Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 9 KR 153/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 3164/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 29.06.2010 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beklagte wehrt sich mit der Berufung gegen die Verurteilung, der Klägerin für die Anfertigung eines Zahnersatzes auf der Grundlage des Heil- und Kostenplans vom 05.03.2009 einen weiteren Kostenzuschuss in Höhe von 3.182,24 EUR zu gewähren.
Die 1962 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich versichert.
Am 05.03.2009 erstellte die Zahnärztin Dr. B. wegen der Anfertigung eines Zahnersatzes einen Heil- und Kostenplan über einen Gesamtbetrag (geschätzt) von 4.395,36 EUR. Dabei wurde u.a. die Teleskopierung aller im Oberkiefer verbliebenen Zähne vorgesehen.
Am 01.04.2009 genehmigte die Beklagte gegenüber Dr. B. für die Durchführung dieses Zahnersatzes einen Festzuschuss in Höhe von 1.213,12 EUR. Hierbei wurde ein Bonus von 30 % berücksichtigt.
Hiergegen legte die Klägerin am 22.07.2009 Widerspruch ein, beantragte die volle Kostenübernahme und trug vor, wegen ihrer Brustkrebserkrankung hätten ein Teil der Brust- und sämtliche Lymphknoten im rechten Arm entfernt werden müssen. Zusätzlich sei eine Strahlentherapie durchgeführt worden und sie habe über einen längeren Zeitraum Medikamente (Arimidex und Zometa) einnehmen müssen. Dies alles habe zusammen als Nebenwirkung zu einer Schädigung sowie zu einem Abbau des Kieferknochens geführt, wodurch der Zahnersatz erforderlich geworden sei. Somit bestehe zwischen der Therapie der Brustkrebserkrankung und der Zahnschädigung ein kausaler Zusammenhang, so dass die Zahnbehandlung Teil der Krebstherapie sei. Daher habe die Beklagte die vollen Kosten des Zahnersatzes zu übernehmen. Ergänzend wies die Klägerin darauf hin, dass das Medikament Zometa nach der Patienteninformation als Nebenwirkung (vor allem bei intravenöser Anwendung und zusätzlicher Chemotherapie) das Risiko einer Kieferosteonekrose erhöhe.
In dem Befundbericht vom 06.08.2009 bestätigte der Arzt für Innere Medizin Dr. D., dass die Klägerin im Rahmen der Krebsbehandlung Zometa-Infusionen erhalten habe. Hierdurch habe sich eine Osteonekrose im Kieferbereich entwickelt, wodurch die Klägerin ihren gesamten Zahnstatus verloren habe.
Nachdem sie aufgrund des Antrags der Klägerin auf Befreiung von der Zuzahlung festgestellt hatte, dass die zumutbare Belastung höher ist als der Eigenanteil, teilte die Beklagte mit Schreiben vom 24.08.2009 der Klägerin mit, dass eine höhere Kostenbeteiligung nur bei Vorliegen eines Härtefalls im Rahmen von § 55 Abs. 2 und 3 SGB V möglich sei. Ein höherer Kostenzuschuss bzw. volle Kostenübernahme aufgrund ihrer Erkrankung werde nicht gewährt.
Die Klägerin legte mit Schreiben vom 20.08.2009 ein Attest von Dr. B. vom 20.08.2009 vor, wonach das Medikament Zometa bekanntermaßen unter anderem als Nebenwirkung Osteonekrosen im Kieferbereich verursachen könne. Nach der Behandlung mit diesem Medikament sei es bei der Klägerin zu einem signifikanten Knochenrückgang mit Zahnlockerung gekommen. Trotz sehr guter Mitarbeit der Klägerin sei der Erhalt bestimmter Zähne nicht möglich gewesen. Hierdurch sei die Anfertigung von Zahnersatz erforderlich geworden. Die Teleskopierung der Zähne sei im Hinblick auf die parodontale Vorschädigung unumgänglich gewesen und biete die beste Prognose für den Erhalt der Pfeiler. Der zeitliche und kausale Zusammenhang mit der Zometa-Behandlung und der deutlichen Verschlechterung des Kieferknochens sei nachweisbar.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14.12.2009 wurde der Widerspruch der Klägerin zurückgewiesen. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, der (vermutete) Zusammenhang der Zahnersatzversorgung mit der früheren Krebsbehandlung rechtfertige keine höhere Kostenübernahme. Das Bundessozialgericht (BSG) habe bereits entschieden, dass der Zusammenhang der zahnprothetischen Versorgung mit einer anderen Erkrankung keinen Anspruch auf eine höhere Kostenbeteiligung begründe. Denn auf die Frage, aus welchem Grunde der Zahnersatz notwendig sei, komme es nicht an (Urteil vom 06.10.1999 - B 1 KR 9/99 -). Etwas anderes könne sich aus verfassungsrechtlichen Gründen nur dann ergeben, wenn die Notwendigkeit des Zahnersatzes auf einer von der gesetzlichen Krankenversicherung gewährten Erstbehandlung beruhe, die sich im Nachhinein als gesundheitsschädlich und somit als hoheitlicher Eingriff in nicht-vermögenswerte Rechtsgüter darstelle. Ein solcher Ausnahmefall könne jedoch nur dann angenommen werden, wenn der behandelnde Arzt im Rahmen der Erstbehandlung aufgrund der Vorgaben des Krankenversicherungsrechts ohne Spielraum verpflichtet gewesen sei, eine bestimmte Untersuchungs- oder Behandlungsmethode anzuwenden. Nur dann liege eine Aufopferungssituation vor, die es gebiete, die Kosten des Zahnersatzes in vollem Umfang zu übernehmen. Aus Gutachten des MDK zu vergleichbaren Sachverhalten sei bekannt, dass postoperative Bestrahlungen bei Tumoren zum Standard des onkologischen Therapiespektrums gehörten. Eine die ärztliche Therapie einschränkende Vorgabe des Leistungserbringungsrechts sei nicht bekannt. Das gleiche gelte auch für die zum Einsatz gekommene Arzneimitteltherapie. Der Aufopferungsgedanke sei daher nicht anwendbar.
Die Klägerin hat ihr Begehren weiterverfolgt, am 14.01.2010 Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben und zusammenfassend nochmals vorgetragen, sie habe nach der Brustkrebsoperation über einen längeren Zeitraum die Medikamente Arimidex und Zometa einnehmen müssen. Als Nebenwirkung sei es hierdurch zu einer Schädigung bzw. zu einem Abbau des Kieferknochens gekommen, wodurch eine umfangreiche Zahnbehandlung erforderlich geworden sei (Zahnersatz). Nach Auffassung der Beklagten komme es nicht darauf an, aus welchem Grunde der Zahnersatz notwendig geworden sei. Dies könne allerdings nicht gelten, wenn die notwendige Behandlung einer Brustkrebserkrankung zu einer Zahnschädigung geführt habe. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat Bezug auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid genommen.
Das SG hat die behandelnden Ärzte der Klägerin als sachverständige Zeugen vernommen. Mit Schreiben vom 02.03.2010 hat der Arzt für Gynäkologie Dr. B. über die Behandlung der Klägerin von Februar 2002 bis Januar 2010 berichtet. In Zusammenhang mit der Brustkrebserkrankung habe er die Klägerin mit drei vom Tumorboard der Universitätsfrauenklinik Mannheim empfohlenen Medikamenten behandelt (Arimidex, Trenantone und Zoladex). Zudem sei die Klägerin seines Wissens von der Universitätsfrauenklinik auch mit dem Medikament Zometa behandelt worden. Dieses könne in seltenen Fällen Osteonekrosen, bevorzugt im Kieferbereich, verursachen. Ob zwischen der Kiefersymptomatik und den von der Klägerin eingenommenen Medikamenten tatsächlich ein Zusammenhang bestehe, könne er nicht beurteilen.
Mit Schreiben vom 04.03.2010 hat Dr. B. über die zahnärztliche Behandlung der Klägerin seit 1992 berichtet. Am 07.12.2004 habe sie im Rahmen einer Vorsorgeuntersuchung einen starken Zahnfleischschwund mit Lockerung der Frontzähne (12- 22) festgestellt. Daher sei im ersten Halbjahr 2005 eine Zahnersatzbehandlung durchgeführt worden. Die in diesem Zusammenhang angefertigten Röntgenaufnahmen hätten einen deutlichen horizontalen und trichterförmigen Knochenabbau im Ober- und Unterkiefer dokumentiert. Die Degeneration des Knochens mit beginnender Zahnlockerung könne im zeitlichen Zusammenhang mit der Chemotherapie zur Behandlung der Krebserkrankung gesehen werden. Im Januar 2009 sei wegen einer drittgradigen Lockerung weiterer Zähne ein nochmaliger Zahnersatz erforderlich geworden. In diesem Zusammenhang habe sich die Klägerin nach mehrfacher Aufklärung und Beratung für eine über die Regelversorgung hinausgehende Behandlung entschieden. Nach ihrer Auffassung bestehe zwischen dem starken Zahnfleischschwund und der Knochendegeneration im Kieferbereich und der Krebstherapie (zytotoxische Medikamente, Bisphosphonattherapie) ein zeitlicher und kausaler Zusammenhang. In mehreren Quellen werde insbesondere für das Medikament Zometa eine entsprechende Nebenwirkung beschrieben. Da die Halbwertzeit zwischen einigen Monaten und Jahren differieren könne, könne auch der Degenerationsschub im Kalenderjahr 2009 mit der Medikamenteinnahme in den Jahren 2004/2005 in Verbindung gebracht werden. Sicher müssten die erneute Bakterienbesiedlung der schon vor 2005 entstandenen Taschen und das Alter der Klägerin als Co-Faktoren berücksichtigt werden. Wichtig sei festzustellen, dass eine Osteonekrose des Kieferknochens (bekannteste Nebenwirkung von Zometa) weder von ihr noch von Dr. Sp. während der gesamten Behandlungszeit diagnostiziert worden sei. Nach verschiedenen Klinikberichten bestehe diese hochdramatische Gefahr nach dem Absetzen von Zometa wohl weiterhin noch Jahre fort.
Mit Urteil vom 29.06.2010 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung des Widerspruchsbescheids vom 14.12.2009 verurteilt, der Klägerin in Bezug auf den Heil- und Kostenplan vom 05.03.2009 einen weiteren Kostenzuschuss in Höhe von 3.182,24 EUR zu gewähren. In den Gründen hat das SG im Wesentlichen ausgeführt, nach Auffassung des Gerichts kämen vorliegend die Vorschriften des 7. Abschnitts des 3. Kapitels des SGB V (§§ 55 ff. SGB V), die die Leistungen für Zahnersatz im Rahmen der Gesetzlichen Krankenversicherung in der Regel auf einen Festkostenzuschuss begrenzten, nicht zur Anwendung. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe entschieden, dass die gesetzliche Krankenversicherung unter dem Gesichtspunkt der Aufopferung eine vollständige Finanzierung bzw. Durchführung des Zahnersatzes schulde, wenn der Kassenarzt bei Beachtung der Regeln der ärztlichen Kunst und der leistungsrechtlichen Vorgaben des SGB V bei einem (nicht-zahnärztlichen Krankheitsbild) ohne Alternative verpflichtet gewesen sei, eine bestimmte Heilmethode durchzuführen und es hierdurch zu einer Zahnschädigung gekommen sei, die nur mit den Mitteln des Zahnersatzes behoben werden könne (Beschluss vom 14.08.1998 - 1 BvR 897/98 -). Hieran anknüpfend bejahe das BSG unter dem Gesichtspunkt der Aufopferung einen unbeschränkten Anspruch auf Durchführung bzw. Finanzierung von Zahnersatz, wenn eine frühere Leistung der Krankenkasse den jetzigen Handlungsbedarf veranlasst habe und sich die Zahnschädigung somit als hoheitlicher Eingriff darstelle (Urteil vom 06.10.1999 - B 1 KR 9/99 R -). Unter Berücksichtigung dieser rechtlichen Vorgaben sei das Sozialgericht überzeugt; dass vorliegend ein solcher "Aufopferungsfall" gegeben sei. Denn die mit der Klagebegründung vorgelegte Patienteninformation für das Medikament "Zometa" belege, dass es durch die Verabreichung dieses Präparats zu Knochennekrosen, vor allem im Kieferbereich, kommen könne. Dieses Risiko sei relativ hoch zu gewichten, denn es trete nach der Patienteninformation bei einem von hundert bis einem von tausend Patienten auf. Dieses Nebenwirkungsrisiko werde von den behandelnden Ärzten (Dr. B. und Dr. B.) ausdrücklich bestätigt. Auch die Beklagte habe in dem Erörterungstermin am 16.06.2010 eingeräumt, es handele sich vorliegend nicht um einen Einzelfall, es komme immer wieder vor, dass in Zusammenhang mit einer Krebstherapie nachfolgend Zahnprobleme aufträten. Aus einer Vielzahl von anderen Fällen sei dem Gericht zudem bekannt, dass das Behandlungsschema, mit dem die Klägerin wegen ihrer Brustkrebserkrankung behandelt worden sei (Operation mit nachfolgender Strahlen- und Chemotherapie, Gabe von speziellen onkologischen Medikamenten), dem schulmedizinischen Standard entspreche und eine anerkannte Behandlungsalternative hierzu nicht bestehe. Da konkurrierende Alternativursachen vorliegend nicht ersichtlich seien, nehme das Gericht zu Gunsten der Klägerin an, dass die Brustkrebstherapie die wesentliche Ursache für die später aufgetretene Zahnschädigung darstelle. Hierbei seien besonders etwaige Synergieeffekte zwischen den verschiedenen Medikamenten bzw. der Chemo- und Strahlentherapie zu berücksichtigen. Zusammenfassend sei es daher aus Sicht des Gerichts vorliegend geboten, die Durchführung des Zahnersatzes krankenversicherungsrechtlich nicht an den leistungsbeschränkenden Vorschriften der §§ 55 ff. SGB V zu messen. Vielmehr sei der Zahnersatz quasi als Nebenwirkung der Krebstherapie erforderlich geworden, so dass es unter Aufopferungsgesichtspunkten geboten sei, diesen im Rahmen der kassenzahnärztlichen Versorgung (§§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, 28 Abs. 2 SGB V) in voller Höhe zu Lasten der Beklagten - also ohne Eigenbeteiligung der Klägerin - durchzuführen.
Gegen dieses ihr am 05.07.2010 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 08.07.2010 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt und im Wesentlichen geltend gemacht, die Höhe der Festzuschüsse bemesse sich nach § 55 Abs. 1 SGB V. Gemäß ständiger BSG-Rechtsprechung führe ein möglicher ursächlicher Zusammenhang der zahnprothetischen Versorgung mit anderen Erkrankungen nicht zu einer Erhöhung des Zuschusses. Etwas anderes könne sich lediglich aus dem vom BVerfG entwickelten Rechtsgedanken der "Aufopferung" ergeben. Dieser liege gemäß des Bundessozialgerichts (Urteil vom 06.10.1999 - B 1 KR 10/99 R -) vor, wenn beispielsweise die Notwendigkeit des Zahnersatzes auf einer von einem Träger der Gesetzlichen Krankenversicherung gewährten Erstbehandlung beruhe, die sich im Nachhinein als gesundheitsschädlich erweise und sich als hoheitlicher Eingriff in nicht vermögenswerte Güter darstelle. Ein hoheitlicher Eingriff in diesem Sinne liege lediglich vor, wenn der behandelnde Arzt bei Einhaltung der Regeln der ärztlichen Kunst verpflichtet gewesen sei, eine ihm keinen Spielraum belassende Vorgabe des Leistungs- oder Leistungserbringerrechts zu beachten und nur eine bestimmte, gesundheitsschädigende Behandlungsmaßnahme anwenden durfte. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Zum einen seien die Nebenwirkungen von "Zometa" bereits vor Behandlungsbeginn bekannt gewesen. Zum anderen habe die Klägerin mit der erfahrenen Behandlung die einzig medizinisch sinnvolle, dem Therapiestandard entsprechende Behandlung erhalten. Eine durch die Vorgaben des Leistungserbringerrechts bedingte Beschränkung der Behandlungsmöglichkeiten liege nicht vor. Die Behandlung habe der Klägerin folglich auch kein Sonderopfer abverlangt.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 29.06.2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Auf Anforderung des Senats hat die Beklagte ein Gutachten des MDK eingeholt. In diesem Gutachten von Dr. med. Dr. med. dent. G. U. vom 03.12.2010 kommt dieser zu dem Ergebnis, dass ausschließliche Ursache der Zahnverluste Lockerungen aufgrund einer sich über viele Jahre entwickelnden entzündlichen marginalen Parodontopathie mit fortschreitendem Knochenabbau gewesen sei. Dieser Knochenabbau sei in der oberen Front bereits auf den Röntgenaufnahmen aus dem Jahr 1996 deutlich erkennbar und habe damit schon 8 Jahre vor der fraglichen Tumorerkrankung bestanden. Auf drei intraoralen Röntgenaufnahmen sei ein Knochenabbau von annähernd 50 % im Bereich der Schneidezähne und über 30 % im Bereich des linken Eckzahnes zu erkennen. Der Knochenabbau sei dann nachweislich über die Jahre 2001, 2005 und 2007 bis zur letzten Röntgendokumentation 01/2009 kontinuierlich immer weiter fortgeschritten. Dabei sei auffallend, dass die Ablagerung schattendichter subgingivaler Konkremente als maßgeblich unterstützender Faktor im Seitenzahnbereich immer mehr zugenommen habe. Die Medikation mit Zometa könne auch nicht als beschleunigendes Element des marginalen Knochenabbaus verantwortlich gemacht werden. Bei den in der Literatur inzwischen hinreichend beschriebenen Kiefernekrosen handele es sich um umschriebene Prozesse im Bereich eines vorausgegangenen invasiven Eingriffs wie einer Zahnextraktion oder anderen dentoalveolären Operationen, z.B., Wurzelspitzenresektion o.ä., die mit einer Eröffnung des Kieferknochens einhergingen. Durch eine bakterielle Kontamination der Knochenwunde komme es zum Untergang des Knochengewebes (Osteonekrose). Bei der Klägerin indes liege ein solcher eingrenzbarer Prozess nicht vor. Sie leide unter einer generalisierten entzündlichen Erkrankung, von welcher sämtliche Parodontien beider Kiefer betroffen seien. Ursprünglich vom Zahnfleisch ausgehend dringe die bakterielle Entzündung immer tiefer in den Parodontalspalt ein. Dabei komme es zu einer schleichend fortschreitenden Resorption des Knochengewebes, ohne dass Nekrosen aufträten.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten, der Gerichtsakten des SG und der Berufungsakten des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Die Berufung der Beklagten ist gem. §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne Zulassung durch das Sozialgericht statthaft. Die Berufung ist auch sonst gem. § 151 SGG zulässig.
Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Das SG hat die Beklagte zu Unrecht unter Aufhebung des Widerspruchsbescheids verurteilt, der Klägerin in Bezug auf den Heil- und Kostenplan vom 05.03.2009 einen weiteren Kostenzuschuss in Höhe von 3.182,24 EUR zu gewähren. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Übernahme weiterer Kosten ihrer Zahnbehandlung.
Die Klägerin hatte die vollständige Kostenübernahme der zahnärztlichen Behandlung entsprechend dem Heil- und Kostenplan vom 05.03.2009 mit ihrem Widerspruch vom 22.07.2009 gegen die Bewilligung der Festzuschüsse und des Bonus von 30% mit Bescheid vom 01.04.2009 beantragt. Der Bescheid vom 24.08.2009 ist Gegenstand des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 01.04.2009 geworden. Streitgegenstand ist damit der Bescheid der Beklagten vom 01.04.2009 in der Fassung des Bescheids vom 24.08.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.12.2009. Dieser ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, da sie keinen Anspruch auf eine über den Festzuschuss hinausgehende Kostenerstattung bzw. übernahme für die im April 2009 abgeschlossene Behandlung hat.
Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Dabei umfasst die Krankenbehandlung nach Satz 2 Ziff. 2 und Ziff. 2a dieser Vorschrift u.a. die zahnärztliche Behandlung und die Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen. Die zahnärztliche Behandlung beinhaltet nach § 28 Abs. 2 SGB V die Tätigkeit des Zahnarztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Zahn- und Kieferkrankheiten nach den Regeln der zahnärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist; sie umfasst auch konservierend chirurgische Leistungen und Röntgenleistungen, die im Zusammenhang mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen erbracht werden. Für Zahnersatzleistungen enthalten die §§ 55, 56 SGB V spezielle Regelungen. Danach hat die Klägerin einen Anspruch gegen die Beklagte auf den Festzuschuss, aber nicht darüber hinaus.
Nach § 55 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte nach den Vorgaben in den Sätzen 2 bis 7 Anspruch auf befundbezogene Festzuschüsse bei einer medizinisch notwendigen Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen (zahnärztliche und zahntechnische Leistungen) in den Fällen, in denen eine zahnprothetische Versorgung notwendig ist und die geplante Versorgung einer Methode entspricht, die gemäß § 135 Abs. 1 SGB V anerkannt ist.
Diese Voraussetzungen sind erfüllt, denn die Klägerin ist bei der Beklagten versichert, die Versorgung mit Zahnersatz war medizinisch notwendig und die von ihrem Zahnarzt durchgeführte Versorgung entsprach einer nach § 135 Abs. 1 SGB V anerkannten Methode.
Die Festzuschüsse umfassen 50 vom Hundert der nach § 57 Abs. 1 Satz 6 und Abs. 2 Satz 6 und 7 festgesetzten Beträge für die jeweilige Regelversorgung. Für eigene Bemühungen zur Gesunderhaltung der Zähne erhöhen sich die Festzuschüsse um 20 vom Hundert. Die Festzuschüsse erhöhen sich um weitere 10 vom Hundert, wenn der Versicherte seine Zähne regelmäßig gepflegt und in den letzten zehn Kalenderjahren vor Beginn der Behandlung, frühestens seit dem 1. Januar 1989, die Untersuchungen nach Satz 4 Nr. 1 und 2 ohne Unterbrechung in Anspruch genommen hat. Dies gilt nicht in den Fällen des Absatzes 2. Für Versicherte, die nach dem 31. Dezember 1978 geboren sind, gilt der Nachweis für eigene Bemühungen zur Gesunderhaltung der Zähne für die Jahre 1997 und 1998 als erbracht.
Nach § 55 Abs. 2 SGB V haben Versicherte bei der Versorgung mit Zahnersatz zusätzlich zu den Festzuschüssen nach Absatz 1 Satz 2 Anspruch auf einen Betrag in jeweils gleicher Höhe, angepasst an die Höhe der für die Regelversorgungsleistungen tatsächlich anfallenden Kosten, höchstens jedoch in Höhe der tatsächlich entstandenen Kosten, wenn sie ansonsten unzumutbar belastet würden; wählen Versicherte, die unzumutbar belastet würden, nach Absatz 4 oder 5 einen über die Regelversorgung hinausgehenden gleich- oder andersartigen Zahnersatz, leisten die Krankenkassen nur den doppelten Festzuschuss. Eine unzumutbare Belastung liegt u.a. vor, wenn die monatlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt des Versicherten 40 vom Hundert der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches nicht überschreiten. Mit dieser Regelung sollte sichergestellt werden, dass für einkommensschwache Versicherte die Kosten der jeweiligen Regelversorgung von der Krankenkasse vollständig übernommen werden (vgl. BT-Drucks. 15/1525 S. 92). Der Gesetzgeber hat aber in § 55 Abs. 2 Satz 1 Zweiter Halbsatz SGB V gleichzeitig ausdrücklich festgestellt, dass die Krankenkassen auch bei einkommensschwachen Versicherten nur den doppelten Festzuschuss leisten, wenn diese, ungeachtet ihrer wirtschaftlichen Lage, nach Abs. 4 oder 5 einen über die Regelversorgung hinausgehenden gleich- oder andersartigen Zahnersatz wählen (vgl. auch KassKomm-Höfler, § 55 SGB V RdNr. 29 ff.).
Die Klägerin, der ein um 30% erhöhter Festzuschuss gewährt worden ist, hat keinen Anspruch auf Übernahme weiterer Kosten für die Regelversorgung und die vorgesehenen Abweichungen (sekundäre Verblockung aller Zähne und Implantate durch herausnehmbare teleskopierende Brücken- und Prothesenkonstruktionen und nicht nur der Eckzähne mit primärer Verblockung der übrigen Zähne und Implantate durch Verbundbrücken). Die Beklagte hat zutreffend festgestellt, dass eine unzumutbare Belastung der Klägerin im Hinblick auf die Einkommenssituation nicht vorliegt. Allerdings wäre auch dann, wenn die Klägerin durch die Kosten dieser Behandlung wirtschaftlich unzumutbar belastet würde, der von der Beklagten für die Regelversorgung zu leistende Zuschuss nach § 55 Abs. 2 Satz 1 Zweiter Halbsatz SGB V auf den doppelten Festzuschuss begrenzt.
Eine Ausnahme von den oben genannten Grundsätzen und ein Anspruch auf Übernahme gesamten Kosten oder zumindest volle Übernahme der Kosten für die Regelversorgung lässt sich im vorliegenden Fall nicht rechtfertigen, weil sich, entgegen der Ansicht des SG und der Klägerin, schon ein Zusammenhang zwischen der notwendigen Zahnbehandlung und der vorausgegangenen Behandlung der Brustkrebserkrankung nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen lässt. Insoweit hat Dr. Dr. U. dargelegt, dass die Zähne 16, 25 und 26 und damit drei der neun zu ersetzenden Zähne bereits vor der Tumorerkrankung gefehlt hätten und durch Brückenglieder ersetzt gewesen seien. Ursache für die Zahnverluste seien ausschließlich Lockerungen aufgrund einer generalisierten entzündlichen Erkrankung, die vom Zahnfleisch ausgehend zu einer schleichend fortschreitenden Resorption des Knochengewebes von sämtlicher Parodontien beider Kiefer geführt habe. Dieser Knochenabbau sei in der oberen Front eindrucksvoll bereits auf den Röntgenaufnahmen aus dem Jahr 1996 zu sehen. Auf drei intraoralen Röntgenaufnahmen sei ein Knochenabbau von annähernd 50 % im Bereich der Schneidezähne und über 30 % im Bereich des linken Eckzahnes zu erkennen. Der Knochenabbau sei nachweislich über die Jahre 2001, 2005 und 2007 bis zur letzten Röntgendokumentation 01/2009 kontinuierlich immer weiter fortgeschritten. Demgegenüber handele es sich bei den im Zusammenhang mit der Einnahme von Zometa diskutierten Knochennekrosen um den Untergang des Knochengewebes (Osteonekrose) aufgrund einer bakteriellen Kontamination einer Knochenwunde. Dies sei ein eingrenzbarer Prozess, der bei der Klägerin nicht vorliege. Die Ausführungen sind überzeugend und schlüssig.
Auch die behandelnden Zahnärzte haben Knochennekrosen nicht festgestellt. Dies hat Dr. B. in ihrer schriftlichen Aussage vom 04.03.2010 ausdrücklich klargestellt. Soweit sie einen zeitlichen und kausalen Zusammenhang zwischen dem starken Zahnfleischschwund und der Knochendegeneration im Kieferbereich mit der Krebstherapie (zytotoxische Medikamente, Bisphosphonattherapie) sieht, kann dem nicht gefolgt werden. Der entzündungsbedingte Zahnfleischschwund und die hierauf beruhende Knochendegeneration haben bereits acht Jahre vor der Krebserkrankungen begonnen und sind kontinuierlich fortgeschritten. Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass eine Ausweitung und/oder Beschleunigung dieses Geschehens eingetreten ist, welche sich auf die Krebstherapie zurückführen ließe. Soweit die Klägerin sich auf Nebenwirkungen des Medikaments Zometa beruft, geht es dabei um Kiefernekrosen, die bei, wie dargelegt, nicht aufgetreten sind.
Der angegriffene Bescheid ist damit rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Es gibt keine Grundlage für die von ihr beanspruchte Übernahme eines über den um 30% er-höhten Festzuschuss hinausgehende Kostenübernahme für die streitgegenständliche Versorgung mit Zahnersatz. Verfassungsrechtliche Bedenken können nicht durchdringen. Das SGB V regelt in §§ 27 Abs. 1 Nr.2 und 2a, 28 Abs. 2 i.V.m. § 55 SGB V einen Katalog von Leistungen einschließlich der damit verbundenen Leistungsausschlüsse. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des BSG, dass dieser beschränkte Leistungskatalog verfassungsrechtlichen Anforderungen auch in den Fällen entspricht, in denen etwa die gesetzlich ausgeschlossene Art der Zahnersatzversor-gung als einzig medizinisch sinnvolle Leistung in Betracht kommt (vgl. BSG, Beschluss vom 23.05.2007 - B 1 KR 27/07 B -, veröffentlicht in Juris m.w.N.).
Die Berufung der Beklagten musste damit Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision lagen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beklagte wehrt sich mit der Berufung gegen die Verurteilung, der Klägerin für die Anfertigung eines Zahnersatzes auf der Grundlage des Heil- und Kostenplans vom 05.03.2009 einen weiteren Kostenzuschuss in Höhe von 3.182,24 EUR zu gewähren.
Die 1962 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich versichert.
Am 05.03.2009 erstellte die Zahnärztin Dr. B. wegen der Anfertigung eines Zahnersatzes einen Heil- und Kostenplan über einen Gesamtbetrag (geschätzt) von 4.395,36 EUR. Dabei wurde u.a. die Teleskopierung aller im Oberkiefer verbliebenen Zähne vorgesehen.
Am 01.04.2009 genehmigte die Beklagte gegenüber Dr. B. für die Durchführung dieses Zahnersatzes einen Festzuschuss in Höhe von 1.213,12 EUR. Hierbei wurde ein Bonus von 30 % berücksichtigt.
Hiergegen legte die Klägerin am 22.07.2009 Widerspruch ein, beantragte die volle Kostenübernahme und trug vor, wegen ihrer Brustkrebserkrankung hätten ein Teil der Brust- und sämtliche Lymphknoten im rechten Arm entfernt werden müssen. Zusätzlich sei eine Strahlentherapie durchgeführt worden und sie habe über einen längeren Zeitraum Medikamente (Arimidex und Zometa) einnehmen müssen. Dies alles habe zusammen als Nebenwirkung zu einer Schädigung sowie zu einem Abbau des Kieferknochens geführt, wodurch der Zahnersatz erforderlich geworden sei. Somit bestehe zwischen der Therapie der Brustkrebserkrankung und der Zahnschädigung ein kausaler Zusammenhang, so dass die Zahnbehandlung Teil der Krebstherapie sei. Daher habe die Beklagte die vollen Kosten des Zahnersatzes zu übernehmen. Ergänzend wies die Klägerin darauf hin, dass das Medikament Zometa nach der Patienteninformation als Nebenwirkung (vor allem bei intravenöser Anwendung und zusätzlicher Chemotherapie) das Risiko einer Kieferosteonekrose erhöhe.
In dem Befundbericht vom 06.08.2009 bestätigte der Arzt für Innere Medizin Dr. D., dass die Klägerin im Rahmen der Krebsbehandlung Zometa-Infusionen erhalten habe. Hierdurch habe sich eine Osteonekrose im Kieferbereich entwickelt, wodurch die Klägerin ihren gesamten Zahnstatus verloren habe.
Nachdem sie aufgrund des Antrags der Klägerin auf Befreiung von der Zuzahlung festgestellt hatte, dass die zumutbare Belastung höher ist als der Eigenanteil, teilte die Beklagte mit Schreiben vom 24.08.2009 der Klägerin mit, dass eine höhere Kostenbeteiligung nur bei Vorliegen eines Härtefalls im Rahmen von § 55 Abs. 2 und 3 SGB V möglich sei. Ein höherer Kostenzuschuss bzw. volle Kostenübernahme aufgrund ihrer Erkrankung werde nicht gewährt.
Die Klägerin legte mit Schreiben vom 20.08.2009 ein Attest von Dr. B. vom 20.08.2009 vor, wonach das Medikament Zometa bekanntermaßen unter anderem als Nebenwirkung Osteonekrosen im Kieferbereich verursachen könne. Nach der Behandlung mit diesem Medikament sei es bei der Klägerin zu einem signifikanten Knochenrückgang mit Zahnlockerung gekommen. Trotz sehr guter Mitarbeit der Klägerin sei der Erhalt bestimmter Zähne nicht möglich gewesen. Hierdurch sei die Anfertigung von Zahnersatz erforderlich geworden. Die Teleskopierung der Zähne sei im Hinblick auf die parodontale Vorschädigung unumgänglich gewesen und biete die beste Prognose für den Erhalt der Pfeiler. Der zeitliche und kausale Zusammenhang mit der Zometa-Behandlung und der deutlichen Verschlechterung des Kieferknochens sei nachweisbar.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14.12.2009 wurde der Widerspruch der Klägerin zurückgewiesen. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, der (vermutete) Zusammenhang der Zahnersatzversorgung mit der früheren Krebsbehandlung rechtfertige keine höhere Kostenübernahme. Das Bundessozialgericht (BSG) habe bereits entschieden, dass der Zusammenhang der zahnprothetischen Versorgung mit einer anderen Erkrankung keinen Anspruch auf eine höhere Kostenbeteiligung begründe. Denn auf die Frage, aus welchem Grunde der Zahnersatz notwendig sei, komme es nicht an (Urteil vom 06.10.1999 - B 1 KR 9/99 -). Etwas anderes könne sich aus verfassungsrechtlichen Gründen nur dann ergeben, wenn die Notwendigkeit des Zahnersatzes auf einer von der gesetzlichen Krankenversicherung gewährten Erstbehandlung beruhe, die sich im Nachhinein als gesundheitsschädlich und somit als hoheitlicher Eingriff in nicht-vermögenswerte Rechtsgüter darstelle. Ein solcher Ausnahmefall könne jedoch nur dann angenommen werden, wenn der behandelnde Arzt im Rahmen der Erstbehandlung aufgrund der Vorgaben des Krankenversicherungsrechts ohne Spielraum verpflichtet gewesen sei, eine bestimmte Untersuchungs- oder Behandlungsmethode anzuwenden. Nur dann liege eine Aufopferungssituation vor, die es gebiete, die Kosten des Zahnersatzes in vollem Umfang zu übernehmen. Aus Gutachten des MDK zu vergleichbaren Sachverhalten sei bekannt, dass postoperative Bestrahlungen bei Tumoren zum Standard des onkologischen Therapiespektrums gehörten. Eine die ärztliche Therapie einschränkende Vorgabe des Leistungserbringungsrechts sei nicht bekannt. Das gleiche gelte auch für die zum Einsatz gekommene Arzneimitteltherapie. Der Aufopferungsgedanke sei daher nicht anwendbar.
Die Klägerin hat ihr Begehren weiterverfolgt, am 14.01.2010 Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben und zusammenfassend nochmals vorgetragen, sie habe nach der Brustkrebsoperation über einen längeren Zeitraum die Medikamente Arimidex und Zometa einnehmen müssen. Als Nebenwirkung sei es hierdurch zu einer Schädigung bzw. zu einem Abbau des Kieferknochens gekommen, wodurch eine umfangreiche Zahnbehandlung erforderlich geworden sei (Zahnersatz). Nach Auffassung der Beklagten komme es nicht darauf an, aus welchem Grunde der Zahnersatz notwendig geworden sei. Dies könne allerdings nicht gelten, wenn die notwendige Behandlung einer Brustkrebserkrankung zu einer Zahnschädigung geführt habe. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat Bezug auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid genommen.
Das SG hat die behandelnden Ärzte der Klägerin als sachverständige Zeugen vernommen. Mit Schreiben vom 02.03.2010 hat der Arzt für Gynäkologie Dr. B. über die Behandlung der Klägerin von Februar 2002 bis Januar 2010 berichtet. In Zusammenhang mit der Brustkrebserkrankung habe er die Klägerin mit drei vom Tumorboard der Universitätsfrauenklinik Mannheim empfohlenen Medikamenten behandelt (Arimidex, Trenantone und Zoladex). Zudem sei die Klägerin seines Wissens von der Universitätsfrauenklinik auch mit dem Medikament Zometa behandelt worden. Dieses könne in seltenen Fällen Osteonekrosen, bevorzugt im Kieferbereich, verursachen. Ob zwischen der Kiefersymptomatik und den von der Klägerin eingenommenen Medikamenten tatsächlich ein Zusammenhang bestehe, könne er nicht beurteilen.
Mit Schreiben vom 04.03.2010 hat Dr. B. über die zahnärztliche Behandlung der Klägerin seit 1992 berichtet. Am 07.12.2004 habe sie im Rahmen einer Vorsorgeuntersuchung einen starken Zahnfleischschwund mit Lockerung der Frontzähne (12- 22) festgestellt. Daher sei im ersten Halbjahr 2005 eine Zahnersatzbehandlung durchgeführt worden. Die in diesem Zusammenhang angefertigten Röntgenaufnahmen hätten einen deutlichen horizontalen und trichterförmigen Knochenabbau im Ober- und Unterkiefer dokumentiert. Die Degeneration des Knochens mit beginnender Zahnlockerung könne im zeitlichen Zusammenhang mit der Chemotherapie zur Behandlung der Krebserkrankung gesehen werden. Im Januar 2009 sei wegen einer drittgradigen Lockerung weiterer Zähne ein nochmaliger Zahnersatz erforderlich geworden. In diesem Zusammenhang habe sich die Klägerin nach mehrfacher Aufklärung und Beratung für eine über die Regelversorgung hinausgehende Behandlung entschieden. Nach ihrer Auffassung bestehe zwischen dem starken Zahnfleischschwund und der Knochendegeneration im Kieferbereich und der Krebstherapie (zytotoxische Medikamente, Bisphosphonattherapie) ein zeitlicher und kausaler Zusammenhang. In mehreren Quellen werde insbesondere für das Medikament Zometa eine entsprechende Nebenwirkung beschrieben. Da die Halbwertzeit zwischen einigen Monaten und Jahren differieren könne, könne auch der Degenerationsschub im Kalenderjahr 2009 mit der Medikamenteinnahme in den Jahren 2004/2005 in Verbindung gebracht werden. Sicher müssten die erneute Bakterienbesiedlung der schon vor 2005 entstandenen Taschen und das Alter der Klägerin als Co-Faktoren berücksichtigt werden. Wichtig sei festzustellen, dass eine Osteonekrose des Kieferknochens (bekannteste Nebenwirkung von Zometa) weder von ihr noch von Dr. Sp. während der gesamten Behandlungszeit diagnostiziert worden sei. Nach verschiedenen Klinikberichten bestehe diese hochdramatische Gefahr nach dem Absetzen von Zometa wohl weiterhin noch Jahre fort.
Mit Urteil vom 29.06.2010 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung des Widerspruchsbescheids vom 14.12.2009 verurteilt, der Klägerin in Bezug auf den Heil- und Kostenplan vom 05.03.2009 einen weiteren Kostenzuschuss in Höhe von 3.182,24 EUR zu gewähren. In den Gründen hat das SG im Wesentlichen ausgeführt, nach Auffassung des Gerichts kämen vorliegend die Vorschriften des 7. Abschnitts des 3. Kapitels des SGB V (§§ 55 ff. SGB V), die die Leistungen für Zahnersatz im Rahmen der Gesetzlichen Krankenversicherung in der Regel auf einen Festkostenzuschuss begrenzten, nicht zur Anwendung. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe entschieden, dass die gesetzliche Krankenversicherung unter dem Gesichtspunkt der Aufopferung eine vollständige Finanzierung bzw. Durchführung des Zahnersatzes schulde, wenn der Kassenarzt bei Beachtung der Regeln der ärztlichen Kunst und der leistungsrechtlichen Vorgaben des SGB V bei einem (nicht-zahnärztlichen Krankheitsbild) ohne Alternative verpflichtet gewesen sei, eine bestimmte Heilmethode durchzuführen und es hierdurch zu einer Zahnschädigung gekommen sei, die nur mit den Mitteln des Zahnersatzes behoben werden könne (Beschluss vom 14.08.1998 - 1 BvR 897/98 -). Hieran anknüpfend bejahe das BSG unter dem Gesichtspunkt der Aufopferung einen unbeschränkten Anspruch auf Durchführung bzw. Finanzierung von Zahnersatz, wenn eine frühere Leistung der Krankenkasse den jetzigen Handlungsbedarf veranlasst habe und sich die Zahnschädigung somit als hoheitlicher Eingriff darstelle (Urteil vom 06.10.1999 - B 1 KR 9/99 R -). Unter Berücksichtigung dieser rechtlichen Vorgaben sei das Sozialgericht überzeugt; dass vorliegend ein solcher "Aufopferungsfall" gegeben sei. Denn die mit der Klagebegründung vorgelegte Patienteninformation für das Medikament "Zometa" belege, dass es durch die Verabreichung dieses Präparats zu Knochennekrosen, vor allem im Kieferbereich, kommen könne. Dieses Risiko sei relativ hoch zu gewichten, denn es trete nach der Patienteninformation bei einem von hundert bis einem von tausend Patienten auf. Dieses Nebenwirkungsrisiko werde von den behandelnden Ärzten (Dr. B. und Dr. B.) ausdrücklich bestätigt. Auch die Beklagte habe in dem Erörterungstermin am 16.06.2010 eingeräumt, es handele sich vorliegend nicht um einen Einzelfall, es komme immer wieder vor, dass in Zusammenhang mit einer Krebstherapie nachfolgend Zahnprobleme aufträten. Aus einer Vielzahl von anderen Fällen sei dem Gericht zudem bekannt, dass das Behandlungsschema, mit dem die Klägerin wegen ihrer Brustkrebserkrankung behandelt worden sei (Operation mit nachfolgender Strahlen- und Chemotherapie, Gabe von speziellen onkologischen Medikamenten), dem schulmedizinischen Standard entspreche und eine anerkannte Behandlungsalternative hierzu nicht bestehe. Da konkurrierende Alternativursachen vorliegend nicht ersichtlich seien, nehme das Gericht zu Gunsten der Klägerin an, dass die Brustkrebstherapie die wesentliche Ursache für die später aufgetretene Zahnschädigung darstelle. Hierbei seien besonders etwaige Synergieeffekte zwischen den verschiedenen Medikamenten bzw. der Chemo- und Strahlentherapie zu berücksichtigen. Zusammenfassend sei es daher aus Sicht des Gerichts vorliegend geboten, die Durchführung des Zahnersatzes krankenversicherungsrechtlich nicht an den leistungsbeschränkenden Vorschriften der §§ 55 ff. SGB V zu messen. Vielmehr sei der Zahnersatz quasi als Nebenwirkung der Krebstherapie erforderlich geworden, so dass es unter Aufopferungsgesichtspunkten geboten sei, diesen im Rahmen der kassenzahnärztlichen Versorgung (§§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, 28 Abs. 2 SGB V) in voller Höhe zu Lasten der Beklagten - also ohne Eigenbeteiligung der Klägerin - durchzuführen.
Gegen dieses ihr am 05.07.2010 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 08.07.2010 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt und im Wesentlichen geltend gemacht, die Höhe der Festzuschüsse bemesse sich nach § 55 Abs. 1 SGB V. Gemäß ständiger BSG-Rechtsprechung führe ein möglicher ursächlicher Zusammenhang der zahnprothetischen Versorgung mit anderen Erkrankungen nicht zu einer Erhöhung des Zuschusses. Etwas anderes könne sich lediglich aus dem vom BVerfG entwickelten Rechtsgedanken der "Aufopferung" ergeben. Dieser liege gemäß des Bundessozialgerichts (Urteil vom 06.10.1999 - B 1 KR 10/99 R -) vor, wenn beispielsweise die Notwendigkeit des Zahnersatzes auf einer von einem Träger der Gesetzlichen Krankenversicherung gewährten Erstbehandlung beruhe, die sich im Nachhinein als gesundheitsschädlich erweise und sich als hoheitlicher Eingriff in nicht vermögenswerte Güter darstelle. Ein hoheitlicher Eingriff in diesem Sinne liege lediglich vor, wenn der behandelnde Arzt bei Einhaltung der Regeln der ärztlichen Kunst verpflichtet gewesen sei, eine ihm keinen Spielraum belassende Vorgabe des Leistungs- oder Leistungserbringerrechts zu beachten und nur eine bestimmte, gesundheitsschädigende Behandlungsmaßnahme anwenden durfte. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Zum einen seien die Nebenwirkungen von "Zometa" bereits vor Behandlungsbeginn bekannt gewesen. Zum anderen habe die Klägerin mit der erfahrenen Behandlung die einzig medizinisch sinnvolle, dem Therapiestandard entsprechende Behandlung erhalten. Eine durch die Vorgaben des Leistungserbringerrechts bedingte Beschränkung der Behandlungsmöglichkeiten liege nicht vor. Die Behandlung habe der Klägerin folglich auch kein Sonderopfer abverlangt.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 29.06.2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Auf Anforderung des Senats hat die Beklagte ein Gutachten des MDK eingeholt. In diesem Gutachten von Dr. med. Dr. med. dent. G. U. vom 03.12.2010 kommt dieser zu dem Ergebnis, dass ausschließliche Ursache der Zahnverluste Lockerungen aufgrund einer sich über viele Jahre entwickelnden entzündlichen marginalen Parodontopathie mit fortschreitendem Knochenabbau gewesen sei. Dieser Knochenabbau sei in der oberen Front bereits auf den Röntgenaufnahmen aus dem Jahr 1996 deutlich erkennbar und habe damit schon 8 Jahre vor der fraglichen Tumorerkrankung bestanden. Auf drei intraoralen Röntgenaufnahmen sei ein Knochenabbau von annähernd 50 % im Bereich der Schneidezähne und über 30 % im Bereich des linken Eckzahnes zu erkennen. Der Knochenabbau sei dann nachweislich über die Jahre 2001, 2005 und 2007 bis zur letzten Röntgendokumentation 01/2009 kontinuierlich immer weiter fortgeschritten. Dabei sei auffallend, dass die Ablagerung schattendichter subgingivaler Konkremente als maßgeblich unterstützender Faktor im Seitenzahnbereich immer mehr zugenommen habe. Die Medikation mit Zometa könne auch nicht als beschleunigendes Element des marginalen Knochenabbaus verantwortlich gemacht werden. Bei den in der Literatur inzwischen hinreichend beschriebenen Kiefernekrosen handele es sich um umschriebene Prozesse im Bereich eines vorausgegangenen invasiven Eingriffs wie einer Zahnextraktion oder anderen dentoalveolären Operationen, z.B., Wurzelspitzenresektion o.ä., die mit einer Eröffnung des Kieferknochens einhergingen. Durch eine bakterielle Kontamination der Knochenwunde komme es zum Untergang des Knochengewebes (Osteonekrose). Bei der Klägerin indes liege ein solcher eingrenzbarer Prozess nicht vor. Sie leide unter einer generalisierten entzündlichen Erkrankung, von welcher sämtliche Parodontien beider Kiefer betroffen seien. Ursprünglich vom Zahnfleisch ausgehend dringe die bakterielle Entzündung immer tiefer in den Parodontalspalt ein. Dabei komme es zu einer schleichend fortschreitenden Resorption des Knochengewebes, ohne dass Nekrosen aufträten.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten, der Gerichtsakten des SG und der Berufungsakten des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Die Berufung der Beklagten ist gem. §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne Zulassung durch das Sozialgericht statthaft. Die Berufung ist auch sonst gem. § 151 SGG zulässig.
Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Das SG hat die Beklagte zu Unrecht unter Aufhebung des Widerspruchsbescheids verurteilt, der Klägerin in Bezug auf den Heil- und Kostenplan vom 05.03.2009 einen weiteren Kostenzuschuss in Höhe von 3.182,24 EUR zu gewähren. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Übernahme weiterer Kosten ihrer Zahnbehandlung.
Die Klägerin hatte die vollständige Kostenübernahme der zahnärztlichen Behandlung entsprechend dem Heil- und Kostenplan vom 05.03.2009 mit ihrem Widerspruch vom 22.07.2009 gegen die Bewilligung der Festzuschüsse und des Bonus von 30% mit Bescheid vom 01.04.2009 beantragt. Der Bescheid vom 24.08.2009 ist Gegenstand des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 01.04.2009 geworden. Streitgegenstand ist damit der Bescheid der Beklagten vom 01.04.2009 in der Fassung des Bescheids vom 24.08.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.12.2009. Dieser ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, da sie keinen Anspruch auf eine über den Festzuschuss hinausgehende Kostenerstattung bzw. übernahme für die im April 2009 abgeschlossene Behandlung hat.
Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Dabei umfasst die Krankenbehandlung nach Satz 2 Ziff. 2 und Ziff. 2a dieser Vorschrift u.a. die zahnärztliche Behandlung und die Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen. Die zahnärztliche Behandlung beinhaltet nach § 28 Abs. 2 SGB V die Tätigkeit des Zahnarztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Zahn- und Kieferkrankheiten nach den Regeln der zahnärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist; sie umfasst auch konservierend chirurgische Leistungen und Röntgenleistungen, die im Zusammenhang mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen erbracht werden. Für Zahnersatzleistungen enthalten die §§ 55, 56 SGB V spezielle Regelungen. Danach hat die Klägerin einen Anspruch gegen die Beklagte auf den Festzuschuss, aber nicht darüber hinaus.
Nach § 55 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte nach den Vorgaben in den Sätzen 2 bis 7 Anspruch auf befundbezogene Festzuschüsse bei einer medizinisch notwendigen Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen (zahnärztliche und zahntechnische Leistungen) in den Fällen, in denen eine zahnprothetische Versorgung notwendig ist und die geplante Versorgung einer Methode entspricht, die gemäß § 135 Abs. 1 SGB V anerkannt ist.
Diese Voraussetzungen sind erfüllt, denn die Klägerin ist bei der Beklagten versichert, die Versorgung mit Zahnersatz war medizinisch notwendig und die von ihrem Zahnarzt durchgeführte Versorgung entsprach einer nach § 135 Abs. 1 SGB V anerkannten Methode.
Die Festzuschüsse umfassen 50 vom Hundert der nach § 57 Abs. 1 Satz 6 und Abs. 2 Satz 6 und 7 festgesetzten Beträge für die jeweilige Regelversorgung. Für eigene Bemühungen zur Gesunderhaltung der Zähne erhöhen sich die Festzuschüsse um 20 vom Hundert. Die Festzuschüsse erhöhen sich um weitere 10 vom Hundert, wenn der Versicherte seine Zähne regelmäßig gepflegt und in den letzten zehn Kalenderjahren vor Beginn der Behandlung, frühestens seit dem 1. Januar 1989, die Untersuchungen nach Satz 4 Nr. 1 und 2 ohne Unterbrechung in Anspruch genommen hat. Dies gilt nicht in den Fällen des Absatzes 2. Für Versicherte, die nach dem 31. Dezember 1978 geboren sind, gilt der Nachweis für eigene Bemühungen zur Gesunderhaltung der Zähne für die Jahre 1997 und 1998 als erbracht.
Nach § 55 Abs. 2 SGB V haben Versicherte bei der Versorgung mit Zahnersatz zusätzlich zu den Festzuschüssen nach Absatz 1 Satz 2 Anspruch auf einen Betrag in jeweils gleicher Höhe, angepasst an die Höhe der für die Regelversorgungsleistungen tatsächlich anfallenden Kosten, höchstens jedoch in Höhe der tatsächlich entstandenen Kosten, wenn sie ansonsten unzumutbar belastet würden; wählen Versicherte, die unzumutbar belastet würden, nach Absatz 4 oder 5 einen über die Regelversorgung hinausgehenden gleich- oder andersartigen Zahnersatz, leisten die Krankenkassen nur den doppelten Festzuschuss. Eine unzumutbare Belastung liegt u.a. vor, wenn die monatlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt des Versicherten 40 vom Hundert der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches nicht überschreiten. Mit dieser Regelung sollte sichergestellt werden, dass für einkommensschwache Versicherte die Kosten der jeweiligen Regelversorgung von der Krankenkasse vollständig übernommen werden (vgl. BT-Drucks. 15/1525 S. 92). Der Gesetzgeber hat aber in § 55 Abs. 2 Satz 1 Zweiter Halbsatz SGB V gleichzeitig ausdrücklich festgestellt, dass die Krankenkassen auch bei einkommensschwachen Versicherten nur den doppelten Festzuschuss leisten, wenn diese, ungeachtet ihrer wirtschaftlichen Lage, nach Abs. 4 oder 5 einen über die Regelversorgung hinausgehenden gleich- oder andersartigen Zahnersatz wählen (vgl. auch KassKomm-Höfler, § 55 SGB V RdNr. 29 ff.).
Die Klägerin, der ein um 30% erhöhter Festzuschuss gewährt worden ist, hat keinen Anspruch auf Übernahme weiterer Kosten für die Regelversorgung und die vorgesehenen Abweichungen (sekundäre Verblockung aller Zähne und Implantate durch herausnehmbare teleskopierende Brücken- und Prothesenkonstruktionen und nicht nur der Eckzähne mit primärer Verblockung der übrigen Zähne und Implantate durch Verbundbrücken). Die Beklagte hat zutreffend festgestellt, dass eine unzumutbare Belastung der Klägerin im Hinblick auf die Einkommenssituation nicht vorliegt. Allerdings wäre auch dann, wenn die Klägerin durch die Kosten dieser Behandlung wirtschaftlich unzumutbar belastet würde, der von der Beklagten für die Regelversorgung zu leistende Zuschuss nach § 55 Abs. 2 Satz 1 Zweiter Halbsatz SGB V auf den doppelten Festzuschuss begrenzt.
Eine Ausnahme von den oben genannten Grundsätzen und ein Anspruch auf Übernahme gesamten Kosten oder zumindest volle Übernahme der Kosten für die Regelversorgung lässt sich im vorliegenden Fall nicht rechtfertigen, weil sich, entgegen der Ansicht des SG und der Klägerin, schon ein Zusammenhang zwischen der notwendigen Zahnbehandlung und der vorausgegangenen Behandlung der Brustkrebserkrankung nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen lässt. Insoweit hat Dr. Dr. U. dargelegt, dass die Zähne 16, 25 und 26 und damit drei der neun zu ersetzenden Zähne bereits vor der Tumorerkrankung gefehlt hätten und durch Brückenglieder ersetzt gewesen seien. Ursache für die Zahnverluste seien ausschließlich Lockerungen aufgrund einer generalisierten entzündlichen Erkrankung, die vom Zahnfleisch ausgehend zu einer schleichend fortschreitenden Resorption des Knochengewebes von sämtlicher Parodontien beider Kiefer geführt habe. Dieser Knochenabbau sei in der oberen Front eindrucksvoll bereits auf den Röntgenaufnahmen aus dem Jahr 1996 zu sehen. Auf drei intraoralen Röntgenaufnahmen sei ein Knochenabbau von annähernd 50 % im Bereich der Schneidezähne und über 30 % im Bereich des linken Eckzahnes zu erkennen. Der Knochenabbau sei nachweislich über die Jahre 2001, 2005 und 2007 bis zur letzten Röntgendokumentation 01/2009 kontinuierlich immer weiter fortgeschritten. Demgegenüber handele es sich bei den im Zusammenhang mit der Einnahme von Zometa diskutierten Knochennekrosen um den Untergang des Knochengewebes (Osteonekrose) aufgrund einer bakteriellen Kontamination einer Knochenwunde. Dies sei ein eingrenzbarer Prozess, der bei der Klägerin nicht vorliege. Die Ausführungen sind überzeugend und schlüssig.
Auch die behandelnden Zahnärzte haben Knochennekrosen nicht festgestellt. Dies hat Dr. B. in ihrer schriftlichen Aussage vom 04.03.2010 ausdrücklich klargestellt. Soweit sie einen zeitlichen und kausalen Zusammenhang zwischen dem starken Zahnfleischschwund und der Knochendegeneration im Kieferbereich mit der Krebstherapie (zytotoxische Medikamente, Bisphosphonattherapie) sieht, kann dem nicht gefolgt werden. Der entzündungsbedingte Zahnfleischschwund und die hierauf beruhende Knochendegeneration haben bereits acht Jahre vor der Krebserkrankungen begonnen und sind kontinuierlich fortgeschritten. Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass eine Ausweitung und/oder Beschleunigung dieses Geschehens eingetreten ist, welche sich auf die Krebstherapie zurückführen ließe. Soweit die Klägerin sich auf Nebenwirkungen des Medikaments Zometa beruft, geht es dabei um Kiefernekrosen, die bei, wie dargelegt, nicht aufgetreten sind.
Der angegriffene Bescheid ist damit rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Es gibt keine Grundlage für die von ihr beanspruchte Übernahme eines über den um 30% er-höhten Festzuschuss hinausgehende Kostenübernahme für die streitgegenständliche Versorgung mit Zahnersatz. Verfassungsrechtliche Bedenken können nicht durchdringen. Das SGB V regelt in §§ 27 Abs. 1 Nr.2 und 2a, 28 Abs. 2 i.V.m. § 55 SGB V einen Katalog von Leistungen einschließlich der damit verbundenen Leistungsausschlüsse. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des BSG, dass dieser beschränkte Leistungskatalog verfassungsrechtlichen Anforderungen auch in den Fällen entspricht, in denen etwa die gesetzlich ausgeschlossene Art der Zahnersatzversor-gung als einzig medizinisch sinnvolle Leistung in Betracht kommt (vgl. BSG, Beschluss vom 23.05.2007 - B 1 KR 27/07 B -, veröffentlicht in Juris m.w.N.).
Die Berufung der Beklagten musste damit Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision lagen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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