Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 8 AL 730/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 173/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 19.12.2000 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten für beide Rechtszüge zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die teilweise Aufhebung der Bewilligung des Arbeitslosengeldes (Alg) infolge Lohnsteuerklassenwechsels.
Der am 1941 geborene Kläger war bis 30.06.1997 als Einrichter bei der Firma S. beschäftigt. Er meldete sich am 10.06.1997 arbeitslos und beantragte Alg. Dabei gab er an, seit Jahresbeginn sei auf seiner Lohnsteuerkarte die Steuerklasse III eingetragen. Nach einem Ruhen des Leistungsanspruchs bis 13.01.1998 bewilligte die Beklagte Alg ab 14.01.1998 unter Zugrundelegung der Steuerklasse III/Leistungsgruppe C (Bescheid vom 13.02.1998). Der Kläger bezog Alg bis 20.09.1999 (Erschöpfung des Anspruchs). Mit dem anschließend gestellten Antrag auf Arbeitslosenhilfe (Alhi) erhielt die Beklagte Kenntnis von einem im September 1997 mW zum 01.01.1998 veranlassten Steuerklassenwechsel der Ehegatten (Kläger Steuerklasse V/Ehefrau III). Nach Anhörung des Klägers hob die Beklagte mit Bescheid vom 10.05.2000 die Bewilligung des Alg für die Zeit vom 14.01.1998 bis 31.12.1998 und 01.01.1999 bis 20.09.1999 teilweise auf und forderte überzahlte Leistungen in Höhe von 16.236,90 DM zurück. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 07.08.2000 mit der Begründung zurück, der Kläger sei seiner Mitteilungspflicht nicht nachgekommen.
Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben und beantragt, den Bescheid vom 10.05.2000 idG des Widerspruchsbescheides vom 07.08.2000 aufzuheben.
Mit Urteil vom 19.12.2000 hat das SG die angefochtenen Bescheide aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Kläger genieße nach dem entsprechend anzuwendenden § 427 Abs 5 Satz 1 SGB III Bestandsschutz, so dass eine Änderung der Leistungsgruppe nicht eingetreten sei. Der Steuerklassenwechsel sei nämlich nicht nach In-Kraft-Treten des SGB III, sondern allenfalls zeitgleich zum 01.01.1998 erfolgt. Unabhängig davon könne sich der Kläger auf Vertrauensschutz berufen, denn er habe seine Mitwirkungspflichten nicht grobfahrlässig verletzt. Insoweit habe sich der Kläger auf die auf Seite 25 des Merkblatts für Arbeitslose 1997 befindlichen Ausführungen - berücksichtigt werde nur ein zweckmäßiger Steuerklassenwechsel - verlassen dürfen. Der Steuerklassenwechsel sei für ihn aber offensichtlich unzweckmäßig und damit rechtlich unbeachtlich gewesen. Ein den ab 01.01.1998 geltenden Rechtszustand darstellendes Merkblatt habe er am 14.01.1998 nicht erhalten.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt und vorgetragen: Der Lohnsteuerklassenwechsel sei zum 01.01.1998 und damit nach dem 31.12.1997 erfolgt. Somit sei die Übergangsregelung des § 427 Abs 5 Satz 1, 2 SGB III auf den Kläger nicht anwendbar. Der Steuerklassenwechsel habe daher in Anwendung des § 137 Abs 4 Nr 2 SGB III berücksichtigt werden müssen, da sich ein niedrigeres Alg ergeben habe. Im Übrigen könne sich der Kläger entgegen der Auffassung des SG nicht auf Vertrauensschutz berufen, da er durch das ihm ausgehändigte Merkblatt für Arbeitslose darüber informiert war, dass er eine Steuerklassenänderung dem Arbeitsamt mitzuteilen habe.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des SG Nürnberg vom 19.12.2000 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Leistungsakten des Klägers (Az: 944622) sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-), aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG den Bescheid vom 10.05.2000 idG des Widerspruchsbescheides vom 07.08.2000 aufgehoben, denn der Kläger ist im Ergebnis zur Erstattung des geforderten Betrages nicht verpflichtet.
Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Leistungsbewilligung für die Vergangenheit ist § 45 Sozialgesetzbuch Verwaltungsverfahren (SGB X). Gemäß § 45 Abs 2 Satz 1 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 45 Abs 2 Satz 3 Nr 2 SGB X).
Der Bescheid vom 13.02.1998 war rechtswidrig, denn die Beklagte bewilligte ab 14.01.1998 Alg noch nach der unzutreffenden Steuerklasse III / Leistungsgruppe C, obwohl der Kläger mit Wirkung ab 01.01.1998 die Steuerklasse V hatte eintragen lassen. Die ab 14.01.1998 zu Unrecht nach Leistungsgruppe C gezahlten Leistungen beruhten auf der unterlassenen Mitteilung des Steuerklassenwechsels. An dieser Kausalität fehlt es nicht deshalb, weil der Kläger nach seiner Ansicht in Anwendung des § 427 Abs 5 SGB III einer neuen Leistungsgruppe nicht zuzuordnen war.
§ 427 Abs 5 Satz 1, 2 SGB III idF vom 01.01.1998 bis 31.03.1999 lautete: "Ist ein Anspruch auf Alg vor dem 01.01.1998 entstanden, ist das Bemessungsentgelt nur dann neu festzusetzen, wenn die Festsetzung aufgrund eines Sachverhalts erforderlich ist, der nach dem 31.12.1997 eingetreten ist. Satz 1 gilt für die Zuordnung zu einer Leistungsgruppe entsprechend."
Mit dieser Regelung wird gewährleistet, dass Ansprüche auf Alg, die vor dem 01.01.1998 entstanden sind, grundsätzlich nicht neu zu bemessen / einer anderen Leistungsgruppe zuzuordnen sind (Niesel, SGB III, 2.Auflage, § 427 Rdnr 8). Eine Neubemessung / neue Zuordnung zu einer Leistungsgruppe erfolgt nur, soweit eine Neufestsetzung aufgrund rechtlicher oder tatsächlicher Änderungen erforderlich ist, die nach dem 31.12.1997 eingetreten sind (BSG SozR 3-4300 § 136 Nr 1; BSG SozR 3-4100 § 136 Nr 11). Dies ist hier der Fall, denn der Steuerklassenwechsel ist erst nach dem 31.12.1997, nämlich am 01.01.1998, wirksam geworden.
Zur Mitteilung des ab 01.01.1998 wirksamen Steuerklassenwechsels war der Kläger gemäß § 60 Abs 1 Satz 1 Nr 2 Sozialgesetzbuch Allgemeiner Teil (SGB I) verpflichtet. Das Unterlassen der Mitteilung über die ab 01.01.1998 eingetragene Steuerklasse steht unvollständigen Angaben iS § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 2 SGB X gleich (Wiesner in von Wulffen, SGB X, 4.Auflage, § 45 Rdnr 22).
Trotzdem war die Beklagte nicht berechtigt, die Leistungsbewilligung (teilweise) aufzuheben, denn der Kläger hat nicht wenigstens grob fahrlässig iS § 45 Abs 2 Satz 1 SGB X gehandelt.
Nach der jüngsten Rechtssprechung des BSG (SozR 3-4300 § 137 Nr 3) kann nämlich der Wertungswiderspruch zwischen Einkommensteuerrecht und Arbeitsförderungsrecht nicht ohne Auswirkungen auf die der Beklagten obliegende Beratungspflicht bleiben. Ein Arbeitsloser muss grundsätzlich nicht damit rechnen, dass der Lohnsteuerklassenwechsel negative Auswirkungen auf seinen Leistungsanspruch haben würde. Deshalb hätte die Beklagte den Kläger darauf aufmerksam machen müssen, dass er vor einem Lohnsteuerklassenwechsel eine Beratung bei der Beklagten suchen sollte. Denn nur bei einer Beratung vor dem Lohnsteuerklassenwechsel können die arbeitsförderungsrechtlich schädlichen Folgen eines Lohnsteuerklassenwechsels vermieden werden. Die Hinweise auf Seite 23, 24 ff, 48 f, 51 des Merkblatts 1 (Stand April 1997) über die Bedeutung der Lohnsteuerklassen und der Benachrichtigungspflicht bei Lohnsteuerklassenwechsel genügten daher nicht dafür, den Schluss auf die grob fahrlässige Verletzung einer Mitteilungspflicht zuzulassen. So hat das BSG selbst den zusätzlichen Hinweis im Merkblatt 1 (S 27, Stand Januar 1998) "Ein Lohnsteuerklassenwechsel kann in der Regel nur einmal jährlich vorgenommen werden. Bitte holen sie deshalb vorher Rat ein." offenbar nicht für ausreichend angesehen, grobe Fahrlässigkeit anzunehmen (BSG SozR 3-4300 § 137 Nr 3).
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Nürnberg vom 19.12.2000 war daher im Ergebnis zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision nach § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten für beide Rechtszüge zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die teilweise Aufhebung der Bewilligung des Arbeitslosengeldes (Alg) infolge Lohnsteuerklassenwechsels.
Der am 1941 geborene Kläger war bis 30.06.1997 als Einrichter bei der Firma S. beschäftigt. Er meldete sich am 10.06.1997 arbeitslos und beantragte Alg. Dabei gab er an, seit Jahresbeginn sei auf seiner Lohnsteuerkarte die Steuerklasse III eingetragen. Nach einem Ruhen des Leistungsanspruchs bis 13.01.1998 bewilligte die Beklagte Alg ab 14.01.1998 unter Zugrundelegung der Steuerklasse III/Leistungsgruppe C (Bescheid vom 13.02.1998). Der Kläger bezog Alg bis 20.09.1999 (Erschöpfung des Anspruchs). Mit dem anschließend gestellten Antrag auf Arbeitslosenhilfe (Alhi) erhielt die Beklagte Kenntnis von einem im September 1997 mW zum 01.01.1998 veranlassten Steuerklassenwechsel der Ehegatten (Kläger Steuerklasse V/Ehefrau III). Nach Anhörung des Klägers hob die Beklagte mit Bescheid vom 10.05.2000 die Bewilligung des Alg für die Zeit vom 14.01.1998 bis 31.12.1998 und 01.01.1999 bis 20.09.1999 teilweise auf und forderte überzahlte Leistungen in Höhe von 16.236,90 DM zurück. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 07.08.2000 mit der Begründung zurück, der Kläger sei seiner Mitteilungspflicht nicht nachgekommen.
Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben und beantragt, den Bescheid vom 10.05.2000 idG des Widerspruchsbescheides vom 07.08.2000 aufzuheben.
Mit Urteil vom 19.12.2000 hat das SG die angefochtenen Bescheide aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Kläger genieße nach dem entsprechend anzuwendenden § 427 Abs 5 Satz 1 SGB III Bestandsschutz, so dass eine Änderung der Leistungsgruppe nicht eingetreten sei. Der Steuerklassenwechsel sei nämlich nicht nach In-Kraft-Treten des SGB III, sondern allenfalls zeitgleich zum 01.01.1998 erfolgt. Unabhängig davon könne sich der Kläger auf Vertrauensschutz berufen, denn er habe seine Mitwirkungspflichten nicht grobfahrlässig verletzt. Insoweit habe sich der Kläger auf die auf Seite 25 des Merkblatts für Arbeitslose 1997 befindlichen Ausführungen - berücksichtigt werde nur ein zweckmäßiger Steuerklassenwechsel - verlassen dürfen. Der Steuerklassenwechsel sei für ihn aber offensichtlich unzweckmäßig und damit rechtlich unbeachtlich gewesen. Ein den ab 01.01.1998 geltenden Rechtszustand darstellendes Merkblatt habe er am 14.01.1998 nicht erhalten.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt und vorgetragen: Der Lohnsteuerklassenwechsel sei zum 01.01.1998 und damit nach dem 31.12.1997 erfolgt. Somit sei die Übergangsregelung des § 427 Abs 5 Satz 1, 2 SGB III auf den Kläger nicht anwendbar. Der Steuerklassenwechsel habe daher in Anwendung des § 137 Abs 4 Nr 2 SGB III berücksichtigt werden müssen, da sich ein niedrigeres Alg ergeben habe. Im Übrigen könne sich der Kläger entgegen der Auffassung des SG nicht auf Vertrauensschutz berufen, da er durch das ihm ausgehändigte Merkblatt für Arbeitslose darüber informiert war, dass er eine Steuerklassenänderung dem Arbeitsamt mitzuteilen habe.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des SG Nürnberg vom 19.12.2000 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Leistungsakten des Klägers (Az: 944622) sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-), aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG den Bescheid vom 10.05.2000 idG des Widerspruchsbescheides vom 07.08.2000 aufgehoben, denn der Kläger ist im Ergebnis zur Erstattung des geforderten Betrages nicht verpflichtet.
Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Leistungsbewilligung für die Vergangenheit ist § 45 Sozialgesetzbuch Verwaltungsverfahren (SGB X). Gemäß § 45 Abs 2 Satz 1 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 45 Abs 2 Satz 3 Nr 2 SGB X).
Der Bescheid vom 13.02.1998 war rechtswidrig, denn die Beklagte bewilligte ab 14.01.1998 Alg noch nach der unzutreffenden Steuerklasse III / Leistungsgruppe C, obwohl der Kläger mit Wirkung ab 01.01.1998 die Steuerklasse V hatte eintragen lassen. Die ab 14.01.1998 zu Unrecht nach Leistungsgruppe C gezahlten Leistungen beruhten auf der unterlassenen Mitteilung des Steuerklassenwechsels. An dieser Kausalität fehlt es nicht deshalb, weil der Kläger nach seiner Ansicht in Anwendung des § 427 Abs 5 SGB III einer neuen Leistungsgruppe nicht zuzuordnen war.
§ 427 Abs 5 Satz 1, 2 SGB III idF vom 01.01.1998 bis 31.03.1999 lautete: "Ist ein Anspruch auf Alg vor dem 01.01.1998 entstanden, ist das Bemessungsentgelt nur dann neu festzusetzen, wenn die Festsetzung aufgrund eines Sachverhalts erforderlich ist, der nach dem 31.12.1997 eingetreten ist. Satz 1 gilt für die Zuordnung zu einer Leistungsgruppe entsprechend."
Mit dieser Regelung wird gewährleistet, dass Ansprüche auf Alg, die vor dem 01.01.1998 entstanden sind, grundsätzlich nicht neu zu bemessen / einer anderen Leistungsgruppe zuzuordnen sind (Niesel, SGB III, 2.Auflage, § 427 Rdnr 8). Eine Neubemessung / neue Zuordnung zu einer Leistungsgruppe erfolgt nur, soweit eine Neufestsetzung aufgrund rechtlicher oder tatsächlicher Änderungen erforderlich ist, die nach dem 31.12.1997 eingetreten sind (BSG SozR 3-4300 § 136 Nr 1; BSG SozR 3-4100 § 136 Nr 11). Dies ist hier der Fall, denn der Steuerklassenwechsel ist erst nach dem 31.12.1997, nämlich am 01.01.1998, wirksam geworden.
Zur Mitteilung des ab 01.01.1998 wirksamen Steuerklassenwechsels war der Kläger gemäß § 60 Abs 1 Satz 1 Nr 2 Sozialgesetzbuch Allgemeiner Teil (SGB I) verpflichtet. Das Unterlassen der Mitteilung über die ab 01.01.1998 eingetragene Steuerklasse steht unvollständigen Angaben iS § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 2 SGB X gleich (Wiesner in von Wulffen, SGB X, 4.Auflage, § 45 Rdnr 22).
Trotzdem war die Beklagte nicht berechtigt, die Leistungsbewilligung (teilweise) aufzuheben, denn der Kläger hat nicht wenigstens grob fahrlässig iS § 45 Abs 2 Satz 1 SGB X gehandelt.
Nach der jüngsten Rechtssprechung des BSG (SozR 3-4300 § 137 Nr 3) kann nämlich der Wertungswiderspruch zwischen Einkommensteuerrecht und Arbeitsförderungsrecht nicht ohne Auswirkungen auf die der Beklagten obliegende Beratungspflicht bleiben. Ein Arbeitsloser muss grundsätzlich nicht damit rechnen, dass der Lohnsteuerklassenwechsel negative Auswirkungen auf seinen Leistungsanspruch haben würde. Deshalb hätte die Beklagte den Kläger darauf aufmerksam machen müssen, dass er vor einem Lohnsteuerklassenwechsel eine Beratung bei der Beklagten suchen sollte. Denn nur bei einer Beratung vor dem Lohnsteuerklassenwechsel können die arbeitsförderungsrechtlich schädlichen Folgen eines Lohnsteuerklassenwechsels vermieden werden. Die Hinweise auf Seite 23, 24 ff, 48 f, 51 des Merkblatts 1 (Stand April 1997) über die Bedeutung der Lohnsteuerklassen und der Benachrichtigungspflicht bei Lohnsteuerklassenwechsel genügten daher nicht dafür, den Schluss auf die grob fahrlässige Verletzung einer Mitteilungspflicht zuzulassen. So hat das BSG selbst den zusätzlichen Hinweis im Merkblatt 1 (S 27, Stand Januar 1998) "Ein Lohnsteuerklassenwechsel kann in der Regel nur einmal jährlich vorgenommen werden. Bitte holen sie deshalb vorher Rat ein." offenbar nicht für ausreichend angesehen, grobe Fahrlässigkeit anzunehmen (BSG SozR 3-4300 § 137 Nr 3).
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Nürnberg vom 19.12.2000 war daher im Ergebnis zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision nach § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
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