L 6 RJ 46/99

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 8 RJ 678/97
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 6 RJ 46/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 5. November 1998 insoweit aufgehoben, als die Beklagte zur rentensteigernden Anrechnung der Zeit vom 01.04.1941 bis 31.12.1945 verpflichtet wurde, und die Klage in vollem Umfang abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Anrechnung einer Zeit vom 01.01.1941 bis 31.12.1945 nach den Vorschriften des Fremdrentengesetzes (FRG), in der der Kläger Mitglied einer Kolchose der ehemaligen Sowjetunion war.

Der am ...1929 in P .../Kasachstan geborene Kläger ist nach seinen Angaben im Juli 1941 als elternloses Kind in eine Kolchose in Kasachstan aufgenommen worden und war dort zunächst als Kälberhirte beschäftigt. Von Juli 1942 bis Oktober 1953 war er sodann in deren Schmiede beschäftigt. Später war er in einer Maschinentraktorenstation als Mechaniker und Traktorenführer tätig. Ab 01.07.1989 bezog er vom dortigen Rentenversicherungsträger ein Altersruhegeld. Am 06.07.1993 reiste er als Spätaussiedler in die Bundesrepublik Deutschland ein und hält sich seitdem als nach dem Bundesvertriebenengesetz anerkannter Spätaussiedler hier auf

Auf den Antrag des Klägers vom 21.07.1993 gewährte die Beklagte mit Bescheid vom 03.01.1994 dem Kläger Altersrente für langjährig Versicherte ab 06.07.1993. Mit Bescheid vom 12.01.1996 stellte sie die Rente sodann von Beginn an neu fest. Dabei berücksichtigte sie neben der pauschalen Vertreibungszeit vom 01.01.1945 bis 31.12.1945 die Zeit ab 01.01.1946 bis 30.06.1989 nach den Vorschriften des FRG.

Dagegen hat der Kläger Widerspruch eingelegt und die Zeit vom 01.01.1941 bis 31.12.1945 als weitere Beitrags- bzw. Beschäftigungszeit anzuerkennen begehrt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 05.03.1997 hat die Beklagte den Widerspruch zurückgewiesen. Ein Beschäftigungsverhältnis für die Zeit zwischen 1941 und 1945 sei nicht glaubhaft. Das vom Kläger vorgelegte Arbeitsbuch bestätige erst Zeiten ab 1946. Die weiteren dazu gehörten Zeugen hätten aufgrund ihrer äußerst widersprüchlichen Aussagen die betreffenden Zeiten nicht glaubhaft machen können.

Dagegen hat der Kläger zum Sozialgericht München Klage erhoben und zur Begründung auf die von der Beklagten gehörten Zeugen hingewiesen. Er habe bereits seit 1941 in der Kolchose arbeiten müssen, da er als elternloses Kind nach der Beendigung der Schule seinen Lebensunterhalt habe selbst bestreiten müssen. Das Sozialgericht hörte zunächst die Zeugen H.Sch ..., K.P ..., D.L ... und A.K ..., die im Wesentlichen den Vortrag des Klägers bestätigt haben.

Das Sozialgericht hat darauf mit Urteil vom 5. November 1998 die Beklagte verurteilt, auch die Zeit vom 01.04.1941 bis 31.12.1945 als Beitragszeit gemäß § 15 FRG zu berücksichtigen. Dies gelte, obwohl die Kolchosmiglieder in der früheren UdSSR erst durch Gesetz vom 15.06.1964 in ein Sozialversicherungssystem einbezogen worden seien, weil der Kläger seinerzeit einem System des Arbeitszwanges unterworfen gewesen sei. Nur so könne nämlich dem Gedanken der Eingliederung der Vertriebenen in die Rechtsordnung der neuen Heimat hinreichend Rechnung getragen werden, auch wenn eigentlich Zeiten vor dem vollendeten 17. Lebensjahr einer rentenrechtlichen Berücksichtigung nach den Vorschriften des FRG nicht zugänglich seien.

Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen, da in der Zeit von Januar bis März 1941 der Kläger noch die Schule besucht habe und deshalb nicht in einem Beschäftigungsverhältnis mit der Kolchose gestanden habe.

Dagegen hat die Beklagte Berufung eingelegt. Sie hat diese damit begründet, dass vor dem 01.01.1965 Kolchosemitglieder in der früheren UdSSR nicht in einem System der Sozialversicherung einbezogen gewesen seien und deshalb für den vorhergehenden Zeitraum lediglich eine Beschäftigungszeit gemäß § 16 FRG bestanden haben könne. Diese sei jedoch erst ab Vollendung des 16. Lebensjahres anrechnungsfähig und damit im Falle des Versicherten ab 28.03.1945. Die Zuerkennung einer Versicherungs- oder Beschäftigungszeit ab dem 01.01.1941 und damit bereits ab dem 12. Lebensjahr des Klägers sei nach dem Wortlaut der §§ 15, 16 FRG nicht möglich. Anzuwenden sei dabei die mit Rentenbeginn vom 06.07.1993 geltende Fassung des § 16 FRG, worin seinerzeit das 16. Lebensjahr als Altersgrenze normiert gewesen sei. Im Übrigen wies sie darauf hin, dass im Hinblick auf die Berücksichtigung einer Ersatzzeit vom 01.01. bis 31.12.1945 der Kläger für diese Zeit nicht beschwert sei, weil die Ersatzzeit höher bewertet sei als die in Betracht gezogene Beschäftigungszeit gemäß § 16 FRG und damit deren Anrechnung für den Kläger günstiger sei.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 5. November 1998 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger hat keinen Antrag gestellt.

Beigezogen waren die Akten der Beklagten und die des Sozialgerichts München, auf deren Inhalt sowie auf das schriftsätzliche Vorbringen der Beteiligten zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig. Sachlich ist sie ebenfalls begründet, weil der Kläger keinen Anspruch darauf hat, dass über die im Bescheid vom 12.01.1996 anerkannten Zeiten weitere Zeiten nach dem FRG bei der Berechnung seiner Rente berücksichtigt werden.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und den Erhebungen der Beklagten steht für den Senat fest, dass der Kläger seit dem Ende des Schulbesuches im Jahre 1941 in einer Kolchose in Kasachstan in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden hat, das als nichtselbständiges Arbeitsverhältnis zu qualifizieren ist. Ernstliche Zweifel daran, dass der Kläger als Kolchosmitglied wirtschaftlich abhängig von der staatlich reglementierten Kolchosleitung war und damit die Merkmale eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses erfüllt, bestehen aufgrund der Zeugenaussagen nicht. Solche ergeben sich auch nicht aus der Tatsache, dass eine Beschäftigung erst ab 01.01.1946 im Arbeitsbuch festgehalten worden ist, zumal diese Eintragungen offensichtlich rückwirkend vorgenommen worden sind.

Dennoch ist eine Berücksichtigung der Beschäftigung des Klägers vor seinem 16. Lebensjahr, dem 28.03.1945, nach den Vorschriften des FRG nicht möglich. Eine Anrechnung der Zeit gemäß § 15 FRG ist schon deshalb nicht möglich, da Kolchosmitglieder in der Sowjetunion erst ab 01.01.1965 durch das Gesetz vom 15.07.1964 über Renten und Unterstützungen für Kolchosmitglieder in ein System der gesetzlichen Rentenversicherung einbezogen waren. Erst die von diesem Zeitpunkt an zurückgelegten Zeiten können daher als Beitragszeiten im Sinn des § 15 Abs.1 Satz 1 FRG berücksichtigt werden, wenn Beiträge entrichtet wurden (vgl. BSG, Urteil vom 31.03.1993, Az.: 13 RJ 17/92).

Zeiten vor dem 01.01.1965 können daher bestenfalls Beschäftigungszeiten im Sinne des § 16 FRG sein. Auch wenn kein Zweifel für den Senat daran besteht, dass der Kläger bereits nach Beendigung der Schule im Jahre 1941 dort in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis gestanden hat und von ihm deshalb eine Beschäftigungszeit im Sinne des § 16 FRG zurückgelegt worden ist, so ist es dennoch nicht möglich, die Zeit bis 28.03.1945 als solche bei der Berechnung der Rente zu berücksichtigen, da § 16 FRG a.F. die Berücksichtigung einer Beschäftigungszeit frühestens ab Vollendung des 16. Lebensjahres ermöglicht (vgl. BSG, Urteil vom 30.10.1997, Az.: 13 RJ 19/97). Dazu erscheint dem Senat der Wortlaut des Gesetzes so eindeutig, dass eine erweiterte Auslegung - gegen den eindeutigen Wortlaut - wie sie das Sozialgericht München in seiner Entscheidung getroffen hat, nicht möglich ist. Ebenso wenig erscheint sie durch den dem Gesetz zugrunde liegenden Eingliederungsgedanken gerechtfertigt. (siehe dazu Anm.4 zu § 16 FRG im Verbands-Kommentar, Anhang 2, 1 § 16) Auf die Berufung der Beklagten war daher das Urteil des Sozialgerichts München vom 5. November 1998 aufzuheben und die Klage abzuweisen. Da die Zeit vom 28.03.1945 bis 31.12.1945 bereits als höher bewertete Ersatzzeit bei der Berechnung der Rente berücksichtigt ist, kommt auch insoweit eine Verurteilung der Beklagten nicht in Betracht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs.1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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