Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 7 U 1445/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 U 2072/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 30. März 2011 wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Klägerin begehrt die Feststellung weiterer Unfallfolgen bzw. weitere Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung.
Die am 28.05.1961 geborene Klägerin war in ihrer Berufstätigkeit als Näherin bei einer der Rechtsvorgängerinnen der Beklagten (im Folgenden einheitlich: Beklagte) unfallversichert. Am 05.02.2009 gegen 07:10 Uhr erlitt sie auf dem Arbeitsweg mit ihrem Pkw einen Verkehrsunfall. Nach ihren Angaben während des Verfahrens musste sie wegen einer Verkehrsstauung abbremsen und fuhr auf den vor ihr stehenden Pkw auf.
Die Klägerin stellte sich am Tag nach dem Unfall, dem 06.02.2009, bei dem Durchgangsarzt Dr. A. vor. Dieser führte in seinem D-Bericht von jenem Tage aus, bei der Klägerin beständen eine Distorsion des linken Handgelenks, eine Schulterdistorsion rechts sowie eine HWS-, BWS- und LWS-Distorsion. In einer Anlage zum Unfallbericht führte er ferner aus, an der rechten Schulter beständen ein äußerlich unauffälliger Befund, ein Druckschmerz subacromial ventral und lateral, die Funktion sei mit einer Dorsal-/Ventralflexion von 40-0-160°, einer Abduktion von 160° und einer Innen-/Außenrotation von 90-0-40° minimal eingeschränkt. Zwischen 90 und 120° bestehe kein schmerzhafter Bogen.
Bei einer am 23.02.2009 durchgeführten Kernspintomografie der rechten Schulter stellte Radiologe Prof. Dr. B. Zeichen einer mäßiggradigen posttraumatischen Partialruptur der Supra-spinatus¬sehne und einer geringfügigen Partialruptur der Infraspinatussehne fest. An der Subscapularis¬sehne stellte er eine geringe Tendinitis ohne Rupturzeichen fest. Die Bizepssehne und das Labrum seien intakt.
Die Klägerin war vom 06.02. bis 24.05.2009 arbeitsunfähig, wobei sie ab dem 27.04.2009 zu Lasten der Beklagten, die auch weiterhin Verletztengeld gewährte, eine stufenweise Wiedereingliederung in das Arbeitsleben durchführte.
Nachdem die Beklagte das Vorerkrankungsverzeichnis der Klägerin von der zuständigen Krankenkasse, der AOK Baden-Württemberg, beigezogen und festgestellt hatte, dass dort eine Arbeitsunfähigkeit im Januar 2005 wegen einer Schulterprellung verzeichnet war, holte sie Angaben hierzu bei den damals behandelnden Ärzten ein. Es erklärte der Allgemeinmediziner Voel¬ter, die Klägerin habe am 05.01.2005 einen Unfall erlitten, es seien eine Gesäßprellung rechts, eine Ellenbogenprellung rechts und eine Rippenprellung rechts festgestellt worden. Der Internist Dr. C. gab gegenüber der Beklagten an, die Klägerin habe sich nach jenem Unfall erstmals am 10.01.2005 bei ihm vorgestellt und über Schmerzen auch in der rechten Schulter geklagt. Es habe eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung des Schultergelenks vorgelegen. Anhaltspunkte für ossäre (knöcherne) Verletzungen hätten nicht vorgelegen.
Auf Veranlassung der Beklagten erstattete der Chirurg und Unfallchirurg Dr. D. das Zusam-men¬hangsgutachten vom 09.10.2009. Darin führte der Gutachter aus, dass es bei der Klägerin bei dem Unfall am 05.02.2009 bei einem Heckaufprall zu einer Verletzung des linken Handgelenks, der rechten Schulter sowie der gesamten Wirbelsäule gekommen sei. Die kernspintomografische Untersuchung habe ergeben, dass die Ursache der bestehenden Schmerzen eine mäßiggradige posttraumatische Partialruptur der Supraspinatussehne und eine Partialruptur der Infraspinatus¬sehne sei. Bei genauer Durchsicht der Befunde hätten sich jedoch - nur - eine Auftreibung des rechten AC-Gelenks im Sinne einer vorbestehenden geringen Arthrose sowie eine fleckförmige Signalanhebung der Umgebung im Sinne einer mäßigen Partialruptur und einer geringen Auf¬faserung der Infraspinatussehne gezeigt. Diese Beschreibung allein lasse nicht den Befund einer posttraumatischen Verletzung der Muskulatur zu. Ferner liege ein ungeeigneter Unfallhergang in Form einer fortgeleiteten Krafteinwirkung bei seitlicher und vorwärtsgeführter Armhaltung vor, da die Klägerin als Unfallmechanismus ein Abstützen am Lenkrad angegeben habe. Die körperliche Untersuchung habe eine Bewegungsstörung der gesamten paravertebralen Muskulatur thorakal und cervical mit Bewegungsstörungen des rechten Schulterblattes und einem Impingement-Syndrom an der rechten Schulter gezeigt. Dies alleine könne die jetzt vorgetragenen Beschwerden erklären. Angesichts der Anamnese, des Krankheitsverlaufs, der jetzigen Befunde inklusive der Analyse des Unfallhergangs und der im MRT gefundenen Zeichen einer geringgradigen AC-Gelenksarthrose könne die Partialruptur nicht auf das Unfallereignis zurückgeführt werden.
In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 27.11.2009 führte Dr. D. aus, dass die unfallbedingten Schädigungen - Prellung des linken Handgelenks, der rechten Schulter, der HWS, der BWS und der LWS - eine Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit für sechs Wochen, also bis zum 20.03.2009, verursacht hätten.
Bei einer Nachuntersuchung am 17.12.2009 klagte die Klägerin nach wie vor über Schmerzen in der rechten Schulter. Dr. A. stellte bei dieser Untersuchung einen äußerlich unauffälligen Befund mit Druckschmerz subacromial ventral und lateral und eine leichte Einschränkung der Beweglichkeit bei einer Dorsal-/Ventralflexion von 40-0-140°, einer Abduktion von 140° und einer Innen-/Außenrotation von 90-0-40° fest. Er riet die Wiederaufnahme der physikalischen Behandlung und eine Akupunktur an.
Mit Bescheid vom 15.01.2010 lehnte die Beklagte "Entschädigung" aus Anlass des Unfalls für die Zeit nach dem 20.03.2009 ab. Die ab diesem Zeitpunkt bestehenden Beschwerden seien nicht Folge des Arbeitsunfalls.
Im Widerspruchsverfahren trug die Klägerin vor, sie wisse nicht, wie sie die Hände bei dem Aufprall gehalten habe. Der Unfallhergang sei daher ungeklärt, sodass nicht von einem ungeeigneten Unfallhergang ausgegangen werden könne. Auch sei eine vorbestehende wesentliche Degeneration der Rotatorenmanschette nicht gegeben. Eine Defekthäufigkeit in diesem Bereich sei erst ab dem 50. Lebensjahr anzunehmen. Die Klägerin legte den Befundbericht von Dr. A. vom 10.03.2010 vor, in dem dieser ausführte, die Beurteilung durch Dr. D. sei fehlerhaft. Bei einem Auffahrunfall komme es zu einem unkontrollierten Zug des Arms nach ventral (bauchwärts). Dieser Hergang sei nach (konkret zitierter) medizinischer Fachliteratur geeignet, eine Rotatorenmanschettenruptur zu verursachen. Nach diesem Zug werde der Körper nach vorn geschleudert. Wenn sich die Klägerin dabei mit den Händen am Lenkrad abgestützt habe, seien ihre Arme gegenüber dem Körper zugweise nach hinten geschoben worden. Eventuell komme es dabei zu einer forcierten Außenrotation in der Schulter. Auch dies sei ein geeigneter Unfallmechanismus. Bei einer Untersuchung der Klägerin im Februar 2009 habe sich keine AC-Gelenksarthrose gezeigt.
Die Beklagte erließ den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 28.04.2010. Sie hielt daran fest, dass die Veränderungen der Rotatorenmanschette nicht unfallbedingt seien. Der Nachweis solcher Verletzungen sei meist ein Zufallsbefund bei stummem Verlauf der Abnutzung in diesem Bereich. Nach übereinstimmenden medizinischen Wertungen seien Veränderungen an der Rotatorenmanschette in aller Regel allein anlagebedingter Genese. Zu einer unfallbedingten Verletzung könne es kommen, wenn das Schultergelenk unmittelbar vor der Einwirkung muskulär fixiert sei und plötzlich eine passive Bewegung hinzukomme, die überfallartig eine Dehnungsverletzung der Supraspinatussehne bewirke. Die Klägerin habe sich nach ihren Angaben bei der Begutachtung am 14.09.2009 am Lenkrad abgestützt. Hierbei handle es sich um eine fortgeleitete Krafteinwirkung mit vorwärts geführter Armhaltung. Diese sei nicht geeignet. Die nunmehrigen Ausführungen von Dr. A., der am 06.02.2009 eine Distorsion der rechten Schulter diagnostiziert habe, legten einen Unfallmechanismus zu Grunde, der nicht mit den Angaben der Klägerin übereinstimme und auf Grund der Gegebenheiten in einem Pkw nicht nachvollziehbar sei.
Die Klägerin hat am 03.05.2010 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben und auf die Begründung ihres Widerspruchs verwiesen.
Nachdem die Beklagte der Klage entgegengetreten war, hat das SG die Klägerin bei Prof. Dr. F. fachorthopädisch-unfallchirurgisch begutachten lassen. Dieser Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 14.09.2010 ausgeführt, bei der Klägerin fänden sich Druckschmerzen, Bewegungsschmerzen und eine Kraftminderung im Bereich der rechten Schulter bei sub-acromia¬lem Schmerzsyndrom mit knöcherner Enge des Gleitraums unter dem Schulterdach. Diese Gesundheitsstörungen seien mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf alterungs- und verschleißbedingte Veränderungen zurückzuführen und nicht Folge des Unfalls vom 05.02.2009. Bei der aktuellen röntgenologischen, klinischen und sonografischen Untersuchung habe sich keine strukturelle Schädigung im Bereich der rechten Schulter nachweisen lassen. Die zeitnah nach dem Unfallereignis kernspintomografisch gesicherte mäßiggradige posttraumatische Partialruptur der Supraspinatussehne und eine geringfügige Partialruptur der Infraspinatussehne seien ebenfalls nicht mit Wahrscheinlichkeit auf den Unfall zurückzuführen. Für einen Zusammenhang sprächen die angebliche Beschwerdefreiheit bis zum Unfall und das zeitnahe Einsetzen der Beschwerden danach. Gegen einen Zusammenhang und für einen alterungsbedingten Verschleiß spreche zunächst der für eine strukturelle Schädigung der Rotatorenmanschette nicht geeignete Unfallhergang, wobei der Sachverständige mangels konkreter Angaben der Klägerin nach der Lebenswahrscheinlichkeit davon ausgegangen ist, dass sich die Klägerin mit durchgestreckten Ellenbogen am Lenkrad abgestützt habe. Auch spreche der Erstbefund ohne äußere Verletzungszeichen und ohne relevante Funktionsminderung für alters- und verschleißbedingte Erscheinungen. Die Zerreißung einer Sehne sei eine erhebliche Verletzung, die in der Regel äußere Zeichen hinterlasse. Auch bei der Kernspintomografie am 23.02.2009 seien fehlende Verletzungszeichen dokumentiert worden. Bereits die Röntgenaufnahmen bei der Erstuntersuchung zeigten als Hinweis auf eine Schadensanlage weiterhin eine leichte Einengung des Gleitraums unter dem Schulterdach und Konturunregelmäßigkeiten am großen Oberarmhöcker und der Acromionspitze. Selbst unter Annahme einer traumatischen Teilschädigung der Obergrätensehne wäre allerdings eine biologische Sehnenheilung anzunehmen, da es nicht zu einer vollständigen Kontinuitätsunterbrechung gekommen sei und die Sehnenfasern noch aneinander gelegen hätten. In diesem Fall sei eine folgenlose Ausheilung binnen dreier Monate anzunehmen.
Auf einen Hinweis des Gerichts auf Dr. E. Ausführungen zur Dauer der Ausheilung bei angenommener Verletzung der Rotatorenmanschette hat die Beklagte eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit bis zum 27.04.2009 anerkannt; die Klägerin hat dieses Teilanerkenntnis angenommen.
Die weitergehende Klage hat das SG mit Urteil vom 30.03.2011 abgewiesen. Ansprüche auf Leistungen der Unfallversicherung, insbesondere auf Verletztengeld, über den 27.04.2009 hinaus beständen nicht. Die nach diesem Zeitpunkt bei der Klägerin noch bestehenden Gesundheitsbeeinträchtigungen als Folgen der am 23.02.2009 festgestellten mäßiggradigen Teilruptur der Supraspinatussehne und geringfügigen Partialruptur der Infraspinatussehne seien keine Folgen des Wegeunfalls vom 05.02.2009. Solche Schäden würden oftmals im Zusammenhang mit der Untersuchung der Folgen von Bagatelltraumen entdeckt, ständen jedoch nicht ursächlich mit den Traumen in Zusammenhang. Bei der Klägerin spreche für einen Zusammenhang allein die vorgetragene Beschwerdefreiheit bis zum Unfallereignis und das zeitnahe Einsetzen der Beschwerden nach dem Unfall. Die weiteren Indizien sprächen jedoch gegen einen Zusammenhang. So habe dem Unfallereignis kein geeigneter Mechanismus zu Grunde gelegen. Neben der Subluxation des Schultergelenks könnten das Abscheren des Sehnenansatzes von innen und die exzentrische Belastung angespannter Teile der Rotatorenmanschette zu den möglichen Verletzungsmechanismen gezählt werden. Hierzu gehörten der Sturz auf den nach hinten oder seitlich ausgestreckten Arm oder Ellenbogen oder die Beschleunigung des Körpers beim Fallen, wenn sich der Verletzte dabei festhalte und der Arm dadurch forciert nach außen gedreht werde. Dagegen gölten als ungeeignete Verletzungsmechanismen der direkte Anprall von vorn oder seitlich auf die Schulter und der Sturz auf den nach vorn ausgestreckten Arm, da der Weichteilmantel die Folgen dieser Einwirkungen vermindere und die knöchernen Strukturen der Schulterpfanne und des Schulterdachs Schutz vor einer kritischen Überdehnung der Schulterweichteile böten. Auch wenn hier die Rekonstruktion des Unfallhergangs nicht mehr möglich sei, entspreche es der Lebenswahrscheinlichkeit, dass sich die Klägerin bei einem Auffahrunfall als angeschnallte Fahrerin mit dem durchgestreckten Ellenbogen am Lenkrad abgestützt habe, wodurch es zu einer Stauchung der Arme in Richtung auf die Schulterblätter gekommen sei. Hierdurch sei allenfalls eine Stauchung der Sehnenansätze eventuell in Verbindung mit einer Einblutung vorstellbar. Der von Dr. A. angenommene unkontrollierte Zug des Arms nach vorn entspreche weder den Angaben der Klägerin noch der Lebenswirklichkeit. Ferner stelle die gewaltsame (partiale) Zerreißung einer Sehne ein erhebliches Verletzungsereignis dar, das in der Regel äußerliche Zeichen hinterlasse wie Schwellungen und Blutergüsse im Bereich der Schulterweichteile und der Oberarme mit erheblichen lokalen Druckschmerzen. Bei einer Zerreißung der oberen Anteile der Rotatorenmanschette sei es dem Verletzten über Tage nicht möglich, den Arm aktiv nach vorn oder seitlich abzuspreizen. Werde der Arm in Schulterhöhe geführt und losgelassen, falle er herunter (Drop-arm). Solche Symptome hätten bei der Klägerin nicht vorgelegen. Dr. A. habe bei der Erstuntersuchung am 06.02.2009 einen äußerlich unauffälligen Befund und eine lediglich minimal eingeschränkte Beweglichkeit festgestellt, Auch bei der Nachuntersuchung am 16.04.2009 sei keine ausgeprägte Funktionseinschränkung dokumentiert worden. Insgesamt seien traumatisch bedingte Rotatorenmanschettenläsionen seltene Unfallschäden, die wenn überhaupt bei jüngeren, unter 40 Jahre alten Patienten wahrscheinlich seien. Die Manschette unterliege in hohem Maße der Degeneration ab dem dritten Lebensjahrzehnt. Zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr träten die meisten Läsionen mit Krankheitsmerkmalen auf. Die Klägerin sei bei dem Unfall 47 Jahre alt gewesen. Nach den überzeugenden Ausführungen von Prof. Dr. F. seien bei ihr ferner Schadensanlagen in Form einer leichten Einengung des Gleitraums unter dem Schulterdach mit Konturunregelmäßigkeiten im Bereich des großen Oberarmhöckers und der Acromionspitze sowie Veränderungen dort, die für eine chronische Reizung des Ansatzes der Obergrätensehne sprächen, festgestellt worden. Dies spreche für ein Engpasssyndrom (Impingement), das ursächlich auf eine knöcherne Einengung des Gleitraums zurückzuführen sei. Auch sei nach den Ausführungen von Prof. Dr. F. die Partialruptur eine verletzungsuntypische Veränderung, die in der Regel - wie auch hier - durch ein sukzessives Aufreiben des Ansatzes der Supraspinatussehne mit einem fortschreitenden Aufscheuern entstehe.
Gegen dieses Urteil, das ihrem Prozessbevollmächtigten am 13.05.2011 zugestellt worden ist, hat die Klägerin am 19.05.2011 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Sie trägt vor, der Befund vom 23.02.2009 zeige eine deutliche Teilläsion der Supraspinatussehne und eine geringe Teilruptur der Infraspinatussehne. Ein struktureller Schaden liege vor.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 30. März 2011 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 15. Januar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. April 2010 zu verurteilen, ihr über den 27. April 2009 hinaus Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angegriffene Urteil und ihre Entscheidungen.
Auf Antrag und Kostenrisiko der Klägerin hat der Senat ein radiologisches Gutachten über die Klägerin bei Prof. Dr. G., Konstanz, eingeholt. Dieser Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 22.12.2011 ausgeführt: Bei der Klägerin bestehe eine bislang nicht diagnostizierte, bildgebend nur eingeschränkt erkennbare Fraktur am Scaphoid (Kahnbein/Handwurzelknochen), genauer der distalen Gelenkfläche bzw. des Höckers, wobei es sich bildgebend auch lediglich um eine Fissur (Einriss der Knochenstruktur) handeln könne. Eine solche Fraktur trete bei Traumata auf die ausgestreckte Hand auf. Die Klägerin habe unmittelbar nach dem Unfall von deutlichen Schmerzen am Handgelenk berichtet. Die Fraktur bzw. Fissur sei zwischenzeitlich ausgeheilt. Diese Feststellungen unterstützten die These, dass es sich um einen Unfallmechanismus mit ausgestreckter Hand gehandelt habe. Die Fraktur bzw. Fissur an der linken Hand sei als Unfallfolge einzustufen. Weiterhin habe bei der Klägerin im Unfallzeitpunkt eine komplette, (aber) lochartige Ruptur der Supraspinatussehne rechts mit Austritt von Gelenkflüssigkeit, jedoch kein kompletter Riss der Sehne vorgelegen. Dieser Schaden sei weder im Sinne der Entstehung noch der Verschlimmerung auf den Unfall zurückzuführen. Bei der Klägerin bestehe nämlich auch eine geringe AC-Arthrose rechts vor. Hierbei handle es sich um eine verschleißbedingte Abnutzung des Schultereckgelenks mittlerer Ausprägung. Bei lokalem Druck von vorn sei dieses Gelenk rechts im Gegensatz zu links auch druckschmerzhaft. Ein durch den Unfall bedingtes Auftreten dieser Veränderungen (an der Schulter) sei zu verneinen. Die Rotatorenmanschette unterliege hoher Belastung und einem lebenslangen Verschleiß. Eine Einengung des subacromialen Raums führe zu Gleiten bzw. Scheuern und Verschleißerscheinungen insbesondere an der Supraspinatussehne. Die überwiegende Mehrzahl aller symptomatischen Schultern basiere auf (solchen) degenerativen Veränderungen. Eine traumatische Ruptur ohne degenerative Vorschäden sei selten und trete vorwiegend bei jungen Personen auf. Bei einer vorgeschädigten Rotatorenmanschette genügten kleinere Traumata zum Auslösen einer Beschwerdesymptomatik. Es könne zudem zum Riss einzelner Sehnenfasern kommen. Bei der Klägerin sei der wegen der Handverletzung zu Grunde zu legende Unfallhergang mit zum Lenkrad ausgestreckten Armen ungeeignet, die genannten Verletzungen der Supraspinatussehne hervorzurufen. Es sei unfallbedingt - nur - zu einer Prellung der degenerativ veränderten Sehne gekommen, die bis zum 27.04.2009 ausgeheilt sei. Den Einschätzungen von Dr. A. aus der Stellungnahme vom 10.03.2010 könne nicht gefolgt werden. Die arthrotische Veränderung des AC-Gelenks sei nicht nur bildgebend dargestellt und übertrieben worden, vielmehr habe damals ein Druckschmerz vorn bestanden. Es sei den Einschätzungen von Dr. F. zu folgen. Zwar bestehe neben dem auch von ihm beschriebenen gelenkseitigen wahrscheinlich degenerativ bedingten Teileinriss auch eine lochartige Läsion im Bereich der Supraspinatussehne. Auch diese sei aber durch Verschleißerscheinungen und nicht durch den Unfall bedingt. Heute seien Loch und Erguss nicht mehr vorhanden.
Der Senat hat die Beteiligten mit Schreiben vom 24.02.2012 darüber unterrichtet, dass er beabsichtige, über die Berufung ohne mündliche Verhandlung und ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss zu entscheiden, und Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
II.
Der Senat konnte über die Berufung nach § 153 Abs. 4 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entscheiden. Er hält die Berufung einstimmig für unbegründet. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats auch keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Die Beteiligten sind zu dieser Verfahrensweise gehört worden.
1. Allerdings war die Klage bei wortgetreuer Auslegung des Antrags unzulässig. Die Klägerin hat eine Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von "Leistungen" über den 27.04.2009 hinaus beantragt. Dies ist zu unbestimmt. Selbst im Rahmen eines Antrags auf Verurteilung zu Leistungen dem Grunde nach (§ 130 Abs. 1 SGG) muss zumindest deutlich werden, welche Leistungen begehrt werden. Nachdem die Klägerin ab dem 27.04.2009, dem Tag nach dem Ende der in diesem Verfahren anerkannten Leistungen, eine stufenweise Wiedereingliederung absolviert hat, wäre insbesondere klarzustellen gewesen, ob und ggfs. für welchen Zeitraum noch Verletztengeld begehrt wird. Der Senat legt den Antrag der Klägerin jedoch als Antrag auf Feststellung fortbestehender Unfallfolgen für die Zeit ab dem 27.04.2009 aus, als Feststellungsantrag mit diesem Inhalt ist er zulässig (§ 55 Abs. 1 Halbsatz 1 Nr. 1 und Nr. 3 SGG).
2. Die Klage ist jedoch nicht begründet. Bei der Klägerin bestanden über den 27.04.2009 hinaus keine gesundheitlichen Folgen des Unfalls vom 05.02.2009 mehr.
a) Die rechtlichen Anforderungen an die Feststellung der Folgen eines Arbeits- oder Wegeunfalls nach § 8 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) und an das notwendige Beweismaß für die einzelnen anspruchsbegründenden Tatsachen, insbesondere an die für die Kausalzusammenhänge zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung sowie zwischen dieser und den Gesundheitsstörungen ausreichende hinreichende Wahrscheinlichkeit, hat das SG in dem angegriffenen Urteil zutreffend dargelegt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird darauf verwiesen (§ 142 Abs. 2 Satz 3, § 153 Abs. 2 SGG).
b) Die Fraktur oder Fissur an der Hand, die erstmals im Berufungsverfahren der Sachverständige Prof. Dr. G. diagnostiziert hat, ist zwar eine Unfallfolge und wäre ggfs. von der Beklagten noch als solche anzuerkennen. Sie hat jedoch nicht über den 27.04.2009 hinaus Beeinträchtigungen verursacht. Die Klägerin hatte nur kurze Zeit nach dem Unfall über Schmerzen in der rechten Hand geklagt. Prof. Dr. G. hat hinsichtlich der Handverletzung ausgeführt, diese sei nach sechs Wochen, also spätestens Ende März 2009, folgenlos ausgeheilt gewesen. Für diese Einschätzung spricht, dass die Klägerin später nicht mehr über Handbeschwerden geklagt und auch keiner der behandelnden Ärzte und auch die Gutachter, auch nicht Dr. F., eine Verletzung in diesem Bereich überhaupt haben feststellen können.
c) Dagegen sind die bei der Klägerin am 23.02.2009 magnetresonanztomografisch festgestellten Teilrupturen der Supra- und der Infraspinatussehne nicht mit der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit auf den Unfall vom 05.02.2009 zurückzuführen.
aa) Auch der Senat ist der Ansicht, dass es bereits an einem geeigneten Unfallmechanismus fehlte.
Wie das SG unter Würdigung medizinischer Literatur zutreffend ausgeführt hat, führt in der Regel nur der Sturz auf den seitlich oder nach hinten ausgestreckten Arm zu Rupturen der Rotatorenmanschette, aber z. B. nicht der frontale Aufprall auf den nach vorn ausgestreckten Arm (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, S. 413) und dementsprechend auch nicht die fortgeleitete Krafteinwirkung bei seitlicher oder vorwärtsgeführter Armhaltung (Stauchung) (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O.; Beickert/Bühren, Zusammenhangsfragen bei Verletzungen an der Rotatorenmanschette und der langen Bizepssehne, in: Trauma und Berufskrankheit [1998], Vol. 1, S. 61, 66). Eine solche vorwärtsgerichtete Haltung nimmt der Arm nach Ansicht des Senats auch dann ein, wenn ein Autofahrer ein Lenkrad hält, besonders deutlich in einem Pkw, dessen Lenkrad nicht waagerecht, sondern schräg zur Senkrechten hin angebracht ist. Bei Verkehrsunfällen wird entsprechend als geeigneter Hergang für eine Schädigung der Rotatorenmanschette nur der Sturz eines stehenden Fahrgasts in einem Bus oder dgl. angesehen, wenn sich dieser zuvor mit nach oben oder ggfs. seitwärts gestrecktem Arm an einer Haltestange oder Halteschlaufe festgehalten hat (vgl. Schönberger/Mehr¬tens/Va¬len¬tin, a.a.O., S. 412).
Bei der Klägerin ist davon auszugehen, dass sie bei dem Aufprall mit ihrem Auto mit durchgestreckten, also nach vorn gerichteten Armen das Lenkrad festgehalten hat. Dies entspricht nicht nur der Lebenserfahrung. Die weitere Begutachtung bei Prof. Dr. G. im Berufungsverfahren hat auch einen medizinischen Anhalt für eine solche Körperhaltung ergeben. Wie der Sachverständige ausgeführt hat, lässt sich die nunmehr diagnostizierte Fraktur oder Fissur an der linken Hand durch die Krafteinwirkung des Aufpralls bei ausgestreckter Hand erklären. Dem entspricht es, dass die Klägerin nach dem Unfall über Schmerzen an der linken Hand geklagt hat und Dr. A. bereits in den D-Berichten vom 06. und 07.02.2009 - unter anderem - eine Distorsion der linken Hand diagnostiziert hat.
Vor diesem Hintergrund kann auch nicht der nunmehrigen Einschätzung von Dr. A. vom 10.03.2010 gefolgt werden. Dieser hat dort ausgeführt, bei dem Unfall habe es sich um einen Heckaufprall gehandelt, sodass die Klägerin zuerst rückwärts in den Fahrersitz gedrückt worden sei, wobei auf ihre durchgestreckten Arme keine stauchende, sondern eine ziehende Kraft eingewirkt habe. Es mag sein, dass dieser Hergang eher geeignet gewesen wäre, eine Rotatorenmanschettenruptur zu verursachen. Bei dem Unfall handelte es sich jedoch nicht um einen Heckaufprall. Die Klägerin war vielmehr selbst auf das vorausfahrende Auto aufgefahren, nachdem dieses stark abgebremst hatte. Diesen Hergang hat die Klägerin während des ganzen Verfahrens durchgängig geschildert, zuerst gegenüber Dr. A. am 06. und 07.02.2009, in dem Unfallfragebogen vom 11.03.2009 und sodann gegenüber den Gutachtern Dr. F. und Prof. Dr. G ... Bei einem Frontalaufprall aber wird der Körper, worauf Dr. F. hingewiesen hat, zunächst nach vorn Richtung Lenkrad gedrückt, wodurch dann bei durchgestrecktem Arm eine drückende, stauchende Kraft auf das Schultergelenk einwirkt, sofern der Ellenbogen nicht gebeugt wird.
bb) Besonders deutlich gegen eine unfallbedingte Schädigung der Rotatorenmanschette spricht nach Ansicht des Senats das äußere und innere Verletzungsbild unmittelbar nach dem Unfall. Diesen Feststellungen nach dem Unfall kommt besondere Bedeutung zu, für eine unfallbedingte Schädigung sprechen dabei z. B. frische Läsionen und ein Schmerzmaximum am Tag des Unfalls oder dem Tag danach (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 415) und auch die von den Gutachtern, vor allem Prof. Dr. F., beschriebenen erheblichen Beweglichkeitseinschränkungen, die insbesondere nach einer vollen Läsion eintreten. Bei der Klägerin lagen solche Symptome nach dem Unfall nicht vor. In den beiden D-Berichten vom 06. und 07.02.2009 hat Dr. A. hinsichtlich der rechten Schulter einen äußerlich unauffälligen Befund bei subacromialem Druckschmerz und nur minimalen Einschränkungen der Beweglichkeit in den Bewegungsdimensionen beschrieben. Die Klägerin selbst hatte anfangs überwiegend von Schmerzen in anderen Körperregionen berichtet, vor allem am Thorax, Rücken, an beiden Händen und von Kopfschmerzen. Die Frage einer unfallbedingten Rotatorenmanschettenruptur war erst aufge¬kom¬men, nachdem bei der kernspintomografischen Untersuchung bei Prof. Dr. B. am 23.02.2009 die beschriebenen Teilläsionen aufgefallen waren. Und noch bei der Zwischenuntersuchung am 20.04.2009 hat die Klägerin nicht von weitergehenden Schmerzen, insbesondere an der Schulter, sondern von einer mäßigen Besserung der Schmerzen (am gesamten Körper) berichtet.
cc) Letztlich stützt sich der Senat auch darauf, dass bei der Klägerin eine Vorschädigung vorlag, die ebenfalls die beschriebenen Teilläsionen herbeiführen konnte.
Die Sachverständigen Dr. F. und Prof. Dr. G. haben übereinstimmend von einer arthrotischen Abnutzung des AC-Gelenks bei vorbestehender Enge zum Schulterdach (Impingement-Syndrom) berichtet. Prof. Dr. G. hat diese Arthrose - heute - als mittelgradig bezeichnet. Aber bereits in dem Bericht über die kernspintomografische Untersuchung am 23.02.2009 hatte Prof. Dr. B. von einer vorbestehenden geringen Arthrose berichtet. An diesen Feststellungen ist nicht zu zweifeln. In Übereinstimmung mit den Gutachtern ist davon auszugehen, dass dieses Syndrom zu einer laufenden, wenn auch zunächst nicht bemerkten, Aufscheuerung der Sehnen oder Sehnenansätze in dem geschädigten Bereich geführt hat. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin als Näherin weitgehend mit Händen und Armen gearbeitet hat und dabei die Schultern häufigeren und ggfs. auch ungewöhnlicheren Bewegungen ausgesetzt waren als in anderen Berufen.
Angesichts dieser Vorschädigung ist es mindestens genauso wahrscheinlich wie eine unfallbedingte Verursachung, dass die beschriebenen Teilläsionen als "stumme" Gesundheitsschäden bei der Klägerin bereits vorlagen und nur anlässlich der kernspintomografischen Untersuchung nach dem Unfall entdeckt worden sind.
Diese Einschätzung wird auch nicht erschüttert durch die Ausführungen von Dr. A. in seiner Stellungnahme vom 04.12.2011. Er hat zwar die von Dr. F. gemessenen (nur geringfügig eingeschränkten) Restbeweglichkeiten in Zweifel gezogen und die von ihm festgestellten Maße mitgeteilt. Aber auch diese bedingten keine erheblichen Einschränkungen. Eine nennenswerte Abweichung gegenüber den Feststellungen von Dr. F. hat Dr. A. nur für die Ventralflexion mitgeteilt, nämlich 150° statt 180°. Auch eine Armhebung von 150° erreicht noch fast die Senkrechte und ist noch im Normalbereich anzusiedeln, nachdem z. B. unfallversicherungsrechtlich erst eine Einschränkung der Armhebung auf 120° eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 10 v.H. bedingt (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 523 f.).
dd) Bei der Abwägung der für oder gegen einen Zusammenhang sprechenden Indizien ist auch der einzige für eine unfallbedingte Schädigung sprechende Umstand, die vorgetragene Beschwerdefreiheit vor dem Unfall, nicht ausschlaggebend. Wie die Sachverständigen überzeugend ausgeführt haben, ist davon auszugehen, dass die ab dem 23.02.2009 festgestellte Schultergelenksarthrose bei Impingement-Syndrom "stumm" verlaufen ist, also noch keine Beschwerden verursacht hat. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin auch später nicht über erhebliche Schulterbeschwerden oder besonders ausgeprägte Schulterschmerzen geklagt hat und die Schulterbeweglichkeit, wie sie Dr. F., aber auch Dr. A., gemessen haben, nach wie vor nicht nennenswert eingeschränkt ist. Dies zeigt, dass die vorhandenen oder zwischenzeitlich wieder ausgeheilten Läsionen nicht bemerkbar gewesen sein müssen.
3. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG.
4. Gründe für eine Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs. 2 SGG).
2. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Klägerin begehrt die Feststellung weiterer Unfallfolgen bzw. weitere Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung.
Die am 28.05.1961 geborene Klägerin war in ihrer Berufstätigkeit als Näherin bei einer der Rechtsvorgängerinnen der Beklagten (im Folgenden einheitlich: Beklagte) unfallversichert. Am 05.02.2009 gegen 07:10 Uhr erlitt sie auf dem Arbeitsweg mit ihrem Pkw einen Verkehrsunfall. Nach ihren Angaben während des Verfahrens musste sie wegen einer Verkehrsstauung abbremsen und fuhr auf den vor ihr stehenden Pkw auf.
Die Klägerin stellte sich am Tag nach dem Unfall, dem 06.02.2009, bei dem Durchgangsarzt Dr. A. vor. Dieser führte in seinem D-Bericht von jenem Tage aus, bei der Klägerin beständen eine Distorsion des linken Handgelenks, eine Schulterdistorsion rechts sowie eine HWS-, BWS- und LWS-Distorsion. In einer Anlage zum Unfallbericht führte er ferner aus, an der rechten Schulter beständen ein äußerlich unauffälliger Befund, ein Druckschmerz subacromial ventral und lateral, die Funktion sei mit einer Dorsal-/Ventralflexion von 40-0-160°, einer Abduktion von 160° und einer Innen-/Außenrotation von 90-0-40° minimal eingeschränkt. Zwischen 90 und 120° bestehe kein schmerzhafter Bogen.
Bei einer am 23.02.2009 durchgeführten Kernspintomografie der rechten Schulter stellte Radiologe Prof. Dr. B. Zeichen einer mäßiggradigen posttraumatischen Partialruptur der Supra-spinatus¬sehne und einer geringfügigen Partialruptur der Infraspinatussehne fest. An der Subscapularis¬sehne stellte er eine geringe Tendinitis ohne Rupturzeichen fest. Die Bizepssehne und das Labrum seien intakt.
Die Klägerin war vom 06.02. bis 24.05.2009 arbeitsunfähig, wobei sie ab dem 27.04.2009 zu Lasten der Beklagten, die auch weiterhin Verletztengeld gewährte, eine stufenweise Wiedereingliederung in das Arbeitsleben durchführte.
Nachdem die Beklagte das Vorerkrankungsverzeichnis der Klägerin von der zuständigen Krankenkasse, der AOK Baden-Württemberg, beigezogen und festgestellt hatte, dass dort eine Arbeitsunfähigkeit im Januar 2005 wegen einer Schulterprellung verzeichnet war, holte sie Angaben hierzu bei den damals behandelnden Ärzten ein. Es erklärte der Allgemeinmediziner Voel¬ter, die Klägerin habe am 05.01.2005 einen Unfall erlitten, es seien eine Gesäßprellung rechts, eine Ellenbogenprellung rechts und eine Rippenprellung rechts festgestellt worden. Der Internist Dr. C. gab gegenüber der Beklagten an, die Klägerin habe sich nach jenem Unfall erstmals am 10.01.2005 bei ihm vorgestellt und über Schmerzen auch in der rechten Schulter geklagt. Es habe eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung des Schultergelenks vorgelegen. Anhaltspunkte für ossäre (knöcherne) Verletzungen hätten nicht vorgelegen.
Auf Veranlassung der Beklagten erstattete der Chirurg und Unfallchirurg Dr. D. das Zusam-men¬hangsgutachten vom 09.10.2009. Darin führte der Gutachter aus, dass es bei der Klägerin bei dem Unfall am 05.02.2009 bei einem Heckaufprall zu einer Verletzung des linken Handgelenks, der rechten Schulter sowie der gesamten Wirbelsäule gekommen sei. Die kernspintomografische Untersuchung habe ergeben, dass die Ursache der bestehenden Schmerzen eine mäßiggradige posttraumatische Partialruptur der Supraspinatussehne und eine Partialruptur der Infraspinatus¬sehne sei. Bei genauer Durchsicht der Befunde hätten sich jedoch - nur - eine Auftreibung des rechten AC-Gelenks im Sinne einer vorbestehenden geringen Arthrose sowie eine fleckförmige Signalanhebung der Umgebung im Sinne einer mäßigen Partialruptur und einer geringen Auf¬faserung der Infraspinatussehne gezeigt. Diese Beschreibung allein lasse nicht den Befund einer posttraumatischen Verletzung der Muskulatur zu. Ferner liege ein ungeeigneter Unfallhergang in Form einer fortgeleiteten Krafteinwirkung bei seitlicher und vorwärtsgeführter Armhaltung vor, da die Klägerin als Unfallmechanismus ein Abstützen am Lenkrad angegeben habe. Die körperliche Untersuchung habe eine Bewegungsstörung der gesamten paravertebralen Muskulatur thorakal und cervical mit Bewegungsstörungen des rechten Schulterblattes und einem Impingement-Syndrom an der rechten Schulter gezeigt. Dies alleine könne die jetzt vorgetragenen Beschwerden erklären. Angesichts der Anamnese, des Krankheitsverlaufs, der jetzigen Befunde inklusive der Analyse des Unfallhergangs und der im MRT gefundenen Zeichen einer geringgradigen AC-Gelenksarthrose könne die Partialruptur nicht auf das Unfallereignis zurückgeführt werden.
In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 27.11.2009 führte Dr. D. aus, dass die unfallbedingten Schädigungen - Prellung des linken Handgelenks, der rechten Schulter, der HWS, der BWS und der LWS - eine Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit für sechs Wochen, also bis zum 20.03.2009, verursacht hätten.
Bei einer Nachuntersuchung am 17.12.2009 klagte die Klägerin nach wie vor über Schmerzen in der rechten Schulter. Dr. A. stellte bei dieser Untersuchung einen äußerlich unauffälligen Befund mit Druckschmerz subacromial ventral und lateral und eine leichte Einschränkung der Beweglichkeit bei einer Dorsal-/Ventralflexion von 40-0-140°, einer Abduktion von 140° und einer Innen-/Außenrotation von 90-0-40° fest. Er riet die Wiederaufnahme der physikalischen Behandlung und eine Akupunktur an.
Mit Bescheid vom 15.01.2010 lehnte die Beklagte "Entschädigung" aus Anlass des Unfalls für die Zeit nach dem 20.03.2009 ab. Die ab diesem Zeitpunkt bestehenden Beschwerden seien nicht Folge des Arbeitsunfalls.
Im Widerspruchsverfahren trug die Klägerin vor, sie wisse nicht, wie sie die Hände bei dem Aufprall gehalten habe. Der Unfallhergang sei daher ungeklärt, sodass nicht von einem ungeeigneten Unfallhergang ausgegangen werden könne. Auch sei eine vorbestehende wesentliche Degeneration der Rotatorenmanschette nicht gegeben. Eine Defekthäufigkeit in diesem Bereich sei erst ab dem 50. Lebensjahr anzunehmen. Die Klägerin legte den Befundbericht von Dr. A. vom 10.03.2010 vor, in dem dieser ausführte, die Beurteilung durch Dr. D. sei fehlerhaft. Bei einem Auffahrunfall komme es zu einem unkontrollierten Zug des Arms nach ventral (bauchwärts). Dieser Hergang sei nach (konkret zitierter) medizinischer Fachliteratur geeignet, eine Rotatorenmanschettenruptur zu verursachen. Nach diesem Zug werde der Körper nach vorn geschleudert. Wenn sich die Klägerin dabei mit den Händen am Lenkrad abgestützt habe, seien ihre Arme gegenüber dem Körper zugweise nach hinten geschoben worden. Eventuell komme es dabei zu einer forcierten Außenrotation in der Schulter. Auch dies sei ein geeigneter Unfallmechanismus. Bei einer Untersuchung der Klägerin im Februar 2009 habe sich keine AC-Gelenksarthrose gezeigt.
Die Beklagte erließ den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 28.04.2010. Sie hielt daran fest, dass die Veränderungen der Rotatorenmanschette nicht unfallbedingt seien. Der Nachweis solcher Verletzungen sei meist ein Zufallsbefund bei stummem Verlauf der Abnutzung in diesem Bereich. Nach übereinstimmenden medizinischen Wertungen seien Veränderungen an der Rotatorenmanschette in aller Regel allein anlagebedingter Genese. Zu einer unfallbedingten Verletzung könne es kommen, wenn das Schultergelenk unmittelbar vor der Einwirkung muskulär fixiert sei und plötzlich eine passive Bewegung hinzukomme, die überfallartig eine Dehnungsverletzung der Supraspinatussehne bewirke. Die Klägerin habe sich nach ihren Angaben bei der Begutachtung am 14.09.2009 am Lenkrad abgestützt. Hierbei handle es sich um eine fortgeleitete Krafteinwirkung mit vorwärts geführter Armhaltung. Diese sei nicht geeignet. Die nunmehrigen Ausführungen von Dr. A., der am 06.02.2009 eine Distorsion der rechten Schulter diagnostiziert habe, legten einen Unfallmechanismus zu Grunde, der nicht mit den Angaben der Klägerin übereinstimme und auf Grund der Gegebenheiten in einem Pkw nicht nachvollziehbar sei.
Die Klägerin hat am 03.05.2010 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben und auf die Begründung ihres Widerspruchs verwiesen.
Nachdem die Beklagte der Klage entgegengetreten war, hat das SG die Klägerin bei Prof. Dr. F. fachorthopädisch-unfallchirurgisch begutachten lassen. Dieser Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 14.09.2010 ausgeführt, bei der Klägerin fänden sich Druckschmerzen, Bewegungsschmerzen und eine Kraftminderung im Bereich der rechten Schulter bei sub-acromia¬lem Schmerzsyndrom mit knöcherner Enge des Gleitraums unter dem Schulterdach. Diese Gesundheitsstörungen seien mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf alterungs- und verschleißbedingte Veränderungen zurückzuführen und nicht Folge des Unfalls vom 05.02.2009. Bei der aktuellen röntgenologischen, klinischen und sonografischen Untersuchung habe sich keine strukturelle Schädigung im Bereich der rechten Schulter nachweisen lassen. Die zeitnah nach dem Unfallereignis kernspintomografisch gesicherte mäßiggradige posttraumatische Partialruptur der Supraspinatussehne und eine geringfügige Partialruptur der Infraspinatussehne seien ebenfalls nicht mit Wahrscheinlichkeit auf den Unfall zurückzuführen. Für einen Zusammenhang sprächen die angebliche Beschwerdefreiheit bis zum Unfall und das zeitnahe Einsetzen der Beschwerden danach. Gegen einen Zusammenhang und für einen alterungsbedingten Verschleiß spreche zunächst der für eine strukturelle Schädigung der Rotatorenmanschette nicht geeignete Unfallhergang, wobei der Sachverständige mangels konkreter Angaben der Klägerin nach der Lebenswahrscheinlichkeit davon ausgegangen ist, dass sich die Klägerin mit durchgestreckten Ellenbogen am Lenkrad abgestützt habe. Auch spreche der Erstbefund ohne äußere Verletzungszeichen und ohne relevante Funktionsminderung für alters- und verschleißbedingte Erscheinungen. Die Zerreißung einer Sehne sei eine erhebliche Verletzung, die in der Regel äußere Zeichen hinterlasse. Auch bei der Kernspintomografie am 23.02.2009 seien fehlende Verletzungszeichen dokumentiert worden. Bereits die Röntgenaufnahmen bei der Erstuntersuchung zeigten als Hinweis auf eine Schadensanlage weiterhin eine leichte Einengung des Gleitraums unter dem Schulterdach und Konturunregelmäßigkeiten am großen Oberarmhöcker und der Acromionspitze. Selbst unter Annahme einer traumatischen Teilschädigung der Obergrätensehne wäre allerdings eine biologische Sehnenheilung anzunehmen, da es nicht zu einer vollständigen Kontinuitätsunterbrechung gekommen sei und die Sehnenfasern noch aneinander gelegen hätten. In diesem Fall sei eine folgenlose Ausheilung binnen dreier Monate anzunehmen.
Auf einen Hinweis des Gerichts auf Dr. E. Ausführungen zur Dauer der Ausheilung bei angenommener Verletzung der Rotatorenmanschette hat die Beklagte eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit bis zum 27.04.2009 anerkannt; die Klägerin hat dieses Teilanerkenntnis angenommen.
Die weitergehende Klage hat das SG mit Urteil vom 30.03.2011 abgewiesen. Ansprüche auf Leistungen der Unfallversicherung, insbesondere auf Verletztengeld, über den 27.04.2009 hinaus beständen nicht. Die nach diesem Zeitpunkt bei der Klägerin noch bestehenden Gesundheitsbeeinträchtigungen als Folgen der am 23.02.2009 festgestellten mäßiggradigen Teilruptur der Supraspinatussehne und geringfügigen Partialruptur der Infraspinatussehne seien keine Folgen des Wegeunfalls vom 05.02.2009. Solche Schäden würden oftmals im Zusammenhang mit der Untersuchung der Folgen von Bagatelltraumen entdeckt, ständen jedoch nicht ursächlich mit den Traumen in Zusammenhang. Bei der Klägerin spreche für einen Zusammenhang allein die vorgetragene Beschwerdefreiheit bis zum Unfallereignis und das zeitnahe Einsetzen der Beschwerden nach dem Unfall. Die weiteren Indizien sprächen jedoch gegen einen Zusammenhang. So habe dem Unfallereignis kein geeigneter Mechanismus zu Grunde gelegen. Neben der Subluxation des Schultergelenks könnten das Abscheren des Sehnenansatzes von innen und die exzentrische Belastung angespannter Teile der Rotatorenmanschette zu den möglichen Verletzungsmechanismen gezählt werden. Hierzu gehörten der Sturz auf den nach hinten oder seitlich ausgestreckten Arm oder Ellenbogen oder die Beschleunigung des Körpers beim Fallen, wenn sich der Verletzte dabei festhalte und der Arm dadurch forciert nach außen gedreht werde. Dagegen gölten als ungeeignete Verletzungsmechanismen der direkte Anprall von vorn oder seitlich auf die Schulter und der Sturz auf den nach vorn ausgestreckten Arm, da der Weichteilmantel die Folgen dieser Einwirkungen vermindere und die knöchernen Strukturen der Schulterpfanne und des Schulterdachs Schutz vor einer kritischen Überdehnung der Schulterweichteile böten. Auch wenn hier die Rekonstruktion des Unfallhergangs nicht mehr möglich sei, entspreche es der Lebenswahrscheinlichkeit, dass sich die Klägerin bei einem Auffahrunfall als angeschnallte Fahrerin mit dem durchgestreckten Ellenbogen am Lenkrad abgestützt habe, wodurch es zu einer Stauchung der Arme in Richtung auf die Schulterblätter gekommen sei. Hierdurch sei allenfalls eine Stauchung der Sehnenansätze eventuell in Verbindung mit einer Einblutung vorstellbar. Der von Dr. A. angenommene unkontrollierte Zug des Arms nach vorn entspreche weder den Angaben der Klägerin noch der Lebenswirklichkeit. Ferner stelle die gewaltsame (partiale) Zerreißung einer Sehne ein erhebliches Verletzungsereignis dar, das in der Regel äußerliche Zeichen hinterlasse wie Schwellungen und Blutergüsse im Bereich der Schulterweichteile und der Oberarme mit erheblichen lokalen Druckschmerzen. Bei einer Zerreißung der oberen Anteile der Rotatorenmanschette sei es dem Verletzten über Tage nicht möglich, den Arm aktiv nach vorn oder seitlich abzuspreizen. Werde der Arm in Schulterhöhe geführt und losgelassen, falle er herunter (Drop-arm). Solche Symptome hätten bei der Klägerin nicht vorgelegen. Dr. A. habe bei der Erstuntersuchung am 06.02.2009 einen äußerlich unauffälligen Befund und eine lediglich minimal eingeschränkte Beweglichkeit festgestellt, Auch bei der Nachuntersuchung am 16.04.2009 sei keine ausgeprägte Funktionseinschränkung dokumentiert worden. Insgesamt seien traumatisch bedingte Rotatorenmanschettenläsionen seltene Unfallschäden, die wenn überhaupt bei jüngeren, unter 40 Jahre alten Patienten wahrscheinlich seien. Die Manschette unterliege in hohem Maße der Degeneration ab dem dritten Lebensjahrzehnt. Zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr träten die meisten Läsionen mit Krankheitsmerkmalen auf. Die Klägerin sei bei dem Unfall 47 Jahre alt gewesen. Nach den überzeugenden Ausführungen von Prof. Dr. F. seien bei ihr ferner Schadensanlagen in Form einer leichten Einengung des Gleitraums unter dem Schulterdach mit Konturunregelmäßigkeiten im Bereich des großen Oberarmhöckers und der Acromionspitze sowie Veränderungen dort, die für eine chronische Reizung des Ansatzes der Obergrätensehne sprächen, festgestellt worden. Dies spreche für ein Engpasssyndrom (Impingement), das ursächlich auf eine knöcherne Einengung des Gleitraums zurückzuführen sei. Auch sei nach den Ausführungen von Prof. Dr. F. die Partialruptur eine verletzungsuntypische Veränderung, die in der Regel - wie auch hier - durch ein sukzessives Aufreiben des Ansatzes der Supraspinatussehne mit einem fortschreitenden Aufscheuern entstehe.
Gegen dieses Urteil, das ihrem Prozessbevollmächtigten am 13.05.2011 zugestellt worden ist, hat die Klägerin am 19.05.2011 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Sie trägt vor, der Befund vom 23.02.2009 zeige eine deutliche Teilläsion der Supraspinatussehne und eine geringe Teilruptur der Infraspinatussehne. Ein struktureller Schaden liege vor.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 30. März 2011 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 15. Januar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. April 2010 zu verurteilen, ihr über den 27. April 2009 hinaus Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angegriffene Urteil und ihre Entscheidungen.
Auf Antrag und Kostenrisiko der Klägerin hat der Senat ein radiologisches Gutachten über die Klägerin bei Prof. Dr. G., Konstanz, eingeholt. Dieser Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 22.12.2011 ausgeführt: Bei der Klägerin bestehe eine bislang nicht diagnostizierte, bildgebend nur eingeschränkt erkennbare Fraktur am Scaphoid (Kahnbein/Handwurzelknochen), genauer der distalen Gelenkfläche bzw. des Höckers, wobei es sich bildgebend auch lediglich um eine Fissur (Einriss der Knochenstruktur) handeln könne. Eine solche Fraktur trete bei Traumata auf die ausgestreckte Hand auf. Die Klägerin habe unmittelbar nach dem Unfall von deutlichen Schmerzen am Handgelenk berichtet. Die Fraktur bzw. Fissur sei zwischenzeitlich ausgeheilt. Diese Feststellungen unterstützten die These, dass es sich um einen Unfallmechanismus mit ausgestreckter Hand gehandelt habe. Die Fraktur bzw. Fissur an der linken Hand sei als Unfallfolge einzustufen. Weiterhin habe bei der Klägerin im Unfallzeitpunkt eine komplette, (aber) lochartige Ruptur der Supraspinatussehne rechts mit Austritt von Gelenkflüssigkeit, jedoch kein kompletter Riss der Sehne vorgelegen. Dieser Schaden sei weder im Sinne der Entstehung noch der Verschlimmerung auf den Unfall zurückzuführen. Bei der Klägerin bestehe nämlich auch eine geringe AC-Arthrose rechts vor. Hierbei handle es sich um eine verschleißbedingte Abnutzung des Schultereckgelenks mittlerer Ausprägung. Bei lokalem Druck von vorn sei dieses Gelenk rechts im Gegensatz zu links auch druckschmerzhaft. Ein durch den Unfall bedingtes Auftreten dieser Veränderungen (an der Schulter) sei zu verneinen. Die Rotatorenmanschette unterliege hoher Belastung und einem lebenslangen Verschleiß. Eine Einengung des subacromialen Raums führe zu Gleiten bzw. Scheuern und Verschleißerscheinungen insbesondere an der Supraspinatussehne. Die überwiegende Mehrzahl aller symptomatischen Schultern basiere auf (solchen) degenerativen Veränderungen. Eine traumatische Ruptur ohne degenerative Vorschäden sei selten und trete vorwiegend bei jungen Personen auf. Bei einer vorgeschädigten Rotatorenmanschette genügten kleinere Traumata zum Auslösen einer Beschwerdesymptomatik. Es könne zudem zum Riss einzelner Sehnenfasern kommen. Bei der Klägerin sei der wegen der Handverletzung zu Grunde zu legende Unfallhergang mit zum Lenkrad ausgestreckten Armen ungeeignet, die genannten Verletzungen der Supraspinatussehne hervorzurufen. Es sei unfallbedingt - nur - zu einer Prellung der degenerativ veränderten Sehne gekommen, die bis zum 27.04.2009 ausgeheilt sei. Den Einschätzungen von Dr. A. aus der Stellungnahme vom 10.03.2010 könne nicht gefolgt werden. Die arthrotische Veränderung des AC-Gelenks sei nicht nur bildgebend dargestellt und übertrieben worden, vielmehr habe damals ein Druckschmerz vorn bestanden. Es sei den Einschätzungen von Dr. F. zu folgen. Zwar bestehe neben dem auch von ihm beschriebenen gelenkseitigen wahrscheinlich degenerativ bedingten Teileinriss auch eine lochartige Läsion im Bereich der Supraspinatussehne. Auch diese sei aber durch Verschleißerscheinungen und nicht durch den Unfall bedingt. Heute seien Loch und Erguss nicht mehr vorhanden.
Der Senat hat die Beteiligten mit Schreiben vom 24.02.2012 darüber unterrichtet, dass er beabsichtige, über die Berufung ohne mündliche Verhandlung und ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss zu entscheiden, und Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
II.
Der Senat konnte über die Berufung nach § 153 Abs. 4 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entscheiden. Er hält die Berufung einstimmig für unbegründet. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats auch keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Die Beteiligten sind zu dieser Verfahrensweise gehört worden.
1. Allerdings war die Klage bei wortgetreuer Auslegung des Antrags unzulässig. Die Klägerin hat eine Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von "Leistungen" über den 27.04.2009 hinaus beantragt. Dies ist zu unbestimmt. Selbst im Rahmen eines Antrags auf Verurteilung zu Leistungen dem Grunde nach (§ 130 Abs. 1 SGG) muss zumindest deutlich werden, welche Leistungen begehrt werden. Nachdem die Klägerin ab dem 27.04.2009, dem Tag nach dem Ende der in diesem Verfahren anerkannten Leistungen, eine stufenweise Wiedereingliederung absolviert hat, wäre insbesondere klarzustellen gewesen, ob und ggfs. für welchen Zeitraum noch Verletztengeld begehrt wird. Der Senat legt den Antrag der Klägerin jedoch als Antrag auf Feststellung fortbestehender Unfallfolgen für die Zeit ab dem 27.04.2009 aus, als Feststellungsantrag mit diesem Inhalt ist er zulässig (§ 55 Abs. 1 Halbsatz 1 Nr. 1 und Nr. 3 SGG).
2. Die Klage ist jedoch nicht begründet. Bei der Klägerin bestanden über den 27.04.2009 hinaus keine gesundheitlichen Folgen des Unfalls vom 05.02.2009 mehr.
a) Die rechtlichen Anforderungen an die Feststellung der Folgen eines Arbeits- oder Wegeunfalls nach § 8 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) und an das notwendige Beweismaß für die einzelnen anspruchsbegründenden Tatsachen, insbesondere an die für die Kausalzusammenhänge zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung sowie zwischen dieser und den Gesundheitsstörungen ausreichende hinreichende Wahrscheinlichkeit, hat das SG in dem angegriffenen Urteil zutreffend dargelegt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird darauf verwiesen (§ 142 Abs. 2 Satz 3, § 153 Abs. 2 SGG).
b) Die Fraktur oder Fissur an der Hand, die erstmals im Berufungsverfahren der Sachverständige Prof. Dr. G. diagnostiziert hat, ist zwar eine Unfallfolge und wäre ggfs. von der Beklagten noch als solche anzuerkennen. Sie hat jedoch nicht über den 27.04.2009 hinaus Beeinträchtigungen verursacht. Die Klägerin hatte nur kurze Zeit nach dem Unfall über Schmerzen in der rechten Hand geklagt. Prof. Dr. G. hat hinsichtlich der Handverletzung ausgeführt, diese sei nach sechs Wochen, also spätestens Ende März 2009, folgenlos ausgeheilt gewesen. Für diese Einschätzung spricht, dass die Klägerin später nicht mehr über Handbeschwerden geklagt und auch keiner der behandelnden Ärzte und auch die Gutachter, auch nicht Dr. F., eine Verletzung in diesem Bereich überhaupt haben feststellen können.
c) Dagegen sind die bei der Klägerin am 23.02.2009 magnetresonanztomografisch festgestellten Teilrupturen der Supra- und der Infraspinatussehne nicht mit der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit auf den Unfall vom 05.02.2009 zurückzuführen.
aa) Auch der Senat ist der Ansicht, dass es bereits an einem geeigneten Unfallmechanismus fehlte.
Wie das SG unter Würdigung medizinischer Literatur zutreffend ausgeführt hat, führt in der Regel nur der Sturz auf den seitlich oder nach hinten ausgestreckten Arm zu Rupturen der Rotatorenmanschette, aber z. B. nicht der frontale Aufprall auf den nach vorn ausgestreckten Arm (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, S. 413) und dementsprechend auch nicht die fortgeleitete Krafteinwirkung bei seitlicher oder vorwärtsgeführter Armhaltung (Stauchung) (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O.; Beickert/Bühren, Zusammenhangsfragen bei Verletzungen an der Rotatorenmanschette und der langen Bizepssehne, in: Trauma und Berufskrankheit [1998], Vol. 1, S. 61, 66). Eine solche vorwärtsgerichtete Haltung nimmt der Arm nach Ansicht des Senats auch dann ein, wenn ein Autofahrer ein Lenkrad hält, besonders deutlich in einem Pkw, dessen Lenkrad nicht waagerecht, sondern schräg zur Senkrechten hin angebracht ist. Bei Verkehrsunfällen wird entsprechend als geeigneter Hergang für eine Schädigung der Rotatorenmanschette nur der Sturz eines stehenden Fahrgasts in einem Bus oder dgl. angesehen, wenn sich dieser zuvor mit nach oben oder ggfs. seitwärts gestrecktem Arm an einer Haltestange oder Halteschlaufe festgehalten hat (vgl. Schönberger/Mehr¬tens/Va¬len¬tin, a.a.O., S. 412).
Bei der Klägerin ist davon auszugehen, dass sie bei dem Aufprall mit ihrem Auto mit durchgestreckten, also nach vorn gerichteten Armen das Lenkrad festgehalten hat. Dies entspricht nicht nur der Lebenserfahrung. Die weitere Begutachtung bei Prof. Dr. G. im Berufungsverfahren hat auch einen medizinischen Anhalt für eine solche Körperhaltung ergeben. Wie der Sachverständige ausgeführt hat, lässt sich die nunmehr diagnostizierte Fraktur oder Fissur an der linken Hand durch die Krafteinwirkung des Aufpralls bei ausgestreckter Hand erklären. Dem entspricht es, dass die Klägerin nach dem Unfall über Schmerzen an der linken Hand geklagt hat und Dr. A. bereits in den D-Berichten vom 06. und 07.02.2009 - unter anderem - eine Distorsion der linken Hand diagnostiziert hat.
Vor diesem Hintergrund kann auch nicht der nunmehrigen Einschätzung von Dr. A. vom 10.03.2010 gefolgt werden. Dieser hat dort ausgeführt, bei dem Unfall habe es sich um einen Heckaufprall gehandelt, sodass die Klägerin zuerst rückwärts in den Fahrersitz gedrückt worden sei, wobei auf ihre durchgestreckten Arme keine stauchende, sondern eine ziehende Kraft eingewirkt habe. Es mag sein, dass dieser Hergang eher geeignet gewesen wäre, eine Rotatorenmanschettenruptur zu verursachen. Bei dem Unfall handelte es sich jedoch nicht um einen Heckaufprall. Die Klägerin war vielmehr selbst auf das vorausfahrende Auto aufgefahren, nachdem dieses stark abgebremst hatte. Diesen Hergang hat die Klägerin während des ganzen Verfahrens durchgängig geschildert, zuerst gegenüber Dr. A. am 06. und 07.02.2009, in dem Unfallfragebogen vom 11.03.2009 und sodann gegenüber den Gutachtern Dr. F. und Prof. Dr. G ... Bei einem Frontalaufprall aber wird der Körper, worauf Dr. F. hingewiesen hat, zunächst nach vorn Richtung Lenkrad gedrückt, wodurch dann bei durchgestrecktem Arm eine drückende, stauchende Kraft auf das Schultergelenk einwirkt, sofern der Ellenbogen nicht gebeugt wird.
bb) Besonders deutlich gegen eine unfallbedingte Schädigung der Rotatorenmanschette spricht nach Ansicht des Senats das äußere und innere Verletzungsbild unmittelbar nach dem Unfall. Diesen Feststellungen nach dem Unfall kommt besondere Bedeutung zu, für eine unfallbedingte Schädigung sprechen dabei z. B. frische Läsionen und ein Schmerzmaximum am Tag des Unfalls oder dem Tag danach (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 415) und auch die von den Gutachtern, vor allem Prof. Dr. F., beschriebenen erheblichen Beweglichkeitseinschränkungen, die insbesondere nach einer vollen Läsion eintreten. Bei der Klägerin lagen solche Symptome nach dem Unfall nicht vor. In den beiden D-Berichten vom 06. und 07.02.2009 hat Dr. A. hinsichtlich der rechten Schulter einen äußerlich unauffälligen Befund bei subacromialem Druckschmerz und nur minimalen Einschränkungen der Beweglichkeit in den Bewegungsdimensionen beschrieben. Die Klägerin selbst hatte anfangs überwiegend von Schmerzen in anderen Körperregionen berichtet, vor allem am Thorax, Rücken, an beiden Händen und von Kopfschmerzen. Die Frage einer unfallbedingten Rotatorenmanschettenruptur war erst aufge¬kom¬men, nachdem bei der kernspintomografischen Untersuchung bei Prof. Dr. B. am 23.02.2009 die beschriebenen Teilläsionen aufgefallen waren. Und noch bei der Zwischenuntersuchung am 20.04.2009 hat die Klägerin nicht von weitergehenden Schmerzen, insbesondere an der Schulter, sondern von einer mäßigen Besserung der Schmerzen (am gesamten Körper) berichtet.
cc) Letztlich stützt sich der Senat auch darauf, dass bei der Klägerin eine Vorschädigung vorlag, die ebenfalls die beschriebenen Teilläsionen herbeiführen konnte.
Die Sachverständigen Dr. F. und Prof. Dr. G. haben übereinstimmend von einer arthrotischen Abnutzung des AC-Gelenks bei vorbestehender Enge zum Schulterdach (Impingement-Syndrom) berichtet. Prof. Dr. G. hat diese Arthrose - heute - als mittelgradig bezeichnet. Aber bereits in dem Bericht über die kernspintomografische Untersuchung am 23.02.2009 hatte Prof. Dr. B. von einer vorbestehenden geringen Arthrose berichtet. An diesen Feststellungen ist nicht zu zweifeln. In Übereinstimmung mit den Gutachtern ist davon auszugehen, dass dieses Syndrom zu einer laufenden, wenn auch zunächst nicht bemerkten, Aufscheuerung der Sehnen oder Sehnenansätze in dem geschädigten Bereich geführt hat. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin als Näherin weitgehend mit Händen und Armen gearbeitet hat und dabei die Schultern häufigeren und ggfs. auch ungewöhnlicheren Bewegungen ausgesetzt waren als in anderen Berufen.
Angesichts dieser Vorschädigung ist es mindestens genauso wahrscheinlich wie eine unfallbedingte Verursachung, dass die beschriebenen Teilläsionen als "stumme" Gesundheitsschäden bei der Klägerin bereits vorlagen und nur anlässlich der kernspintomografischen Untersuchung nach dem Unfall entdeckt worden sind.
Diese Einschätzung wird auch nicht erschüttert durch die Ausführungen von Dr. A. in seiner Stellungnahme vom 04.12.2011. Er hat zwar die von Dr. F. gemessenen (nur geringfügig eingeschränkten) Restbeweglichkeiten in Zweifel gezogen und die von ihm festgestellten Maße mitgeteilt. Aber auch diese bedingten keine erheblichen Einschränkungen. Eine nennenswerte Abweichung gegenüber den Feststellungen von Dr. F. hat Dr. A. nur für die Ventralflexion mitgeteilt, nämlich 150° statt 180°. Auch eine Armhebung von 150° erreicht noch fast die Senkrechte und ist noch im Normalbereich anzusiedeln, nachdem z. B. unfallversicherungsrechtlich erst eine Einschränkung der Armhebung auf 120° eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 10 v.H. bedingt (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 523 f.).
dd) Bei der Abwägung der für oder gegen einen Zusammenhang sprechenden Indizien ist auch der einzige für eine unfallbedingte Schädigung sprechende Umstand, die vorgetragene Beschwerdefreiheit vor dem Unfall, nicht ausschlaggebend. Wie die Sachverständigen überzeugend ausgeführt haben, ist davon auszugehen, dass die ab dem 23.02.2009 festgestellte Schultergelenksarthrose bei Impingement-Syndrom "stumm" verlaufen ist, also noch keine Beschwerden verursacht hat. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin auch später nicht über erhebliche Schulterbeschwerden oder besonders ausgeprägte Schulterschmerzen geklagt hat und die Schulterbeweglichkeit, wie sie Dr. F., aber auch Dr. A., gemessen haben, nach wie vor nicht nennenswert eingeschränkt ist. Dies zeigt, dass die vorhandenen oder zwischenzeitlich wieder ausgeheilten Läsionen nicht bemerkbar gewesen sein müssen.
3. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG.
4. Gründe für eine Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs. 2 SGG).
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