L 5 RJ 461/96

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 9 Ar 413/94
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 RJ 461/96
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 7. August 1996 aufgehoben.
II. Die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 3. März 1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 8. Juni 1994 wird abgewiesen.
III. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

In diesem Rechtsstreit geht es um Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Die am ...1949 geborene Klägerin hat keinen Beruf erlernt. Bis 1972 war sie als Maschinenarbeiterin, Montiererin und Löterin versicherungspflichtig beschäftigt, danach Hausfrau und von 1988 bis 1992 wieder versicherungspflichtig beschäftigt als Verpackerin.

Ám 08.12.1993 beantragte die Klägerin Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Diesen Antrag lehnte die Beklagte nach Untersuchung auf chirurgischem und neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet mit Bescheid vom 03.03.1994 ab, weil die Klägerin noch leichte Vollschichttätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ohne länger andauernde Zwangshaltungen und ohne häufiges Bücken verrichten könne. Der dagegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 08.06.1994 zurückgewiesen.

Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Regensburg (SG) wurde ein Terminsgutachten von Dr.M ... vom 19.09. 1995 eingeholt, in dem ein akutes LWS-Syndrom beschrieben wird, sowie ein neuro-chirurgisches Gutachten von Prof.Dr.B ... vom Klinikum der Universität R ... vom 03.04.1996. Dieses kam zu dem Ergebnis, dass die Klägerin an einer sensiblen Wurzelirritation entsprechend dem Dermatom L 5 mit Schmerzen im selben Bereich leide, aber noch imstande sei, regelmäßig auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einer Erwerbstätigkeit vollschichtig nachzugehen, wobei es sich jedoch um Tätigkeiten ohne längeres Sitzen oder Bücken sowie Tragen schwerer Gegenstände oder extreme Drehbewegungen der Wirbelsäule handeln solle.

Nach Vorlage eines umfangreichen Attestes des behandelnden Orthopäden Dr.K ... holte das SG ein orthopädisches Gutachten von Dr.H ... vom Reha-Zentrum der B ...-Klinik R ... vom 20.06.1996 ein, in dem folgende Diagnosen gestellt werden: 1. Postnukleotomie-Syndrom; Wurzelirritation S 1 links. 2. Lokales Cervikal-Syndrom. 3. Impingement-Syndrom der rechten Schulter. 4. Verdacht auf Chondropathia patellae.

Weiter hieß es, die Klägerin sei gegenwärtig nicht imstande, einer Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in gewisser Regelmäßigkeit nachzugehen. Naturgemäß könne man bei einem Postnukleotomie-Syndrom nicht mit Sicherheit sagen, ob es sich um eine nur vorübergehende Beeinträchtigung des Leistungsvermögens handele. Durch eine monosegmentale Spondylodese mit Fettlappenplastik - die natürlich nicht duldungspflichtig sei - könne eine Besserung eintreten; es werde eine Rente auf Zeit für längstens 2 Jahre empfohlen.

Die Beklagte schloss sich diesem Gutachten nicht an, sondern wies auf ihrer Meinung nach bestehende Widersprüche hin. Die angeführten Befunde könnten in keiner Weise davon überzeugen, dass die Klägerin in ihrem Leistungsvermögen quantitativ eingeschränkt sei.

Das SG folgte mit Urteil vom 07.08.1996 dem Gutachten von Dr.H ... und verurteilte die Beklagte, bei der Klägerin den Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit auf Zeit mit dem 28.10.1993 anzuerkennen und Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit bis 31.07.1998 zu leisten.

Zur Begründung führte es aus, seit der Bandscheibenoperation im April 1992 sei die Klägerin praktisch nie beschwerdefrei gewesen. Am 28.10.1993 habe ein Rezidiv-Prolaps stattgefunden. Bei der Reha-Maßnahme im März/April 1994 sei die Klägerin als untervollschichtig einsatzfähig beschrieben worden. Außerdem berücksichtige das Gericht auch den persönlichen Eindruck der Klägerin in der mündlichen Verhandlung. Da es sich um eine Arbeitsmarktrente handele, habe eine Verurteilung nur auf Zeit erfolgen können.

Die Beklagte hat gegen dieses, ihr am 23.09.1996 zugestellte Urteil mit Schreiben vom 16.10.1996, eingegangen 18.10.1996, Berufung eingelegt und die Aussetzung der Vollziehung beantragt. In der Berufungsbegründung wird im Wesentlichen auf die bereits im Klageverfahren geäußerte Kritik am Gutachten des Dr.H ... Bezug genommen. Selbst wenn man der medizinischen Einschätzung des Erstgerichts folgen wollte, läge bei der Dauer der Zeitrente ein Verstoß gegen § 102 Abs.2 Satz 3 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) vor, wonach Zeitrente längstens für drei Jahre, also höchstens bis 30.04.1997, hätte zugesprochen werden können.

Der Senat hat mit Beschluss vom 20.01.1997 die Vollstreckung aus dem Urteil des SG Regensburg ausgesetzt. Am 03.03.1997 hat die Klägerin einen Weitergewährungsantrag gestellt, der jedoch im Hinblick auf das Berufungsverfahren zurückgestellt wurde.

Nach Beiziehung zahlreicher Befundberichte hat der Senat ein nervenfachärztliches und ein orthopädisches Gutachten von Dr.Ki ... bzw. Dr.F ... aufgrund Untersuchung der Klägerin vom 19.10.1999 eingeholt. In dem neurologisch/psychiatrischen Gutachten wird eine Verdeutlichungstendenz nicht unerheblichen Ausmaßes beschrieben sowie eine verfahrensbezogene, auch zielgerichtete Überlagertheit des gesamten Krankheitsbildes, wobei auch die Schmerzsymptomatik beeinflusst werde. Zwar habe das bei der Klägerin bestehende Krankheitsbild einen organischen Kern, der aber gemessen an den objektiven Untersuchungsbefunden noch durchaus mit der Verrichtung zumindest leichter körperlicher Tätigkeiten in Einklang zu bringen sei. Im Einzelnen lägen seit dem 01.06.1993 Restsymptome einer Bandscheibenoperation L 4/L 5 links vor mit geringfügigen Ausfällen, die sich auf das Dermatom S 1 beziehen ließen. Funktionsausfälle und Behinderungen würden dadurch nur insofern verursacht, als die Belastung der Wirbelsäule eingeschränkt sei. Direkte motorische Ausfälle lägen nicht vor. Der neurologische Untersuchungsbefund sei seit dem Vorgutachten gleich geblieben. Die Klägerin werde in ihrer Erwerbsfähigkeit mittelgradig beeinträchtigt. Schwere und mittelschwere Tätigkeiten, Arbeiten ausschließlich im Gehen, Stehen oder Sitzen, das Heben und Tragen schwerer Lasten, häufiges Bücken, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten sowie in Zwangsposition seien ihr nicht mehr zuzumuten. Die verbleibenden Tätigkeiten könnten vollschichtig verrichtet werden. Dieser Zustand bestehe im Prinzip bereits seit der Bandscheibenoperation im Jahre 1992.

Der Orthopäde Dr.F ... stellt folgende Diagnosen: 1. Mäßige Uncovertebralarthrose, Spondylarthrose der unteren Halswirbelsäule. 2. Assimilationsstörung mit 6 Lendenwirbelkörpern, Nebenarthrose rechts, Chondrosis intervertrebalis L 3 bis L 4 und L 5 bis L 6, Spondylose der Lendenwirbelsäule, leichte Retropositio L 5, angedeutetes Baastrup-Syndrom, altersentsprechende Iliosacralgelenks-Arthrose. 3. Mäßige STT-Gelenksarthrose beidseits.

Die Klägerin werde im Beruf der Verpackerin und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in ihrer Erwerbsfähigkeit höchstens mittelgradig beeinträchtigt. Nicht mehr zumutbar seien schwere und anhaltend mittelschwere Arbeiten. Ein Wechsel zwischen Sitzen und Stehen sollte möglich sein. Bei Arbeiten im Freien sollte die Lendenwirbelsäule durch entsprechende Kleidung vor Einflüssen von Kälte, Nässe und Zugluft geschützt werden. Das Heben und Tragen von Lasten, häufiges Bücken und möglichst auch dauernde kraftfordernde manuelle Tätigkeiten seien zu vermeiden. Die Klägerin könne berufliche Tätigkeiten vollschichtig ausüben, zusätzliche Pausen seien nicht erforderlich. Der Verarbeitungszustand der Handflächen lege den Schluss nahe, dass sich die Klägerin körperlich noch intensiv belasten könne und auch belaste.

Auf Antrag der Klägerin wurde ein weiteres Gutachten gemäß § 109 SGG von Prof.Dr.G ... (R ... Anstalten) vom 01.08. 2000 eingeholt, in dem ebenfalls von einem deutlich demonstrativen Verhalten und Verdacht auf Aggravation seitens der Betroffenen die Rede ist. Es werden folgende Diagnosen gestellt: 1. Degenerativer LWS-Schaden, Zustand nach Bandscheibenoperation 4/92 bei L 4/5 mit anhaltenden Ausfallserscheinungen und Schmerzausstrahlungen entlang der Nervenwurzel S 1, weniger L 5, links im Sinne eines Postnukleotomie-Syndroms. 2. Degeneratives HWS-Syndrom, derzeit asymptomatisch. 3. Depressive Entwicklung mit Somatisierungstendenz. 4. Zustand nach Carpaltunnelsyndromoperation beidseits. 5. Osteoporose. 6. Struma nodosa zystika, derzeit asymptomatisch. 7. Arterielle Hypertonie. 8. Klimakterische Beschwerden.

Weiter heißt es in dem Gutachten, seit dem Vorgutachten vom Oktober 1999 (Dr.Ki ...) habe sich der Gesundheitszustand der Klägerin - neurologisch gesehen - nicht wesentlich gebessert oder verschlimmert. Psychiatrischerseits komme es trotz zwischenzeitlicher Besserung der seit zwei Jahren voranschreitenden depressiven Entwicklung eher zu einer Progredienz der depressiv-somatisierenden Störung. Schmerzbedingt könne die Klägerin nicht mehr schwer heben oder längere Tätigkeiten im Gehen oder Stehen durchführen. Schwere und mittelschwere Arbeiten, Arbeiten im Gehen und Stehen seien ihr nicht mehr zumutbar. Das Heben und Tragen von Lasten, häufiges Bücken, häufiges Treppensteigen, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, an Maschinen oder am Fließband müssten vermieden werden. Weiter heißt es, die Patientin könne ihre berufliche Tätigkeit noch "zwei bis vier Stunden vollschichtig" ausüben. Auf Anfrage des Senates wurde in einer weiteren Stellungnahme vom 28. September 2000 vom Sachverständigen ausgeführt, es bestehe keine Aussicht, dass die Klägerin vollschichtig einer normal geregelten Arbeit nachgehen könne. Zumutbar erscheine nur noch eine leichte Tätigkeit von zwei bis vier Stunden pro Tag.

Die Beklagte hat in einer nervenärztlichen Stellungnahme vom 11.12.2000 dem Gutachten widersprochen. Wie vom Sachverständigen selbst ausgeführt, habe sich auf nervenärztlichem Gebiet eine Verschlechterung gegenüber dem Gutachten Dr.Ki ... nicht ergeben. Die depressive Entwicklung, wie sie hier beschrieben werde, bedinge unter Zugrundelegung der erhobenen Befunde keine zeitliche Leistungsminderung. Die Behauptung, dass der Zustand seit 1993 bestehe, sei widersprüchlich.

Der Senat hat daraufhin eine ergänzende Stellungnahme von Dr.Ki ... vom 30.01.2001 eingeholt, in der dieser sich nicht in der Lage sieht, dem Gutachten der Klinik R ... zu folgen. Bezüglich des körperlichen Untersuchungsbefundes bestehe im Wesentlichen Übereinstimmung mit dem von ihm erstellten Gutachten. Der im R ...er Gutachten mitgeteilte psychiatrische Untersuchungsbefund sei nicht sehr auffällig und könne nicht als gravierend angesehen werden. Zwar sei die Rede von einem verminderten Antrieb und davon, dass die Patientin durch Schmerzen zermürbt gewirkt habe, die Stimmung gedrückt gewesen sei, aber aufhellbar; das Affektverhalten sei als depresssiv eingeengt erschienen. Insgesamt sei aber die Patientin als freundlich und kooperativ beschrieben worden. Andererseits hätten die Gutachter auch auf ein demonstratives Verhalten mit Aggravationstendenzen hingewiesen. So sei inhaltlich das Denken der Patientin auf die körperlichen Behinderungen, die Unfähigkeit einer Arbeit nachzugehen und den Wunsch nach einer Berentung eingeengt gewesen. Dass dies einen krankhaften seelischen Untersuchungsbefund darstelle, sei nicht nachvollziehbar. Die Aggravationstendenzen hätten in Beziehung gesetzt werden müssen zu den objektiven Befunden, was leider im Gutachten aus R ... nicht geschehen sei. Unklar sei auch, worauf die Gutachter ihre Beurteilung stützten, dass sich bei der Klägern in den letzten Jahren eine depressive Entwicklung vollzogen habe, nachdem weder bei der Begutachtung im Oktober 1999 eine depressive Symptomatik vorgelegen habe noch eine solche von dem behandelnden Nervenarzt Dr.N ... mitgeteilt worden sei. Die Klägerin habe sich zwischen 1996 und 1999 überhaupt nicht in nervenärztlicher Behandlung befunden. Eine zeitliche Leistungseinschränkung lasse sich aus den psychiatrischen Befunden nicht ableiten. Die Gutachter führten lediglich aus, dass die Stimmung etwas gedrückt gewirkt habe und der Gedankengang inhaltlich eingeengt gewesen sei. Eine depressive Vitalsymptomatik schwererer Ausprägung finde sich im Gutachten nicht. Erst recht sei nicht nachvollziehbar, dass der depressive Zustand der Klägerin bereits seit 1993 bestanden haben sollte.

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 07.08.1996 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 03.03.1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08.06.1994 abzuweisen.

Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 07.08.1996 zurückzuweisen.

Beigezogen wurden die Akten der Beklagten und des SG Regensburg sowie die Schwerbehindertenakten des Versorgungsamtes Regensburg.

Entscheidungsgründe:

Díe Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist allein die Frage, ob die Klägerin Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit auf der Grundlage eines Versicherungsfalles vom 28.10.1993 bis 31.07.1998 hat, denn mehr wurde von Klägerseite in der letzten mündlichen Verhandlung des SG am 07.08.1996 nicht beantragt. Diesem Antrag wurde mit dem von der Beklagten mit Berufung angefochtenen Urteil in vollem Umfang stattgegeben. Über die Frage, ob die Klägerin möglicherweise nach dem 31.07.1998 einen Rentenanspruch hat, insoweit liegt ein Weitergewährungsantrag der Klägerin vor, wird zunächst die Beklagte bescheidsmäßig zu entscheiden haben.

Entgegen der Auffassung des Erstgerichts gelangt der Senat zu dem Ergebnis, dass der Klägerin im obengenannten Zeitraum Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nicht zugestanden hat. Nach dem gemäß § 300 Abs.2 SGB VI anzuwendenden § 44 SGB VI in der bis zum 30.12.2000 geltenden Fassung haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, wenn sie 1. erwerbsunfähig sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Erwerbsunfähig sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgrenze übersteigt. Erwerbsunfähig ist nicht, wer ... 2. eine Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Nach dem Ergebnis der zahlreichen im Verwaltungsverfahren und vor allem im sozialgerichtlichen und berufungsgerichtlichen Verfahren eingeholten Gutachten und Befundberichte kann nicht davon ausgegangen werden, dass das Leistungsvermögen der Klägerin im fraglichen Zeitraum auf untervollschichtig abgesunken war. Fest steht, dass am 08.04.1992 nach vorangegangenem Bandscheibenvorfall eine Bandscheibenoperation im Bereich L 4/L 5 stattgefunden hat, deren Erfolg allerdings umstritten ist. Nach ihren eigenen Angaben hatte die Klägerin nur kurzzeitig keine Beschwerden. Andererseits wurde sie aus der Reha-Klinik H ..., wo sie vom 06.09. bis 06.10.1992 im Heilverfahren war, als arbeitsfähig für leichte Arbeiten ohne Heben und Tragen von Lasten vollschichtig entlassen. Im Oktober 1993 kam es offenbar zu einem Rezidiv des Bandscheibenvorfalles, ohne dass eine erneute Operation erfolgt wäre. Das damit zusammenhängende Leidensbild steht im Vordergrund der von der Klägerin geltend gemachten Beschwerden. Es wird von allen Gutachtern übereinstimmend bestätigt. Unterschiedlich sind jedoch die Auffassungen hinsichtlich der Auswirkung dieses Leidens. Der Orthopäde Dr.H ... kommt in seinem Gutachten vom 20.06.1996, das das SG zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht hat, zu dem Ergebnis, dass die Klägerin damals und auch schon vor der Antragstellung (Dezember 1993) wegen eines Postnukleotomiesyndroms im Zusammenhang mit der vorgenannten Operation nicht imstande gewesen sei, einer Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in gewisser Regelmäßigkeit nachzugehen. Dieses Gutachten vermag indessen nicht zu überzeugen. Vielmehr hat der Chirurg Dr.L ... für die Beklagte in seiner Stellungnahme vom 24.07.1996 zutreffend darauf hingewiesen, dass die in dem Gutachten genannten objektiven Befunde, insbesondere die Funktionseinschränkungen nicht besonders auffällig waren und nicht geeignet seien, eine quantitative Einschränkung des Leistungsvermögens der Klägerin zu begründen. Das SG ist auf die Argumentation von Dr.L ... und insbesondere die Kritik an dem Gutachten von Dr.H ... nicht mehr eingegangen und hat auch keine ergänzende Stellungnahme eingeholt oder sonstige Beweise erhoben.

Im Zuge des Berufungsverfahrens wurde ein orthopädisches Gutachten von Dr.F ... vom 15.11.1999 eingeholt, das auf einer Untersuchung der Klägerin vom 19.10.1999 basiert. In diesem Gutachten, das allerdings erst nach dem Ablauf der Zeitrente erstellt wurde, stellte Dr.F ... fest, dass an Hand der Röntgenuntersuchung sowie der klinischen Untersuchung Änderungen seit der Antragstellung nicht objektivierbar seien. Die Klägerin könne wegen der Bandscheibenschäden der Lendenwirbelsäule keine Lasten heben und tragen und nicht mehr in gebückter Stellung arbeiten. Ein Wechsel zwischen sitzen und stehen sollte möglich sein, da beim Sitzen vermehrt die Bandscheiben, beim Stehen vermehrt die Wirbelbogengelenke in den verschleißgeschädigten Segmenten belastet würden. Leichte Verschleißerscheinungen im Bereich der Halswirbelsäule seien minimal und nicht altersuntypisch. Die leichten Verschleißerscheinungen im Bereich der Handgelenke stünden nur dauernden kraftfordernden manuellen Tätigkeiten entgegen, wobei zu beachten sei, dass aufgrund des Beschwielungszustands der Handflächen von einer Schonbedürftigkeit kaum ausgegangen werden könne. Die Klägerin ist nach dem Ergebnis des orthopädischen Gutachtens selbst heute noch in der Lage, ihre beruflichen Tätigkeiten vollschichtig auszuüben. Zusätzliche Pausen sind nicht erforderlich.

Auch das vom Senat eingeholte nervenfachärztliche Gutachten von Dr.Ki ... vom 20.10.1999 beschreibt Restsymptome einer Bandscheibenoperation L 4/L 5 links mit geringfügigen Ausfällen, die sich auf das Dermatom S 1 beziehen lassen, nämlich Sensibilitätsstörung im Dermatom S 1 links und einen aufgehobenen Achillessehnenreflex links. Motorische Ausfälle werden nicht beobachtet. Auch dieses Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass seit den Vorgutachten der neurologische Untersuchungsbefund gleichgeblieben sei. Der derzeit beschriebene Zustand bestehe bereits seit der Bandscheibenoperatin im Jahre 1992. Im Einzelnen kann die Klägerin auch nach diesem Gutachten schwere und mittelschwere Arbeiten nicht mehr ausüben ebenso keine Arbeiten ausschließlich im Gehen, Stehen oder Sitzen. Das Heben und Tragen schwerer Lasten, häufiges Bücken, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten sowie Arbeiten in Zwangspositionen haben zu unterbleiben. Beschränkungen hinsichtlich des Anmarschweges bestehen nicht. Die somit verbliebenen leichten Arbeiten können vollschichtig verrichtet werden. Dr.F ... und Dr.Ki ... beobachten übereinstimmend eine gewisse Verdeutlichungstendenz der Klägerin und eine Fixierung auf das Rentenbegehren.

In dem auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 SGG erstellten Gutachten von Prof.Dr.G ... vom Krankenhaus R ... vom 01.08.2000 werden im Wesentlichen die bereits bekannten Diagnosen gestellt. Neu wird eine depressive Entwicklung mit Somatisierungstendenz beschrieben. Auch in diesem sehr umfangreichen Gutachten wird festgestellt, dass die Patientin sehr auf ihre körperlichen Beschwerden und Einschränkungen fixiert sei und gedanklich auf diese Thematik in Verbindung mit Arbeitsunfähigkeit und den Wunsch nach einer Berentung eingeengt. Weiter wird festgestellt, dass die Klägerin in der körperlichen Untersuchung zu demonstrativem und verdeutlichenden Verhalten neigt, das eine objektive Beurteilung der Einschränkung durch die geklagten Schmerzen schwierig macht. Neurologisch bestehen bis auf eine Sensibilitätsminderung im Bereich der Nervenwurzel S 1 links und weniger auch L 5 links keine Ausfälle, insbesondere keine Lähmungen.

Das Elektroencephalogramm, welches mehr zentrale Störungen abbilden kann, zeigte einen unauffälligen Befund. Dementsprechend kommt das Gutachten in Beantwortung der Beweisfragen auch zu dem Ergebnis, dass sich seit dem Vorgutachten vom Oktober 1999 (Dr.Ki ...) der Gesundheitszustand der Klägerin neurologisch gesehen nicht wesentlich gebessert oder verschlimmert habe.

Weiter heißt es in dem Gutachten: "Stärker dürfte sich die depressive Entwicklung der Patientin, die sich in den letzten Jahren vollzogen habe, auswirken, wobei im Rahmen der vegetativen Symptome die berichteten Ein- und Durchsschlafstörungen und ein wiederholt festgestelltes Ansprechen auf Antidepressiva herausstachen."

Die Stimmung bei der Untersuchung wird als zwar gedrückt, aber aufhellbar beschrieben, während die Gedanken inhaltlich eingeengt gewesen seien (im Sinne eines Rentenbegehrens). Das Leistungsvermögen der Klägerin wird in qualitativer Hinsicht im Wesentlichen ebenso beurteilt wie von den Dres.F ... und Ki ... Quantitativ findet sich die Feststellung, die Patientin könne "unseres Erachtens" ihre berufliche Tätigkeit noch "zwei bis vier Stunden vollschichtig ausüben", wobei zusätzliche Pausen eingelegt werden müssten.

Auf entsprechende Rückfrage des Senates wurde in einer ergänzenden Stellungnahme vom 28. September 2000 ausgeführt, bei der Klägerin bestehe seit 1993 eine chronifizierte Schmerzsymptomatik mit fluktuierender Intensität, die auf den Bandscheibenvorfall vom 31.01.1992, der am 08.04.1992 operiert worden sei, zurückgehe und im Sinne eines Postnukleotomiesyndroms zu interpretieren sei. Daraus resultiere eine anhaltende verminderte Belastbarkeit und dauernde Arbeitsunfähigkeit seit 1993. Auch sei es im Rahmen der chronischen Schmerzsymptomatik zu einer zunehmenden depressiven Entwicklung gekommen, welche im Sinne eines circulus vitiosus verstärkend auf die Schmerzsymptomatik wirke und in den letzten zwei Jahren deutlich an Ausprägung zugenommen habe. Aufgrund der Chronifizierung der Schmerzen und der zusätzlichen psychischen Beeinträchtigung sei die Patientin in ihrer Arbeitsfähigkeit anhaltend eingeschränkt. Es bestehe keine Aussicht, dass sie vollschichtig einer normal geregelten Arbeit nachgehen könne.

Dieses Gutachten ist nach der Auffassung des Senates keineswegs geeignet, ein untervollschichtiges Leistungsvermögen der Klägerin zu begründen. Wie die Beklagte in ihrer nervenärztlichen Stellungnahme vom 11.12.2000 zu Recht feststellt, geht aus dem Gutachten von Prof.Dr.G ..., wie vom Sachverständigen selbst ausgeführt, auf nervenärztlichem Gebiet eine Verschlechterung nicht hervor.

Auch Dr.Ki ... weist in seiner im Auftrag des Senates abgegebenen ergänzenden Stellungnahme vom 30.01.2001 zutreffend darauf hin, dass bezüglich der körperlichen Untersuchungen im Wesentlichen Übereinstimmungen mit seinen Untersuchungsergebnissen bestehe. Diesem ist insbesondere insofern zuzustimmen, als darauf hingewesen wird, dass der psychische Befund im R ...er Gutachten, der letztlich die gravierende Leistungseinschränkung begründen soll, nicht sehr auffällig ist. Dort wird vielmehr die Wahrnehmung und Orientierung ausdrücklich als unauffällig bezeichnet, die Konzentration als leicht eingeschränkt, Aufmerksamkeit, Auffassung und Merkfähigkeit als unauffällig, Antrieb vermindert durch Schmerzen zermürbt wirkend, Stimmung gedrückt, aber aufhellbar. Auch das Affektverhalten wird zwar als depressiv eingeengt beschrieben, insgesamt sei die Patientin aber freundlich und kooperativ. Sodann wird auch dort das Verhalten, worauf Dr.Ki ... zutreffend hinweist, als demonstrativ mit Aggravationstendenzen beschrieben. Das Denken der Patientin scheine auf die körperlichen Behinderungen, die Unfähigkeit, einer Arbeit nachzugehen, und den Wunsch nach Berentung eingeengt zu sein. Hieraus den Schluss zu ziehen, dass die Klägerin entweder gar keine Arbeiten von wirtschaftlichem Wert oder bestenfalls unterhalbschichtig verrichten könne, ist in keiner Weise nachvollziehbar. Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass das Aggravationsverhalten als solches keinen Krankheitswert besitzt. Dass sich dahinter eine relevante seelische Störung verbirgt, geht aus dem Gutachten nicht hervor. Selbst wenn man mit dem Gutachten von Prof.Dr.G ... eine depressive Entwicklung annimmt, die sich angeblich in den letzten Jahren entwickelt haben soll, steht dem entgegen, dass eine solche im Oktober 1999 bei den Begutachtungen nicht festgestellt wurde, und dass auch der behandelnde Nervenarzt Dr.N ... eine entsprechende Symptomatik nicht mitgeteilt hat (Arztbrief vom 20.05.1999).

Der Senat schließt sich Dr.Ki ... auch insoweit an, als aus dem psychiatrischen Untersuchungsbefund, wie er in R ... erhoben wurde, eine zeitlich eingeschränkte Leistungsfähigkeit nicht abzuleiten ist. Insbesondere findet sich keine direkte depressive Teilsymptomatik schwererer Ausprägung, so dass ungeachtet der Diskrepanzen, die sich im Hinblick auf die Vorgeschichte ergeben, auch die Befunde nicht das Vorliegen einer schweren depressiven Symptomatik signalisieren.

Überhaupt nicht nachvollziehbar ist, wie das Gutachten Prof.Dr. G ... zu dem Ergebnis kommt, dass der beschriebene Zustand bereits seit 1993 bestehe. Selbst wenn man davon ausgeht, dass bei der Klägerin zum Zeitpunkt der Begutachtung in R ... eine mittelgradig ausgeprägte depressive Symptomatik vorlag - die allerdings von den Aggravationstendenzen zu trennen wäre - geht daraus keinesfalls hervor, dass diese Symptomatik und die sich daraus möglicherweise ergebenden Leistungseinschränkungen im hier streitigen Zeitraum von Oktober 1993 bis 31. Juli 1998 vorgelegen hat. Vielmehr folgt der Senat den Gutachten von Dr.F ... und Dr.Ki ... vom Oktober 1999, wonach die Klägerin im obengenannten Zeitraum vollschichtig einsatzfähig war und damit nicht erwerbsunfähig im Sinne von § 44 Abs.2 SGB VI a.F.

Das angefochtene Urteil des SG Landshut konnte deshalb keinen Bestand haben, zumal nach § 102 Abs.2 Satz 3 SGB VI eine zeitliche Erwerbsunfähigkeitsrente längstens auf drei Jahre nach Rentenbeginn hätte befristet werden können.

Auch eine Rente wegen Berufsunfähigkeit kommt für die Klägerin, die keinen Berufsschutz genießt, bei diesem Leistungsvermögen nicht in Betracht (§ 43 Abs.2 SGB VI a.F.).

Das Urteil des SG Landshut war deshalb aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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