L 20 RJ 369/95

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
20
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 12 Ar 125/89
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 20 RJ 369/95
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 14.03.1995 wird zurückgewiesen.
II. Die Klage gegen die Bescheide vom 23.06.1997 und 17.11.1997 wird abgewiesen.
III. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten nur noch die Weitergewährung einer Halbwaisenrente an den Kläger über den 01.03.1988 hinaus.

Mit Bescheid vom 05.10.1979 gewährte die Beklagte dem am ...1963 geborenen Kläger Halbwaisenrente aus der Versicherung seines am 28.08.1978 verstorbenen Vaters ... Die Rente wurde wegen weiterer Schul- bzw Berufsausbildung des Klägers mit Bescheid vom 09.07.1986 über das 18. Lebensjahr hinaus bis 30.06.1987 gewährt.

Mit Schreiben vom 20.06.1987 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er im Schuljahr 1986/87 sein Lizenzstudium beendet habe und nun ein Magisterstudium beginnen werde. Aus der beigefügten Bescheinigung der ...-Universitesi in Ankara vom 10.06.1987 ging hervor, dass der Kläger sein Lizensstudium an der naturwissenschaftlichen Abteilung der erziehungswissenschaftlichen Fakultät der Ondokuzmayis-Universität am 30.01.1987 beendet hatte und nun an einer Masterausbildung teilnehme. Mit der Masterausbildung werde nicht bezweckt, dem Studierenden eine Berufsausbildung zu geben, sondern ihn durch Anleitung in Wissenschaft und Forschung in seinem nach dem Lizenzstudium erlangten Beruf weiter zu qualifizieren.

Mit Bescheid vom 04.07.1988 hob die Beklagte daraufhin den Bewilligungsbescheid vom 09.07.1986 ab dem 01.02.1987 auf und forderte vom Kläger die Erstattung der überzahlten Halbwaisenrente in Höhe von 1.055,50 DM, da er seine Ausbildung zum Physiklehrer am 30.01.1987 beendet habe und das weiterführende Magisterstudium keine Schul- bzw Berufsausbildung iS der §§ 1262, 1267 der Reichsversicherungsordnung (RVO) darstelle. Sein Antrag auf Weitergewährung der Halbwaisenrente über den 30.06.1987 hinaus wurde aus dem selben Grunde abgelehnt.

Mit Bescheid vom 09.11.1988 erklärte die Beklagte den Bescheid vom 04.07.1988 für vollstreckbar.

Dagegen hat der Kläger mit einem am 16.01.1989 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben sinngemäß Klage zum Sozialgericht Bayreuth (SG) erhoben.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 14.03.1995 abgewiesen. Sie sei unzulässig, soweit damit die Aufhebung des (dem Kläger vermutlich im Laufe des Juli 1988 zugegangenen) Bescheides vom 04.07.1988 begehrt werde, weil die Klagefrist versäumt worden sei. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 09.11.1988 sei dieser Bescheid lediglich für vollstreckbar erklärt worden. Gründe für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand seien nicht erkennbar. Im Übrigen sei die Klage auch unbegründet, da der Kläger nach dem Ende seines Lizenzstudiums zum Physiklehrer am 30.01.1987 für die Zeit ab 01.02.1987 keinen Anspruch auf Halbwaisenrente mehr habe. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG) stelle die anschließende Magisterausbildung keine Berufsausbildung iS der §§ 1262, 1267 RVO dar, denn sie diene lediglich dem Nachweis der Befähigung zur wissenschaftlichen Arbeit. Weil der Kläger eine entsprechende Mitteilung an die Beklagte zumindest grob fahrlässig unterlassen habe, sei diese berechtigt gewesen, die Bewilligung von Waisenrente ab dem 01.02.1987 aufzuheben und die zu Unrecht gewährten Leistungen zurückzufordern.

Gegen das ihm am 19.06.1995 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem am 24.07.1995 beim Bayer.Landessozialgericht (BayLSG) eingegangenen Schreiben sinngemäß Berufung eingelegt. Das Schreiben war nicht unterschrieben, auf dem Briefumschlag hatte der Kläger jedoch handschriftlich seine Adresse angegeben.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des SG Bayreuth zu überprüfen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichtes Bayreuth vom 14.03.1995 zurückzuweisen und die Klage gegen die Bescheide vom 23.06.1997 und 17.11.1997 abzuweisen.

Der Kläger sei nicht mehr beschwert, da die Beklagte mit Bescheid vom 23.06.1997 ihre Bescheide vom 04.07.1988 und 09.11.1988 zurückgenommen und dem Kläger über den 31.01.1987 hinaus bis 30.06.1987 die Halbwaisenrente weitergewährt habe.

Auf Grund einer Bestätigung der ...-Universitesi Ankara vom 08.09.1997, wonach der Kläger in der ersten Jahreshälfte 1988 das Studium beendet und in der zweiten Hälfte des Jahres mit seiner (am 18.10.1989 beendeten) Diplomarbeit begonnen hatte, verlängerte die Beklagte mit Bescheid vom 17.11.1997 die Halbwaisenrente bis zum 29.02.1988.

Auf die beigezogenen Akten der Beklagten, des SG und des BayLSG wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist form und fristgerecht eingelegt (§§ 143, 151 des Sozialgerichtsgesetzes [=SGG]) und auch im Übrigen zulässig. Zwar hat der Kläger seine Berufungsschrift nicht unterschrieben. Die handschriftliche Angabe des Absenders auf dem Kouvert genügt jedoch nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung dem Schriftformerfordernis des § 151 Abs 1 SGG (vgl BSG in Breithaupt 1979, S 87; Meyer-Ladewig, Komm zum SGG, 6.Aufl, § 151 RdNr 5 b mwN aus der Rechtsprechung). Das Rechtsmittel ist jedoch unbegründet, denn das SG hat die Klage gegen die Bescheide vom 04.07.1988 und 09.11.1988 im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

Es kann dabei offen bleiben, ob die am 16.01.1989 erhobene Klage wegen Versäumung der Klagefrist gegen den Bescheid vom 04.07.1988 unzulässig war. Wann dieser Bescheid dem Kläger zugestellt wurde, lässt sich weder dem Akteninhalt noch dem Vorbringen der Beteiligten entnehmen. Insbesondere fehlt ein Zustellungsnachweis. Die vom SG angenommene Zustellung des Bescheides vom 04.07.1988 im Laufe des Juli 1988 stellt vielmehr lediglich eine Vermutung dar. Das SG ist jedoch zutreffend davon ausgegangen, dass die Klage unbegründet war; denn nach der vorliegenden Bescheinigung der ...-Universitesi in Ankara vom 10.06.1987 hatte der Kläger sein Lizenzstudium an der naturwissenschaftlichen Abteilung der erziehungswissenschaftlichen Fakultät der Ondokuzmayis-Universität am 30.01.1987 beendet. Die anschließende Anfertigung einer Diplomarbeit stellt keine Berufs- oder Schulausbildung iS der §§ 1262, 1267 RVO dar, da es sich hierbei nicht um ein Ausbildungsverhältnis handelt, sondern lediglich der Nachweis der Befähigung zur wissenschaftlichen Arbeit des Klägers erbracht werden sollte (vgl auch BSG vom 22.11.1994 - 10 RKG 11/94).

Die Beklagte hat während des Berufungsverfahrens die angefochtenen Bescheide vom 04.07.1988 und 09.11.1988 auf Grund der neuen Bestätigung der Gazi-Universitesi in Ankara vom 08.09.1997 mit Bescheid vom 23.06.1997 nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zurückgenommen und dem Kläger mit diesem Bescheid sowie dem Folgebescheid vom 17.11.1997 die Halbwaisenrente über den 30.06.1987 hinaus bis zum 29.02.1988 weitergewährt. Damit ist zwar nicht die Beschwer des Klägers für das Berufungsverfahren entfallen, denn diese lag im maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungseinlegung am 24.07.1995 vor (vgl Meyer-Ladewig, Komm zum SGG, 6.Aufl, vor § 143 RdNr 10 mwN). Darüberhinaus hat der Kläger seine Berufung auch nicht auf die Gewährung von Halbwaisenrente bis zum 29.02.1988 beschränkt.

Über die während des Berufungsverfahrens ergangenen Bescheide der Beklagten, die gem § 96 SGG Gegenstand dieses Verfahrens wurden, war vielmehr vom Senat im Wege der Klage zu entscheiden (vgl dazu auch Meyer-Ladewig, Komm zum SGG, 6.Aufl, § 96 RdNr 7 mwN aus der Rechtsprechung des BSG).

Die Klage gegen die Bescheide vom 23.06.1997 und 17.11.1997 ist jedoch unbegründet. Mit diesen Bescheiden hat die Beklagte den Angaben der ...-Universitesi in Ankara vom 08.09.1997 über Dauer und Ende des Studiums des Klägers entsprochen. Nach dem 29.02.1988 war der Kläger mit der Anfertigung einer Diplomarbeit beschäftigt, hatte keine Vorlesungen mehr zu besuchen und befand sich somit nicht mehr in einer Berufsausbildung iS des § 1262, 1267 RVO, so dass er über diesem Zeitpunkt hinaus keinen Anspruch auf Gewährung einer Halbwaisenrente hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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