L 6 RA 32/99

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 7 RA 3534/97
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 6 RA 32/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25. Januar 1999 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Rechtsstreit betrifft die Gewährung einer höheren Altersrente unter Einstufung der in Russland zurückgelegten Beschäftigungszeiten vom 1. September 1951 bis zum 7. September 1960 in eine höhere Qualifikationsgruppe und in einen anderen Wirtschaftsbereich.

Der am ... 1925 in M. (Russland) geborene Kläger, der als Spätaussiedler anerkannt ist, durchlief bis 1942 die Schule bis zur 8. Klasse. Danach war er ohne vorherige Berufsausbildung als Maurer und Erd- und Betonarbeiter bei dem Bau- und Montagebetrieb Nr. 8 der Vereinigung „Zentrtjashstroj" beschäftigt. Vom 1. September 1946 bis zum 31. Mai 1947 absolvierte der Kläger beim Ausbildungskombinat seines Arbeitgebers ein Abendschulstudium und schloss dieses erfolgreich mit dem Erwerb des „Meisters im Bauwesen" ab. Seit dem 1. August 1947 war der Kläger sodann durchgängig bis zum 30. November 1985 bei dem Trust Nr. 1 der Vereinigung „Glawneftesawodtroj", dem späteren Trust „Orskpromstroj", in wechselnden Funktionen beschäftigt. Bei diesem Trust handelte es sich um eine Bauorganisation, die die Aufgabe hatte, Erdölverarbeitungsbetriebe zu bauen und auszubauen. Die Betriebsorganisation des Klägers war hierbei z. B. für die Tiefbauarbeiten und die Errichtung der Gebäude und des Fundaments zuständig. Der Kläger arbeitete mit Zimmerleuten, Betonarbeitern, Putzern und Tiefbauarbeitern zusammen. Zum 1. August 1947 wurde der Kläger als „Meister des 2. Abschnittes" eingestellt; in dieser Funktion unterstanden ihm nach seinen Angaben 4 bis 5 Brigaden, wobei jede Brigade aus ca. 15 Arbeitern bestand. Zum 1. September 1951 wurde der Kläger in die Funktion als „Bauleiter" umgesetzt. Nunmehr unterstanden dem Kläger zunächst ein, später zwei Meister mit jeweils 4 bis 5 Brigaden. Seit dem 24. Februar 1958 war er als Oberbauleiter tätig und wurde ab dem 15. September 1962 Leiter der Produktionstechnischen Abteilung. Im Jahr 1957 nahm der Kläger ein Abendstudium an der Orskia Abendschule für Bauwesen auf, das er am 7. September 1960 erfolgreich mit dem Erwerb des Diploms als Bautechniker abschloss. 1995 übersiedelte der Kläger aus Russland in die Bundesrepublik Deutschland.

Auf seinen Antrag vom 7. Dezember 1995 gewährte ihm die Beklagte mit Bescheid vom 24. Februar 1997 eine Regelaltersrente seit September 1995. Hierbei berücksichtigte sie u.a. die Zeit vom 1. September 1951 bis zum 23. Februar 1958 als Beitragszeit in der Rentenversicherung der Arbeiter, Qualifikationsgruppe 5, Bereich 11 der Anlage 14 zum Sechsten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB VI), Tabellenwert um 1/5 erhöht. Die Zeit vom 24. Februar 1958 bis zum 7. September 1960 wurde als Beitragszeit in der Rentenversicherung der Angestellten, Qualifikationsgruppe 5, Bereich 11 der Anlage 14 zum SGB VI, Tabellenwert um 1/5 erhöht berücksichtigt. Ab dem 8. September 1960 wurde die Tätigkeit des Klägers bis 1973 in der Qualifikationsgruppe 2 , Bereich 11 der Anlage 14 zum SGB VI berücksichtigt. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Widerspruch, dem die Beklagte mit Bescheid vom 13. Mai 1997 insoweit abhalf, als die Beschäftigung als Bauleiter in der Zeit vom 1. September 1951 bis zum 23. Februar 1958 nunmehr der Angestelltenversicherung zugeordnet wurde. Der Kläger hielt seinen Widerspruch aufrecht und beanstandete insbesondere die Einstufung für die Zeit vom 1. September 1951 bis zum 7. September 1960 in die Qualifikationsgruppe 5 der Anlage 13 zum SGB VI. Mit Widerspruchsbescheid vom 31. Juli 1997 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, für die geltend gemachte Zeit könne nur eine Zuordnung in die Qualifikationsgruppe 5 erfolgen, da der Kläger ohne eine Ausbildung für diese Zeit noch nicht über eine langjährige Berufserfahrung verfüge. Für die ausgeübte Tätigkeit als Bauleiter besitze der Kläger erst ab dem 7. September 1960 die erforderliche Qualifikation.

Gegen diesen Bescheid hat der Kläger Klage erhoben. Während des Rechtsstreits hat die Beklagte die Tätigkeit als Meister und Bauleiter in der Zeit vom 1. August 1957 bis zum 7. September 1960 der Qualifikationsgruppe 4 zugeordnet und entsprechend diesem Anerkenntnis mit Bescheid von 24. August 1998 die Rente neu berechnet.

Der Kläger hat vorgetragen: Mit dem Anerkenntnis der Beklagten sei er nicht einverstanden. Er beanspruche für die Zeit vom 1. September 1951 bis zum 7. September 1960 eine Einstufung in die Qualifikationsgruppe 2. Sein Arbeitsbuch bestätige seine Arbeit als Bauleiter und Oberbauleiter in dem genannten Zeitraum. Außerdem sei er auch der Ansicht, dass die Einstufung in die Nr. 11 der Anlage 14 zum SGB VI (Bauwirtschaft) unzutreffend sei, da er in die Energie- und Brennstoffindustrie (Anlage 14 Nr. 1 zum SGB VI) eingestuft werden müsse. Der Kläger hat beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 24. Februar 1997 in der Gestalt des Bescheides vom 13. Mai 1997, dieser in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Juli 1997, sämtlichst in Gestalt des Bescheides vom 24. August 1998 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, zum einen seine Tätigkeit dem Bereich Nr. 1 der Anlage 14 zum SGB VI zuzuordnen und zum anderen die Beschäftigung in der Zeit vom 1. September 1951 bis zum 7. September 1960 in die Qualifikationsgruppe 2 der Anlage 13 zum SGB VI, hilfsweise in die Qualifikationsgruppe 3 der Anlage 13 zum SGB VI, einzustufen und eine höhere Rente zu gewähren.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 25. Januar 1999 die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt: Die Beklagte habe den Kläger zu Recht im streitigen Zeitraum vom 1. September 1951 bis 31. Juli 1957 in die Qualifikationsgruppe 5 und vom 1. August 1957 bis 7. September 1960 in die Qualifikationsgruppe 4 eingestuft. Auch die Einstufung in den Wirtschaftsbereich Nr. 11 der Anlage 14 zum SGB VI sei rechtlich nicht zu beanstanden. Die Rechtsgrundlage der hier streitigen Einstufung in Qualifikationsgruppen und Wirtschaftsbereiche ergebe sich aus § 22 Abs. 1 des Fremdrentengesetzes (FRG), wonach für Beitrags- und Beschäftigungszeiten, die u.a. in der ehemaligen Sowjetunion zurückgelegt worden seien, Entgeltpunkte in Anwendung des § 256b Abs. 1 Satz 1, 1. Halbsatz und Satz 8 SGB VI ermittelt würden.

Die Kammer könne offen lassen, ob die Tätigkeit des Klägers als Bauleiter ab dem 1. September 1951 und als Oberbauleiter ab dem 24. Februar 1958 eine den Kriterien der Qualifikationsgruppe 2 entsprechende Tätigkeit gewesen sei. Der Kläger erfülle nicht die Merkmale dieser Qualifikationsgruppe, da die neunmonatige berufsbegleitende Abendschulausbildung des Klägers beim Ausbildungskombinat des Trustes, die er von September 1946 bis Mai 1947 absolviert und mit dem Erwerb des „Meisters im Bauwesen" abgeschlossen habe, keine Fachschulausbildung in dem vorgenannten Sinne sei. Hiergegen spreche nicht nur die neunmonatige Ausbildungszeit ohne vorherige Berufsausbildung, sondern auch, dass die Ausbildung neben der Berufstätigkeit durchgeführt wurde. Eine Fachschulausbildung könne in der Regel erst aufgenommen werden, wenn eine polytechnische Oberschule abgeschlossen sei, eine Berufsausbildung absolviert und nach Möglichkeit praktische Berufserfahrungen erworben worden seien. Zwar habe der Kläger schon 1946 über praktische Berufserfahrungen verfügt, doch habe er weder eine polytechnische Oberschule abgeschlossen noch eine Berufsausbildung absolviert. Es sei daher ausgeschlossen, dass der Kläger in Folge einer derartigen Ausbildung als „Fachschulabsolvent" im Sinne der Qualifikationsgruppe 2 anzusehen sei. Der Kläger habe auch nicht in dem genannten Zeitraum auf Grund langjähriger Berufserfahrung Fähigkeiten erworben, die üblicherweise denen von Fachschulabsolventen entsprächen. Für die Qualifikationsgruppe 2 wäre eine weit über zehnjährige Berufserfahrung als Bauleiter erforderlich gewesen, um den Kläger trotz fehlendem Berufsschulabschluss in diese Gruppe einzustufen. In der Anlage 13 fielen Facharbeiter nun in die Qualifikationsgruppe 4. Mithin sei bereits in der Qualifikationsgruppe 4 von einer langjährigen Berufserfahrung erst nach 10 Jahren auszugehen. Da der für eine langjährige Berufserfahrung erforderliche Zeitraum um so länger sein müsse, je höher die begehrte Qualifikationsgruppe sei, könne in der Qualifikationsgruppe 2 (und auch in der Qualifikationsgruppe 3) eine langjährige Berufserfahrung nicht bei nur unter 10 Jahren in der jeweiligen Tätigkeit gegeben sein. Da der Kläger vor dem 8. September 1960 nur über eine neunjährige Berufserfahrung als Bauleiter (beginnend ab dem 1. September 1951) verfügt habe, könne diese nicht als langjährig im Sinne der Qualifikationsgruppe 2 angesehen werden. Auch die hilfsweise geltend gemachte Einstufung in die Qualifikationsgruppe 3 für diesen Zeitraum sei nicht möglich. Meister nach der Definition der Anlage 13 seien Personen, die über einen urkundlichen Nachweis über eine abgeschlossene Qualifikation als Meister verfügten oder denen auf Grund langjähriger Berufserfahrung entsprechend den Bestimmungen des Beitrittsgebietes die Qualifikation als Meister zuerkannt worden sei. Nicht zu den Meistern gehörten Personen, die in die Meisterfunktion eingesetzt worden seien oder die den Begriff Meister nur als Tätigkeitsbezeichnung geführt hätten. Die von dem Kläger in dem neunmonatigen berufsbegleitenden Abendschulkurs erworbene Qualifikation als „Meister im Bauwesen" sei nicht eine Qualifikationsbezeichnung, sondern nur eine Funktionsbezeichnung. Die Beklagte habe zutreffend den Kläger dem Wirtschaftsbereich „Bauwirtschaft" (Anlage 14 Nr. 11 zum SGB VI) zugeordnet. Nach dem Ergebnis der Befragung des Klägers in der mündlichen Verhandlung handele es sich bei dem Trust Nr. 1 der Vereinigung „Glawneftesawodtroj", dem späteren Trust „Orskpromstroj", um eine Bauorganisation, die die Aufgabe gehabt habe, Erdölverarbeitungsbetriebe zu bauen und auszubauen und die dem Ministerium für Erdöl unterstellt gewesen sei. Der Kläger habe mit Arbeitnehmern zusammengearbeitet, die für den Erdaushub zuständig gewesen seien, mit Zimmerleuten, mit Betonarbeitern, mit Putzern und mit Tiefbauarbeitern. Somit habe der Schwerpunkt der Firma, für die der Kläger tätig gewesen sei, eindeutig im Baubereich gelegen. Dieser Spezialbaubetrieb unterfalle weder dem Bereich Nr. 1 „Energie- und Brennstoffindustrie" noch dem Bereich Nr. 2 „Chemische Industrie", sondern gehöre in den Bereich Nr. 11, wozu u.a. Industriebaubetriebe und Spezialbaubetriebe gehörten.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung. Der Kläger beruft sich auf sein früheres Vorbringen und weist ergänzend darauf hin, dass die Beklagte unzutreffend in einer Übersetzung aus dem Russischen davon ausgegangen sei, dass er ab 1. September 1951 als Produktionsarbeiter gearbeitet hätte. Er sei jedoch nach der richtigen Übersetzung seit dem 1. September 1951 Bauleiter und ab 24. Februar 1958 als Oberbauleiter tätig gewesen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25. Januar 1999 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung der Bescheide vom 24. Februar 1997 und 13. Mai 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Juli 1997 und des Bescheides vom 24. August 1997 zu verurteilen, seine Tätigkeit in der Zeit vom 1. September 1951 bis 7. September 1960 in die Qualifikationsgruppe 2 der Anlage 13 zum SGB VI, hilfsweise in die Qualifikationsgruppe 3 Anlage 13 zum SGB VI, einzustufen sowie diese Tätigkeit dem Bereich Nr. 1 der Anlage 14 zum SGB VI zuzuordnen und eine höhere Rente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Auch sie gehe wie der Kläger davon aus, dass dieser ab 1. September 1951 Bauleiter und ab 24. Februar 1958 Oberbauleiter gewesen sei. Diese Tätigkeiten hätten in der Zuordnung der Qualifikationsgruppe 5 bzw. 4 Berücksichtigung gefunden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die Akten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das Urteil des Sozialgerichts ist zutreffend.

Die angefochtenen Bescheide vom 24. Februar 1997 und 13. Mai 1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31. Juli 1997 und des Bescheides vom 24. August 1998 erweisen sich als rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Einstufung der Fremdbeitragszeit vom 1. September 1951 bis zum 7. September 1960 in die Qualifikationsgruppe 2 bzw. 3 der Anlage 13 zum SGB VI und die Zuordnung in den Bereich Nr. 1 der Anlage 14 sowie die Gewährung einer höheren Regelaltersrente. Hinsichtlich der Begründung nimmt der Senat nach § 153 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Bezug auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils.

Zur Verdeutlichung der vom Sozialgericht getroffenen Entscheidung weist der Senat ergänzend darauf hin, dass über die Einstufung in die Qualifikationsgruppen nach der Anlage 13 zum SGB VI das Vorhandensein bzw. das Fehlen einer bestimmten Berufsqualifikation entscheidet. Mit dem Erwerb einer bestimmten Berufsqualifikation und nicht früher erfolgt die Einstufung in die entsprechende Qualifikationsgruppe (vgl. Michael Müller, „Qualifikation statt Leistung - Anlage 13 SGB VI -" in Die Angestelltenversicherung 1995 S. 305, 313). Deshalb ist der Kläger entsprechend diesen Vorgaben anfangs in die Qualifikationsgruppe 5 und anschließend bis zum 7. September 1960 in die Qualifikationsgruppe 4 eingestuft worden, denn er hat keine Ausbildung durchlaufen und nur neun Monate eine Abendschule neben seiner Berufstätigkeit besucht. Die Qualifikationsgruppe 5 umfasst auch „Personen, die in der Berufsausbildung oder im Rahmen der Erwachsenenqualifizierung eine Ausbildung auf Teilgebieten eines Ausbildungsberufs abgeschlossen haben und im Besitz eines entsprechenden Zeugnisses sind" sowie „Personen, die in einer produktionstechnischen oder anderen speziellen Schulung für eine bestimmte Tätigkeit angelernt worden sind". Beides zusammengenommen kommt dem beruflichen Werdegang des Klägers am nächsten, den er bis Juli 1957 zurückgelegt hat, denn die Funktion als „Meister" und „Bauleiter" war nicht mit einer umfangreichen Ausbildung verbunden. Eine solche Ausbildung von mehreren Jahren begann der Kläger 1957 und erst mit deren Beendigung, dem Erwerb des Diploms eines Bautechnikers am 7. September 1960, erfüllt der Kläger die Qualifikation der Gruppe 2 und ist zu Recht ab 8. September 1960 in diese Qualifikationsgruppe von der Beklagten eingeordnet worden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil ein Zulassungsgrund nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegt.
Rechtskraft
Aus
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