L 19 AS 728/12 B ER und L 19 AS 729/12 B

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 35 AS 1391/12 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 19 AS 728/12 B ER und L 19 AS 729/12 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerden des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 17.04.2012 werden zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller bezieht Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II). Er bewohnt eine Wohnung in der N-Straße 00 in L. Die monatliche Miete Grundmiete betrug - ausweislich einer entsprechenden Mietbescheinigung - ursprünglich 480,00 EUR. Die monatlichen Vorauszahlungen für Neben- und Heizkosten beliefen sich auf 150,00 EUR, wovon 64,20 EUR auf die Nebenkosten und 85,80 EUR auf die Heizkosten entfielen. Im Jahr 2008 beliefen sich die tatsächlich angefallenen Neben-und Heizkosten auf 2.476,37 EUR, was einer monatlichen Vorauszahlung von 206,36 EUR entspricht.

Im Jahr 2010 drohte dem Antragsteller aufgrund eines Zahlungsrückstands bei der S AG eine Stromsperre. Der Antragsgegner bewilligte dem Antragsteller daraufhin im August 2010 ein Darlehen in Höhe von 243,84 EUR.

Am 27.12.2010 erstellte der Vermieter des Antragstellers die Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2009. Danach waren im Jahr 2009 Neben- und Heizkosten in Höhe von 2.753,76 EUR angefallen. Die Heizkosten beliefen sich hierbei auf 1.543,37 EUR, die Nebenkosten mithin auf 1.210,39 EUR. Abzüglich der monatlich gezahlten Vorauszahlungen in Höhe von 150,00 EUR, ergab sich ein Nachforderungsbetrag in Höhe von 953,76 EUR. Der Vermieter erhöhte zum 01.02.2011 die Neben- und Heizkostenvorauszahlung auf 180,00 EUR pro Monat.

Mit Bescheid vom 04.04.2011 bewilligte der Antragsgegner dem Antragsteller wegen der Nachforderung eine Nachzahlung in Höhe von 82,76 EUR. Weitere Ansprüche stünden dem Antragsteller im Hinblick auf die von dem Antragsgegner bislang geleisteten Kosten für Unterkunft und Heizung nicht zu.

Im August 2011 begehrte der Vermieter des Antragstellers - unter Hinweis auf das insoweit bestehende Sonderkündigungsrecht des Mieters - eine Mieterhöhung. Ab dem 01.11.2011 betrug nunmehr die Nettomiete 508,20 EUR und die Vorauszahlungen für Betriebs- und Heizkosten 180,00 EUR. Eine Kündigung durch den Antragsteller erfolgte hieraufhin nicht.

Im Dezember 2011 legte der Antragsteller die Heiz- und Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2010 vor. Diese beliefen sich im Jahr 2010 danach auf 2.788,74 EUR, wovon 1.788,79 EUR auf Heizkosten und mithin 999,95 EUR auf die Nebenkosten entfielen. Unter Berücksichtigung der Nebenkostenvorauszahlungen in Höhe von insgesamt 1.800,00 EUR verbleibe noch eine Nachforderung gegen den Antragsteller in Höhe von 1.181,99 EUR.

Der Vermieter teilte überdies mit, dass sich die monatliche Nebenkostenvorauszahlung auf 200,00 EUR erhöhe.

Mit Bescheid vom 09.01.2012 bewilligte der Antragsgegner dem Antragsteller im Hinblick auf die Nachforderung eine Beihilfe nach § 23 Abs. 1 SGB II in Höhe von einmalig 199,14 EUR.

Mit Schreiben vom 07.02.2012 wandte sich der Antragsteller an den Antragsgegner und bat diesen, ihm wegen der Nebenkostennachzahlungen für das Jahr 2009 zu helfen.

Am 10.04.2012 hat der Antragsteller beim Sozialgericht einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt und beantragt,

den Antragsgegner zu verpflichten, die Betriebskosten für das Jahr 2009 in Höhe von 953,76 EUR zu bezahlen, hilfsweise dem Antragsteller ein Darlehen in dieser Höhe zu gewähren,

den Antragsteller zu verpflichten, für das Jahr 2010 eine Zahlung für die Betriebs- und Heizkosten in Höhe von 982,85 EUR, hilfsweise auf Darlehensbasis zu leisten.

Darüber hinaus hat er beantragt,

ihm Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin Zaroffe zu bewilligen.

Der Antragsgegner hat beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Es sei ein Anordnungsgrund nicht gegeben.

Mit Beschluss vom 17.04.2012, dem Antragsteller zugestellt am gleichen Tag, hat das Sozialgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sowie den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Auf den Inhalt des Beschlusses wird Bezug genommen.

Am 18.04.2012 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Beschwerde gegen den Beschluss eingelegt. Er verweist darauf, dass eine Klage vor dem Amtsgericht L des Vermieters gegen den Antragsteller auf Mietzahlungen rechtshängig sei (XXX). Dort werde er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verurteilt werden.

Anfang Mai erhob der Vermieter des Antragstellers Räumungsklage gegen diesen.

Der Senat hat die Akten des Amtsgerichts L (XXX) beigezogen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogene Verwaltungsakte sowie die Gerichtsakte Bezug genommen.

II.

Die zulässigen Beschwerden sind nicht begründet.

Nach § 86b Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes im Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruches (d.h. eines materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird) sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes (d.h. der Unzumutbarkeit, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten) voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bzw. die besondere Eilbedürftigkeit sind glaubhaft zu machen (§ 86 Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO -).

Auf die Frage, ob nunmehr - im Hinblick auf die nach Erlass des sozialgerichtlichen Beschlusses erhobene Räumungsklage - ein Anordnungsgrund anzunehmen ist, kommt es vorliegend nicht an, da der Antragsteller einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht hat.

Nach § 22 Abs. 8 Satz 1 SGB II können, sofern Arbeitslosengeld II für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn die gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht, § 22 Abs. 8 Satz 2 SGB II.

Die Vorschrift schützt nach ihrem Wortlaut die Wohnung dann, wenn ihr Erhalt durch die Übernahme von Schulden gerechtfertigt ist. Grundsätzlich wird dabei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) für eine Übernahme der Schulden zu fordern sein, dass die laufenden Kosten für die Unterkunft abstrakt angemessen im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind. Der mit der Übernahme der Schulden bezweckte langfristige Erhalt einer Wohnung erscheint nämlich nur dann gerechtfertigt, wenn die (künftigen) laufenden Kosten dem entsprechen, was innerhalb des nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Bezug zu nehmenden Vergleichsraumes von dem Träger der Grundsicherung zu übernehmen ist (BSG Urteil vom 17.06.2010 - B 14 AS 58/09 R = juris Rn 26).

Die monatliche Miete des Antragstellers beläuft sich derzeit auf 508,20 EUR, die monatliche Neben- und Heizkostenvorauszahlung auf 200,00 EUR. Die Übernahme dieser Kosten erscheint - unabhängig von der Frage, ob aktuell eine Kostensenkungsaufforderung vorliegt - auf lange Sicht nicht gerechtfertigt. Die für den alleinstehenden Antragsteller angemessenen Kosten für Unterkunft sind - im Hinblick darauf, dass Anhaltspunkte für das Vorliegen eines sog. "schlüssigen Konzepts" für den Bereich des Antragsgegners weder vorgetragen noch ersichtlich sind, nach den Werten zu § 12 des Wohngeldgesetzes zu ermitteln (vgl. BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R = juris Rn 27 m.w.N). Für das Gebiet der Stadt L, die der Mietstufe V unterfällt, ergibt sich hieraus ein Betrag für Miete und Nebenkosten (ohne Heizkosten) von 385,00 EUR. Schon die reine Nettokaltmiete (ohne Nebenkosten) übersteigt diesen Wert um 123,20 EUR. Die Wohnungsmiete ist demnach unangemessen teuer, weswegen die Mietwohnung für den Antragsteller auf Dauer nicht erhaltenswert erscheint. Auf die Frage, ob der Antragsteller durch nicht ordnungsgemäße Verwendung der ihm bewilligten Leistungen für Unterkunft und Heizung die Zahlungsrückstände schuldhaft hat auflaufen lassen (vgl. BSG Urteil vom 17.06.2010 - B 14 AS 58/09 R = juris Rn 18) dazu kommt es nach alledem nicht an. Eine Übernahme der rückständigen Kosten für Heizung und Nebenkosten als einmaliger Bedarf nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II scheidet nach hier allein möglicher summarischer Prüfung ebenfalls aus (vgl. zur Übernahme von einmaligen Kosten für Unterkunft und Heizung als aktueller Bedarf im Fälligkeitsmonat BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 9/11 R = juris Rn 14 m.w.N. und vom 24.11.2011 B 14 AS 121/10 R = juris Rn 15).

Ausweislich der vorliegenden Akten hat der Antragsgegner für das Jahr 2009 insgesamt 2.660,60 EUR an Heiz- und Nebenkosten sowie mit Bescheid vom 04.04.2011 weitere 82,76 EUR übernommen. Für das Jahr 2010 ergibt sich aus den Akten eine Zahlung für Heiz- und Nebenkosten in Höhe von 2.589,60 EUR. Die Differenz zur vom Vermieter geltend gemachten Nachforderung von 2.788,74 EUR in Höhe von 199,14 EUR hat der Antragsgegner mit Bescheid vom 09.01.2012 übernommen. Substantiierte Einwendungen gegen diese Berechnungen und Bescheide hat der Antragsteller bislang nicht vorgebracht, so dass - wegen Erfüllung - ein Anordnungsanspruch auch insoweit nicht glaubhaft gemacht ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Aus vorstehenden Gründen hat das Sozialgericht auch zu Recht die Gewährung von Prozesskostenhilfe wegen fehlender Erfolgsaussicht des Begehrens abgelehnt, § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 114 Zivilprozessordnung (ZPO). Die Kosten des Beschwerdeverfahrens bei Versagung von Prozesskostenhilfe sind nicht erstattungsfähig (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).

Da die Beschwerde gegen die Ablehnung der einstweiligen Anordnung keine Aussicht auf Erfolg bietet, liegen auch die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 ZPO) im Beschwerdeverfahren nicht vor.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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