Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
31
1. Instanz
-
Aktenzeichen
S 6 Kn 204/03 U
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 31 U 252/09 WA
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts
Cottbus vom 16. März 2005 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Anerkennung der Erkrankung des Klägers, die sich in körperlichen und geistigen Erschöpfungssyndromen mit gravierenden Muskelschwächen äußert, als Berufskrankheit (BK) 1317 - Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische - oder als "Wie BK" nach § 9 Abs. 2 Sozialgesetzbuch/Siebtes Buch (SGB VII).
Der 1967 geborene Kläger hat vom 01. September 1984 bis zum 31. Dezember 1986 den Beruf eines Malers erlernt. Vom 01. Januar 1987 bis 31. Dezember 1988 war er im Ausbildungsbetrieb weiter als Maler tätig. Ab dem 14. Februar 1989 bis zum 29. Mai 1990 sowie vom 27. Mai 1991 bis zum 31. Dezember 1994 war er als Maler bei der V AG beschäftigt. Vom 30. Mai 1990 bis zum 24. Mai 1991 leistete er Zivildienst. Vom 10. Januar 1995 bis zum 26. November 1997 war er in einem handwerklichen Malereibetrieb beschäftigt, nach einer Zeit der Arbeitslosigkeit und einem Erziehungsjahr war er vom 21. Juni 1999 als Maler bei einer Zeitarbeitsfirma tätig; ab dem 16. März 2000 war er wegen der hier streitigen Erkrankung arbeitsunfähig. Nach seinen Angaben bezieht er seit dem 01. September 2000 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Nach seinen Schilderungen beim Gutachter Privatdozent Dr. K war er fünf Jahre lang bis 1989 im Malerbetrieb mit allen üblichen Arbeiten beschäftigt. Danach sei er als Betriebsmaler im Braunkohlebergwerk in der L als Anstreicher von Förderbrücken, Bohrtürmen u. ä. auch oft im Freien tätig gewesen. Von 1995 bis 1997 sei wieder eine Tätigkeit in einem handwerklichen Malerbetrieb mit allen üblichen Arbeiten erfolgt. In der der Zeitarbeits-firma habe er wieder alle allgemeinen Malerarbeiten verrichtet.
Unter dem 27. August 2002 beantragte der Kläger die Anerkennung seines Krankheitsbildes als BK. Beigefügt waren Atteste vom 23. Juli und 17. Oktober 2002 des Dr. M, der ausführte, es gehe um die Symptomatik einer Bewegungsstörung und Leberschädigung und den Nachweis einer gestörten Dopaminrezeption als Folge einer Lösemittelintoxikation. Wahrscheinlich handele es sich um ein toxisch bedingtes Parkinsonsyndrom.
Im Verfahren auf die Gewährung einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung ergab sich ab dem 16. März 2000 (Beginn einer Arbeitsunfähigkeit in der letzten Tätigkeit) ein aufgehobenes Leistungsvermögen aufgrund eines Lambert Eaton myasthenischen Syndroms (LEMS) und eines Asthma bronchiale (Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. W vom 08. Januar 2001 und Stellungnahme der Fachärztin für Chirurgie Dr. K vom 21. Februar 2001).
Im Verwaltungsverfahren wurden Berichte über stationäre Aufenthalte des Klägers in der Neurologischen Klinik der M-Universität H, Prof. Dr. Z, vom 04. Juli und 04. Oktober 2000, in denen letztlich ein LEMS diagnostiziert wurde, sowie ein Bericht des C-Klinikums C vom 16. Mai 2000 mit der Abschlussdiagnose Myopathie und Asthma bronchiale beigezogen. Im Bericht der Landesklinik L vom 31. März 2000 war zuvor von einem Verdacht auf myogene Erkrankung bei progredienter Paraparese beider Beine die Rede, im Bericht der Landesklinik B vom 13. April 2000 von einem Verdacht auf Myositis.
In weiteren Berichten der M-Universität H, Neurologische Klinik und Poliklinik, u.a. vom 04. Dezember 2000, 21. Januar 2001, 05. April 2001, 03. Oktober 2001, 16. Mai 2002 und 07. April 2003 wurde an der Diagnose LEMS (ICD 10 G 70.8) festgehalten. Der im
Wesentlichen gleich bleibende neurologische Befund bestand in proximalen Paresen der Arme und Beine, schwachen Reflexen, gelegentlichen Dysästhesien links, einem auffälligen Watschelgang rechtsbetont, dem Trendelenburg-Zeichen rechts, einem verplumpten Gangbild bei unsicherem Einbeinstand und unmöglichem Hüpfen.
In seiner Stellungnahme vom 22. April 2003 führte der Beratende Arzt der Beklagten Dr. F aus, beim Kläger sei ein LEMS festgestellt worden. Die Erkrankung sei von rascher Ermüdbarkeit und Schwäche der Muskulatur gekennzeichnet. Die Erscheinungen kämen bei
kleinzelligen Bronchialkarzinomen oder im Rahmen von Autoimmunkrankheiten vor. Da trotz intensiver Diagnostik eine Krebserkrankung habe nicht aufgedeckt werden können, müsse auf ein autoimmunes Krankheitsgeschehen geschlossen werden.
In seiner Stellungnahme vom 06. Juni 2003 führte Dr. E, Landesinstitut für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, aus, das LEMS beruhe auf pathologischen Autoimmunprozessen, deren Ursache bislang unbekannt sei. Die Anerkennung einer BK könne daher nicht empfohlen werden. Mit Bescheid vom 26. Juni 2003, überschrieben mit Lambert Eatonmyasthenes Syndrom, lehnte die Beklagte die Anerkennung dieser Erkrankung als BK nach § 9 Abs. 1 SGB VII und als "Wie BK" nach § 9 Abs. 2 SGB VII ab, da kein ursächlicher Zusammenhang mit der aus-geübten beruflichen Tätigkeit bestehe. Es handele sich um einen Autoimmunprozess.
Hiergegen wandte sich der Kläger mit dem Widerspruch vom 14. Juli 2003, dem mit zurückweisendem Widerspruchsbescheid vom 29. September 2003 der Erfolg versagt blieb.
Hiergegen hat der Kläger am 29. Oktober 2003 Klage zum Sozialgericht Cottbus erhoben. Das Sozialgericht hat ein Gutachten des Facharztes für Innere Medizin und Arbeitsmedizin Privatdozent Dr. K vom 18. Dezember 2004 aufgrund einer ambulanten Untersuchung vom 26. Oktober 2004 eingeholt. Aus dem Akteninhalt gehe hervor, dass man sich von dem Bild einer Myositis dann doch auf das Vollbild eines LEMS geeinigt habe. Die Therapie mit 3,4 Diaminopyridin, die nach der Literatur eine Verbesserung der klinischen Symptomatik habe bringen sollen, sei jedoch erfolglos geblieben. Bezüglich eines LEMS fänden sich keine Hinweise in der Literatur für eine berufliche Verursachung durch organische Lösungsmittel oder Metalle. Epidemiologische Untersuchungen zu diesem Problemkreis würden nicht vorliegen.
Mit Urteil vom 16. März 2005 hat das Sozialgericht die Klage unter Bezugnahme auf das Gutachten des Privatdozenten Dr. K abgewiesen.
Gegen das ihm am 04. April 2005 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit der Berufung vom 26. April 2005.
Das Landessozialgericht hat ein Gutachten nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) des Facharztes für Innere Medizin Dr. K, Diagnostik- und Therapiezentrum für Umweltmedizinische Erkrankungen, R, eingeholt. In seinem Gutachten vom 11. Juli 2006 führte Dr. K aus, dass die Beschwerden nicht erst mit der Grippeerkrankung im Jahre 2000 begonnen hätten, sondern bereits vorher. Seit 1988 habe sich eine schleichende schlechtere Alkoholverträglichkeit be-merkbar gemacht. Gegen die Diagnose des LEMS spreche das nie nachgewiesene Inkrement durch hochfrequente Stimulation der Muskulatur, der fehlende Therapieeffekt des Guanidins, die hohen ALAT Spiegel, die unverändert über lange Zeiträume nachweisbar gewesen seien, das hohe NSE, welches für eine spezifische Nervenzellschädigung spreche, wenn auch in
abfallender Tendenz, und das pathologisch sehr hohe Homocystein. Entgegen der bisherigen Diagnose bestehe eine mitochondriale Enzephalo-Neuro-Myopathie infolge berufsbedingter chronischer Lösemittel-Mischexpositionen mit den Folgekrankheiten Erschöpfungs- und Schmerzsyndrom der Muskulatur, chronisches Müdigkeitssyndrom und periphere Polyneuropathie. Weiter seien Folgeerkrankungen ein hyperreaktives Bronchialsystem gegenüber berufsbedingten Noxen, eine mitochondriale Kohlenhydratverwertungsstörung sowie LWS Schmerzsyndrome im Sinne einer Neuropathie. Für eine Enzephalo-Neuropathie sprächen die NSE Verlaufskontrollen. Für die peripheren neuropathischen Syndrome sprächen nächtliches Einschlafen der Füße beidseits im Wechsel, saldierende Taubheitsgefühle an den Oberschenkeln, Füßen, Händen, Waden ohne messbare Korrelate, eine Trigeminusbeteiligung mit anamnestischen Neigungen zu Nasennebenhöhlenentzündungen, Nasenbluten,
Zahnwurzelschmerzen und Gingivitis im Sinne einer projizierten Entzündung und Geschmacksirritationen. Für die mitochondriale Myopathie mit neurologischer Beteiligung sprächen die hohen ALAT Werte. Wegen der Einzelheiten wird auf die ausführlichen Ausführungen auf Seite 52 bis 58 des Gutachtens verwiesen. Die Diagnose LEMS müsse als Fehldiagnose angesprochen werden, obwohl die Neurologische Klinik in H eine ausgezeichnete Klinik für mitochondriale Funktionsstörungen sei, die deutschlandweit und international über Anerkennung verfüge. Aus der toxikologischen Literatur sei bekannt, dass zahlreiche Lösemittel, chlororganische
Substanzen mitochondriale Schäden auslösten, da sie die mitochondriale ATPase hemmten. Damit seien Neuropathien und Enzephalopathien entsprechend der BK Ziffer 1317 eigentlich
mitochondriale Enzephalo-Myopathien. Der Kläger sei Schadstoffen ausgesetzt gewesen, die neu-rotoxische Wirkungen auslösen könnten, letztlich aber über die Mitochondrienstörung biochemisch ihre grundlegende Störung entfalten würden. Schließlich sei die Diagnose LEMS im letzten Bericht der Universitätsklinik H vom 03. Februar 2005 über den stationären Aufenthalt vom 16. bis 20. November 2004 selbst infrage gestellt worden. Beim Kläger bestehe also eine Neuro Myopathie, die sich aufgrund mitochondrialer Funktionsstörungen entwickelt habe.
Nach Kenntnis des Gutachtens teilte die Beklagte mit, dass nunmehr geprüft werde, ob die neu diagnostizierte Neuro Myopathie tatsächlich vorliege und eine BK nach Nr. 1317 darstelle.
Mit Schreiben vom 29. August 2007 hat das Landessozialgericht darauf hingewiesen, dass die beabsichtigte Entscheidung der Beklagten über die BK 1317 nach § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens werde. Mit Beschluss vom 19. Dezember 2007 hat das Gericht das Ruhen des Verfahrens angeordnet.
In der Folgezeit nahm die Beklagte zunächst Ermittlungen zur Exposition des Klägers am Ar-beitsplatz auf. In der Stellungnahme zur Arbeitsplatzexposition vom 11. Juli 2007 führte Dipl. Chem. W aus, für den Kläger habe in den Zeiträumen von Februar 1989 bis Mai 1990 und Mai 1991 bis Dezember 1994 arbeitstäglich regelmäßig im überwiegenden Schichtanteil inhalative und dermale Exposition gegenüber organischen Lösungsmitteln und deren Gemi-schen bestanden, so wie sie im Merkblatt zur BK beschrieben sei. Die dauerhaft sichere Einhaltung der Grenzwerte sei nicht mehr messtechnisch festzustellen. Der Präventionsdienst der Bau Berufsgenossenschaft teilte unter dem 09. Oktober 2007 mit, dass im Zeitraum von September 1984 bis Dezember 1988 ein beruflicher Kontakt zu neurotoxischen Lösungsmitteln und deren Gemischen, die geeignet seien, eine BK 1317 zu verursachen, bestätigt werden
müsse, für den Zeitraum von Januar 1995 bis November 1997 in einem handwerklichen Malerbe-trieb gelte dies nicht.
Die Beklagte versuchte daraufhin, einen auf die vorliegende Problematik spezialisierten Gutachter zu finden. Der Chefarzt für Neurologie des Kreiskrankenhauses F teilte mit, dass Dr. K in seinem sehr gut recherchierten nachvollziehbaren Gutachten ausführlich begründet habe, warum die Diagnose des hoch anerkannten Muskelzentrums der Universitätsklinik H doch in Zweifel zu ziehen sei. Hier müsse ein hoch angesehener Experte im Bereich der Myopathie Stellung nehmen. Er empfahl Prof. Dr. RUniversitätsklinikum C GCKlinik und Poliklinik für Neurologie. Dieser führte in seinem neurologischen Fachgutachten vom 30. April 2009 aus, aufgrund der Beschwerden, der klinischen Untersuchung, des typischen Elektrophysiologiebefundes und der positiven Kalzium-Kanal-Antikörper bestehe kein Zweifel an der Diagnose LEMS. Es ergebe sich kein Anhalt für eine mitochondriale Myopathie.
Mit Bescheid vom 21. Juli 2009 hat die Beklagte die Anerkennung einer BK 1317 abgelehnt und sich auf das Gutachten des Prof. Dr. R bezogen.
Das Landessozialgericht hat das Verfahren daraufhin wieder aufgenommen und den Beteiligten mit Schreiben vom 21. Dezember 2009 mitgeteilt, dass der Bescheid vom 21. Juli 2009 Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden sei, weil im Hinblick auf den angefochtenen Bescheid vom 29. September 2003 nicht über eine neue BK entschieden worden, sondern die Ab-lehnung einer BK nach § 9 Abs. 1 SGB VII durch Bezugnahme auf eine bestimmte BK Nr., hier 1317, konkretisiert worden sei.
Das Landessozialgericht hat sodann Prof. Dr. A, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. In seinem Gutachten vom 05. Januar 2011 aufgrund einer ambulanten Untersuchung vom 08. Dezember 2010 führte dieser aus, der Kläger sei im Frühjahr 2000 nach einem fieberhaften Infekt an einer schweren muskulären Erkrankung, die bis heute anhaltend zu einem schweren muskulären Handicap geführt habe, erkrankt. Zum Zeitpunkt der aktuellen neurologischen Untersuchung handele es sich um das Bild einer ausgeprägten Myopathie ungeklärter Ätiologie mit neurophysiologischen Zeichen eines so genannten Inkrements im EMG, nach klinischen Symptomen und Zeichen sowie dem neurophysiologischen Befund jedoch vordergründig um ein Myopathie-Syndrom. Über neurotoxische Wirkungen von organischen Lösungsmittelgemischen bei exponierten Arbeitern sowie den daraus resultierenden Erkrankungen einer Enzephalopathie und Neuropathie seien Ende der 70 er Jahre eine Reihe größerer epidemiologischer Studien aus Skandinavien publiziert worden. In den folgenden Jahren seien die Erkenntnisse über neurotoxische Krankheitsbilder durch Lösungsmittel in einer Vielzahl von internationalen Kongressen und Arbeitssitzungen zusammengetragen worden. Die chronischen Lösungsmittel-Enzephalopathien ließen sich nach den diagnostischen Kriterien einer WHO Expertengruppe in drei Stadien beschreiben. Für die Entwicklung einer solchen Enzephalopathie seien in der Regel eine Exposition von mindestens zehn Jahren sowie tägliche Expositionszeiten von mehreren Stunden vorauszusetzen. Bei außergewöhnlich hohen Belastungen könne eine toxische Enzephalopathie schon nach kürzeren Expositionszeiten entstehen. Polyneuropathien bildeten sich in der Regel nach Absetzen der Exposition wieder zurück, Enzephalopathien blieben dagegen bestehen. Im Hinblick auf die Anerkennung einer BK sei die Differenzialdiagnose gegenüber anderen neurologischen Erkrankungen außerordentlich wichtig. Polyneuropathien durch organische Lösungsmittel seien in der Regel distalsymmetrische sensomotorische oder motosensorische Neuropathien. Alle anderen klinischen Erscheinungsbilder seien untypisch für Lösungsmittelerkrankungen. Myopathien, Myasthenie-Syndrome und LEMS gehörten nicht zum Spektrum der durch organische Lösungsmittel indizierten neurologischen Krankheitsbilder. Weder nach der Anamnese, dem Verlauf, den früheren Untersuchungsbefunden noch dem aktuellen neurologischen Untersuchungsbefund fänden sich Hinweise für eine Polyneuropathie oder eine Enzephalopathie. Letztlich seien Myopathie-Syndrome ungeklärter Ätiologie zu diagnostizieren. Ein LEMS könne nicht bestätigt werden, da weder Anhaltspunkte für einen malignen Tumor noch für eine Autoimmunkrankheit bestün-den. Am wahrscheinlichsten handele es sich um eine bisher ätiologisch nicht sicher zugeordne-te metabolische Myopathie, die häufigste Stoffwechselstörung des Skelettmuskels, oder aber um andere metabolische Myopathien. Eine weitere differenzialdiagnostische Abklärung des Myopathie-Syndroms sei im Hinblick auf die Beweisfragen des Gerichts aber entbehrlich, da keine dieser Formen auf Lösungsmittel zurückzuführen seien.
Auf Nachfrage hat Prof. Dr. A in einer ergänzenden Stellungnahme vom 23. April 2011 ausgeführt, warum es an einer Polyneuropathie und einer Enzephalopathie fehle. Unter Nennung der klinischen Zeichen und Symptome sowie Schilderung der Anordnung der Sensibilitätsstörungen führte er aus, dass in den bisherigen Untersuchungen keinerlei Zeichen einer Polyneuropathie nachweisbar gewesen seien. Auch bei den sehr ausführlichen neurophysiologischen Untersuchungen seien im Laufe der Jahre zu keinem Zeitpunkt neurophysiologische Parameter auf-getreten, die für das Vorliegen einer Polyneuropathie, weder für eine axonale noch für eine demyelisierende Form, beweisend gewesen wären. Die von Dr. K geäußerte Annahme, dass bei dem Kläger primär eine symmetrische axonale Polyneuropathie vorliege, die auch das zentrale Nervensystem betreffe, sei völlig abstrus. Zum einen werde übersehen, dass weder die früheren neurologischen Untersuchungen noch die aktuelle neurologische Untersuchung klinische oder neurophysiologische Hinweise für das Vorliegen einer axonalen Polyneuropathie ergeben hätten. Zum anderen sei die Vorstellung, dass periphere Neuropathien auch das zentrale Nervensystem mit betreffen könnten und damit eine Enzephalopathie hervorrufen könnten, völlig außerhalb des wissenschaftlichen Erkenntnisstandes der klinischen Neurologie. Bei der Enzephalopathie handele es sich um eine diffuse Störung des gesamten Gehirns. Beim Kläger hätten über die Jahre keine Hinweise für cerebrale Funktionsstörungen, intellektuelle Defizite und so genannte kognitive Einbußen vorgelegen. Neuropsychologische Testverfahren bei der aktuellen Begutachtung hätten keinerlei Hinweise für kognitive Einbußen oder ein demenzielles Syndrom ergeben. Auch aus den bunten Bildern einer PET Untersuchung lasse sich nicht die Diagnose einer Enzephalopathie stellen. Ausschließlich in einer Zusammenschau aus klinischen, neurologischen und neuropsychologischen Befunden lasse sich eine derartige
bildgebende Untersuchung einordnen.
Dazu hat Dr. K eine ergänzende Stellungnahme vom 17. Juni 2011 abgegeben, in der er an der LEMS als Fehldiagnose festhält und auf nicht weiter benannte arbeitsmedizinische und toxikologische Literatur Bezug nimmt. In einer weiteren Stellungnahme vom 22. September 2011 hat Prof. Dr. A an seiner Auffassung festgehalten.
Mit Schreiben vom 24. Februar 2012 hat Dr. K aufgrund weiterer Befunde die Diagnose einer mitochondrialen Zytopathie mit Kohlenhydratverwertungsstörungen (ICD 10 E 74.9) gestellt. Die Ursache sei wissenschaftlich noch nicht klärbar. Hierzu hat Prof. Dr. Aeine weitere Stellungnahme vom 31. März 2012 abgegeben.
Die Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 16. März 2005, den Bescheid der Beklagten vom 26. Juni 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29. September 2003 sowie den
Bescheid vom 21. Juli 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, eine mitochondriale Enzephalo-Neuro-Myopathie als
Berufskrankheit Nr. 1317 oder als "Wie-BK" nach § 9 Abs. 2 SGB VII anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf den Inhalt ihrer Bescheide und das Ergebnis der Beweisaufnahme.
Im Termin vom 26. April 2012 hat das Gericht Prof. Dr. A als Sachverständigen gehört.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Sachdarstellung und der Rechtsausführungen wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten und auf die Gerichtsakten Bezug genommen. Diese haben im Termin vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Er hat keinen Anspruch auf die Anerkennung seiner Erkrankung als BK 1317 und auch keinen Anspruch auf Anerkennung dieser Erkrankung als so genannte Wie BK nach § 9 Abs. 2 SGB VII.
Ermächtigungsgrundlage für die Bezeichnung von BKen ist § 9 Abs. 1 SGB VII. Danach sind BKen Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeiten erleiden.
Gemäß diesen Vorgaben lassen sich bei einer Listen BK im Regelfall folgende Tatbestandsmerkmale ableiten, die ggf. bei einzelnen Listen BKen einer Modifikation bedürfen: Die Verrichtung einer grundsätzlich versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen o. ä. auf den Körper geführt haben (Einwir-kungskausalität) und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), vgl. z. B. Urteil vom 02. April 2009, B 2 U 7/08 m. w. N.).
Entscheidungsbasis für die erforderliche Kausalitätsbeurteilung muss der aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisstand sein (BSG vom 09. Mai 2006 B 2 U 1/05 R , Rdnr. 25 ff. und BSG vom 02. April 2009, a. a. O., Rdnr. 26, beide zitiert nach juris). Erforderlich ist jeweils eine einzelfallbezogene positive Feststellung sowohl der Verursachung nach der Bedingungs-theorie als auch der wesentlichen Verursachung der vorliegenden Erkrankung durch die versicherten Einwirkungen. Das bloße Fehlen von konkurrierenden Ursachen genügt bei komplexen Krankheitsgeschehen, die mehrere Ursachen haben können, gerade nicht (BSG vom 09. Mai 2006, a. a. O., Rdnr. 20, 28 f., 39 und BSG vom 02. April 2009, a. a. O., Rdnr. 26). Beweismaßstab für die haftungsbegründende Kausalität ist die hinreichende Wahrscheinlichkeit.
Danach steht zur Überzeugung des Senats zwar fest, dass die ursprünglich gestellte Diagnose eines LEMS nicht mehr haltbar ist, was sich aus den insoweit überzeugenden Gutachten des Dr. K, des Prof. Dr. A und auch aus dem letzten Bericht der Universitätsklinik H vom 03. Februar 2005 ergibt, welche ihre ursprüngliche Diagnose selbst relativiert hat. Damit scheitert der Anspruch des Klägers nicht schon daran, dass eine Autoimmunkrankheit vorliegt, die ihre Ursache schon grundsätzlich nicht in beruflichen Einwirkungen haben kann.
Vorliegend fehlt es aber an den im Vollbeweis zu sichernden Erkrankungen einer Polyneuropathie oder einer Enzephalopathie im Sinne des BK Tatbestandes Nr. 1317. Insoweit stellt der Senat aufgrund der überzeugenden Ausführungen des Prof. Dr. A gerade in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 23. April 2011 fest, dass eine Enzephalopathie und eine Polyneuropathie nicht vorliegen. Überzeugend hat Prof. Dr. A auch in der mündlichen Verhandlung vom 26. April 2012 noch einmal begründet, warum es an beiden Erkrankungen fehlt. Danach steht für den Senat fest, dass es an den klinischen Zeichen einer Polyneuropathie fehlt, weil die in der Stellungnahme vom 23. April 2011 aufgeführten klinischen Symptome (Blatt 3 unten bis Blatt 5 oben der Stellungnahme) gerade fehlen und auch die neurophysiologischen Untersuchungen über Jahre hinaus keine derartige Diagnose zulassen. Für eine Enzephalopathie fehlt es an den hier vorausgesetzten Gedächtnisstörungen, wie Prof. Dr. A überzeugend schon in seinem Gutachten ausgeführt hat. Der Hinweis des Dr. K auf allgemeine geistige Erschöpfungszustände und auf unbestrittene Muskeldefizite der Extremitäten reicht insoweit nicht aus, um differenzialdiagnostisch von einer Polyneuropathie auszugehen. Allerdings ist insoweit zuzugeben, dass Dr. K diese Diagnosen so auch nicht gestellt hat, sondern von einer neurogen bedingten Myopathie ausgeht, die ihre Ursache in den lösungsmitteltoxischen Einwirkungen haben soll.
Damit steht es für den Senat nicht infrage, dass eine Enzephalopathie oder eine Polyneuropathie nicht vorliegt.
Der Senat geht zwar davon aus, dass auch die Myopathie eine neurologische Erkrankung ist. Sie ist aber eine neurologische Erkrankung des Muskels, während Polyneuropathien die peripheren Nerven und Enzephalopathien das Gehirn betreffen. Damit ist die Myopathie nicht unter die in der BK 1317 genannten Erkrankungen Polyneuropathie und Enzephalopathie zu subsumieren. Weiter kann der Senat nach den Ausführungen des Prof. Dr. A gerade auch in der Sitzung vom 26. April 2012 feststellen, dass Myopathien, seien es die von Dr. K angenommenen mitochondrialen oder die von Prof. Dr. A diagnostizierten metabolischen Myopathien, nicht durch Lösungsmittel und deren Gemische verursacht sein können. Prof. Dr. A hat
überzeugend dargelegt, dass Schädigungen der Mitochondrien, die Dr. Kfür das Krankheitsbild des Klägers verantwortlich macht, nach Lösungsmittelexpositionen gerade nicht auftreten. Er hat dies für den Senat nachvollziehbar damit begründet, dass Schädigungen der Mitochondrien strahlenmikroskopisch sichtbar gemacht werden könnten, solche Schädigungen bei gegenüber organischen Lösungsmitteln exponierten Arbeitern aber gerade nicht hätten nachgewiesen werden können.
Lösungsmittelinduzierte Erkrankungen nehmen ihren Weg über eine Schädigung der Nerven, die in der Folge dann auch zu Schädigungen des Muskels führen. Prof. Dr. A hat auch in der mündlichen Verhandlung noch einmal auf eine Vielzahl von Studien hingewiesen, in denen der Zusammenhang von Lösungsmitteleinwirkungen und Nervenschädigungen als bewiesen ange-sehen werden muss, was auch zur Anerkennung der BK Nr. 1317 durch den Verordnungsgeber geführt hat. Die Verursachung dieser Erkrankungen lässt sich somit als lösungsmitteltoxische Schädigung der Nerven beschreiben, die in der Folge zu Muskelschädigungen führen.
Anders definiert sind die beim Kläger vorliegenden Myopathien (s.o.). Dabei kann der Senat feststellen, dass es für den hier zu beurteilenden Sachzusammenhang nicht von Bedeutung ist, ob eine metabolische Myopathie, also auf einer Stoffwechselstörung des Klägers beruhende Myopathie, vorliegt oder eine so genannte mitochondriale Myopathie, wie Dr. K diese annimmt. Die Unterscheidung der beiden Myopathien beruht letztlich auf ihrer Verursachung. Dass eine stoffwechseleigene Störung mit der Folge einer Myopathie keine BK sein kann, bedarf keiner weiteren Erläuterung. Insoweit sind autoimmune Vorgänge schädigend. Eine mitochondriale Myopathie ist im hier vorliegenden Zusammenhang nur von Bedeutung, wenn sie durch organische Lösungsmittel verursacht ist.
Für die Kausalitätsbeurteilung entscheidend ist damit, ob die Mitochondrien durch die organischen Lösungsmittel geschädigt werden. Hierzu hat Prof. Dr. A in seiner Stellungnahme vom 22. September 2011 noch einmal ausdrücklich ausgeführt, dass primär mitochondriale Störun-gen nicht der Schädigungsmechanismus bei Lösungsmittelneuropathien seien. Dies hat er für den Senat überzeugend damit begründet, dass nach allen Erkenntnissen der toxikologischen Wissenschaft zu Lösungsmitteleinwirkungen diese gerade die Nerven schädigen und nicht die Mitochondrien der Muskeln. Sind letztere Ausgangspunkt der Erkrankung, liegt eine Kausalität der beruflichen Einwirkungen durch Lösungsmittel gerade nicht vor. Dr. K beharrt in diesem Zusammenhang darauf, dass eine mitochondriale Myopathie und damit eine Störung der Mitochondrien die Ursache der Erkrankung ist. Selbst wenn dies richtig wäre, würde dies eine Haftung der Beklagten nicht begründen, weil eine Schädigung der Mitochondrien durch Lösungsmitteleinwirkungen gerade nicht der herrschenden Meinung und somit dem herrschenden wis-senschaftlichen Erkenntnisstand entspricht. Zwar hat Dr. K insbesondere in seinem Gutachten vom 11. Juli 2006 behauptet, dass aus der toxikologischen Literatur bekannt sei, dass zahlrei-che Lösungsmittel mitochondriale Schäden auslösten, da sie die mitochondriale ATPase hemmten. Diese Äußerung auf Seite 64 seines Gutachtens hat er aber in keiner Weise begründet. Auch aus der schmalen Literaturliste, die seinem Gutachten beigefügt ist, erschließt sich nicht, woher diese Erkenntnis stammen soll. Dies gilt erst recht, nachdem Prof. Dr. A in seinem Gutachten ausführlich zum herrschenden Wissensstand der Neurologie und zu Einwirkungen durch Lösungsmittel Stellung genommen hat. Angesicht dieser Ausführungen wäre Dr. K auf-gerufen gewesen, seine Auffassung zu begründen, die nach den Ausführungen des Prof. Dr. A in diametralem Gegensatz zu den Erkenntnissen der neurologisch-toxikologischen Wissen-schaft steht. Eine durch nichts belegte Behauptung in einem Satz, die auch nach mehrfacher Kritik durch Prof. Dr. A nur wiederholt wird, vermag den Senat nicht von der Richtigkeit der Behauptung zu überzeugen.
Damit steht fest, dass die Voraussetzungen der Anerkennung einer BK 1317 nicht vorliegen.
Damit scheidet im vorliegenden Fall auch ein Anspruch auf Anerkennung der Myopathie als "Wie BK" nach § 9 Abs. 2 SGB VII aus. Denn auch nach dieser Vorschrift ist es neben weiteren Voraussetzungen erforderlich, dass im Einzelfall mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden kann, dass die beruflichen Einwirkungen die Erkrankung wesentlich verursacht haben. Gerade an einer solchen mit Wahrscheinlichkeit festzustellenden wesentlichen Verursachung der Myopathie durch die berufliche Lösungsmittelexposition fehlt es aber, wie gerade ausgeführt wurde. Denn die Schädigung der Mitochondrien, die Dr. K als Ursache der Myopathie anschuldigt, kann gerade nicht durch organische Lösungsmittel verursacht sein. Prof. Dr. A hat in der mündlichen Verhandlung vom 26. April 2012 auch noch einmal bestätigt, dass keine neuen Erkenntnisse der Wissenschaft vorliegen
Danach war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Cottbus vom 16. März 2005 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Anerkennung der Erkrankung des Klägers, die sich in körperlichen und geistigen Erschöpfungssyndromen mit gravierenden Muskelschwächen äußert, als Berufskrankheit (BK) 1317 - Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische - oder als "Wie BK" nach § 9 Abs. 2 Sozialgesetzbuch/Siebtes Buch (SGB VII).
Der 1967 geborene Kläger hat vom 01. September 1984 bis zum 31. Dezember 1986 den Beruf eines Malers erlernt. Vom 01. Januar 1987 bis 31. Dezember 1988 war er im Ausbildungsbetrieb weiter als Maler tätig. Ab dem 14. Februar 1989 bis zum 29. Mai 1990 sowie vom 27. Mai 1991 bis zum 31. Dezember 1994 war er als Maler bei der V AG beschäftigt. Vom 30. Mai 1990 bis zum 24. Mai 1991 leistete er Zivildienst. Vom 10. Januar 1995 bis zum 26. November 1997 war er in einem handwerklichen Malereibetrieb beschäftigt, nach einer Zeit der Arbeitslosigkeit und einem Erziehungsjahr war er vom 21. Juni 1999 als Maler bei einer Zeitarbeitsfirma tätig; ab dem 16. März 2000 war er wegen der hier streitigen Erkrankung arbeitsunfähig. Nach seinen Angaben bezieht er seit dem 01. September 2000 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Nach seinen Schilderungen beim Gutachter Privatdozent Dr. K war er fünf Jahre lang bis 1989 im Malerbetrieb mit allen üblichen Arbeiten beschäftigt. Danach sei er als Betriebsmaler im Braunkohlebergwerk in der L als Anstreicher von Förderbrücken, Bohrtürmen u. ä. auch oft im Freien tätig gewesen. Von 1995 bis 1997 sei wieder eine Tätigkeit in einem handwerklichen Malerbetrieb mit allen üblichen Arbeiten erfolgt. In der der Zeitarbeits-firma habe er wieder alle allgemeinen Malerarbeiten verrichtet.
Unter dem 27. August 2002 beantragte der Kläger die Anerkennung seines Krankheitsbildes als BK. Beigefügt waren Atteste vom 23. Juli und 17. Oktober 2002 des Dr. M, der ausführte, es gehe um die Symptomatik einer Bewegungsstörung und Leberschädigung und den Nachweis einer gestörten Dopaminrezeption als Folge einer Lösemittelintoxikation. Wahrscheinlich handele es sich um ein toxisch bedingtes Parkinsonsyndrom.
Im Verfahren auf die Gewährung einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung ergab sich ab dem 16. März 2000 (Beginn einer Arbeitsunfähigkeit in der letzten Tätigkeit) ein aufgehobenes Leistungsvermögen aufgrund eines Lambert Eaton myasthenischen Syndroms (LEMS) und eines Asthma bronchiale (Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. W vom 08. Januar 2001 und Stellungnahme der Fachärztin für Chirurgie Dr. K vom 21. Februar 2001).
Im Verwaltungsverfahren wurden Berichte über stationäre Aufenthalte des Klägers in der Neurologischen Klinik der M-Universität H, Prof. Dr. Z, vom 04. Juli und 04. Oktober 2000, in denen letztlich ein LEMS diagnostiziert wurde, sowie ein Bericht des C-Klinikums C vom 16. Mai 2000 mit der Abschlussdiagnose Myopathie und Asthma bronchiale beigezogen. Im Bericht der Landesklinik L vom 31. März 2000 war zuvor von einem Verdacht auf myogene Erkrankung bei progredienter Paraparese beider Beine die Rede, im Bericht der Landesklinik B vom 13. April 2000 von einem Verdacht auf Myositis.
In weiteren Berichten der M-Universität H, Neurologische Klinik und Poliklinik, u.a. vom 04. Dezember 2000, 21. Januar 2001, 05. April 2001, 03. Oktober 2001, 16. Mai 2002 und 07. April 2003 wurde an der Diagnose LEMS (ICD 10 G 70.8) festgehalten. Der im
Wesentlichen gleich bleibende neurologische Befund bestand in proximalen Paresen der Arme und Beine, schwachen Reflexen, gelegentlichen Dysästhesien links, einem auffälligen Watschelgang rechtsbetont, dem Trendelenburg-Zeichen rechts, einem verplumpten Gangbild bei unsicherem Einbeinstand und unmöglichem Hüpfen.
In seiner Stellungnahme vom 22. April 2003 führte der Beratende Arzt der Beklagten Dr. F aus, beim Kläger sei ein LEMS festgestellt worden. Die Erkrankung sei von rascher Ermüdbarkeit und Schwäche der Muskulatur gekennzeichnet. Die Erscheinungen kämen bei
kleinzelligen Bronchialkarzinomen oder im Rahmen von Autoimmunkrankheiten vor. Da trotz intensiver Diagnostik eine Krebserkrankung habe nicht aufgedeckt werden können, müsse auf ein autoimmunes Krankheitsgeschehen geschlossen werden.
In seiner Stellungnahme vom 06. Juni 2003 führte Dr. E, Landesinstitut für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, aus, das LEMS beruhe auf pathologischen Autoimmunprozessen, deren Ursache bislang unbekannt sei. Die Anerkennung einer BK könne daher nicht empfohlen werden. Mit Bescheid vom 26. Juni 2003, überschrieben mit Lambert Eatonmyasthenes Syndrom, lehnte die Beklagte die Anerkennung dieser Erkrankung als BK nach § 9 Abs. 1 SGB VII und als "Wie BK" nach § 9 Abs. 2 SGB VII ab, da kein ursächlicher Zusammenhang mit der aus-geübten beruflichen Tätigkeit bestehe. Es handele sich um einen Autoimmunprozess.
Hiergegen wandte sich der Kläger mit dem Widerspruch vom 14. Juli 2003, dem mit zurückweisendem Widerspruchsbescheid vom 29. September 2003 der Erfolg versagt blieb.
Hiergegen hat der Kläger am 29. Oktober 2003 Klage zum Sozialgericht Cottbus erhoben. Das Sozialgericht hat ein Gutachten des Facharztes für Innere Medizin und Arbeitsmedizin Privatdozent Dr. K vom 18. Dezember 2004 aufgrund einer ambulanten Untersuchung vom 26. Oktober 2004 eingeholt. Aus dem Akteninhalt gehe hervor, dass man sich von dem Bild einer Myositis dann doch auf das Vollbild eines LEMS geeinigt habe. Die Therapie mit 3,4 Diaminopyridin, die nach der Literatur eine Verbesserung der klinischen Symptomatik habe bringen sollen, sei jedoch erfolglos geblieben. Bezüglich eines LEMS fänden sich keine Hinweise in der Literatur für eine berufliche Verursachung durch organische Lösungsmittel oder Metalle. Epidemiologische Untersuchungen zu diesem Problemkreis würden nicht vorliegen.
Mit Urteil vom 16. März 2005 hat das Sozialgericht die Klage unter Bezugnahme auf das Gutachten des Privatdozenten Dr. K abgewiesen.
Gegen das ihm am 04. April 2005 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit der Berufung vom 26. April 2005.
Das Landessozialgericht hat ein Gutachten nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) des Facharztes für Innere Medizin Dr. K, Diagnostik- und Therapiezentrum für Umweltmedizinische Erkrankungen, R, eingeholt. In seinem Gutachten vom 11. Juli 2006 führte Dr. K aus, dass die Beschwerden nicht erst mit der Grippeerkrankung im Jahre 2000 begonnen hätten, sondern bereits vorher. Seit 1988 habe sich eine schleichende schlechtere Alkoholverträglichkeit be-merkbar gemacht. Gegen die Diagnose des LEMS spreche das nie nachgewiesene Inkrement durch hochfrequente Stimulation der Muskulatur, der fehlende Therapieeffekt des Guanidins, die hohen ALAT Spiegel, die unverändert über lange Zeiträume nachweisbar gewesen seien, das hohe NSE, welches für eine spezifische Nervenzellschädigung spreche, wenn auch in
abfallender Tendenz, und das pathologisch sehr hohe Homocystein. Entgegen der bisherigen Diagnose bestehe eine mitochondriale Enzephalo-Neuro-Myopathie infolge berufsbedingter chronischer Lösemittel-Mischexpositionen mit den Folgekrankheiten Erschöpfungs- und Schmerzsyndrom der Muskulatur, chronisches Müdigkeitssyndrom und periphere Polyneuropathie. Weiter seien Folgeerkrankungen ein hyperreaktives Bronchialsystem gegenüber berufsbedingten Noxen, eine mitochondriale Kohlenhydratverwertungsstörung sowie LWS Schmerzsyndrome im Sinne einer Neuropathie. Für eine Enzephalo-Neuropathie sprächen die NSE Verlaufskontrollen. Für die peripheren neuropathischen Syndrome sprächen nächtliches Einschlafen der Füße beidseits im Wechsel, saldierende Taubheitsgefühle an den Oberschenkeln, Füßen, Händen, Waden ohne messbare Korrelate, eine Trigeminusbeteiligung mit anamnestischen Neigungen zu Nasennebenhöhlenentzündungen, Nasenbluten,
Zahnwurzelschmerzen und Gingivitis im Sinne einer projizierten Entzündung und Geschmacksirritationen. Für die mitochondriale Myopathie mit neurologischer Beteiligung sprächen die hohen ALAT Werte. Wegen der Einzelheiten wird auf die ausführlichen Ausführungen auf Seite 52 bis 58 des Gutachtens verwiesen. Die Diagnose LEMS müsse als Fehldiagnose angesprochen werden, obwohl die Neurologische Klinik in H eine ausgezeichnete Klinik für mitochondriale Funktionsstörungen sei, die deutschlandweit und international über Anerkennung verfüge. Aus der toxikologischen Literatur sei bekannt, dass zahlreiche Lösemittel, chlororganische
Substanzen mitochondriale Schäden auslösten, da sie die mitochondriale ATPase hemmten. Damit seien Neuropathien und Enzephalopathien entsprechend der BK Ziffer 1317 eigentlich
mitochondriale Enzephalo-Myopathien. Der Kläger sei Schadstoffen ausgesetzt gewesen, die neu-rotoxische Wirkungen auslösen könnten, letztlich aber über die Mitochondrienstörung biochemisch ihre grundlegende Störung entfalten würden. Schließlich sei die Diagnose LEMS im letzten Bericht der Universitätsklinik H vom 03. Februar 2005 über den stationären Aufenthalt vom 16. bis 20. November 2004 selbst infrage gestellt worden. Beim Kläger bestehe also eine Neuro Myopathie, die sich aufgrund mitochondrialer Funktionsstörungen entwickelt habe.
Nach Kenntnis des Gutachtens teilte die Beklagte mit, dass nunmehr geprüft werde, ob die neu diagnostizierte Neuro Myopathie tatsächlich vorliege und eine BK nach Nr. 1317 darstelle.
Mit Schreiben vom 29. August 2007 hat das Landessozialgericht darauf hingewiesen, dass die beabsichtigte Entscheidung der Beklagten über die BK 1317 nach § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens werde. Mit Beschluss vom 19. Dezember 2007 hat das Gericht das Ruhen des Verfahrens angeordnet.
In der Folgezeit nahm die Beklagte zunächst Ermittlungen zur Exposition des Klägers am Ar-beitsplatz auf. In der Stellungnahme zur Arbeitsplatzexposition vom 11. Juli 2007 führte Dipl. Chem. W aus, für den Kläger habe in den Zeiträumen von Februar 1989 bis Mai 1990 und Mai 1991 bis Dezember 1994 arbeitstäglich regelmäßig im überwiegenden Schichtanteil inhalative und dermale Exposition gegenüber organischen Lösungsmitteln und deren Gemi-schen bestanden, so wie sie im Merkblatt zur BK beschrieben sei. Die dauerhaft sichere Einhaltung der Grenzwerte sei nicht mehr messtechnisch festzustellen. Der Präventionsdienst der Bau Berufsgenossenschaft teilte unter dem 09. Oktober 2007 mit, dass im Zeitraum von September 1984 bis Dezember 1988 ein beruflicher Kontakt zu neurotoxischen Lösungsmitteln und deren Gemischen, die geeignet seien, eine BK 1317 zu verursachen, bestätigt werden
müsse, für den Zeitraum von Januar 1995 bis November 1997 in einem handwerklichen Malerbe-trieb gelte dies nicht.
Die Beklagte versuchte daraufhin, einen auf die vorliegende Problematik spezialisierten Gutachter zu finden. Der Chefarzt für Neurologie des Kreiskrankenhauses F teilte mit, dass Dr. K in seinem sehr gut recherchierten nachvollziehbaren Gutachten ausführlich begründet habe, warum die Diagnose des hoch anerkannten Muskelzentrums der Universitätsklinik H doch in Zweifel zu ziehen sei. Hier müsse ein hoch angesehener Experte im Bereich der Myopathie Stellung nehmen. Er empfahl Prof. Dr. RUniversitätsklinikum C GCKlinik und Poliklinik für Neurologie. Dieser führte in seinem neurologischen Fachgutachten vom 30. April 2009 aus, aufgrund der Beschwerden, der klinischen Untersuchung, des typischen Elektrophysiologiebefundes und der positiven Kalzium-Kanal-Antikörper bestehe kein Zweifel an der Diagnose LEMS. Es ergebe sich kein Anhalt für eine mitochondriale Myopathie.
Mit Bescheid vom 21. Juli 2009 hat die Beklagte die Anerkennung einer BK 1317 abgelehnt und sich auf das Gutachten des Prof. Dr. R bezogen.
Das Landessozialgericht hat das Verfahren daraufhin wieder aufgenommen und den Beteiligten mit Schreiben vom 21. Dezember 2009 mitgeteilt, dass der Bescheid vom 21. Juli 2009 Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden sei, weil im Hinblick auf den angefochtenen Bescheid vom 29. September 2003 nicht über eine neue BK entschieden worden, sondern die Ab-lehnung einer BK nach § 9 Abs. 1 SGB VII durch Bezugnahme auf eine bestimmte BK Nr., hier 1317, konkretisiert worden sei.
Das Landessozialgericht hat sodann Prof. Dr. A, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. In seinem Gutachten vom 05. Januar 2011 aufgrund einer ambulanten Untersuchung vom 08. Dezember 2010 führte dieser aus, der Kläger sei im Frühjahr 2000 nach einem fieberhaften Infekt an einer schweren muskulären Erkrankung, die bis heute anhaltend zu einem schweren muskulären Handicap geführt habe, erkrankt. Zum Zeitpunkt der aktuellen neurologischen Untersuchung handele es sich um das Bild einer ausgeprägten Myopathie ungeklärter Ätiologie mit neurophysiologischen Zeichen eines so genannten Inkrements im EMG, nach klinischen Symptomen und Zeichen sowie dem neurophysiologischen Befund jedoch vordergründig um ein Myopathie-Syndrom. Über neurotoxische Wirkungen von organischen Lösungsmittelgemischen bei exponierten Arbeitern sowie den daraus resultierenden Erkrankungen einer Enzephalopathie und Neuropathie seien Ende der 70 er Jahre eine Reihe größerer epidemiologischer Studien aus Skandinavien publiziert worden. In den folgenden Jahren seien die Erkenntnisse über neurotoxische Krankheitsbilder durch Lösungsmittel in einer Vielzahl von internationalen Kongressen und Arbeitssitzungen zusammengetragen worden. Die chronischen Lösungsmittel-Enzephalopathien ließen sich nach den diagnostischen Kriterien einer WHO Expertengruppe in drei Stadien beschreiben. Für die Entwicklung einer solchen Enzephalopathie seien in der Regel eine Exposition von mindestens zehn Jahren sowie tägliche Expositionszeiten von mehreren Stunden vorauszusetzen. Bei außergewöhnlich hohen Belastungen könne eine toxische Enzephalopathie schon nach kürzeren Expositionszeiten entstehen. Polyneuropathien bildeten sich in der Regel nach Absetzen der Exposition wieder zurück, Enzephalopathien blieben dagegen bestehen. Im Hinblick auf die Anerkennung einer BK sei die Differenzialdiagnose gegenüber anderen neurologischen Erkrankungen außerordentlich wichtig. Polyneuropathien durch organische Lösungsmittel seien in der Regel distalsymmetrische sensomotorische oder motosensorische Neuropathien. Alle anderen klinischen Erscheinungsbilder seien untypisch für Lösungsmittelerkrankungen. Myopathien, Myasthenie-Syndrome und LEMS gehörten nicht zum Spektrum der durch organische Lösungsmittel indizierten neurologischen Krankheitsbilder. Weder nach der Anamnese, dem Verlauf, den früheren Untersuchungsbefunden noch dem aktuellen neurologischen Untersuchungsbefund fänden sich Hinweise für eine Polyneuropathie oder eine Enzephalopathie. Letztlich seien Myopathie-Syndrome ungeklärter Ätiologie zu diagnostizieren. Ein LEMS könne nicht bestätigt werden, da weder Anhaltspunkte für einen malignen Tumor noch für eine Autoimmunkrankheit bestün-den. Am wahrscheinlichsten handele es sich um eine bisher ätiologisch nicht sicher zugeordne-te metabolische Myopathie, die häufigste Stoffwechselstörung des Skelettmuskels, oder aber um andere metabolische Myopathien. Eine weitere differenzialdiagnostische Abklärung des Myopathie-Syndroms sei im Hinblick auf die Beweisfragen des Gerichts aber entbehrlich, da keine dieser Formen auf Lösungsmittel zurückzuführen seien.
Auf Nachfrage hat Prof. Dr. A in einer ergänzenden Stellungnahme vom 23. April 2011 ausgeführt, warum es an einer Polyneuropathie und einer Enzephalopathie fehle. Unter Nennung der klinischen Zeichen und Symptome sowie Schilderung der Anordnung der Sensibilitätsstörungen führte er aus, dass in den bisherigen Untersuchungen keinerlei Zeichen einer Polyneuropathie nachweisbar gewesen seien. Auch bei den sehr ausführlichen neurophysiologischen Untersuchungen seien im Laufe der Jahre zu keinem Zeitpunkt neurophysiologische Parameter auf-getreten, die für das Vorliegen einer Polyneuropathie, weder für eine axonale noch für eine demyelisierende Form, beweisend gewesen wären. Die von Dr. K geäußerte Annahme, dass bei dem Kläger primär eine symmetrische axonale Polyneuropathie vorliege, die auch das zentrale Nervensystem betreffe, sei völlig abstrus. Zum einen werde übersehen, dass weder die früheren neurologischen Untersuchungen noch die aktuelle neurologische Untersuchung klinische oder neurophysiologische Hinweise für das Vorliegen einer axonalen Polyneuropathie ergeben hätten. Zum anderen sei die Vorstellung, dass periphere Neuropathien auch das zentrale Nervensystem mit betreffen könnten und damit eine Enzephalopathie hervorrufen könnten, völlig außerhalb des wissenschaftlichen Erkenntnisstandes der klinischen Neurologie. Bei der Enzephalopathie handele es sich um eine diffuse Störung des gesamten Gehirns. Beim Kläger hätten über die Jahre keine Hinweise für cerebrale Funktionsstörungen, intellektuelle Defizite und so genannte kognitive Einbußen vorgelegen. Neuropsychologische Testverfahren bei der aktuellen Begutachtung hätten keinerlei Hinweise für kognitive Einbußen oder ein demenzielles Syndrom ergeben. Auch aus den bunten Bildern einer PET Untersuchung lasse sich nicht die Diagnose einer Enzephalopathie stellen. Ausschließlich in einer Zusammenschau aus klinischen, neurologischen und neuropsychologischen Befunden lasse sich eine derartige
bildgebende Untersuchung einordnen.
Dazu hat Dr. K eine ergänzende Stellungnahme vom 17. Juni 2011 abgegeben, in der er an der LEMS als Fehldiagnose festhält und auf nicht weiter benannte arbeitsmedizinische und toxikologische Literatur Bezug nimmt. In einer weiteren Stellungnahme vom 22. September 2011 hat Prof. Dr. A an seiner Auffassung festgehalten.
Mit Schreiben vom 24. Februar 2012 hat Dr. K aufgrund weiterer Befunde die Diagnose einer mitochondrialen Zytopathie mit Kohlenhydratverwertungsstörungen (ICD 10 E 74.9) gestellt. Die Ursache sei wissenschaftlich noch nicht klärbar. Hierzu hat Prof. Dr. Aeine weitere Stellungnahme vom 31. März 2012 abgegeben.
Die Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 16. März 2005, den Bescheid der Beklagten vom 26. Juni 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29. September 2003 sowie den
Bescheid vom 21. Juli 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, eine mitochondriale Enzephalo-Neuro-Myopathie als
Berufskrankheit Nr. 1317 oder als "Wie-BK" nach § 9 Abs. 2 SGB VII anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf den Inhalt ihrer Bescheide und das Ergebnis der Beweisaufnahme.
Im Termin vom 26. April 2012 hat das Gericht Prof. Dr. A als Sachverständigen gehört.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Sachdarstellung und der Rechtsausführungen wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten und auf die Gerichtsakten Bezug genommen. Diese haben im Termin vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Er hat keinen Anspruch auf die Anerkennung seiner Erkrankung als BK 1317 und auch keinen Anspruch auf Anerkennung dieser Erkrankung als so genannte Wie BK nach § 9 Abs. 2 SGB VII.
Ermächtigungsgrundlage für die Bezeichnung von BKen ist § 9 Abs. 1 SGB VII. Danach sind BKen Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeiten erleiden.
Gemäß diesen Vorgaben lassen sich bei einer Listen BK im Regelfall folgende Tatbestandsmerkmale ableiten, die ggf. bei einzelnen Listen BKen einer Modifikation bedürfen: Die Verrichtung einer grundsätzlich versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen o. ä. auf den Körper geführt haben (Einwir-kungskausalität) und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), vgl. z. B. Urteil vom 02. April 2009, B 2 U 7/08 m. w. N.).
Entscheidungsbasis für die erforderliche Kausalitätsbeurteilung muss der aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisstand sein (BSG vom 09. Mai 2006 B 2 U 1/05 R , Rdnr. 25 ff. und BSG vom 02. April 2009, a. a. O., Rdnr. 26, beide zitiert nach juris). Erforderlich ist jeweils eine einzelfallbezogene positive Feststellung sowohl der Verursachung nach der Bedingungs-theorie als auch der wesentlichen Verursachung der vorliegenden Erkrankung durch die versicherten Einwirkungen. Das bloße Fehlen von konkurrierenden Ursachen genügt bei komplexen Krankheitsgeschehen, die mehrere Ursachen haben können, gerade nicht (BSG vom 09. Mai 2006, a. a. O., Rdnr. 20, 28 f., 39 und BSG vom 02. April 2009, a. a. O., Rdnr. 26). Beweismaßstab für die haftungsbegründende Kausalität ist die hinreichende Wahrscheinlichkeit.
Danach steht zur Überzeugung des Senats zwar fest, dass die ursprünglich gestellte Diagnose eines LEMS nicht mehr haltbar ist, was sich aus den insoweit überzeugenden Gutachten des Dr. K, des Prof. Dr. A und auch aus dem letzten Bericht der Universitätsklinik H vom 03. Februar 2005 ergibt, welche ihre ursprüngliche Diagnose selbst relativiert hat. Damit scheitert der Anspruch des Klägers nicht schon daran, dass eine Autoimmunkrankheit vorliegt, die ihre Ursache schon grundsätzlich nicht in beruflichen Einwirkungen haben kann.
Vorliegend fehlt es aber an den im Vollbeweis zu sichernden Erkrankungen einer Polyneuropathie oder einer Enzephalopathie im Sinne des BK Tatbestandes Nr. 1317. Insoweit stellt der Senat aufgrund der überzeugenden Ausführungen des Prof. Dr. A gerade in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 23. April 2011 fest, dass eine Enzephalopathie und eine Polyneuropathie nicht vorliegen. Überzeugend hat Prof. Dr. A auch in der mündlichen Verhandlung vom 26. April 2012 noch einmal begründet, warum es an beiden Erkrankungen fehlt. Danach steht für den Senat fest, dass es an den klinischen Zeichen einer Polyneuropathie fehlt, weil die in der Stellungnahme vom 23. April 2011 aufgeführten klinischen Symptome (Blatt 3 unten bis Blatt 5 oben der Stellungnahme) gerade fehlen und auch die neurophysiologischen Untersuchungen über Jahre hinaus keine derartige Diagnose zulassen. Für eine Enzephalopathie fehlt es an den hier vorausgesetzten Gedächtnisstörungen, wie Prof. Dr. A überzeugend schon in seinem Gutachten ausgeführt hat. Der Hinweis des Dr. K auf allgemeine geistige Erschöpfungszustände und auf unbestrittene Muskeldefizite der Extremitäten reicht insoweit nicht aus, um differenzialdiagnostisch von einer Polyneuropathie auszugehen. Allerdings ist insoweit zuzugeben, dass Dr. K diese Diagnosen so auch nicht gestellt hat, sondern von einer neurogen bedingten Myopathie ausgeht, die ihre Ursache in den lösungsmitteltoxischen Einwirkungen haben soll.
Damit steht es für den Senat nicht infrage, dass eine Enzephalopathie oder eine Polyneuropathie nicht vorliegt.
Der Senat geht zwar davon aus, dass auch die Myopathie eine neurologische Erkrankung ist. Sie ist aber eine neurologische Erkrankung des Muskels, während Polyneuropathien die peripheren Nerven und Enzephalopathien das Gehirn betreffen. Damit ist die Myopathie nicht unter die in der BK 1317 genannten Erkrankungen Polyneuropathie und Enzephalopathie zu subsumieren. Weiter kann der Senat nach den Ausführungen des Prof. Dr. A gerade auch in der Sitzung vom 26. April 2012 feststellen, dass Myopathien, seien es die von Dr. K angenommenen mitochondrialen oder die von Prof. Dr. A diagnostizierten metabolischen Myopathien, nicht durch Lösungsmittel und deren Gemische verursacht sein können. Prof. Dr. A hat
überzeugend dargelegt, dass Schädigungen der Mitochondrien, die Dr. Kfür das Krankheitsbild des Klägers verantwortlich macht, nach Lösungsmittelexpositionen gerade nicht auftreten. Er hat dies für den Senat nachvollziehbar damit begründet, dass Schädigungen der Mitochondrien strahlenmikroskopisch sichtbar gemacht werden könnten, solche Schädigungen bei gegenüber organischen Lösungsmitteln exponierten Arbeitern aber gerade nicht hätten nachgewiesen werden können.
Lösungsmittelinduzierte Erkrankungen nehmen ihren Weg über eine Schädigung der Nerven, die in der Folge dann auch zu Schädigungen des Muskels führen. Prof. Dr. A hat auch in der mündlichen Verhandlung noch einmal auf eine Vielzahl von Studien hingewiesen, in denen der Zusammenhang von Lösungsmitteleinwirkungen und Nervenschädigungen als bewiesen ange-sehen werden muss, was auch zur Anerkennung der BK Nr. 1317 durch den Verordnungsgeber geführt hat. Die Verursachung dieser Erkrankungen lässt sich somit als lösungsmitteltoxische Schädigung der Nerven beschreiben, die in der Folge zu Muskelschädigungen führen.
Anders definiert sind die beim Kläger vorliegenden Myopathien (s.o.). Dabei kann der Senat feststellen, dass es für den hier zu beurteilenden Sachzusammenhang nicht von Bedeutung ist, ob eine metabolische Myopathie, also auf einer Stoffwechselstörung des Klägers beruhende Myopathie, vorliegt oder eine so genannte mitochondriale Myopathie, wie Dr. K diese annimmt. Die Unterscheidung der beiden Myopathien beruht letztlich auf ihrer Verursachung. Dass eine stoffwechseleigene Störung mit der Folge einer Myopathie keine BK sein kann, bedarf keiner weiteren Erläuterung. Insoweit sind autoimmune Vorgänge schädigend. Eine mitochondriale Myopathie ist im hier vorliegenden Zusammenhang nur von Bedeutung, wenn sie durch organische Lösungsmittel verursacht ist.
Für die Kausalitätsbeurteilung entscheidend ist damit, ob die Mitochondrien durch die organischen Lösungsmittel geschädigt werden. Hierzu hat Prof. Dr. A in seiner Stellungnahme vom 22. September 2011 noch einmal ausdrücklich ausgeführt, dass primär mitochondriale Störun-gen nicht der Schädigungsmechanismus bei Lösungsmittelneuropathien seien. Dies hat er für den Senat überzeugend damit begründet, dass nach allen Erkenntnissen der toxikologischen Wissenschaft zu Lösungsmitteleinwirkungen diese gerade die Nerven schädigen und nicht die Mitochondrien der Muskeln. Sind letztere Ausgangspunkt der Erkrankung, liegt eine Kausalität der beruflichen Einwirkungen durch Lösungsmittel gerade nicht vor. Dr. K beharrt in diesem Zusammenhang darauf, dass eine mitochondriale Myopathie und damit eine Störung der Mitochondrien die Ursache der Erkrankung ist. Selbst wenn dies richtig wäre, würde dies eine Haftung der Beklagten nicht begründen, weil eine Schädigung der Mitochondrien durch Lösungsmitteleinwirkungen gerade nicht der herrschenden Meinung und somit dem herrschenden wis-senschaftlichen Erkenntnisstand entspricht. Zwar hat Dr. K insbesondere in seinem Gutachten vom 11. Juli 2006 behauptet, dass aus der toxikologischen Literatur bekannt sei, dass zahlrei-che Lösungsmittel mitochondriale Schäden auslösten, da sie die mitochondriale ATPase hemmten. Diese Äußerung auf Seite 64 seines Gutachtens hat er aber in keiner Weise begründet. Auch aus der schmalen Literaturliste, die seinem Gutachten beigefügt ist, erschließt sich nicht, woher diese Erkenntnis stammen soll. Dies gilt erst recht, nachdem Prof. Dr. A in seinem Gutachten ausführlich zum herrschenden Wissensstand der Neurologie und zu Einwirkungen durch Lösungsmittel Stellung genommen hat. Angesicht dieser Ausführungen wäre Dr. K auf-gerufen gewesen, seine Auffassung zu begründen, die nach den Ausführungen des Prof. Dr. A in diametralem Gegensatz zu den Erkenntnissen der neurologisch-toxikologischen Wissen-schaft steht. Eine durch nichts belegte Behauptung in einem Satz, die auch nach mehrfacher Kritik durch Prof. Dr. A nur wiederholt wird, vermag den Senat nicht von der Richtigkeit der Behauptung zu überzeugen.
Damit steht fest, dass die Voraussetzungen der Anerkennung einer BK 1317 nicht vorliegen.
Damit scheidet im vorliegenden Fall auch ein Anspruch auf Anerkennung der Myopathie als "Wie BK" nach § 9 Abs. 2 SGB VII aus. Denn auch nach dieser Vorschrift ist es neben weiteren Voraussetzungen erforderlich, dass im Einzelfall mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden kann, dass die beruflichen Einwirkungen die Erkrankung wesentlich verursacht haben. Gerade an einer solchen mit Wahrscheinlichkeit festzustellenden wesentlichen Verursachung der Myopathie durch die berufliche Lösungsmittelexposition fehlt es aber, wie gerade ausgeführt wurde. Denn die Schädigung der Mitochondrien, die Dr. K als Ursache der Myopathie anschuldigt, kann gerade nicht durch organische Lösungsmittel verursacht sein. Prof. Dr. A hat in der mündlichen Verhandlung vom 26. April 2012 auch noch einmal bestätigt, dass keine neuen Erkenntnisse der Wissenschaft vorliegen
Danach war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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