L 5 RJ 558/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 7 RJ 392/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 RJ 558/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 6. September 2001 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit.

Die am 1944 geborene Klägerin hat keinen Beruf erlernt und als Näherin, Versandarbeiterin, Schleiferin, Stanzerin, Kantinenhilfe und Metallarbeiterin bis 1995 gearbeitet. Seither bezog sie bis zur Aussteuerung am 21.07.1996 Krankengeld und anschließend Arbeitslosengeld. Am 07.05.1996 beantragte sie bei der Beklagten Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Mit Bescheid vom 10.01.1997 lehnte die Beklagte nach Begutachtung durch die Psychiaterin Dr.W. Leistungen ab. Es liege weder Erwerbs- noch Berufsunfähigkeit vor. Die Klägerin könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch vollschichtig tätig sein. Mit Widerspruchsbescheid vom 05.05.1998 wies sie auch den dagegen erhobenen Widerspruch der Klägerin nach Einholung weiterer Gutachten des Orthopäden Dr.G. , des Internisten Dr.H. und der Psychiaterin Dr.W. zurück. Zwar liege ein Schmerzsyndrom der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule sowie eine Sturzneigung vor, es bestehe aber noch ein vollschichtiges Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.

Dagegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Augsburg (SG) erhoben.

Das SG hat Gutachten der Nervenärzte Dr.A. und Dr.S. sowie des Nervenarztes und Psychiaters Dr.E. eingeholt. Nach dem Gutachten Dr.A. vom 26.10.1998 liege zwar ein Wirbelsäulensyndrom insbesondere im Halswirbelbereich bei Zustand nach cervicaler Spondylodeseoperation vor neben einem Kopfschmerzsyndrom, Sturzanfällen unklarer Ätiologie, einer depressiven Anpassungsstörung, einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung, einer Neigung zu Bluthochdruck sowie Herzrhythmusstörungen und einem Schmerz an beiden Knien. Dennoch könne die Klägerin - unter Beachtung qualitativer Einschränkungen - noch vollschichtig Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten.

Dr.S. hat in seinem Gutachten vom 27.07.2000 nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Klägerin für nicht mehr arbeitsfähig gehalten, weil eine schwere endoreaktive Depression (Major-Depression) mit Somatisierung und Selbstmordimpulsen, drop-attacks bei vertebrobasilärer Insuffizienz und hypertensive Krisen bei arterieller Hypertonie beständen. Dieser Einschätzung hat die Beklagte in einer Stellungnahme ihrer Medizinalreferentin vom 18.08.2000 widersprochen. Daraufhin hat das SG nach weiteren Befundberichten der Nervenärztin Dr.A. , des Hautarztes Dr.F. , des Internisten Dr.K. , des Allgemeinarztes Dr.K. und des Orthopäden Dr.S. am 19.06.2001 ein Gutachten des Dr.E. eingeholt. Dieser hat die bekannten Diagnosen (Wirbelsäulensyndrom, chronische Schmerzstörung, Sturzanfälle unklarer, am ehesten jedoch psychogener Ätiologie, depressive Anpassungsstörung und Neigung zu Bluthochdruck sowie Herzrhythmusstörungen) bestätigt, das Leistungsvermögen aber anders bewertet. Die Klägerin könne noch vollschichtig leichte Frauenarbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verrichten.

Durch Urteil vom 06.09.2001 hat das SG die Klage abgewiesen, weil es der Bewertung des Leistungsvermögens in den Gutachten der Dres.A. und E. folge. Die Klägerin könne einfache Kontroll- oder Sortierarbeiten mit der Möglichkeit zu wechselnder Körperhaltung sowie einfache Bürotätigkeiten verrichten. Dieses Leistungsbild bestehe seit der Halswirbeloperation im Januar 1996. Der Nachweis eines aufgehobenen Leistungsvermögens sei mit den Ausführungen im Gutachten von Dr.S. nicht gelungen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin zum Bayer. Landessozialgericht (LSG), welche sich auf ärztliche Unterlagen des Versorgungsamtes und das Gutachten von Dr.S. stützt.

Zur Aufklärung des Sachverhalts hat der Senat einen Bericht des Dr.D. (Praxis Dr.A.) beigezogen, wonach die Klägerin dort zuletzt am 31.10.2000 in Behandlung gewesen sei.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des SG Augsburg vom 06.09.2001 sowie des Bescheides vom 10.01.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 05.05.1998 zu verurteilen, ihr aufgrund des Antrags vom 07.05.1996 Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen, der Gerichtsakte des SG mit dem Az.: S 11 SB 877/00 sowie der Verwaltungsakte der Beklagten und der Verwaltungsakten des Amtes für Versorgung und Familienförderung Augsburg Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§ 143 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), aber nicht begründet.

Der Klägerin hat keinen Anspruch auf Leistungen wegen eines Versicherungsfalls der verminderten Erwerbsfähigkeit.

Der Senat weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung des SG als unbegründet zurück und sieht daher - insbesondere was die Erfüllung der allgemeinen und besonderen Wartezeit und das Unvermögen zur Ausübung der letzten Berufstätigkeit sowie die Voraussetzungen eines qualifizierten Berufsschutzes betrifft - bis auf das Folgende von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs.2 SGG in der Fassung des Vereinfachungsnovelle vom 11.01.1993, BGBl.I, 50).

Der Senat ist auch nach Würdigung der zusätzlich von ihm erhobenen Beweise (insbesondere des Berichts des Dr.D. und des in der Gerichtsakte S 11 SB 887/00 enthaltenen Gutachtens des Nervenarztes und Psychiaters Dr.R.), aber auch der vom SG eingeholten Gutachten nicht zur Überzeugung einer rechtlich relevanten Minderung des beruflichen Leistungsvermögens der Klägerin gelangt.

Nach § 44 Abs. 2 SGB VI (bzw. § 43 Abs. 2 SGB VI des ab 01.01. 2001 geltenden Reformgesetzes der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit - RefGEU - vom 20.12.2000, BGBl. 1827) liegt Erwerbsunfähigkeit nur vor, wenn ein Versicherter wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße (bzw. nach dem Gesetz zur Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse vom 24.3.1999 ab 01.04.1999 DM 630,00 bzw. 325,00) übersteigt.

Berufsunfähig oder erwerbsunfähig ist nach dem 2. SGB VI-Änderungsgesetz vom 02.05.1996 (BGBl.I S.659) aber nicht, wer eine Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (SGB VI §§ 43 Abs.2 Satz 4, § 44 Abs.1 Satz 2 Nr.2). Diese Rechtslage (sog. Arbeitsmarktrente bei untervollschichtigem Leistungsvermögen) ist im RefGEU beibehalten (SGB VI § 43 Abs.3) worden - allerdings mit einer Verschärfung des Maßstabes der Vollschichtigkeit von 8 auf 6 Stunden.

Damit liegt eine rechtlich relevante Minderung des Leistungsvermögens nur vor, wenn ein Versicherter auf den Teilzeitarbeitsmarkt (wenn er eine solche Stelle nicht inne hat) verwiesen werden müsste oder wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt, die ausnahmsweise die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit erfordert und dies nicht gelingt. Dass der Katalog zur Verschlossenheit des Arbeitsmarktes darüber hinaus insbesondere bei älteren, arbeitslosen, ungelernten bzw. angelernten Versicherten keiner Erweiterung bedarf, hat zuletzt der Große Senat des BSG entschieden (vgl. Beschluss vom 19.12.1996, Az: GS 2/95, in: SozR 3-2600 § 44 SGB VI Nr.8).

Eine derart unzumutbare Leistungsminderung - wie oben beschrieben - ist bei der Klägerin nicht vorhanden, erst recht nicht unter der Geltung des RefGEU ab 01.01.2001.

Zur Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit der Klägerin stützt sich auch der Senat auf die Feststellungen der Sachverständigen Dres.G. , H. und W. sowie der vom SG als Sachverständigen gehörten Dres. A. und E. , die im wesentlichen zu übereinstimmenden Ergebnissen hinsichtlich der Diagnosen und des Leistungsvermögens kommen. Insbesondere Dr. A. hat hinsichtlich des Sturzgeschehens bereits weitreichende diagnostische Überlegungen angestrengt und hält dieses Leiden äthiologisch für nicht klassifizierbar. Demnach genügt hierzu bei der Beachtung des Leistungsvermögens die Einschränkung von Tätigkeiten an gefährlichen Maschinen, auf Leitern und Gerüsten sowie anderen Arbeitsstellen, bei denen ein plötzlicher Sturz zu einer Gefärdung der Klägerin selbst oder von Mitarbeitern führen konnte. Auch Dr.E. gelangt zur gleichen Ansicht, dass eine schlüssige organpathologische Ursache bisher nicht gefunden werden konnte, so dass mit einiger Wahrscheinlichkeit eine psychogene Auslösung im Sinne einer Konversionsstörung zu diskutieren sei. Auch nach Ansicht dieses Sachverständigen genügt hier eine Beschränkung im Anforderungsprofil der Tätigkeiten. Dem beeinträchtigten Gesundheitszustand der Klägerin wird danach hinreichend Rechnung getragen, wenn die festgestellten qualitativen Einschränkungen bei der Arbeitsvermittlung und den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung beachtet werden.

Der Auffassung des nach § 109 SGG gehörten Sachverständigen Dr.S. , wonach bei der Klägerin nur noch ein Leistungsvermögen von 2 bis 4 Stunden vorliege - Wortlaut: "arbeitsunfähig" -, wird nicht gefolgt. Für ein derart eingeschränktes, völlig aufgehobenes Erwerbsvermögen, fehlt es an entsprechenden massiven Erkrankungsbildern. Bei psychiatrischen Erkrankungen ist das Leistungsvermögen zwar häufig mit der Diagnosestellung verknüpft, ohne dass damit aber automatisch der Schluss auf ein völlig aufgehobenes Erwerbsvermögen zulässig wäre. Dr.S. geht von einer "major-Depression" aus, legt aber nicht deren Ausmaß dar und begründet nicht seine Schlussfolgerung auf das Erwerbsvermögen. Damit fehlt es an einem wesentlichen Punkt der Überprüfbarkeit. Dies mag sich von dessen eingeschränktem Fachgebiet der Neurologie her erklären, weswegen Dr.S. auch konsiliarisch Dr.D. bemüht hat. Genau genommen beantwortet Dr.S. die gestellte Frage nach der Erwerbsfähigkeit nicht, sondern verwendet einen Begriff aus der Krankenversicherung, der nichts anderes besagt, als das die Klägerin ihre letzte Tätigkeit nicht mehr verrichten kann (§ 44 SGB V). Das wesentliche Argument von Dr.S. im Gutachten vom 27.07. 2000, die Notwendigkeit einer seit nunmehr 1999 erfolgten "professionellen" Behandlung, beweise ein erheblich herabgesunkenes Leistungsvermögen, ist widerlegt. Diese Behandlung ist von der Klägerin nicht konsequent fortgeführt worden. Das ergibt sich aus dem Bericht von Dr.D. , wonach die Klägerin dort zuletzt am 31.10.2000 war, sowie der Anamnese des Gutachtens Dr.E. vom 19.06.2001, wonach ein Abbruch erfolgte, u.a. weil keine Fahrtkostenerstattung durch die Krankenkasse erfolgte. Im Übrigen ist die psychiatrische Befunderhebung bei Dr.S. vom Umfang und Inhalt her mangelhaft. Wenn dieser ausführt, es handele sich um die glaubhafte Darstellung eines Menschen in schwerer seelischer und sozialer Not, nimmt er lediglich auf die soziale und wirtschaftliche Situation der Klägerin Bezug, ohne auf bewiesene seelische Gesundheitsstörungen, deren Überwindbarkeit und Leistungsrelevanz abzustellen. Sein medizinisches Fachgebiet betreffend - also nicht seine Bewertung der Gegebenheiten des Arbeitsmarkts - bringt er nicht zum Ausdruck, dass eine im Hinblick auf eine Arbeitsbetätigung nicht überwindbare seelische Störung besteht. Auch dazu übliche Testverfahren fehlen. Dabei bietet die neuere psychiatrische Literatur durchaus Anhaltspunkte zur Einschätzung der Erwerbsbeeinträchtigung durch somatoforme (Schmerz-)störungen, (z.B. B.Widder und J.C.Aschoff, somatoforme Störung und Rentenantrag: Erstellen einer Indizienliste zur quantitativen Beurteilung des beruflichen Leistungsvermögens, MEDSACH 95, 14ff., Foerster, a.a.O. FN 9; Konrad, a.a.O. FN 18, Hausotter in Suchenwirth, Kunze und Krasney, Neurologische Begutachtung, 3. Aufl., 2000, Kap 37; Hausotter MEDSACH 1997, 184, Foerster Sozialmedizinische Begutachtung in der gesetzlichen Rentenversicherung, 5. Aufl., 1995, Kap 25, S.509 ff., Sonderheft des VDR 2001). Die dort angeführten Kriterien oder Indizienlisten bzw. eine begründete Gesamtschau bei kritischer Würdigung der geklagten Beschwerden werden in dem besagten Gutachten nicht abgehandelt. Diese Mängel werden in den Stellungnahmen von Dr.N. vom 18.08.2000 und 12.03.2001 (Medizinalreferentin der Beklagten) deutlich und überzeugend aufgedeckt. Schließlich hat die Klägerin bis heute keine beständige fachpsychiatrische Behandlung mit Psychotherapie wahrgenommen, was auf einen fehlenden Leidensdruck durch die somatoforme Störung hinweist (Merkmal der durchgeführten und fortgesetzten Therapie, vgl. Hausotter, MEDSACH 1995, 12).

Auch ist hierzu die höchstrichterliche Rechtsprechung zu beachten. Das BSG hat sich mit der Frage, inwieweit seelische Erkrankungen zu Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit führen können, mehrfach beschäftigt (BSG SozR Nrn 38, 39, 76 zu § 1246 RVO, 5 RJ 88/89 vom 12. September 1990, in SozVers 1991, 81-82 Orientierungssätze). Danach kommt eine Rentengewährung nicht in Betracht, wenn bei Rentenablehnung zu erwarten ist, dass die krankhaften Erscheinungen vergehen (ständige Rechtsprechung des BSG - so BSG vom 21.10.1969 - 11 RA 219/66 = SozR Nr 76 zu § 1246 RVO). Seelisch bedingte Störungen sind danach wie eine körperliche Krankheit anzusehen, wenn sie durch Willensentschlüsse des Betroffenen nicht oder nicht mehr zu beheben sind (BSG SozR Nr 39 zu § 1246 Aa 28). Zu prüfen ist, ob der Versicherte die seelischen Hemmungen entweder aus eigener Kraft oder unter ärztlicher Mithilfe überwinden kann. Wenn das möglich ist, muss der Versicherte alle verfügbaren "Mittel seines Willens" einsetzen (BSG SozR Nr 76zu § 1246 Aa 69). Es ist mit dem Sinn und Zweck der Rentengewährung unvereinbar, dass gerade die Rentengewährung den Zustand aufrechterhält, dessen nachteilige Folgen sie ausgleichen soll (BSG SozR Nr 39zu § 1246 Aa 29). Die Vorschriften über die Maßnahmen zur Erhaltung, Besserung und Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit (§§ 1236 ff RVO) zeigen den gegebenen Weg, um dem in der Praxis zu begegnen. Diese Leistungen haben Vorrang vor der Rentengewährung. Der Rentenversicherungsträger soll dem Einzelnen nur in dem Maße und in der Weise helfend zur Seite stehen, als dieser der Hilfe bedarf, um die Fähigkeit verantwortlicher Selbstbestimmung zurückzugewinnen (BSG SozR Nr.38 zu § 1246 RVO Aa 27 Rücks.).

Auch insoweit fehlen prognostische Ausführungen von Dr.S. , wie die Ablehnung der Rente sich bei der Klägerin auswirkt. Demgegenüber handeln die übrigen Gutachter durchaus Kriterien oder Indizienlisten im oben angeführten Sinne ab. So erhebt Dr.A. neben der allgemeinen Vorgeschichte eine weitere somatische, weitere psychiatrische und eine familiäre Vorgeschichte und dann insbesondere eine Biographie und Sozialanamnese, die sich ergänzt mit einem neurologischen und einem psychopathologischen Befund. Dabei nimmt er zwar im Gegensatz zu den Begutachtungen von Dr.W. auch ein depressives Syndrom psychoreaktiver Genese an. Depressive Beschwerden werden glaubhaft geschildert und sind auch psychopathologisch objektivierbar. Die eingeschränkten Möglichkeiten der Lebensgestaltung werden gesehen. Darüber hinaus handelt Dr.A. aber diese Befunde - im Gegensatz zu Dr.S. - unter breiter Diskussion des psychiatrischen Fachgebietes ab, verneint eine endogene Depression, erkennt eine psychogene Komponente, diskutiert die prädisponierenden Persönlichkeitselemente und zieht daraus fundierte und begründete Schlussfolgerungen. Demnach sind zwar neben den Einschränkungen wegen der Sturzgefährdung aufgrund der psychischen und psychosomatischen Erkrankungen Zeitdruckarbeiten, Wechselschicht- und Nachtarbeiten sowie Tätigkeiten mit besonderer Anforderung an die nervliche Belastbarkeit, an das Konzentrations- und Reaktionsvermögen, die Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit sowie Arbeiten mit häufigem Publikumsverkehr nicht mehr zumutbar, dennoch kann die Klägerin aber noch eingeschränkt leichte Tätigkeiten vollschichtig verrichten. Dies begründet Dr.A. insbesondere auch in Zusammenschau mit den aufgrund von Langzeitbeobachtungen gewonnenen Erkenntnissen in der Fachklinik I. sowie aufgrund der Begutachtungen von Dr.W ... Auch die Beurteilung der Klinik Roseneck fließt mit ein. Ähnlich gründlich arbeitet auch Dr.E. , wenn er neben einer ähnlich umfassenden Erhebung der Vorgeschichte auch den Tagesablauf und die Lebensgestaltung der Klägerin eruiert. Auch er erhebt einen umfassenden psychischen Befund neben einem bloß körperlich-neurologischen Befund und der apparativen Diagnostik. Auch daran schließt sich ein umfassender Diskussionsprozess an, der seinen Schwerpunkt auf dem psychiatrischen Fachgebiet findet und einen psychosomatischen Prozess zur Erklärung des Verhaltens der Klägerin anführt. Dieser basiert auf einer psychischen Fehlverarbeitung des neurochirurgischen Eingriffs und dem Wunsch nach Entlastung im psychosozialen Bereich mittels vorzeitiger Berentung. Dafür spricht nach den Ausführungen von Dr.E. auch die relative Resistenz auf sämtliche therapeutischen Bemühungen bei eher geringem organischen Kern im Vergleich zum Ausmaß der dargestellten Beschwerden und bei fehlender Beeinflussbarkeit durch Medikamente. Dieser Sachverständige setzt sich dann insbesondere als später berufener Gutachter mit den Ausführungen von Dr.S. auseinander und widerlegt diesen überzeugend, sowohl was das Anfallsgeschehen betrifft als auch die depressive Erkrankungskomponente. Insbesondere zeigt Dr.E. auf, dass Dr.S. eigentlich eine psychiatrische Begutachtung als Zusatzbegutachtung hätte empfehlen müssen, nachdem das Erkrankungsbild von diesem derart gedeutet worden sei. Dr.E. würdigt umfassend die Entwicklung der depressiven Störung im Zusammenhang mit erlebten körperlichen Einschränkungen und in der Lebensgeschichte verankerten Enttäuschungen. Logisch aufbauend und schlussfolgend handelt er dann aber auch die Frage der Motivation zum Abbau dieser Störungen und zum Aufbau einer positiven Grundhaltung durch weitere psychiatrische Gespräche ab. Demnach kann die vorzeitige Berentung von der Schwere der Erkrankung her kein therapeutischer Lösungsansatz sein. Auch nach überzeugender Ansicht des Dr.E. besteht bei der Klägerin aus neurologisch-psychiatrischer Sicht noch ein ausreichendes Restleistungsvermögen für leichte Frauenarbeiten.

Diese Einschätzung wird auch durch das Gutachten von Dr.R. vom 27.06.2001 im Verfahren S 11 SB 877/00 vor dem SG bestätigt.

Die der Klägerin zumutbaren Arbeiten sind unter den betriebsüblichen Bedingungen möglich, Einschränkungen hinsichtlich der Wegefähigkeit bzw. zusätzlicher Pausen bestehen nicht. Das Risiko, ob die Klägerin auf eine dem verbliebenen Leistungsvermögen entsprechende Arbeitsstelle vermittelt werden kann, fällt in den Risikobereich der Arbeitslosenversicherung (vgl. BSGE 56, 69; 44, 39 ).

Die Klägerin hat somit weder einen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit noch wegen Erwerbsunfähigkeit.

Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg war daher als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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