L 6 RJ 57/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 12 RJ 5115/93.Ju
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 6 RJ 57/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 18. Februar 1998 wird zurückzuweisen und die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 17.09.1998 abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist der Anspruch des Klägers auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, hilfsweise auf eine Rente wegen Erwerbsminderung.

Der Kläger, der am 1936 geboren und Staatsangehöriger der Bundesrepublik Jugoslawien ist, hat in seinem Herkunftsland u.a. vom 10.6.1982 bis 16.11.1989 ohne Unterbrechungen Pflichtbeitragszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegt. In der Bundesrepublik Deutschland ist er vom 17.6.1970 bis 16.3.1982 (mit Unterbrechungen) als - wie er angibt - ungelernter Bauarbeiter im Hoch- und Tiefbau versicherungspflichtig beschäftigt gewesen.

Mit Bescheid vom 30.10.1992 und Widerspruchsbescheid vom 9.3.1993 lehnte die Beklagte den am 15.12.1990 gestellten Antrag des Klägers auf Zahlung von Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit ab. Gesundheitszustand und berufliches Leistungsvermögen hatte die Beklagte dabei im wesentlichen dem Gutachten des Internisten, Sozialmedizin Dr. S. vom 21.10.1992 entnommen, das auf einer dreitägigen stationären Untersuchung des Klägers in der Ärztlichen Gutachterstelle Regensburg beruhte. Dr. S. hatte beim Kläger folgende Gesundheitsstörungen festgestellt: 1. Arterieller Bluthochdruck ohne Ausgleichsstörungen des Kreislaufs. 2. Chronisch bronchitisches Syndrom ohne Lungenfunktionsstörung. 3. Wirbelsäulenabhängige Beschwerden bei Aufbrauchserscheinungen. 4. Psychovegetatives Syndrom. 5. Verdacht auf chronische Magenschleimhautentzündung; Zustand nach Zwölffingerdarmgeschwür. Der Kläger - so die Ausführungen zum beruflichen Leistungsvermögen - könne leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten ohne häufiges Bücken und geschützt vor der Einwirkung reizender Gase noch vollschichtig verrichten.

Mit der am 5.4.1993 zum Sozialgericht Landshut (SG) erhobenen Klage verfolgte der Kläger seinen Rentenanspruch weiter. Er begehre aufgrund seines Antrags vom 15.12.1990 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit. Zum Nachweis seiner fehlenden beruflichen Leistungsfähigkeit legte er einen Bescheid des Rentenversicherungsträgers im Kosovo vom 12.1.1990 vor, wonach er seit 4.12.1989 wegen Invalidiät der I. Kategorie Rente bezieht. Der Bescheid enthält die Angabe, daß der Versicherte am 17.4. (sc. 1989) Rente beantragt habe und daß durch das Gutachten der Invalidenkommission vom 4.10. 1989 Invalidität der I. Kategorie seit 13.6.1989 festgestellt worden sei. Außerdem legte der Kläger zahlreiche medizinische Unterlagen vor, die - bis auf die älteste vom 12.10.1992 - alle aus dem Jahr 1993 datieren.

Zu der vom SG angeordneten persönlichen Untersuchung ist der Kläger nicht erschienen.

Das SG wies die Klage sodann mit Urteil vom 18.2.1998 ab. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Rente, da bei ihm nicht vor dem 1.1.1992 Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit eingetreten sei; dies ergebe sich aus dem überzeugenden Gutachten Dr. S ... Bei einem späteren Eintritt der Erwerbsminderung seien die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für einen Rentenanspruch nicht mehr erfüllt.

Am 19.8.1998 ging die Berufung des Klägers gegen dieses ihm am 19.7.1998 zugestellte Urteil beim Bayer. Landessozialgericht ein. Zur Begründung trug er vor, er bekomme in seiner Heimat seit 15.12.1990 Invalidenrente. Sein Gesundheitszustand habe sich erheblich verschlechtert.

Mit Bescheid vom 17.9.1998, der gemäß § 96 SGG Gegenstand des anhängigen Berufungsverfahrens wurde, lehnte die Beklagte einen zwischenzeitlich vom Kläger am 22.9.1997 erneut gestellten Antrag auf Zahlung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit aus versicherungsrechtlichen Gründen ab. Die Beklagte verwertete hierbei auch ein jugoslawisches Rentengutachten vom 5.2.1998.

Der Senat zog die Klageakten des SG Landshut und die Verwaltungsakten der Beklagten bei. Er versuchte erfolglos, unter Mitwirkung der Beklagten beim Versicherungsträger im Kosovo die Frage zu klären, ob der Kläger möglicherweise bereits 1989 einen auch für die deutsche gesetzliche Rentenversicherung geltenden Rentenantrag gestellt hat; die entsprechende Anfrage ist nicht beantwortet worden.

Wegen des Bürgerkriegs im Kosovo setzte der Senat mit Beschluss vom 12.4.1999 das Verfahren gemäß den §§ 202 SGG, 247 ZPO aus.

Nachdem der Kläger durch seinen Prozeßbevollmächtigten mit Schreiben vom 23.1.2001 die Fortsetzung des Verfahrens beantragt hatte, gelang es dem Senat nicht, diesen auf dem üblichen Postweg zu erreichen; es glückte jedoch, ihm E-mails (vom 13.2.2001, 12.3.2001 und 21.3.2001) zu übermitteln. In ihnen hat der Senat die Probleme des vorliegenden Verfahrens eingehend dargestellt und um Übersendung der nötigen Beweismittel - Unterlagen über den Zeitpunkt des Rentenantrags; medizinische Unterlagen ab 1994 - gebeten. Hierauf ging per Post ein Antwortschreiben vom 14.2.2001 und eine E-mail vom 21.3.2001 ein, worin der Prozeßbevollmächtigte (nur) ausführte, er habe die E-mails vom 12.3.2001 erhalten und bitte im vorliegenden Verfahren das Gericht um das Urteil und die Beklagte um Entscheidung über die Regelaltersrente des Klägers.

Mit einer weiteren E-mail (vom 22.3.2001) wies der Senat hierauf den Prozeßbevollmächtigten darauf hin, daß eine Entscheidung nach Aktenlage erfolgen werde, wenn die notwendigen Unterlagen nicht bis 15.5.2001 übersandt würden. Seither hat sich die Klägerseite nicht mehr gemeldet.

Aufgrund des Bescheides vom 15.5.2001 erhält der Kläger seit 1.7.2001 Regelaltersrente.

Der in der mündlichen Verhandlung nicht anwesende und auch nicht vertretene Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des SG Landshut vom 18.2.1998 sowie den Bescheid der Beklagten vom 30.10.1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9.3.1993 und den Bescheid vom 17.9.1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm zum frühestmögliche Zeitpunkt Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit, hilfsweise - ab 1.1.2001 - eine Rente wegen Erwerbsminderung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen,

sinngemäß weiterhin,

die Klage gegen den Bescheid vom 17.9.1998 abzuweisen.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im einzelnen und zur Ergänzung des Tatbestands wird im übrigen auf den Inhalt der beigezogenen Akten und der Akte des Bayer. Landessozialgerichts sowie auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Urteil des SG Landshut vom 18.2.1998 und der Bescheid der Beklagten vom 17.9.1998 sind nicht zu beanstanden, da der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit und - ab 1.1.2001 - auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung hat.

Der Anspruch des Klägers auf Versichertenrente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit ist wegen der Antragstellung vor dem 31.03.1992 an den Vorschriften der RVO zu messen, da geltend gemacht ist, daß dieser Anspruch bereits seit einem Zeitpunkt vor dem 01.01.1992 besteht, vgl. § 300 Abs. 2 SGB VI. Für den Anspruch des Klägers sind aber auch die Vorschriften des SGB VI maßgebend, soweit sinngemäß auch (hilfsweise) vorgetragen ist, daß der Anspruch jedenfalls seit einem Zeitpunkt nach dem 31.12. 1991 gegeben ist, vgl. § 300 Abs. 1 SGB VI. Es gelten darüber hinaus auch die Vorschriften des SGB VI in der ab 1.1.2001 geltenden neuen Fassung (n.F.), soweit darüber hinaus sinngemäß (weiter hilfsweise) behauptet wird, daß jedenfalls ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung seit einem Zeitpunkt nach dem 31.12. 2000 gegeben ist, vgl. § 300 Abs. 1 SGB VI.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit gemäß den §§ 1246 Abs.1 RVO, 43 Abs. 1 SGB VI a.F., da er ab dem Zeitpunkt des Rentenantrags vom 15.12.1990 bis jetzt nicht im Sinne des zweiten Absatzes dieser Vorschrift berufsunfähig ist. Nach den §§ 1246 Abs. 2 RVO, 43 Abs. 2 SGB VI a.F. sind nämlich nur solche Versicherte berufsunfähig, deren Erwerbsfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen auf weniger als die Hälfte derjenigen von gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist (Satz 1). Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfaßt hierbei alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (Satz 2). Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (Satz 4). Die hier genannten Tatbestandsmerkmale der Berufsunfähigkeit liegen beim Kläger nicht vor.

Dies ergibt sich aus der Tatsache, daß der Gesundheitszustand und das berufliche Leistungsvermögen des Klägers wegen dessen mangelnder Mitarbeit nicht mit der notwendigen an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit feststellbar ist, was nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast dem Klägers ungünstig ist. Insbesondere sind die vom Kläger vorgelegten medizinischen Unterlagen aus den Jahren 1992 und 1993 nicht geeignet, des von der Beklagte vorgelegte Gutachten Dr. S. vom 21.10.1992, das nach persönlicher Untersuchung in unmittelbarer zeitlicher Nachbarschaft angefertigt worden ist, zu entkräften. Auch das neue jugoslawische Rentengutachten vom 5.2.1998 ist ohne jeden Beweiswert, da es keine verwertbaren Befunde enthält.

Es muß daher unter diesen Umständen davon ausgegangen werden, daß der Kläger, wenn auch - wie sich aus dem Gutachten Dr. S. ergibt - nicht mehr als Bauarbeiter, so doch in einem ihm zumutbaren Verweisungsberuf - genauere Aussagen hierzu sind nicht möglich - bis zum Einsetzen der Regelaltersrente noch vollschichtig leistungsfähig gewesen und damit nicht berufsunfähig gewesen ist.

Der Kläger, der bis zum Beginn der Regelaltersrente keinen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit gehabt hat, hatte erst recht keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gemäß den §§ 1247 RVO, 44 Abs. 1 SGB VI, weil er die noch strengeren Voraussetzungen des Begriffs der Erwerbsunfähigkeit im Sinne des zweiten Absatzes dieser Vorschriften nicht erfüllt hat.

Nach den §§ 43, 240 SGB VI n.F. hat der Kläger ab 1.1.2001 auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung gehabt, da hiernach - wie bisher - ein Rentenanspruch jedenfalls dann ausgeschlossen ist, wenn ein Versicherter - wie der Kläger - einen zumutbaren anderen Beruf als den bisherigen vollschichtig ausüben kann.

Daß der Kläger nach dem Recht seines Herkunftslandes Anspruch auf Invalidenrente hat, führt nicht zwingend dazu, daß er auch in der Bundesrepublik Deutschland Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bzw. Rente wegen Erwerbsminderung beanspruchen könnte. Der Anspruch auf eine deutsche Rente wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit bzw. Erwerbsminderung ist nämlich unabhängig davon allein nach den deutschen Rechtsvorschriften und entsprechend den hiesigen sozialmedizinischen Grundsätzen festzustellen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem zwischenstaatlichen Sozialversicherungsabkommen.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Landshut vom 18.2.1998 war somit zurückzuweisen und die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 17.9.1998 war abzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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