L 27 R 1135/10

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
27
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 1 R 571/08
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 27 R 1135/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 26. Oktober 2010 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die in dem Widerspruchsbescheid vom 8. Januar 2008 getroffene Kostenentscheidung bleibt unberührt. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte (auch) den Zeitraum vom 1. September 1968 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit des Klägers (allein noch) zum Zusatz-versorgungssystem der Pädagogen (gemäß der Verordnung über die zusätzliche Versorgung der Pädagogen - VersO Päd - vom 27. Mai 1976 [DDR-GBl. I S. 253] und der Ersten Durchführungsbestimmung zur VersO Päd (1. DB z. VersO-Päd) vom 27. Mai 1976 [DDR-GBl. I S. 256]) und der in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte feststellen muss.

Der 1942 geborene Kläger beendete am 7. März 1968 erfolgreich sein Lehramtsstudium an der -Universität. Vom 1. März bis zum 31. August 1968 war er als Lehrer an der H-Schule in Bund vom 1. September 1968 bis über den 30. Juni 1990 (Schließung der Zusatzversorgungssysteme in der ehemaligen DDR) hinaus an der Tschule in B als Lehrer tätig.

Den Antrag des Klägers auf Feststellung der vorgenannten Beschäftigungszeiten als Zeit der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 13. Februar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. November 2005 mit der Begründung ab, dass der Kläger seine Tätigkeit bei keiner dem Ministerium für Volksbildung bzw. dem Staatssekretariat für Berufsbildung unterstellten Einrichtung ausgeübt habe. Seine hiergegen am 19. Dezember 2005 erhobene Klage vor dem Sozialgericht Berlin (Az: S 16 R 5727/05) hat der Kläger am 31. Oktober 2006 zurückgenommen.

Den am 12. März 2007 gestellten Überprüfungsantrag des Klägers gemäß § 44 des X. Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 2. Mai 2007 ab. Der Bescheid vom 13. Februar 2004 sei zu Recht ergangen. Bei der Tschule handele es sich um eine katholische Einrichtung, die nicht der Versorgungsordnung der Pädagogen unterfalle. Im Laufe des hiergegen durchgeführten Widerspruchsverfahrens hob die Beklagte mit Bescheid vom 23. Oktober 2007 – aufgrund des bereits mit Schriftsatz vom 30. Januar 2006 in dem zuvor genannten Klageverfahren abgegebenen Teilanerkenntnisses – den Bescheid vom 13. Februar 2004 insoweit auf, als dass die Zeit vom 1. März bis zum 31. August 1968 (Lehrertätigkeit an der -H-Schule) als Zeiten der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der Intelligenz an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen der DDR - AVVO-Int - anerkannt wurde. Mit Widerspruchsbescheid vom 8. Januar 2008 wies die Beklag-te den Widerspruch im Übrigen unter Erstattung der notwendigen Kosten des Widerspruchsverfahrens zu 1/10 zurück.

Der Kläger hat am 1. Februar 2008 erneut Klage vor dem Sozialgericht Berlin erhoben, mit der er die Einbeziehung in ein Zusatzversorgungssystem hinsichtlich seiner Tätigkeit an der Tschule weiterverfolgt hat.

Mit Gerichtsbescheid vom 26. Oktober 2010 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Feststellung der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem und die Berücksichtigung der insoweit erzielten Arbeitsentgelte für die Zeit seiner Tätigkeit an der Tschule vom 1. September 1968 bis zum 30. Juni 1990. Ein Anspruch nach der VersO-Päd. und der hierzu erlassenen 1. DB bestehe nicht, weil der Kläger insoweit nicht an einer Einrichtung der Volksbildung bzw. der Berufsbildung tätig gewesen sei. Denn die Schule habe nicht, was entscheidend sei, unter staatlicher Trägerschaft gestanden. Dies ergäbe sich aus der in dem Klageverfahren S 16 R 5727/05 eingeholten Auskunft des Erzbistums Berlin vom 4. September 2006. Danach sei Träger der Schule die Kongregation der Schwestern Unserer Lieben Frau und ab 1982 das Bistum Berlin, heute Erzbistum, gewesen. Gegen eine staatliche Trägerschaft (und für die Eigenständigkeit als private Schule) sprächen auch die Eigenfinanzierung der Schule, die eigene Personalaktenführung und der Abschluss eines Arbeitsvertrages mit dem Kläger selbst. Daran ändere auch die Kofinanzierung durch staatliche Stellen sowie die Bindung an staatliche Vorgaben der Wissensvermittlung nichts. Der Kläger sei demzufolge auch nicht an einer Einrichtung im Sinne des § 6 der AVVO-Int tätig gewesen. Ein Anspruch auf eine Einbeziehung in ein Zusatzversorgungssystem ergäbe sich auch nicht unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten nach Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG).

Gegen den ihm am 4. November 2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 3. Dezember 2010 Berufung eingelegt, mit der er sein Begehren weiterverfolgt.

Er ist der Auffassung, dass aufgrund der tatsächlichen Gegebenheit in der DDR und der Einwirkungen des Systems auf die Schule (Finanzierung, Lehrerzuweisung, Ausgestaltung des Unterrichtes etc.) nicht von einer Eigenständigkeit bzw. freien Trägerschaft der Tschule gesprochen werden könne. Die Schule sei allenfalls formal so geführt worden, letztlich jedoch als unter staatlicher Trägerschaft geführt zu behandeln. Anderenfalls verstoße die Entscheidung der Beklagten gegen den Gleichheitssatz.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 26. Oktober 2010 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 2. Mai 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Januar 2008 zu verpflichten, den Bescheid vom 13. Februar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. November 2005 in der Fassung des Bescheides vom 23. Oktober 2007 zu ändern und auch die Zeit vom 1. September 1968 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit seiner Zugehörigkeit zu dem Versor-gungssystem der Pädagogen sowie die in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend und führt ergänzend aus, dass allein die faktischen Verhältnisse maßgeblich seien, wie sie am 30. Juni 1990 bestanden hätten. Danach scheide eine Einbeziehung des Klägers in das begehrte Zusatzversorgungssystem aus.

Dem Senat haben die Verwaltungsvorgänge der Beklagten sowie die Akten des Verfahrens des Sozialgerichts Berlin S 16 R 5727/05 vorgelegen. Sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten, das Protokoll und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Zu Recht hat das Sozialgericht eine Verpflichtung der Beklagten abgelehnt, die Beschäftigungszeit des Klägers an der Tschule als Zeit der Zugehörigkeit zu dem Versorgungssystem der Pädagogen - wie allein noch begehrt wird - und die in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen. Denn der Kläger hat keinen dahingehenden Anspruch. Die angefochtenen Bescheide sind insoweit rechtmäßig und bieten daher auch in dem von dem Kläger durchgeführten Überprüfungsverfahren keinen Anlass zu einer entsprechenden Abänderung, § 44 SGB X.

Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des Beitrittsgebiets (AAÜG) hat die Beklagte die Daten festzustellen, die zur Durchführung der Versicherung und zur Feststellung der Leistungen aus der Rentenversicherung erforderlich sind, und sie dem für die Feststellung der Leistungen zuständigen Träger der Rentenversicherung mitzuteilen. Zu diesen Daten gehören sowohl die Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem (§ 5 AAÜG) als auch die hierbei tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte (§ 8 Abs. 1 Satz 2 AAÜG). Nach § 8 Abs. 3 Satz 1 AAÜG hat der Versorgungsträger dem Berechtigten den Inhalt der Mitteilung durch Bescheid bekannt zu geben, so dass auch ein Anspruch auf einen solchen Verwaltungsakt besteht, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen vorliegen. Dies ist hier nicht der Fall.

Die in § 1 Abs. 1 AAÜG ausdrücklich genannten Voraussetzungen erfüllt der Kläger nicht. Denn weder war er bei Inkrafttreten der Norm am 1. August 1991 Inhaber einer Versorgungsberechtigung aufgrund einer ihm erteilten Versorgungszusage in der ehemaligen DDR noch war der Versorgungsfall (des Alters oder der Invalidität) eingetreten.

Ein Anspruch des Klägers ergibt sich auch nicht aus der vom Bundessozialgericht (BSG) vorgenommenen erweiternden Auslegung des § 1 Abs. 1 AAÜG. Danach ist anspruchsberechtigt, wer am 1. August 1991 aufgrund der bei Schließung der Zusatzversorgungssysteme am 30. Juni 1990 gegebenen tatsächlichen Umstände einen fiktiven bundesrechtlichen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage erlangt hatte (vgl. BSG, Urteil vom 7. September 2006, B 4 RA 41/05 R, bei Juris). Ein derartiger Anspruch setzt voraus, dass am Stichtag des 30. Juni 1990 eine Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt worden ist, wegen der ihrer Art nach eine zusätzliche Altersversorgung in dem betreffenden Versorgungssystem vorgesehen war (vgl. BSG, Urteil vom 18. Dezember 2003 – B 4 RA 18/03 R – sowie vom 26. Oktober 2004 – B 4 RA 23/04 R – zitiert nach Juris).

Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger nicht.

Auf eine Einbeziehung in das Versorgungssystem der Pädagogen nach Maßgabe der VersO Päd und der hierzu erlassenen 1. DB zur VersO Päd kann sich der Kläger deshalb nicht erfolg-reich berufen, weil sich die Tschule keiner der in § 1 der 1. DB z. VersO-Päd) ausdrücklich genannten Einrichtungen der Volksbildung und der Berufsbildung zuordnen lässt. Überdies geht auch der Senat nach dem Verständnis vorgenannter Bestimmungen unter Berücksichtigung des zu beachtenden Wortlautes nach dem Sprachgebrauch der DDR bei Schießung der Versorgungssysteme am 30. Juni 1990 - worauf allein abzustellen ist - davon aus, dass eine Einrichtung der Volksbildung bzw. Berufsbildung im Sinne des § 1 der VersO-Päd bzw. des § 1 der 1. DB zur VersO-Päd, an der die Tätigkeit für eine Einbeziehung in dieses Versorgungssystem ausgeübt worden sein muss, nur dann gegeben ist, wenn diese Einrichtung unter staatli-cher Trägerschaft stand. Dies verdeutlicht insbesondere auch die Auflistung der erfassten Ein-richtungen in § 1 der 1. DB selbst. Die Tschule befand sich indes zu keinem hier relevanten Zeitpunkt in staatlicher Trägerschaft, wie durch das Schreiben des Erzbistums Berlin vom 4. September 2006 belegt ist. Insoweit kann sich der Kläger auch nicht erfolgreich darauf berufen, die Tschule sei rein formal in freier Trägerschaft geführt worden, wegen der staatlichen Einwirkungen jedoch wie unter staatlicher Trägerschaft geführt zu behandeln. Denn insoweit kommt es allein auf die faktischen Gegebenheiten an, wie sie am 30. Juni 1990, dem Zeitpunkt der Schließung der Versorgungssysteme, bestanden haben. Dem Senat ist es insoweit auch verwehrt, im Wege der Gesetzes- bzw. Rechtsanalogie die Tschule als einer den genannten Einrichtungen vergleichbare Bildungseinrichtung gleichzustellen. Ein solches Analogieverbot ergibt sich zwangsläufig aus dem Verbot der Neueinbeziehungen (vgl. etwa BSG, Urteil vom 15. Juni 2010 – B 5 RS 10/09 R -, zit. nach Juris). Dieses Verbot würde im Falle einer Erweite-rung der Einrichtungen und des damit begünstigen Personenkreises durch Analogie
unterlaufen. Auf Art. 3 Abs. 1 GG und die Gleichbehandlung mit insoweit durch die Zusatzversorgung privilegierten Personengruppen kann sich der Kläger daher nicht erfolgreich berufen. Eine nachträgliche Korrektur der im Bereich der Zusatz- und Sonderversorgungssysteme am 30. Juni 1990 bestehenden abstrakt-generellen Regelungen der DDR ist bundesrechtlich auch insoweit nicht zulässig, als sie willkürlich sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst. An der mit Widerspruchsbescheid vom 8. Januar 2008 getroffenen Kostenentscheidung muss sich die Beklagte indes festhalten lassen.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe gemäß § 160 Abs. 2 SGG nicht gegeben sind.
Rechtskraft
Aus
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