L 5 RJ 568/99

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 10 RJ 650/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 RJ 568/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 29. Juli 1999 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit aufgrund eines am 09.05.1997 gestellten zweiten Antrags.

Der am 1950 geborene Kläger arbeitete von 1972 bis 1992 als Sägewerker (Gatterführer). Anschließend bezog er Kranken- und Arbeitslosengeld bis 24.11.1998. Am 09.05.1997 stellte der Kläger erneut einen Rentenantrag, den die Beklagte mit Bescheid vom 09.07.1997/ Widerspruchsbescheid vom 06.02.1998 ablehnte.

Bereits vorangegangen war ein Rentenantrag vom 05.05.1993, der mit Bescheid vom 21.07.1993/Widerspruchsbescheid vom 02.12.1993 abgelehnt wurde. Die hiergegen gerichtete Klage (Az.: S 4 Ar 1475/93) ist in der mündlichen Verhandlung vom 10.01.1997 zurückgenommen worden. Damals wurden Gutachten von Prof. Dr.S. , Dr.B. , Dr.P. (neurologisch/psychiatrisch) und ein chirurgisches Gutachten von Dr.B. eingeholt, wonach der Kläger - mit Ausnahme von Dr.B. - durchaus noch ein positives, vollschichtiges Leistungsvermögen besitze.

Der Kläger hat gegen den Bescheid vom 09.07.1997/Widerspruchsbescheid vom 06.02.1998 wiederum Klage zum Sozialgericht München (SG) erhoben, welches Gutachten des Orthopäden Dr. F. vom 25.01.1999 und des Psychiaters Dr.K. (06.05.1999) eingeholt hat, wonach der Kläger noch leichte, teilweise auch mittelschwere Arbeiten vollschichtig auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten könne.

Durch Urteil vom 29. Juli 1999 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Gutachten der Sachverständigen Dres.F. und K. seien in sich schlüssig und es stehe damit fest, dass der Kläger noch in der Lage sei, vollschichtig einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.

Hiergegen hat der Kläger rechtzeitig Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Dr.K. habe nicht genügend zur psychiatrischen Befindlichkeit Stellung genommen. Ein Augenleiden und eine Hörminderung seien zu wenig berücksichtigt.

Der Senat hat die medizinischen Unterlagen des Arbeitsamtes, die Schwerbehindertenakte und einen augenärztlichen Bericht von Dr.K. beigezogen In einer Stellungnahme der Beklagten (Dr.S.) ist ausgeführt, dass vom Sehvermögens her keine Beeinträchtigung der allgemeinen Erwerbstätigkeit bestehe. Die hochgradige Schwerhörigkeit betreffend bleibe es offen, inwieweit eine Hörgeräteversorgung eine Kompensation erreichen könne. Hier könnte eine erwerbsmindernde Relevanz vorliegen.

Daraufhin hat der Senat einen weiteren Bericht von Dr.B. beigezogen und schließlich am 29.08.2001 ein Gutachten des Facharztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie von Dr.D. eingeholt. Darin wird festgestellt, dass die Prognose aufgrund des jahrelangen Krankheitsverlaufs eher ungünstig erscheine. Die psychiatrischen Gesundheitsstörungen seien jedoch nicht als so schwerwiegend anzusehen, dass sie nicht zumindest teilweise willentlich und mit entsprechender therapeutischer Hilfe gebessert bzw. behoben werden könnten. Bei durchaus vorhandenen qualitativen Leistungseinschränkungen erscheint eine quantitative Einschränkung der Leistungsfähigkeit auf psychiatrischem Fachgebiet insgesamt nicht begründbar. Auch habe sich die mittlerweile fortgeschrittene Schwerhörigkeit durch Versorgung mit einem Hörgerät verbessert und habe keinen erkennbar wesentlich negativen Einfluss auf die psychiatrische Symptomatik.

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 29. Juli 1999 sowie des Bescheides vom 19.11. 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.02. 1998 zu verurteilen, ihm ab 01.06.1997 Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialge- richts München vom 29. Juli 1999 zurückzuweisen.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten erster und zweiter Instanz sowie der sonst genannten beigezogenen Aktenvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§ 143 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), aber nicht begründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Versicherungsleistungen wegen eines Versicherungsfalls der verminderten Erwerbsfähigkeit.

Der Senat weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung des SG als unbegründet zurück und sieht daher - insbesondere was die gesetzlichen Voraussetzungen von Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, die Erfüllung der allgemeinen und besonderen Wartezeit und das Unvermögen zur Ausübung der letzten Berufstätigkeit als Sägewerker sowie den Berufsschutz betrifft - von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG in der Fassung des Vereinfachungsnovelle vom 11.01.1993, BGBl. I, 50).

Der Senat ist auch nach Würdigung der zusätzlich von ihm erhobenen Beweise (insbesondere des Gutachtens des Facharztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr.D. vom 29.08.2001 wie schon fast aller Vorgutachter auf dem Gebiet der Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie (Prof.Dr.S. , Dr.P. , Dr.M. und Dr.K.) zu der Überzeugung gelangt, dass bei dem Kläger ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vorhanden ist, ohne dass eine Summierung oder besonders ungewöhnliche Leistungseinschränkungen vorliegen.

Der Senat kann der Einschätzung der Dr.B. nicht folgen, weil die von ihr angenommene Einschränkung des Leistungsvermögens nicht schlüssig begründet ist. Sie konnte die Beurteilung des gerichtlichen Sachverständigen Prof.Dr.S. und des Neurologen Prof.Dr.K. vom 05.07.1993 nicht damit überzeugend widerlegen, wenn sie allein auf die geklagten Schmerzen abgestellt und eine Ansammlung mehrerer Gesundheitsstörungen aufgeführt hat, ohne aber auf die von den genannten Sachverständigen aufgezeichneten Widersprüche zwischen Schmerzempfinden und fehlendem organischem Korrelat einzugehen. Dr.B. war schon durch das Gutachten vom 05.11.1996 der Dr.P. widerlegt, wonach ein positives Leistungsvermögen vorgelegen habe und die subjektiven Beschwerden durchaus glaubhaft, die Behandlungsmöglichkeiten aber noch in keiner Weise ausgeschöpft gewesen seien. Grundsätzlich war damals das Ausmaß der psychischen Störung noch nicht so ausgeprägt, dass sich daraus eine längerfristig untervollschichtge Erwerbsfähigkeit ableiten ließe. Therapieresistenz im Sinne der Behandlung neurotischer Rentenbewerber war nach Ansicht von Dr.P. noch nicht eingetreten. Damit wurde schon damals deutlich zum Ausdruck gebracht, dass eine Rentenneurose im klassisch definierten Sinne nicht besteht.

An dieser Einschätzung hat sich durch die nachfolgenden Gutachten der psychiatrischen Sachverständigen Dr.M. vom 28.10. 1997 und Dr.K. vom 06.05.1999 nichts geändert. Dies zeigt sich in besonders überzeugender Weise - wie auch die Bevollmächtigte zu Recht in der mündlichen Verhandlung vom 30.10.2001 eingeräumt hat - durch die Ausführungen des Facharztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr.D. in seinem Gutachten vom 29.08.2001. Dabei führt er aus, dass die Gesundheitsstörungen auf psychiatrischem Fachgebiet sicherlich eine Einschränkung der Erwerbsfähigkeit bedingten, jedoch nicht als so schwerwiegend anzusehen seien, dass sie nicht zumindest teilweise willentlich und mit entsprechender therapeutischer Hilfe gebessert bzw. überwunden werden könnten. Bei durchaus vorhandenen qualitativen Leistungseinschränkungen erscheint eine quantitative Einschränkung der Leistungsfähigkeit auf psychiatrischem Fachgebiet insgesamt nicht begründbar. Auch hat die mittlerweile fortgeschrittene Schwerhörigkeit bds., deren Versorgung mit einem Hörgerät das Hörvermögen verbessert hat, keinen erkennbaren wesentlichen negativen Einfluss auf die psychiatrische Symptomatik bewirkt, wie dies vom leitenden Arzt der sozialmedizinischen Abteilung der LVA in einer Stellungnahme für das Landessozialgericht in Erwägung gezogen worden war.

Damit steht fest, dass die seelische Fehlhaltung des Klägers - nach Dr.K. und Dr.D. , dessen Ansicht der Senat beitritt - durch noch zumutbare Willensanspannung überwunden werden kann. Der Senat kann sich nicht in dem nötigen Beweisgrad einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit davon überzeugen, dass der Kläger nicht mehr imstande ist, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig einer Tätigkeit nachzugehen.

Das BSG hat sich mehrfach mit dieser Fragestellung beschäftigt (BSG SozR Nrn.38, 39, 76 zu § 1246 RVO, 12.) 1990, Az.: 5 RJ 88/89 SozVers 1991, 81-82). Seelisch bedingte Störungen sind danach wie eine körperliche Krankheit anzusehen, wenn sie durch Willensentschlüsse des Betroffenen nicht oder nicht mehr zu beheben sind. Zu prüfen ist, ob der Versicherte die seelischen Hemmungen entweder aus eigener Kraft oder unter ärztlicher Mithilfe überwinden kann. Wenn das möglich ist, muss der Versicherte alle verfügbaren "Mittel seines Willens" einsetzen (BSG SozR Nr.76 zu § 1246 Aa 69). Es ist mit dem Sinn und Zweck der Rentengewährung bei Berufsunfähigkeit unvereinbar, dass gerade die Rentengewährung den Zustand aufrechterhält, dessen nachteilige Folgen sie ausgleichen soll (BSG SozR Nr.39 zu § 1246 Aa 29). Die Vorschriften über die Maßnahmen zur Erhaltung, Besserung und Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit zeigen den gegebenen Weg, um dieser Erkrankung in der Praxis zu begegnen. Diese Leistungen haben Vorrang vor der Rentengewährung.

Anhand dieser Maßstäbe haben die Sachverständigen Dr.K. und Dr.D. überzeugend das Ausmaß der seelisch bedingten Störungen des Klägers dargelegt.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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