Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 5 RJ 222/98 A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 14 RJ 432/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 18. Mai 1999 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage gegen den Bescheid vom 7. März 1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. August 1997 unzulässig gewesen ist.
II. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch auf Rente wegen Berufs- und Erwerbsunfähigkeit bzw. wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung (§§ 43, 44 des Sozialgesetzbuches Teil VI - SGB VI - in den ab 01.01.1992 und 01.01.2001 geltenden Fassungen).
Die Beklagte hatte den im September 1996 gestellten Rentenantrag des im Jahre 1946 geborenen Klägers, eines jugoslawischen Staatsangehörigen mit 16 Monate deutschen und ca. 29 Jahren serbischen Versicherungszeiten, mit Bescheid vom 07.03.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.08.1997 abgelehnt. Der Widerspruchsbescheid wurde einmal am 02.09.1997 mit Einschreiben/Rückschein zur Post gegeben und ist laut Postvermerk, Unterschrift des Klägers und Datum auf dem Rückschein ihm in Serbien am 05.09.1997 zugestellt worden. Weiterhin ist eine Ausfertigung des Widerspruchsbescheides aus in der Versichertenakte nicht ersichtlichen Gründen nochmals am 28.10.1997 auf dem Postweg gebracht und nach dem Inhalt des zweiten Rückscheins dem Kläger am 04.11.1997 in Serbien zugegangen.
Mit einem beim Postamt in Serbien am 09.02.1998 gestempelten und beim Sozialgericht Landshut am 16.02.1998 eingegangenen Schreiben wurde Klage erhoben und hierbei der vollständige Widerspruchsbescheid vom 29.08.1997 (mit dem Stempelaufdruck "Eingang bei der Landesversicherungsanstalt am 16.10.1997") vorgelegt.
Nach Einholung eines Aktenlage-Gutachtens und einer ergänzenden Stellungnahme des Dr.Z. wies das Sozialgericht die Klage insulinpflichtigen Diabetes mellitus mit beginnenden Folgeschäden (Polyneuropathie, Durchblutungsstörungen), chronischen Zwölffingerdarmgeschwürs und psychovegetativen Syndroms in der Lage sei, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne große Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit vollschichtig zu verrichten.
Mit der hiergegen am 05.07.1999 beim Sozialgericht Landshut eingelegten Berufung verfolgte der Kläger sein Rentenbegehren weiter. Der Senat hat ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten des Dr.K. vom 28.06.2000, ein internistisches Gutachten des Dr.P. vom 20.07.2000 und ein augenärztliches Gutachten des Dr.S. vom 14.02.2001 eingeholt, aus denen sich an wesentlichen Gesundheitsstörungen ein seit 1995 bekannter, seit 1999 insulinpflichtiger und nicht ganz optimal eingestellter Diabetes mellitus Typ II und eine Retinopathie (Netzhauterkrankung) bei herabgesetzter Sehschärfe ergaben, weiterhin an leistungsrechtlich nicht relevanten Nebenbefunden u.a. eine Polyneuropathie, eine low-dose-Abhängigkeit von Benzodiazepinen, eine beginnende periphere arterielle Verschlusskrankheit Stadium I bis II a, eine beginnende Nephropathie und ein leichter Leberparenchymschaden. Nach der Ansicht der Sachverständigen war und ist der Kläger bei Beachtung qualitativer Einschränkungen noch in der Lage, vollschichtig Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts zu verrichten und kann u.a. als (einfacher) Tagespförtner eingesetzt werden.
Der Senat hat den Kläger zunächst auf die Möglichkeit der Zurückweisung der Berufung wegen fehlenden Rentenanspruchs hingewiesen, später auch darauf, dass es zu einer sachlichen Prüfung des Klageanspruchs in zweiter Instanz nicht kommen werde, weil bereits die Klagefrist versäumt worden sei und die Klage wegen Unzulässigkeit abgewiesen werden hätte müssen; Gründe, dass er ohne Verschulden gehindert gewesen sei, die Klagefrist einzuhalten, und dass das Sozialgericht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewähren hätte müssen, seien nach Sachlage nicht ersichtlich. Aufgefordert, hierzu Stellung zu nehmen, hat der Kläger lediglich mitgeteilt, dass er wegen seines schlechten Gesundheitszustands im Jahre 1998 die Klage etwas verspätet zur Post gebracht habe; leider könne er sich nicht mehr so genau erinnern.
Der Kläger beantragt in der Hauptsache,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 18.05.1999 und den Bescheid der Beklagten vom 07.03.1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.08.1997 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen geminderter Erwerbsfähigkeit bzw. Erwerbsminderung unter Berücksichtigung des Rentenantrags vom 10.09.1996 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Dem Senat lagen zur Entscheidung die Prozessakten beider Rechtszüge vor. Zur Ergänzung des Tatbestandes insbesondere hinsichtlich des Inhalts der ärztlichen Unterlagen und des Vortrags der Beteiligten wird hierauf sowie auf die zu Beweiszwecken beigezogene Versichertenakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143 f., 151 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) ist zulässig, in der Hauptsache aber unbegründet.
Auch der Senat ist, allerdings aus anderen Gründen als das Sozialgericht, zu dem Ergebnis gekommen, dass die Klage abzuweisen gewesen ist. Sie ist wegen Versäumung der Klagefrist unzulässig gewesen.
Die Klage ist binnen eines Monats nach Zustellung des Verwaltungsakts zu erheben; die Frist beträgt bei Zustellung im Ausland drei Monate (§ 87 Abs.1 SGG).
Vorliegend bleibt unklar, ob der Widerspruchsbescheid vom 29.08.1997 dem Kläger zweimal, am 05.09.1997 und am 04.11.1997, oder nur am 04.11.1997 zugestellt worden ist. Zwar sprechen alle Daten auf dem ersten Rückschein dafür, dass der Widerspruchsbescheid bereits am 05.09.1997 dem Kläger zugegangen ist; so ist die Unterschrift des Klägers, die Unterschrift des Zustellers, und zweimal das Datum (handschriftlich sowie Poststempel des serbischen Postamts) vorhanden. Gleichwohl bestehen gewisse Zweifel, weil der Widerspruchsbescheid auf unbekannten Wegen wieder bei der Beklagten am 16.10.1997 (laut Poststempel) eingegangen ist, die daraufhin eine zweite Zustellung veranlasste. Die näheren Umstände sind nicht mehr zu klären, weil weder der Briefumschlag noch ein Aktenvermerk vorhanden sind. Wird zu Gunsten des Klägers davon ausgegangen, dass die Zustellung des Widerspruchsbescheides erst am 04.11.1997 erfolgt ist, ändert dies jedoch nichts am Ergebnis, auch dann ist die Klagefrist versäumt.
Die Frist beginnt mit dem Tag nach der Zustellung (04.11.1997), also am 05.11.1997, zu laufen, und endet in der Regel nach drei Monaten, also mit dem 04.02.1998 (§ 64 Abs.1 und 2 SGG); nachdem der 04.02.1998 ein Samstag gewesen ist, endet die Frist erst mit Ablauf des nächsten Werktages, dem 06.02.1998.
Die Klage ist aber erst am 16.02.1998 beim Sozialgericht eingegangen. Dieses Datum und nicht das der Aufgabe der Klageschrift zur Post ist entscheidend; unabhängig davon muß darauf hingewiesen werden, dass der Kläger seinen Schriftsatz erst am 09.02.1998 zur Post gegeben hat, als die Klagefrist bereits abgelaufen gewesen ist.
Die Versäumung der Klagefrist wird nicht dadurch geheilt, dass das Sozialgericht dies übersehen und in der Hauptsache entschieden hat.
Über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei schuldloser Versäumnis (§ 67 Abs.1 SGG) kann nur ausdrücklich entschieden werden (§ 67 Abs.4 SGG); eine stillschweigende Wiedereinsetzung ist nicht möglich (Meyer-Ladewig, SGG, 6. Auflage, Rdnr.18 zu § 67 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung). Ein Beschluss des Sozialgerichts über die Wiedereinsetzung ist nicht ergangen; das Sozialgericht hat auch nicht in seinem Urteil in den Entscheidungsgründen hierüber entschieden, sondern diesen Punkt schlichtweg übergangen. Es fehlen nicht nur jegliche Vermerke über die einschlägigen Tatsachen (Zeitpunkt der Zustellung des Widerspruchsbescheides und des Klageeingangs) und entsprechende Feststellungen (Versäumung der Klagefrist, eventuelle Wiedereinsetzungsgründe), sondern auch eine Entscheidung, dem Kläger die Versäumnis nachzusehen oder Wiedereinsetzung nicht zu gewähren. Vielmehr hat das Sozialgericht das Problem nicht erkannt, als es insoweit nur feststellte: "Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig, jedoch unbegründet".
Das Sozialgericht hätte dem Kläger auch nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewähren dürfen, denn Gründe hierfür lagen nicht vor. Ein Sachverhalt, dass der Kläger an der Wahrung der Klagefrist gehindert worden wäre, obwohl er diejenige Sorgfalt aufgewendet hat, die einen gewissenhaften Prozessführenden nach den gesamten Umständen nach allgemeiner Verkehrsanschauung vernünftigerweise zuzumuten ist, ist weder nachgewiesen noch glaubhaft.
Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger (vorübergehend) nicht willens- und/oder handlungsfähig gewesen ist, sind nicht ersichtlich. Nach allen vorliegenden ärztlichen Unterlagen ist die Geschäftsfähigkeit zu bejahen und liegt kein Tatbestand auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet oder in einem anderen Bereich vor, der zu diesbezüglichen Befürchtungen Anlass geben könnte. Eine tiefgehende Depression bestand nicht. Die Sehfähigkeit des Klägers war zwar eingeschränkt, er konnte aber nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme unter Zuhilfenahme einer Brille Zeitungsdruck lesen; im Übrigen wäre auch die Zuhilfenahme dritter Personen zumutbar gewesen. Der Diabetes hat den Kläger nach dessen eigenen Angaben in der Gehfähigkeit 1997/98 etwas eingeschränkt (anfangs Wegstrecken in einer Zeit bis zu 30 Minuten; zuletzt, bei Dr.K. , ein Weg von ca. einem km, nach einer Pause der Rückweg von einem weiteren km; laut Schriftsatz des Klägers vom 11.04.2001 wegen späterer Verschlechterung des Gesundheitszustandes weniger als 500 m). Dies hat ihn aber in den vergangenen Jahren nicht gehindert, zu den ambulanten Behandlungen und Kontrolluntersuchungen in Serbien zu erscheinen, wie die vorhandenen ärztlichen Unterlagen ausweisen; abgesehen davon wäre es ihm auch zur Jahreswende 1997/98 zumutbar gewesen, unter Zuhilfenahme von Verkehrsmitteln und gegebenenfalls dritter Personen seine Berufungsschrift rechtzeitig zur Post zu geben.
Ebensowenig war der Kläger durch stationäre Behandlungen gehindert, sich fristgerecht um die Besorgung seiner Angelegenheiten zu kümmern. Seine Krankenhausaufenthalte nur zur medikamentösen Regulierung des Blutzuckers und der Entfernung einer gutartigen Hautveränderung sind bekannt (28.11. bis 13.12.1996, 05. bis 13.10.1998 und 23.03. bis 09.04.2001) und fielen nicht in den Lauf der Klagefrist.
Die "schuldhafte" Versäumung der Klagefrist hat zur Folge, dass es in erster Instanz an einer Prozessvoraussetzung fehlte. Die Klage hätte als unzulässig und nicht als unbegründet abgewiesen werden müssen. Dies ist auch in zweiter Instanz noch zu berücksichtigen. Der Urteilsspruch (Tenor) des Sozialgerichts, der allein in Rechtskraft erwächst, war allerdings zu "bestätigen", denn dieser ist im Ergebnis richtig, und auf die unzutreffende Urteilsbegründung kam es nicht maßgebend an. Wegen der teils unterschiedlichen Wirkung der Rechtskraft bei Sach- und Prozessurteilen hat der Senat im Tenor seiner eigenen Entscheidung den zutreffenden rechtlichen Sachverhalt klargestellt.
Die Berufung war mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
II. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch auf Rente wegen Berufs- und Erwerbsunfähigkeit bzw. wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung (§§ 43, 44 des Sozialgesetzbuches Teil VI - SGB VI - in den ab 01.01.1992 und 01.01.2001 geltenden Fassungen).
Die Beklagte hatte den im September 1996 gestellten Rentenantrag des im Jahre 1946 geborenen Klägers, eines jugoslawischen Staatsangehörigen mit 16 Monate deutschen und ca. 29 Jahren serbischen Versicherungszeiten, mit Bescheid vom 07.03.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.08.1997 abgelehnt. Der Widerspruchsbescheid wurde einmal am 02.09.1997 mit Einschreiben/Rückschein zur Post gegeben und ist laut Postvermerk, Unterschrift des Klägers und Datum auf dem Rückschein ihm in Serbien am 05.09.1997 zugestellt worden. Weiterhin ist eine Ausfertigung des Widerspruchsbescheides aus in der Versichertenakte nicht ersichtlichen Gründen nochmals am 28.10.1997 auf dem Postweg gebracht und nach dem Inhalt des zweiten Rückscheins dem Kläger am 04.11.1997 in Serbien zugegangen.
Mit einem beim Postamt in Serbien am 09.02.1998 gestempelten und beim Sozialgericht Landshut am 16.02.1998 eingegangenen Schreiben wurde Klage erhoben und hierbei der vollständige Widerspruchsbescheid vom 29.08.1997 (mit dem Stempelaufdruck "Eingang bei der Landesversicherungsanstalt am 16.10.1997") vorgelegt.
Nach Einholung eines Aktenlage-Gutachtens und einer ergänzenden Stellungnahme des Dr.Z. wies das Sozialgericht die Klage insulinpflichtigen Diabetes mellitus mit beginnenden Folgeschäden (Polyneuropathie, Durchblutungsstörungen), chronischen Zwölffingerdarmgeschwürs und psychovegetativen Syndroms in der Lage sei, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne große Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit vollschichtig zu verrichten.
Mit der hiergegen am 05.07.1999 beim Sozialgericht Landshut eingelegten Berufung verfolgte der Kläger sein Rentenbegehren weiter. Der Senat hat ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten des Dr.K. vom 28.06.2000, ein internistisches Gutachten des Dr.P. vom 20.07.2000 und ein augenärztliches Gutachten des Dr.S. vom 14.02.2001 eingeholt, aus denen sich an wesentlichen Gesundheitsstörungen ein seit 1995 bekannter, seit 1999 insulinpflichtiger und nicht ganz optimal eingestellter Diabetes mellitus Typ II und eine Retinopathie (Netzhauterkrankung) bei herabgesetzter Sehschärfe ergaben, weiterhin an leistungsrechtlich nicht relevanten Nebenbefunden u.a. eine Polyneuropathie, eine low-dose-Abhängigkeit von Benzodiazepinen, eine beginnende periphere arterielle Verschlusskrankheit Stadium I bis II a, eine beginnende Nephropathie und ein leichter Leberparenchymschaden. Nach der Ansicht der Sachverständigen war und ist der Kläger bei Beachtung qualitativer Einschränkungen noch in der Lage, vollschichtig Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts zu verrichten und kann u.a. als (einfacher) Tagespförtner eingesetzt werden.
Der Senat hat den Kläger zunächst auf die Möglichkeit der Zurückweisung der Berufung wegen fehlenden Rentenanspruchs hingewiesen, später auch darauf, dass es zu einer sachlichen Prüfung des Klageanspruchs in zweiter Instanz nicht kommen werde, weil bereits die Klagefrist versäumt worden sei und die Klage wegen Unzulässigkeit abgewiesen werden hätte müssen; Gründe, dass er ohne Verschulden gehindert gewesen sei, die Klagefrist einzuhalten, und dass das Sozialgericht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewähren hätte müssen, seien nach Sachlage nicht ersichtlich. Aufgefordert, hierzu Stellung zu nehmen, hat der Kläger lediglich mitgeteilt, dass er wegen seines schlechten Gesundheitszustands im Jahre 1998 die Klage etwas verspätet zur Post gebracht habe; leider könne er sich nicht mehr so genau erinnern.
Der Kläger beantragt in der Hauptsache,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 18.05.1999 und den Bescheid der Beklagten vom 07.03.1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.08.1997 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen geminderter Erwerbsfähigkeit bzw. Erwerbsminderung unter Berücksichtigung des Rentenantrags vom 10.09.1996 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Dem Senat lagen zur Entscheidung die Prozessakten beider Rechtszüge vor. Zur Ergänzung des Tatbestandes insbesondere hinsichtlich des Inhalts der ärztlichen Unterlagen und des Vortrags der Beteiligten wird hierauf sowie auf die zu Beweiszwecken beigezogene Versichertenakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143 f., 151 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) ist zulässig, in der Hauptsache aber unbegründet.
Auch der Senat ist, allerdings aus anderen Gründen als das Sozialgericht, zu dem Ergebnis gekommen, dass die Klage abzuweisen gewesen ist. Sie ist wegen Versäumung der Klagefrist unzulässig gewesen.
Die Klage ist binnen eines Monats nach Zustellung des Verwaltungsakts zu erheben; die Frist beträgt bei Zustellung im Ausland drei Monate (§ 87 Abs.1 SGG).
Vorliegend bleibt unklar, ob der Widerspruchsbescheid vom 29.08.1997 dem Kläger zweimal, am 05.09.1997 und am 04.11.1997, oder nur am 04.11.1997 zugestellt worden ist. Zwar sprechen alle Daten auf dem ersten Rückschein dafür, dass der Widerspruchsbescheid bereits am 05.09.1997 dem Kläger zugegangen ist; so ist die Unterschrift des Klägers, die Unterschrift des Zustellers, und zweimal das Datum (handschriftlich sowie Poststempel des serbischen Postamts) vorhanden. Gleichwohl bestehen gewisse Zweifel, weil der Widerspruchsbescheid auf unbekannten Wegen wieder bei der Beklagten am 16.10.1997 (laut Poststempel) eingegangen ist, die daraufhin eine zweite Zustellung veranlasste. Die näheren Umstände sind nicht mehr zu klären, weil weder der Briefumschlag noch ein Aktenvermerk vorhanden sind. Wird zu Gunsten des Klägers davon ausgegangen, dass die Zustellung des Widerspruchsbescheides erst am 04.11.1997 erfolgt ist, ändert dies jedoch nichts am Ergebnis, auch dann ist die Klagefrist versäumt.
Die Frist beginnt mit dem Tag nach der Zustellung (04.11.1997), also am 05.11.1997, zu laufen, und endet in der Regel nach drei Monaten, also mit dem 04.02.1998 (§ 64 Abs.1 und 2 SGG); nachdem der 04.02.1998 ein Samstag gewesen ist, endet die Frist erst mit Ablauf des nächsten Werktages, dem 06.02.1998.
Die Klage ist aber erst am 16.02.1998 beim Sozialgericht eingegangen. Dieses Datum und nicht das der Aufgabe der Klageschrift zur Post ist entscheidend; unabhängig davon muß darauf hingewiesen werden, dass der Kläger seinen Schriftsatz erst am 09.02.1998 zur Post gegeben hat, als die Klagefrist bereits abgelaufen gewesen ist.
Die Versäumung der Klagefrist wird nicht dadurch geheilt, dass das Sozialgericht dies übersehen und in der Hauptsache entschieden hat.
Über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei schuldloser Versäumnis (§ 67 Abs.1 SGG) kann nur ausdrücklich entschieden werden (§ 67 Abs.4 SGG); eine stillschweigende Wiedereinsetzung ist nicht möglich (Meyer-Ladewig, SGG, 6. Auflage, Rdnr.18 zu § 67 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung). Ein Beschluss des Sozialgerichts über die Wiedereinsetzung ist nicht ergangen; das Sozialgericht hat auch nicht in seinem Urteil in den Entscheidungsgründen hierüber entschieden, sondern diesen Punkt schlichtweg übergangen. Es fehlen nicht nur jegliche Vermerke über die einschlägigen Tatsachen (Zeitpunkt der Zustellung des Widerspruchsbescheides und des Klageeingangs) und entsprechende Feststellungen (Versäumung der Klagefrist, eventuelle Wiedereinsetzungsgründe), sondern auch eine Entscheidung, dem Kläger die Versäumnis nachzusehen oder Wiedereinsetzung nicht zu gewähren. Vielmehr hat das Sozialgericht das Problem nicht erkannt, als es insoweit nur feststellte: "Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig, jedoch unbegründet".
Das Sozialgericht hätte dem Kläger auch nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewähren dürfen, denn Gründe hierfür lagen nicht vor. Ein Sachverhalt, dass der Kläger an der Wahrung der Klagefrist gehindert worden wäre, obwohl er diejenige Sorgfalt aufgewendet hat, die einen gewissenhaften Prozessführenden nach den gesamten Umständen nach allgemeiner Verkehrsanschauung vernünftigerweise zuzumuten ist, ist weder nachgewiesen noch glaubhaft.
Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger (vorübergehend) nicht willens- und/oder handlungsfähig gewesen ist, sind nicht ersichtlich. Nach allen vorliegenden ärztlichen Unterlagen ist die Geschäftsfähigkeit zu bejahen und liegt kein Tatbestand auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet oder in einem anderen Bereich vor, der zu diesbezüglichen Befürchtungen Anlass geben könnte. Eine tiefgehende Depression bestand nicht. Die Sehfähigkeit des Klägers war zwar eingeschränkt, er konnte aber nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme unter Zuhilfenahme einer Brille Zeitungsdruck lesen; im Übrigen wäre auch die Zuhilfenahme dritter Personen zumutbar gewesen. Der Diabetes hat den Kläger nach dessen eigenen Angaben in der Gehfähigkeit 1997/98 etwas eingeschränkt (anfangs Wegstrecken in einer Zeit bis zu 30 Minuten; zuletzt, bei Dr.K. , ein Weg von ca. einem km, nach einer Pause der Rückweg von einem weiteren km; laut Schriftsatz des Klägers vom 11.04.2001 wegen späterer Verschlechterung des Gesundheitszustandes weniger als 500 m). Dies hat ihn aber in den vergangenen Jahren nicht gehindert, zu den ambulanten Behandlungen und Kontrolluntersuchungen in Serbien zu erscheinen, wie die vorhandenen ärztlichen Unterlagen ausweisen; abgesehen davon wäre es ihm auch zur Jahreswende 1997/98 zumutbar gewesen, unter Zuhilfenahme von Verkehrsmitteln und gegebenenfalls dritter Personen seine Berufungsschrift rechtzeitig zur Post zu geben.
Ebensowenig war der Kläger durch stationäre Behandlungen gehindert, sich fristgerecht um die Besorgung seiner Angelegenheiten zu kümmern. Seine Krankenhausaufenthalte nur zur medikamentösen Regulierung des Blutzuckers und der Entfernung einer gutartigen Hautveränderung sind bekannt (28.11. bis 13.12.1996, 05. bis 13.10.1998 und 23.03. bis 09.04.2001) und fielen nicht in den Lauf der Klagefrist.
Die "schuldhafte" Versäumung der Klagefrist hat zur Folge, dass es in erster Instanz an einer Prozessvoraussetzung fehlte. Die Klage hätte als unzulässig und nicht als unbegründet abgewiesen werden müssen. Dies ist auch in zweiter Instanz noch zu berücksichtigen. Der Urteilsspruch (Tenor) des Sozialgerichts, der allein in Rechtskraft erwächst, war allerdings zu "bestätigen", denn dieser ist im Ergebnis richtig, und auf die unzutreffende Urteilsbegründung kam es nicht maßgebend an. Wegen der teils unterschiedlichen Wirkung der Rechtskraft bei Sach- und Prozessurteilen hat der Senat im Tenor seiner eigenen Entscheidung den zutreffenden rechtlichen Sachverhalt klargestellt.
Die Berufung war mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
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