L 16 RJ 500/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 11 RJ 1108/99 A-FdV
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 RJ 500/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 30. März 2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit des vor dem Sozialgericht Landshut am 13.11.1996 geschlossenen Vergleichs.

Der am 1948 geborene Kläger ist kroatischer Staatsangehöriger und hat seinen Wohnsitz in Kroatien. Vor dem Sozialgericht Landshut führte er ein Verfahren wegen Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, die er am 04.05.1995 beantragt hatte. Das Sozialgericht erholte im Verfahren Gutachten bei Dr.T. und Dr.M ... Die Gutachter kamen zum Ergebnis, der Kläger könne nur noch leichte Arbeiten unter halbschichtig ab Sommer 1996 verrichten. In der mündlichen Verhandlung vom 13.11.1996 unterbreitete die Beklagte ein Vergleichsangebot. Die Beklagte erklärte sich bereit, dem Kläger Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Dauer ab 01.08.1996 zu bezahlen. Es war für den Kläger eine Dolmetscherin geladen, die ausweislich des Protokolls dem Kläger vor der mündlichen Verhandlung die Gutachten der gerichtlichen Sachverständigen übersetzt hat. Die mündliche Verhandlung wurde unterbrochen, damit der Kläger mit seiner Ehefrau beraten konnte, ob das Vergleichsangebot angenommen wird. Der Kläger entschloss sich zur Annahme. Die Beteiligten waren sich darüber einig, dass durch den Vergleich der Rechtsstreit in vollem Umfang erledigt sei. Am 02.12.1997 ging bei der Beklagten ein Schreiben des Klägers ein, in welchem er sich dahingehend äußerte, dass der Vergleich, vollkommen anders ausgefallen sei als beschlossen. Es sei lediglich eine monatliche Rente von 190,03 DM errechnet worden. Er habe auch die einmalige Abfindung von 200.000,00 DM nicht erhalten und die besprochene Entschädigung für den Körperschaden sei ebenfalls nicht eingegangen. Er verlange daher eine Revision des Vergleichs, eine Entschädigung für den progredienten körperlichen und seelischen Dauerschaden und eine Zulage für fremde Hilfe. Das Sozialgericht teilte dem Kläger mit, dass durch den gerichtlichen Vergleich die Streitsache rechtskräftig abgeschlossen und keine Möglichkeit der Änderung gegeben sei. Im Übrigen beziehe der Kläger mit der Erwerbsunfähigkeitsrente die maximale Leistung. Die gewünschte Mehrleistung sei im deutschen Recht nicht vorgesehen. Nachdem der Kläger im weiteren Schriftwechsel auf seinen Forderungen beharrte, wurde das Verfahren vom Sozialgericht wieder aufgenommen. Dem Kläger wurde mitgeteilt, dass eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid vorgesehen sei und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werde. Mit Gerichtsbescheid vom 30.03.2000 wies das Sozialgericht die Klage ab und stellte fest, dass das Verfahren durch die Annahme des Vergleichs und die Rücknahme der Klage im Übrigen verbindlich beendet wurde. Der Vergleich und die Rücknahme entsprächen den Erfordernissen, sie seien insbesondere in die Niederschrift aufgenommen und den Beteiligten vorgelesen und vom Kläger und der ebenfalls anwesenden Ehefrau genehmigt worden. Soweit der Kläger bestreitet, die Klage zurückgenommen zu haben, sei dies durch das Protokoll der mündlichen Verhandlung beweiskräftig widerlegt. Es sei auch nicht möglich, die Rücknahme bzw. den Vergleich wegen Irrtums anzufechten. Ein Widerruf der Klagerücknahme sei nur unter den engen Voraussetzungen, die für eine Wiederaufnahme des Verfahrens gelten, möglich, diese lägen aber nicht vor. Zur Information des Klägers wies das Sozialgericht auch darauf hin, dass die von ihm beanspruchten Leistungen neben der Erwerbsminderungsrente im deutschen Recht nicht möglich seien, es hätte in der Sache im Übrigen auch ein dem Vergleich entsprechendes Urteil ergehen müssen.

Mit Schreiben vom 22.08.2000 legte der Kläger Berufung gegen den Gerichtsbescheid ein und beantragte eine Entscheidung zu seinen Gunsten. Es sei unzutreffend, wenn das Sozialgericht darauf hinweise, seine Gattin habe dem Gerichtsvergleich zugestimmt, da seine Gattin erstens die Entscheidung nicht verstanden und zweitens die Erlaubnis dazu nicht gehabt habe. Er selbst habe keine Entscheidung zum Vergleich treffen können, da er gesundheitlich sowohl psychisch als auch physisch nicht in der Lage gewesen sei, die Tragweite einer solchen Entscheidung zu werten. Eine Zustimmung habe er aber zu der von Seiten des Gerichts genannten einmaligen Zahlung von 200.000,00 DM gegeben. Wenn jetzt behauptet werde, das deutsche Recht kenne einen solchen Vergleich nicht, handele es sich um einen Betrug an seinen Rechten und Ansprüchen. In der mündlichen Verhandlung vom 01.08.2001 beantragt der Kläger, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 30.03.2000 aufzuheben und festzustellen, dass der vor dem Sozialgericht Landshut am 13.11.1996 geschlossene Vergleich unwirksam sei.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten, des Sozialgerichts Landshut und des Bayer. Landessozialgerichts Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht erhobene Berufung (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist zulässig, erweist sich jedoch als unbegründet. Das Sozialgericht hat zu Recht festgestellt, dass der Rechtsstreit um Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitsrente durch den in der mündlichen Verhandlung vom 13.11.1996 geschlossenen Vergleich sowie die erklärte Rücknahme der Klage erledigt ist. Nach §§ 101, 102 SGG können die Beteiligten zur Niederschrift des Gerichts einen Vergleich schließen, soweit sie über den Gegenstand der Klage verfügen können, und können damit den geltend gemachten Anspruch vollständig oder zum Teil erledigen. Ein angenommenes Anerkenntnis des geltend gemachten Anspruchs erledigt ebenso wie die Klagerücknahme den Anspruch in der Hauptsache. Aus den gesamten Umständen des Streitfalles wie auch dem Gutachten von Dr.M. ergeben sich keinerlei Hinweise darauf, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung prozessunfähig gewesen wäre. Im Gutachten von Dr.M. ist zwar vermerkt, dass die Verständigung erschwert ist, es wird aber nicht berichtet, dass eine Verständigung unmöglich war. Der formale Denkbablauf wird als verlangsamt und umständlich beschrieben, inhaltliche Denkstörungen bestanden aber nicht. Somit kann der Kläger zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses nicht geschäftsunfähig gewesen sein (§ 71 Abs.1 SGG). Der Kläger kann auch nicht mit seinen Einwänden gehört werden, weder er noch die Ehefrau hätten den Vergleich verstanden, denn es war zur Verhandlung vor dem Sozialgericht eine Dolmetscherin geladen, die dem Kläger das Gutachten und den Vergleich übersetzt hat. Ausweislich des Protokolls haben der Kläger und seine Ehefrau in einer Verhandlungspause von 20 Minuten darüber beraten, ob der Vergleich angenommen wird. Für die Ehefrau kann im Übrigen entgegen der Auffassung des Klägers nach § 73 Abs.2 Satz 2 SGG eine Bevollmächtigung unterstellt werden.

Im Übrigen ist eine Anfechtung des wirksam zustandegekommenen Vergleichs wegen Irrtums nicht möglich. Die mit dem Vergleich erklärte Klagerücknahme kann nicht widerrufen und nicht angefochten werden (vgl. Meyer-Ladewig, § 102 SGG Anm.7). Ein Widerruf wäre nur unter den Voraussetzungen der Wiederaufnahme des Verfahrens nach §§ 179, 180 SGG in Verbindung mit § 579 ff. ZPO möglich. Die Wiederaufnahmegründe liegen im Falle des Klägers nicht vor, wurden von ihm auch nicht vorgetragen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.

Gründe, gemäß § 160 Abs.2 Ziffern 1 und 2 SGG die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
Saved