar (ständige Rechtsprechung u.a. in SozR 3-2200, § 1246 RVO Nr.5).

Ausgangspunkt für die Bewertung der Berufsunfähigkeit der Klägerin ist die in der Bundesrepublik Deutschland zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Metallarbeiterin. Nachdem die Klägerin selbst angegeben hat, keinen Beruf erlernt zu haben und der letzte Arbeitgeber mitgeteilt hat, es habe sich um eine ungelernte Tätigkeit gehandelt, ist die Einstufung als ungelernte Arbeiterin geboten. Selbst wenn man entsprechend der tariflichen Einstufung von einer angelernten Tätigkeit ausginge, verbliebe es bei der Verweisbarkeit auf den allgemeinen Arbeitsmarkt. Es ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, die Klägerin der Gruppe mit dem Leitberuf des angelernten Arbeiters im oberen Bereich (Anlernzeit von 12 bis 24 Monaten entsprechend BSG in SozR 3-2200 §1246 RVO Nr.45) zuzuordnen.

Das bei der Klägerin vorhandene Restleistungsvermögen reicht auch aus, Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts vollschichtig zu verrichten. Mit dieser Beurteilung stützt sich der Senat auf die überzeugenden und ausführlichen Gutachten der gerichtlich bestellten Sachverständigen O. und Z. , die die Klägerin persönlich untersucht und ihre Beurteilung schlüssig begründet haben. Aufgrund ihrer langjährigen Tätigkeit als Sachverständige im Bereich der Bayerischen Sozialgerichtsbarkeit verfügen sie sowohl über die erforderlichen Kenntnisse als auch über die praktische Erfahrung, um sämtliche hier in Betracht kommenden gesundheitlichen Störungen medizinisch zutreffend einzuordnen und ihre Auswirkungen auf die Einsatzfähigkeit der Klägerin im allgemeinen Erwerbsleben sachgerecht zu beurteilen. Mit ihrer Würdigung befinden sich die im Berufungsverfahren gehörten Sachverständigen in Übereinstimmung mit den im Klageverfahren zugezogenen Dres. L. , P. und W. , die die Klägerin ebenfalls persönlich untersucht haben. Ebenso wie die Ärzte in der Reha-Klinik in S. und die Ärzte der Hochschwarzwaldklinik in S. hielten die im Klageverfahren gehörten Sachverständigen ein vollschichtiges Leistungsvermögen noch für gegeben.

Die anders lautende Beurteilung Prof.S. in seinem gemäß § 109 SGG erstellten Gutachten vom 30.09.1996 vermag nicht zu überzeugen. Zum einen kann ein typisches oder weitgehend typisches Fibromyalgiesyndrom nicht nachvollzogen werden, nachdem die Hauptproblematik auf psychiatrischem Fachgebiet liegt und die dreimalige ambulante psychiatrische Begutachtung zwischen 1995 und 2002 keinen entsprechenden Befund ergeben hat. Zweitens entspricht es gängiger Ansicht der meisten sozialmedizinischen Gutachter, dass allein das Vorliegen eines Fibromyalgiesyndroms noch nicht berechtigt, eine weniger als vollschichtige Leistungsfähigkeit anzunehmen. Sowohl von nervenärztlichen als auch orthopädischen und rheumatologischen Gutachtern werden weitgehend übereinstimmend körperlich leichte Tätigkeiten unter qualitativen Einschränkungen selbst bei ausgeprägteren körperlichen Beeinträchtigungen in vollschichtigem Umfang für zumutbar erachtet, wofür u.a. therapeutische Überlegungen sprechen.

Berücksichtigung fand auch, dass die Invalidenkommission bereits 1986 wegen einer rezidivierenden Depression offenbar endogener Ausprägung Invalidität bejaht hatte. Die aus dem Heimatland der Klägerin mitgeteilten psychopathologischen Befunde und Verlaufsberichte überzeugen jedoch deshalb nicht, weil eine eigentliche phasenhafte Abgrenzung der endogenen Depression nicht dargestellt werden kann und entsprechende Symptome seit dem zweiten Aufenthalt in der Bundesrepublik ab 1988 fast völlig fehlen.

Zweifellos ist die Klägerin von Seiten der Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Fachgebiet erheblich beeinträchtigt. Während bis zur Spondylodese im Mai 1994 lediglich von belastungsabhängigen rezidivierenden Lumbalgien bei Spondylolisthesis L 5, Meierding Grad 1 auszugehen war, die ohne den Nachweis einer Instabilität entsprechend dem Reha-Entlassungsbericht aus S. selbst mittelschwere Tätigkeiten noch erlaubten, waren ein Jahr nach der Operation neben dem chronischen Lumbalsyndrom ein mäßiggradiges Hals-Wirbelsäulen- und Schulterarmsyndrom links und ein "chronisches Schmerzsyndrom" auffällig. Seit Februar 2001 leidet die Klägerin zudem unter einer chronischen Supraspinatussehnenentzündung an der rechten Schulter, die eine entzündungsbedingte Einsteifung derselben zur Folge hatte. An der linken Schulter ist jetzt ein mäßiges Engpasssyndrom zu objektivieren. Von untergeordneter Bedeutung sind eine beginnende Coxarthrose beidseits ohne wesentliche funktionelle Einschränkungen, eine großbogige Wirbelsäulenseitausbiegung, eine leichte Bandlockerung am rechten Sprunggelenk und ein teilkontrakter Senk-Spreizfuß mit begleitendem Knickfuß.

Der funktionelle Ausheilungszustand der operativen Versteifung der Lendenwirbelsäule L 5/S 1 erscheint gut; neurologisch sind keine schweren Schäden zurückgeblieben. Dennoch ist bei einer so großflächigen Narbenbildung von erheblichen sensiblen Störungen bzw. von Narbenneuralgien auszugehen. Insbesondere kann eine länger dauernde Belastung mit Haltungskonstanz nicht mehr zugemutet werden. Wegen der eingeschränkten Belastbarkeit der Wirbelsäule können nur mehr leichte Tätigkeiten aus wechselnder Ausgangsposition absolviert werden. Sowohl Stehen als auch Sitzen und Gehen kann nicht länger als eine Stunde ohne Unterbrechung zugemutet werden.

Trotz einer deutlichen Demonstrationsneigung konnte infolge der chronischen Supraspinatussehnenentzündung eine Einschränkung der Anhebung beider Arme seitlich auf Schulterhöhe bei freiem Nacken- und Schürzengriff objektiviert werden. Da die rechte Hand die Gebrauchshand ist und die Einsteifung auch von Ruhe- und Belastungsschmerzen begleitet sein dürfte, können keine Arbeiten abverlangt werden, die Kraft oder Feinmotorik erfordern. Auch müssen Arbeiten unterbleiben, die ein Hochheben der Arme oder Überkopfarbeiten erfordern. Keinesfalls kann daraus aber abgeleitet werden, dass die Klägerin wie eine Einarmige zu beurteilen ist. Sortierarbeiten oder Packarbeiten hält Dr.Z. im Hinblick auf die eingeschränkte Belastbarkeit der Wirbelsäule mit zwischengeschaltetem notwendigem Wechsel der Körperhaltung für zumutbar. Leichte gewerbliche Arbeiten sind von Seiten der oberen Extremitäten also nicht ausgeschlossen.

Subjektiv wird ein generalisiertes Schmerzsyndrom beklagt, wobei ein kausaler Zusammenhang mit dem wirbelsäulenchirurgischen Eingriff nicht hergestellt werden kann. Eine depressiv-dysphorische Symptomatik bei wohl eher asthenischer Primärpersönlichkeit mit histrionischem Anteil verschärft das Problem, wobei Schmerz und depressive Verstimmungen in ungünstiger Wechselbeziehung stehen. Die Klägerin fühlt sich subjektiv so beeinträchtigt, dass sie sich für eine Erwerbstätigkeit in irgendeiner Form nicht mehr belastbar empfindet. Diese subjektive Leistungsbewertung kann an objektivierenden Untersuchungsergebnissen nicht nachvollzogen werden. Insbesondere liegen eine tief greifende depressive Verstimmung und/oder eine krankheitswertige deutliche Beeinträchtigung der Willensfähigkeit nicht vor. Vergleicht man nämlich die Beschwerdeschilderung und das nonverbale Verhalten der Untersuchten mit den Befunden, welche Patienten mit organisch oder nachweislich somatoform bedingten Schmerzzuständen aufweisen, so ergeben sich erhebliche Diskrepanzen; aus der gutachterlichen Erfahrung heraus wird also die Organizität des chronischen Schmerzsyndroms nachdrücklich bezweifelt. Andererseits zeigen auch Patienten mit Depressionen und begleitendem somatischem Syndrom andere psycho-pathologische Befunde, so dass auch eine echte Somatisierungsstörung im Rahmen eines depressiven Syndroms ausscheidet. Die weiterhin zur Diskussion stehende Möglichkeit einer psycho-reaktiven Persönlichkeitsveränderung ist ebenso unwahrscheinlich. Hierfür reichen die gewonnene Befundkonstellation und die eigenanamnestischen Daten nicht aus. Wiederholt kam der Eindruck auf, dass die besondere Darstellung des Beschwerdebildes nicht nur dem subjektiven Leidensdruck entsprechend ausgeformt war, sondern der bewussten Kontrolle der Klägerin unterworfen ist. Deshalb kann man sich auch nicht davon überzeugen, dass die Klägerin zu einer zumutbaren Willensanstrengung gänzlich nicht mehr in der Lage wäre. Die seelischen Beeinträchtigungen und die psychosomatischen Reaktionsbildungen sind nicht so weitreichend, dass eine Willensanstrengung zur Wiedereingliederung in das Erwerbsleben nicht noch zumutbar oder erbringbar wäre. Es liegt keine unüberwindliche Willensschwäche vor, sondern eher eine bewusste Hinwendung zum Renten- und Versorgungsgedanken.

Die von Dr.R. in seinem Befundbericht vom 25.06.2001 angegebene kontinuierliche Verschlechterung ließ sich nicht objektivieren. Die diagnostische Feststellung einer psychiatrischen oder psychosomatischen Gesundheitsstörung im Sinne von Krankheit setzt die Mitarbeit und Auskunftsbereitschaft der Untersuchten voraus. Diese war bei der wegen der geltend gemachten Leidensverschlimmerung angeordneten zweiten Untersuchung bei Dr.O. nicht gegeben. Zuwendung, nonverbales Ausdrucksverhalten und aktive Mitarbeit waren bei dem Versuch einer klinischen Untersuchung so gering, dass die Untersuchung schließlich abgebrochen werden musste. Abgesehen von der auch im psychiatrischen Gespräch offenkundigen Verweigerungshaltung fanden sich keine gravierenden psycho-pathologischen Befunde. Insbesondere bot sich nicht das Bild einer vitalen Traurigkeit oder Hemmung.

Die psychiatrische Sachverständige hat sich ausführlich und kritisch mit der Frage auseinandergesetzt, ob die verminderte Kooperationsbereitschaft der Klägerin auf ein Nichtkönnen oder Nichtwollen zurückzuführen ist. Ihres Erachtens spricht mehr dafür als dagegen, dass die Klägerin willentlich keinen Beitrag zur Sachaufklärung geleistet hat. Sie räumt selbst ein, dass es sich dabei um eine nicht beweisbare Vermutung handelt, die auch nach einem längeren kollegialen und konstruktiven Telefongespräch mit dem behandelnden Nervenarzt Dr.R. nicht zu widerlegen war. Nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast geht die fehlende Aufklärbarkeit jedoch zu Lasten der Klägerin, die sich zur Begründung des Rentenanspruchs auf ihr Unvermögen beruft.

Weil die Klägerin Einblicke in ihr persönliches Erleben nicht zuließ, konnte keine tiefgreifende Fehlentwicklung der Persönlichkeit diagnostiziert werden. Dies wäre aber Voraussetzung dafür gewesen, der Klägerin keine Willensanspannung im Sinne einer positiven Hinwendung zum Arbeitsmarkt mehr abzuverlangen. Die dargebotene Selbsteinschätzung spiegelte einen hohen Leidensdruck wider, vermochte aber nicht davon zu überzeugen, dass eine zumutbare Willensanstrengung nicht doch noch möglich wäre.

Wegen der komplexen neuro-orthopädischen und psychosomatischen Beeinträchtigung ist die Klägerin nur für körperlich leichte Frauentätigkeiten ohne herausragende Anforderungen an die seelisch-geistige Belastungsfähigkeit, die Konzentrationsfähigkeit und die Möglichkeit zur Übernahme von Verantwortung geeignet. Akkord- und Fließbandarbeiten oder Tätigkeiten in Wechsel- und Nachtschicht sollten nicht gefordert werden. Wegen der medikamentösen Behandlung sollen Tätigkeiten auf Gerüsten, an laufenden gefährlichen Maschinen und an anderen gefahrgeneigten Arbeitsplätzen nicht gefordert werden. Ungünstige äußere Bedingungen wie Exposition gegenüber Kälte, Hitze, starken Temperaturschwankungen und Zugluft sowie Nässe, Rauch und Lärm sollten vermieden werden. Zusätzliche oder betriebsunübliche Pausen sind hingegen nicht erforderlich. Auch bestehen keine Einschränkungen der Wegefähigkeit. Bei entsprechender Hinwendung und willentlicher Anspannung ist sie in der Lage, kurze Anlernzeiten und Einweisungen in solche Tätigkeiten zu absolvieren, um Montage- und Sortiertätigkeiten oder Arbeiten als Verpackerin für leichte Gegenstände zu erledigen.

Neben den bereits dargestellten Gesundheitsstörungen liegen keine Krankheiten von erwerbsmindernder Bedeutung vor. Insbesondere ist das Sprachverständnis trotz Hörminderung nicht beeinträchtigt. Urologische Gesundheitsstörungen sind erfolgreich behandelt worden, gastritische Beschwerden sind einer Behandlung zugänglich. Wiederholte mikroskopische Untersuchungen der Magenschleimhaut haben keine gravierende Auffälligkeit ergeben.

Zusammenfassend kann die Klägerin noch leichte und ruhige Arbeiten in geschlossenen, sauberen und temperierten Räumen zu ebener Erde in Tischhöhe und in wechselnder Körperhaltung vollschichtig verrichten. Da die Funktion beider Hände soweit erhalten ist, dass Sortier- und Packarbeiten verrichtet werden können, und an den Sinnesorganen und den unteren Extremitäten über keine wesentliche Funktionsbehinderungen berichtet wird, erlaubt das Restleistungsvermögen leichte körperliche Verrichtungen wie z.B. das Reinigen, Kontrollieren, Sortieren und Verpacken, Tätigkeiten also, die in ungelernten Tätigkeiten typischerweise gefordert werden.

Eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen ist zu verneinen. Der Großteil der qualitativen Leistungseinschränkungen, nämlich der Ausschluss von Tätigkeiten, die überwiegendes Stehen oder ständiges Sitzen erfordern, in Nässe oder Kälte zu leisten sind, besondere Fingerfertigkeiten erfordern oder mit besonderen Unfallgefahren verbunden sind, der Ausschluss von Arbeiten im Akkord, im Schichtdienst, an laufenden Maschinen, der Ausschluss von Tätigkeiten, die besondere Anforderungen an Seh-, Hör- oder Konzentrationsvermögen stellen, sind vom großen Senat des Bundessozialgerichts bereits als Beispielsfälle dafür genannt worden, dass diese Einschränkungen jedenfalls nicht zu einer konkreten Benennung veranlassen sollen (Großer Senat vom 19. Dezember 1996 in SozR 3-2600 § 44 Nr.8). Auch der Ausschluss von Überkopfarbeiten engt das Tätigkeitsfeld leichter körperlicher Arbeiten nicht weiter ein, weil derartige Tätigkeiten ohnehin nicht typisch für leichte körperliche Arbeiten sind. Weil sich aber die atypischen Leistungseinschränkungen auf eigenbestimmte Körperhaltung und Arbeiten in sauberer Umgebung beschränken und eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen erst bei einer höheren Zahl von atypischen Leistungseinschränkungen anzunehmen ist, hegt der Senat keinen Zweifel daran, dass die Klägerin noch in einem Betrieb einsetzbar ist. Eine konkrete Verweisungstätigkeit ist nicht zu benennen.

Mit der Ablehnung eines Anspruchs auf Berufsunfähigkeitsrente steht auch fest, dass die strengeren Voraussetzungen für die Gewährung von Erwerbsunfähigkeitsrente gemäß § 44 SGB VI a.F. bzw. von Rente wegen geminderter Erwerbsfähigkeit gemäß § 43 SGB VI nicht erfüllt sind. Denn die Klägerin ist nicht infolge von Krankheiten gehindert, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben und dadurch mehr als geringfügige Einkünfte zu erzielen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs.2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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