L 11 KR 3528/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 8 KR 1485/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 3528/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 04.07.2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte der Klägerin die Kosten einer von ihr seit Dezember 2007 in Anspruch genommenen Körperpsychotherapie bei der Heilpraktikerin H. M., A., zu erstatten hat.

Die 1970 geborene, verheiratete Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichertes Mitglied. Sie ist ua an Multipler Sklerose (Verdachtsdiagnose 2008), einem organischen Psychosondrom sowie Depressionen erkrankt. Sie bezieht zurzeit eine Rente wegen Erwerbsminderung.

Nach der Geburt ihrer Tochter im Oktober 2006 traten bei der Klägerin Depressionen auf. Gegen Ende des Jahres 2007 hegte die Klägerin Suizidgedanken. Eine stationäre Behandlung sowie eine medikamentöse Therapie, zu denen die Hausärzte geraten hatten, lehnte die Klägerin ab. Nach eigenen Angaben der Klägerin habe sie einen zugelassenen Therapeuten gesucht, bei dem sie alsbald mit der Behandlung beginnen konnte, jedoch wegen der langen Wartezeit von einem bis eineinhalb Jahren nicht finden können. Ab dem 18.12.2007 nahm die Klägerin auf eigene Kosten körperpsychotherapeutische Behandlungen bei der Heilpraktikerin H. M., A., in Anspruch; entsprechende Behandlungskosten zahlte die Klägerin an Frau M ...

Frau M. ist zugelassene Heilpraktikerin und hat am G. B. Centre in L. eine dreijährige Ausbildung (1988 bis 1992) in "Biodynamischer Psychologie/Psychotherapie und Massage" sowie von 1994 bis 1995 eine zweijährige Ausbildung in "Biodynamic Analysis-Psychotherapy" im Themenbereich "Deep Draining" absolviert (vgl dazu Blatt 122 ff der SG-Akte sowie die Homepage von Frau M. http://www ...de/). Sie hat an Weiterbildung in Paartherapie teilgenommen und besitzt ein Zertifikat in Sexualtherapie sowie ein European Certificate of Psychotherapie. Eine Ausbildung iSd Psychotherapeutengesetz (§ 1, § 2 Abs 1 PsychThG) hat Frau M. nicht absolviert; sie ist auch nicht gemäß den Bestimmungen des Psychotherapeutengesetzes als Psychotherapeutin approbiert. Sie betreibt in A. eine "Praxis für Körperpsychologie/Heilpraktikerin".

Der Körperpsychotherapie (dazu vgl Blatt 37 der SG-Akte) in der von der Psychotherapeutin B., L., entwickelten und vorliegend angewandten Form liegt die Überzeugung zugrunde, dass der Darm nicht nur Nahrung verdaut, sondern auch in der Lage ist, nervöse Spannungen abzubauen und zu verdauen (sog Psychoperistaltik). Dies soll durch Berührung und Entspannung angeregt werden und soll ein unabhängiges Wohlbefinden entstehen lassen. Das Spektrum der Biodyiamischen Körperpsychotherapie reicht von präventiver Arbeit mit Entspannung gegen Stresssymptome über die Behandlung von Klienten/innen, die mehr Bewusstsein und Lebensfreude erreichen möchten, bis hin zu tiefer Psychotherapie bei schwierigen Konflikten, neurotischen Störungen und psychosomatischen Krankheitsbildern. Neben der direkten Körperarbeit und intentionalen Berührungen wird viel Raum für tiefenpsychologische Gespräche und emotionales Durcharbeiten gegeben. Dabei werden Bilderarbeit, Körper(spür)übungen, Atemtechniken, therapeutische Massagen und verbale Methoden angewandt.

Die Klägerin beantragte am 07.02.2008 und am 20.08.2008 bei der Beklagten die Übernahme der Kosten für die Behandlung bei Frau M ... Diese Anträge lehnte die Beklagte im Jahr 2008 mündlich ab.

Vom 29.07.2009 bis zum 26.08.2009 befand sich die Klägerin auf Kosten der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg zur stationärem medizinischen Rehabilitation in den Kliniken Sch. in G ... Im Entlassbericht wird ua ausgeführt, dringend erforderlich sei die Einleitung einer entwicklungsorientierten Psychotherapie mit Anpassung der Psychopharmaka, evtl Umstellung auf Trevilor in Kombination mit Remergil, zur Antriebssteigerung zusätzlich noch Amantadin und die ambulante Fortsetzung der Physiotherapie mit Schwerpunkt auf Ausdauer und Gleichgewicht. Die Klägerin sei wesensverändert, es komme oft zu Reizausbrüchen, auch schlafe sie am Tag. Es bestünden ua Probleme im Bereich des Gedächtnisses, der Aufmerksamkeit und der Konzentration.

Mit Schreiben vom 15.09.2009, bei der Beklagten am 16.09.2009 eingegangen, teilte die Klägerin mit, sie nehme seit Dezember 2007 die Leistungen der Heilpraktikerin M. in Anspruch. Sie habe keinen Psychotherapeuten gefunden, der sie ohne Wartezeit von einem Jahr und länger habe aufnehmen können. Sie habe auch nicht gewusst, dass sie nach § 13 Abs 3 SGB V und der Rechtsprechung des BSG vom 21.05.1997 (5 RKa 15/97) einen Anspruch auf Kostenübernahme habe. Zu ihrem Mann habe man gesagt, die Kosten könnten nicht übernommen werden, da Frau M. Homöopatin sei, was nicht zutreffe. Nachdem sie fast zwei Jahre bei Frau M. in Behandlung sei, gehe es ihr besser, während sie davor suizidal gewesen sei. Sie bitte um Genehmigung und Kostenerstattung für die Therapie.

Im Auftrag der Beklagten erstellte der Medizinische Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) am 29.10.2009 ein Gutachten. Danach habe Frau M. keine Approbation als psychologische Psychotherapeutin. Es liege auch kein Antrag auf ein Psychotherapie-Kostenerstattungsverfahren und keine ärztliche Verordnung mit medizinischen Informationen zur Indikation der Psychotherapie sowie zum bisherigen Verlauf und zur geplanten Behandlung vor. Nach dem Reha-Entlassungsbericht sei eine psychiatrisch-psychotherapeutische Diagnostik und Behandlung vordringlich, was Frau M. nicht durchführen könne. Zusammenfassend sei eine Indikation für eine ambulante Psychotherapie gegeben, jedoch sei diese bei Frau M. nicht durchführbar.

In der Folge lehnte die Beklage den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 05.11.2009 ab. Hiergegen legte die Klägerin per Email vom 12.11.2009 und mit am 23.11.2009 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben Widerspruch ein. Andere Krankenkassen würden die Therapie bei Frau M. bezahlen. Sie legte neben Arztberichten auch Nachweise über die Qualifikation von Frau M. sowie einen weiteren Behandlungsbericht von ihr vor.

Ein Gutachten des MDK vom 21.12.2009 führte aus, es fehle nach wie vor an der Approbation der Therapeutin und an einem Antrag auf ambulante Psychotherapie im Kostenerstattungsverfahren.

Mit Widerspruchsbescheid vom 24.02.2010 wies der Widerspruchsauschuss der Beklagten den Widerspruch der Klägerin zurück. Zur Begründung wurde ua ausgeführt, im mittleren Neckar-Raum bestehe keine Unterversorgung mit zugelassenen Therapeuten. Die Klägerin habe auch keine Bemühungen nachgewiesen, einen Therapieplatz bei einem zugelassenen Therapeuten zu bekommen.

Am 09.03.2010 hat die Klägerin beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhoben. Da sie Ende 2007 suizidal gewesen sei, habe die Gemeinschaftspraxis Dr. R. in O. sie in die Psychiatrie einweisen wollen, was sie abgelehnt habe. Sie habe eine ambulante Psychotherapie machen wollen, jedoch hätten die Wartezeiten bis zu zwei Jahren betragen. Bei Frau M. habe sie dagegen kurzfristig einen Termin bekommen. Erst später habe sie erfahren, dass solche Leistungen von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen würden, wenn es keinen Vertragsarzt gebe, der zeitnah behandeln könne. Durch die Behandlung bei Frau M. gehe es ihr wieder besser und eine stationäre Behandlung sei nicht notwendig geworden. Aufgrund des kurzfristigen Therapiebedarfs habe sie keine andere Wahl gehabt als Frau M. aufzusuchen. Deren Qualifikation und Behandlung sei gleichwertig und die Ergebnisse könnten sich sehen lassen. Aus den vorliegenden Befundberichten gehe auch zweifelsfrei hervor, dass aufgrund des Krankheitsbildes eine psychotherapeutische Behandlung medizinisch unbedingt notwendig gewesen sei. Die Wirksamkeit der Psychotherapie sei wissenschaftlich nachgewiesen und eine anerkannte Methode. Entgegen der Aussage der Beklagten habe sie ständig und überobligatorisch nach einem Therapieplatz bei einem zugelassenen Therapeuten gesucht, jedoch keinen gefunden. Offensichtlich sei die Nachfrage nach Psychotherapie so hoch gewesen, dass sie von den zugelassenen Therapeuten nicht mehr habe bewältigt werden können, so dass von einer Unterversorgung auszugehen sei. Es habe deshalb eine Systemstörung vorgelegen, so dass die Beklagte zur Kostenerstattung verpflichtet sei. Ein Wechsel zu einem anderen Therapeuten sei ihr nicht zumutbar gewesen.

Auf Frage des SG konnte die Klägerin die Höhe der ihr entstandenen Kosten für die Therapie bei Frau M. nicht beziffern, hatte jedoch Rechnungen über einen Betrag von 7.073,00 EUR vorgelegt (vgl die Rechnungen auf Blatt 98 bis 116 der SG-Akte).

Mit Urteil vom 04.07.2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Erstattung der ihr für die bei Frau M. durchgeführte Therapie entstandenen Kosten nach § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V. Es gebe zwar deutliche Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte eine unaufschiebbare Leistung nicht (rechtzeitig) erbringen habe können und daher von einem Systemversagen im Sinne von § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V auszugehen sei. Denn nachdem die Beklagte von der Klägerin offensichtlich mehrfach darauf hingewiesen worden sei, dass sie trotz ihrer Bemühungen keinen Therapieplatz habe finden können, erscheine insbesondere die Bemühungen der Beklagten um einen Therapieplatz für eine Psychotherapie bei einem vertraglich zugelassenen Psychotherapeuten als nicht ausreichend. Doch selbst wenn ein Systemversagen unterstellt würde, stehe der Klägerin der geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch nicht zu. Die von der Klägerin in Anspruch genommene Körperpsychotherapie gehöre nämlich nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Der Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs 1 Satz 1 SGB V gehe nicht weiter als ein etwaiger Sachleistungsanspruch des Versicherten. Die Krankenbehandlung umfasse nach § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB V unter anderem ärztliche Behandlung einschließlich Psychotherapie als ärztliche und psychotherapeutische Behandlung. Nach § 28 Abs 3 SGB V werde die psychotherapeutische Behandlung einer Krankheit durch Psychotherapeuten, soweit sie zur psychotherapeutischen Behandlung zugelassen sind, sowie durch Vertragsärzte entsprechend den Richtlinien nach § 92 SGB V durchgeführt. Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden seien nur dann von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung erfasst, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) in Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen abgegeben habe. Bei der von der Klägerin in Anspruch genommenen Körperpsychotherapie handele es sich um eine neue Behandlungsmethode, da sie zum Zeitpunkt der Behandlung nicht zu den abrechnungsfähigen Leistungen gehört habe; in der Richtlinie über die Durchführung der Psychotherapie (Psychotherapie-RL) des GBA vom 19.02.2009 in der zuletzt geänderten Fassung vom 15.10.2009 werde die Körperpsychotherapie nicht als zugelassene Behandlungsform aufgeführt. Anerkannt seien nach § 13 Satz 2 Psychotherapie-RL nur psychoanalytisch begründete Verfahren und Verhaltenstherapie. Körperbezogene Therapieformen seien demgegenüber nach der ausdrücklichen Regelung in § 1 Abs 2 Satz 2 Psychotherapie-RL keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung.

Gegen das ihrer Prozessbevollmächtigten am 20.07.2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 18.08.2011 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) Berufung eingelegt. Das SG räume selbst ein, es gebe deutliche Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig habe erbringen können und daher von einem Systemversagen gemäß § 13 SGB V auszugehen sei. Daher hätte das SG die Schlussfolgerung ziehen müssen, es liege ein Systemversagen vor, weil für die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum gerade kein Therapieplatz zur Verfügung gestanden habe, den sie bei zumutbaren Eigenbemühungen hätte erhalten können. Das SG hätte weiter ermitteln müssen, wie weit bei Systemversagen die ausgewählte Heilpraktikerin in der Lage gewesen sei, psychotherapeutische Leistungen zu erbringen, die richtlinienkonform seien. Richtig sei, dass der Spezialisierungsschwerpunkt bei der Heilpraktikerin auch in der Körperpsychotherapie liege, gleichwohl sei sie in der Lage, verhaltenstherapeutische Verfahren und tiefenpsychologisch orientierte Verfahren anzubieten. Gerade deshalb erscheine es logisch, Körperpsychotherapie als Ausprägung von Gestalttherapie, mithin jeglicher Tiefenpsychologie, zusätzlich mit anzubieten. Dies dürfe aber der Klägerin, die zunächst gezielt nach Richtlinienverfahren gesucht habe, nicht angekreidet werden. Damit habe es sich nicht um neue Behandlungsmethoden gehandelt. Vielmehr bestehe Körperpsychotherapie zu 90% aus verhaltenstherapeutischen Elementen, zB Einüben von Stressbewältigungstechniken und neue Verhaltensweisen/Körperwahrnehmung und zu 10% aus Gesprächspsychotherapie. Dies habe auch der GBA erkennen müssen, weshalb ein Systemversagen bestehe. Doch auch wenn ein Systemversagen nicht vorgelegten hätte und die Behandlungsmethode neu gewesen wäre, müsse der Gedanken des Systemversagens für neue Behandlungsmethoden und die unaufschiebbare Leistung getrennt betrachtet werden. Unabhängig vom eigentlichen Gedanken des Systemversagens bei neuen Therapierichtungen sei die ständige Unterversorgung bei unaufschiebbaren Leistungen in den Vordergrund zu rücken. Das SG hätte daher zur Unterversorgung weiter ermitteln müssen. Auch habe das SG nicht allein auf die Neuartigkeit der Behandlungsmethode abheben dürfen, da die Erkrankung auch wegen der fehlenden Versorgung von September 2007 bis August 2010 angedauert habe. Im Übrigen hätte sie auch bei "Privatärzten" im Jahre 2007 keinen adäquaten Psychotherapieplatz innerhalb einer zumutbar Wartezeit erhalten können. Diesbezügliche Bemühungen hätten erst im April 2011 gefruchtet.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 04.07.2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 05.11.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.02.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin die Kosten der Behandlung bei Frau M. zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung im Ergebnis für zutreffend. Jedoch müsse dem Vorwurf, im Rahmen der psychotherapeutischen Versorgung läge ein Systemversagen vor, widersprochen werden. Der Ballungsraum Mittlerer Neckar sei mit einer überdurchschnittlichen Arztdichte ausgestattet. Dies gelte auch für Psychotherapeuten. Ein Systemversagen im mittleren Neckarraum würde bedeuten, dass für alle ländlichen Regionen ein Systemversagen zu unterstellen sei. Die angeblich im Dezember 2007 unternommenen Bemühungen um einen Therapieplatz bei einem zugelassen Psychotherapeuten seien erst im Rahmen des Klageverfahrens im September 2010 zur Kenntnis gebracht worden. Ein Antrag zur Kostenübernahme sei erst nach Leistungsbeginn durch die Heilpraktikerin M. gestellt worden. Die Heilpraktikerin sei der Klägerin nach deren eigenen Aussagen von Bekannten empfohlen worden. In den Anträgen der Klägerin vom 07.02.2008 und 20.08.2008 sei dies nicht in der behaupteten Form dargestellt worden, sonst wäre die Beklagte aktiv geworden. Alle Versicherten der Beklagten hätten bis heute einer medizinisch erforderlichen Psychotherapie zugeführt werden können. Dass die Behandlung erst im Jahr 2011 im Rahmen der Richtlinien bei einem zugelassenen Psychotherapeuten fortgesetzt wurde, könne nicht nachvollzogen werden. Auch entspreche die Qualifikation der Heilpraktikerin M. nicht der eines approbierten Psychotherapeuten. Im Rahmen der psychotherapeutischen Behandlung könne die Körperpsychotherapie nur als neue Behandlungsmethode bezeichnet werden. Der GBA habe jedoch keine positive Empfehlung über den therapeutischen Nutzen abgegeben. Die Körperpsychotherapie gehöre damit nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akten des Senats sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG statthaft und zulässig, aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 05.11.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.02.2010 ist nicht rechtswidrig, die Klägerin wird nicht in ihren Rechten verletzt.

Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 iVm Abs 4 SGG) ist der Bescheid der Beklagten vom 05.11.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.02.2010, mit dem die Beklagte nicht nur die Erstattung der Kosten für die Behandlung der Klägerin bei der Heilpraktikerin H. M. auf den Antrag vom 16.09.2009 hin abgelehnt hat, sondern zugleich auch die Rücknahme der zuvor durch mündliche Verwaltungsakte bestimmten Ablehnung der Kostenerstattung auf die Anträge der Klägerin vom 12.02.2008 und 20.08.2008 hin. Die Klägerin hatte nämlich mit ihrem Antrag vom 16.09.2009 nicht nur die Übernahme der Kosten ihrer Behandlung bei Frau M. für die Zukunft beantragt, sondern auch die Übernahme der bereits in der Vergangenheit angefallenen und mit den mündlichen Verwaltungsakten von der Beklagten bereits abgelehnten Kosten. Hierüber hat die Beklagte im angefochtenen Bescheid und Widerspruchsbescheid auch nach § 44 SGB X entschieden.

Die Beklagte hat in der Sache die Kostenerstattung zutreffend verweigert, sodass auch die Voraussetzungen einer Rücknahme der mündlichen Verwaltungsakte aus dem Jahr 2008 gemäß § 44 SGB X nicht vorliegen.

Nach dem vom SGB V installierten Sach- und Dienstleistungssystem (§§ 2 Abs 2, 13 Abs 1 SGB V) dürfen Versicherte nur zugelassene Leistungserbringer (zu den Psychotherapeuten vgl §§ 95 ff SGB V) in Anspruch nehmen (§ 76 Abs 1 Satz 1 SGB V). Ein nicht zugelassener psychotherapeutischer Leistungserbringer kann zu Lasten der Krankenkasse nur nach Maßgabe des § 76 Abs 1 Satz 2 SGB V in Anspruch genommen werden (LSG Nordrhein-Westfalen, 28.02.2008, L 5 KR 113/07, juris Rdnr 36). Danach kommt die notfallmäßige Inanspruchnahme nur dann in Betracht, wenn der Versicherte auf eine Akutbehandlung angewiesen und ein zugelassener Leistungserbringer zumutbar nicht erreichbar ist (LSG aaO). Dieser hat dann aber lediglich einen Kostenerstattungsanspruch gegen die Krankenkasse, denn er wird wegen des Notfalles in das System der GKV inkorporiert (zur Rechtsprechung vgl zB BSG 09.10.2001, B 1 KR 6/01 R, BSGE 89, 39-44 = SozR 3-2500 § 13 Nr 25 = juris; zu nicht zugelassenen Psychotherapeuten ausdrücklich: LSG Berlin-Brandenburg 02.03.2007, L 1 B 156/07 KR ER, juris). Im Fall der Klägerin lag aber bereits schon kein Notfall in diesem Sinne vor, denn eine sofortige psychotherapeutische Behandlung war nicht erforderlich. Vielmehr hatten die behandelnden Ärzte eine stationäre bzw medikamentöse Therapie für erforderlich gehalten. Aber selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, hätte die Klägerin keinen Kostenerstattungsanspruch gegen die Beklagte; vielmehr hätte Frau M. dann direkt mit der Beklagten abrechnen müssen.

Ein Kostenerstattungsanspruch richtet sich vorliegend allenfalls nach § 13 SGB V. Da die Klägerin keine Kostenerstattung gewählt hatte (§ 13 Abs 2 SGB V), kommt vorliegend nur ein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs 3 Satz 1 Fall 1 und 2 SGB V in Betracht. Nach dieser Vorschrift haben Versicherte Anspruch auf Erstattung von Kosten für eine notwendige, selbstbeschaffte Leistung, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte (Fall 1) oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dem Versicherten dadurch für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind (Fall 2).

Die Voraussetzungen eines Kostenerstattungsanspruches nach § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V liegen schon deshalb nicht vor, weil der Heilpraktikerin M. die generelle Qualifikation zur Ausübung der Heilkunde im Bereich der Psychotherapie fehlt (vgl hierzu BSG 10.02.2004, B 1 KR 10703 B, juris). Nach § 28 Abs 3 SGB V wird die psychotherapeutische Behandlung einer Krankheit durch Psychotherapeuten, soweit sie zur psychotherapeutischen Behandlung zugelassen sind, und durch Vertragsärzte durchgeführt. Psychotherapeuten sind nach der Legaldefinition in § 28 Abs 3 Satz 1 SGB V nur Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten. Dies sind Personen, denen nach den Vorschriften des Psychotherapeutengesetzes die Approbation erteilt worden ist. Dazu gehört die Heilpraktikerin M. nicht. Sie kann deshalb selbst in Fällen des Unvermögens oder der rechtswidrigen Ablehnung einer Krankenkasse nicht von Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung in Anspruch genommen werden (vgl BSG 10.02.2004 aaO). Insoweit kommt es auf die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die Kosten einer Behandlung durch approbierte, aber nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Psychotherapeuten von der Krankenkasse zu übernehmen sind nicht an. Der Heilpraktikerin M. fehlt nicht nur die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung, sondern auch die Approbation nach dem Psychotherapeutengesetz.

Aber selbst dann, wenn die Heilpraktiker M. über eine Approbation nach dem Psychotherapeutengesetz verfügen würde, besteht der mit der Klage geltend gemachte Anspruch nicht.

Die Voraussetzungen des § 13 Abs 3 Satz 1 Fall 2 SGB V, also einer für die Leistungsinanspruchnahme kausale rechtswidrige Ablehnung der Leistungsgewährung, liegt schon deshalb nicht vor, weil die Klägerin mit der Behandlung begonnen hatte, ohne die Beklagte vorher einzuschalten. Auch soweit sie im Laufe der Behandlung eine Genehmigung der Beklagten bzw eine Kostenübernahme begehrt hat, führt dies nicht dazu, dass die Kosten infolge einer rechtswidrigen Leistungsversagung seitens der Beklagten verursacht worden wären. Denn zunächst hatte die Klägerin die Behandlung begonnen bevor sie die Beklagte überhaupt befasst hatte, die Beklagte den Anfall der Kosten also nicht durch eine Leistungsversagung verursacht hatte. Im Übrigen hat die Beklagte hat nicht rechtswidrig Leistungen versagt.

Auch die Voraussetzungen des § 13 Abs 3 Satz 1 Fall 1 SGB V lagen nicht vor. Die Klägerin konnte noch nicht einmal eine ärztliche Verordnung vorlegen, in der die von ihr beanspruchte Körperpsychotherapie von einem Vertragsarzt für notwendig erachtet wurde. Denn selbst wenn eine Unterversorgung mit zugelassenen Leistungserbringern (sog Versorgungslücke bzw Systemversagen) zu einem Kostenerstattungsanspruch führen soll, muss im Einzelfall eine solche Versorgungslücke festgestellt werden. Insoweit hat die Klägerin dem SG mit Schriftsatz vom 23.08.2010 eine Liste mit sechs angesprochenen, zugelassenen Therapeuten vorgelegt, die sie nicht in angemessener Wartezeit aufgenommen hätten. Doch stammt diese Liste aus dem Jahr 2010. Aussagen darüber, ob diese Therapeuten tatsächlich im Dezember 2007 kontaktiert worden waren, wie lange deren Wartelisten aus Sicht von Dezember 2007 waren und ob diese sechs Therapeuten alle im Umfeld der Klägerin zugelassenen und zumutbar erreichbaren Therapeuten gewesen waren, sind daraus nicht zu entnehmen. Auch konnte der Senat nicht feststellen, dass die Klägerin sich mit der Frage um Hilfe bei der Suche nach einem erreichbaren Therapeuten im Dezember 2007 an ihre behandelnden Ärzte oder die Beklagte gewandt hätte. Soweit die Klägerin vorträgt, es sei ihr auch nicht möglich gewesen, Zugang auch zu nicht zugelassenen aber approbierten Psychotherapeuten zu finden, so kann dem der Senat nicht folgen. Insoweit hat die Klägerin keinerlei Angaben dazu gemacht, dass sie einen solchen Zugang überhaupt gesucht hätte. Die bloße und im Berufungsverfahren erstmalig vorgetragene Behauptung genügt nicht, zumal die Klägerin im SG-Verfahren angegeben hatte, bei welchen sechs zugelassenen Therapeuten sie sich um einen Therapieplatz beworben hatte. Dass sie darüber hinaus weitere Therapeuten gesucht hätte, hat sie bis ins Berufungsverfahren nicht einmal behauptet. Daher ist dieser Vortrag als reine Schutzbehauptung ins Blaue hinein zu verstehen. Im Ergebnis hat der Senat starke Zweifel daran, ob die behauptete Versorgungslücke wirklich vorgelegen hatte. Insoweit hätte die Klägerin ihrer Krankenkasse die Prüfung ermöglichen müssen, ob eine Versorgungslücke bestanden hat (BSG 18.07.2006, B 1 KR 9/05 R, juris Rdnr 22). Gerade in einem Fall, in dem ein Therapieplatz nicht in absehbarer Zeit erwartet werden kann, hätte es nahegelegen und wäre ein Anlass gewesen, bei der Beklagten nachzufragen und um Unterstützung zu bitten, um so tatsächlich alle erreichbaren Behandlungsmöglichkeiten auszuschöpfen (BSG 25.09.2000, B 1 KR 5/99 R, SozR 3-2500 § 13 Nr 22 = juris Rdnr 16, 17). Dies wäre gerade im Fall der Klägerin mehr als nahe gelegen, denn ihr Ehemann ist Mitarbeiter der Beklagten. Soweit die Prüfung einer Versorgungslücke nicht ermöglicht wurde, ist ein Kostenerstattungsanspruch daher von vorneherein abzulehnen, ohne dass es der Feststellung einer objektiven Versorgungslücke bedurfte (BSG 18.07.2006, B 1 KR 9/05 R, juris Rdnr 22). Dass sich die Klägerin im Jahr 2008 an die Beklagte gewandt hat und ihr dort angeblich nicht weitergeholfen worden sein soll, bedeutet nicht, dass sie eine solche Prüfung einer Versorgungslücke der Beklagten ermöglicht hätte. Denn zum Zeitpunkt ihrer Nachfragen hatte die Klägerin die Behandlung bei Frau M. bereits begonnen und war insoweit in ihrer Möglichkeit zur Aufnahme einer anderen Behandlung bereits eingeschränkt. Dies zeigt sich auch daran, dass die Klägerin erst nach der 2010 beendeten Behandlung bei Frau M. im Jahr 2011 eine andere psychotherapeutische Behandlung bei einem zugelassenen Leistungserbringer in Anspruch genommen hatte.

Zu berücksichtigen ist auch, dass - auch nach dem eigenen Vortrag der Klägerin vor dem SG (vgl deren Schriftsatz vom 23.08.2010) - die behandelnden Ärzte eine andere Therapie, nämlich eine stationäre bzw medikamentöse Therapie empfohlen hatten, die Klägerin diese erforderliche Therapie (vgl auch den Entlassbericht der Kliniken Sch.) aber abgelehnt hatte. Die empfohlene Therapie wäre aber zeitnah zu Lasten der Beklagten zugänglich gewesen. Nimmt die Klägerin daher nicht die medizinisch erforderliche und zugängliche Therapie sondern eine andere, selbst gewählte, in Anspruch spricht, dies gegen das Vorliegen einer Versorgungslücke wie auch dagegen, dass die Leistung unaufschiebbar war. Auch dass die Klägerin die Heilpraktikerin Frau M. wegen der Empfehlung von Bekannten gewählt hatte, spricht gegen das Vorliegen einer Versorgungslücke.

Aber selbst wenn eine solche Versorgungslücke in Form der Nichterreichbarkeit von zugelassenen Leistungserbringern vorgelegen haben sollte, eine entsprechende ärztliche Verordnung für ambulante Psychotherapie - bisher konnte weder die Klägerin noch die Beklagte eine solche vorlegen - ausgestellt oder ein Antrag auf Gewährung von Psychotherapie gestellt worden wären und die Klägerin berechtigt gewesen wäre, auch nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Leistungserbringer in Anspruch zu nehmen, berechtigt dies nicht dazu, den leistungsrechtlich geltenden Rahmen der Versorgung nach den Vorschriften des SGB V zu verlassen. Vielmehr muss auch im Rahmen einer solchen Inanspruchnahme nicht zugelassener Leistungserbringer der Leistungsumfang der Gesetzlichen Krankenversicherung eingehalten werden. Insoweit hat das SG zutreffend entscheiden, dass die zulässige Inanspruchnahme nicht zugelassener Leistungserbringer nicht weiter gehen kann, als die Versorgung bei zugelassenen Leistungserbringern. Denn ein Anspruch nach § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V setzt in beiden Regelungsalternativen einen Sach- oder Dienstleistungsanspruch des Versicherten gegen seine Krankenkasse voraus und geht in der Sache nicht weiter als ein solcher Anspruch.

Nach § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V in der seit dem 28.08.207 geltenden und somit vorliegend anzuwendenden Fassung haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst nach § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB V die (ambulante) ärztliche Behandlung einschließlich Psychotherapie als ärztliche und psychotherapeutische Behandlung. Letztere wird entsprechend den Richtlinien nach § 92 SGB V durchgeführt (§ 28 Abs 3 Satz 1 SGB V). Gemäß § 92 Abs 6a Satz 1 SGB V ist in den Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB V insbesondere das Nähere über die psychotherapeutisch behandlungsbedürftigen Krankheiten, die zur Krankenbehandlung geeigneten Verfahren, das Antrags- und Gutachterverfahren, die probatorischen Sitzungen sowie über Art, Umfang und Durchführung der Behandlung zu regeln.

Die psychotherapeutische Behandlung umfasst jede mittels wissenschaftlich anerkannter psychotherapeutischer Verfahren vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Störungen mit Krankheitswert, bei denen Psychotherapie indiziert ist (Fahlbusch aaO Rdnr 75; Wagner in Krauskopf - Soziale Krankenversicherung - Pflegeversicherung, § 28 SGB V Rdnr 17). In Ausführung des gesetzlichen Auftrages hat der GBA festgelegt, dass Voraussetzung für eine Erbringung von psychotherapeutischer Behandlung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung die Behandlung einer Krankheit, hier einer seelischen Krankheit, sein muss (§ 1 Abs 1 und 2,§ 2 Psychotherapie-RL). Ausdrücklich ausgeschlossen sind dabei Maßnahmen, die ausschließlich zur beruflichen Anpassung oder zur Berufsförderung bestimmt sind, Erziehungsberatung, Sexualberatung, körperbezogene Therapieverfahren, darstellende Gestaltungstherapie sowie heilpädagogische oder ähnliche Maßnahmen. Anerkannt sind nach der Psychotherapie-RL dagegen psychoanalytisch begründete Verfahren (§ 14 Psychotherapie-RL) iS von tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie (§ 14a Psychotherapie-RL) und analytischer Psychotherapie (§ 14b Psychotherapie-RL) sowie Verhaltenstherapie (§ 15 Psychotherapie-RL). Andere Verfahren bedürfen entsprechend dem auch für psychotherapeutische Verfahren geltenden § 135 SGB V (dazu vgl BSG 28.10.2009, B 6 KA 11/09 R, BSGE 105, 26-46 = SozR 4-2500 § 92 Nr 8 = juris Rdnr 30) zunächst der Anerkennung durch den GBA (§ 17 Psychotherapie-RL).

Zur Sicherung der Qualität der Leistungserbringung sind nach § 135 SGB V Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu bewerten. Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden dürfen danach in der (ambulanten) vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versorgung - wozu nach § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB V auch die psychotherapeutische Behandlung gehört - zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der GBA auf Antrag in Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 5 SGB V Empfehlungen abgegeben hat. Durch derartige Richtlinien wird unmittelbar der Umfang der den Versicherten von den Krankenkassen geschuldeten Leistungen verbindlich festgelegt. Gegenüber der fehlenden Entscheidung des GBA über den Nutzen sowie die medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit ist auch der Einwand unerheblich, die Methode sei gleichwohl zweckmäßig und im konkreten Fall notwendig gewesen. Es kommt insoweit nicht darauf an, ob der GBA die in Rede stehende Methode bereits geprüft und abgelehnt hat oder über die Anerkennung bisher nicht entschieden worden ist. Das Gesetz schließt nämlich nicht nur bei ablehnenden Entscheidungen des GBA, sondern vielmehr auch für den Fall des Fehlens einer solchen Entscheidung eine Abrechnung zu Lasten der Krankenkasse aus.

Bei den Richtlinien über die Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 5 SGB V handelt es sich um untergesetzliche Normen, die iVm § 135 SGB V gegenüber dem Arzt, der Krankenkasse und dem Versicherten verbindlich regeln, welche neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden Bestandteil des vertragsärztlichen Leistungsspektrums sind. Untersuchungs- und Behandlungsmethoden sind - unabhängig davon, ob sie zeitlich betrachtet neu sind oder bereits seit längerer Zeit praktiziert werden - deshalb solange von der Abrechnung zu Lasten der Krankenkassen ausgeschlossen und gehören damit nicht zum Leistungsumfang der GKV, bis der GBA sie als zweckmäßig anerkannt hat; dies hat die Psychotherapie-RL aufgenommen und spricht daher von "anderen", also nicht zugelassenen Methoden (vgl § 17 Abs 1 Satz 1 Psychotherapie-RL). Dieser Leistungsausschluss gilt auch im Verhältnis zum Versicherten, denn durch § 135 SGB V iVm den vom GBA erlassenen Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 5 SGB V wird der Umfang der den Versicherten von den Krankenkassen geschuldeten Leistungen festgelegt (BSG 05.05.2009, B 1 KR 15/08 R, SozR 4-2500 § 27 Nr 16 = juris; BSG 07.11.2006, B 1 KR 24/06 R, BSGE 97, 190-203 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12 = juris). Darf der Arzt bzw Psychotherapeut eine Behandlungsmethode nicht als Vertragsleistung abrechnen, weil sie nach den Richtlinien ausgeschlossen oder nicht empfohlen ist, gehört sie auch nicht zur geschuldeten Krankenbehandlung iSd § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V. Die Bindung der Krankenkassen an diese Modalitäten und Grenzen der Krankenbehandlung greift aber nicht nur im Falle einer Sachleistungserbringung, sondern auch im Anwendungsbereich des § 13 Abs 3 SGB V (BSG 05.05.2009, B 1 KR 15/08 R, SozR 4-2500 § 27 Nr 16 = juris).

Die Klägerin hat - wie auch aus den vorgelegten Rechnungen ersichtlich ist - körperpsychologische Behandlungen in Anspruch genommen. Sie wusste auch, dass es sich dabei nicht um eine Leistung der GKV handelt. Sie selbst hatte in ihrem Antrag vom September 2009 angegeben, erst nach Beginn der Behandlungen erfahren zu haben, dass ein "Anspruch gegen die Krankenkassen bestehe".

Auch wenn bei der Körperpsychotherapie "verbale Methoden" oder "emotionales Durcharbeiten" und "tiefenpsychologische Gespräche" als therapeutische Mittel angewandt werden, handelt es sich nicht um ein psychoanalytisch begründetes Verfahren iSd §§ 14, 14a und 14 b Psychotherapie-RL und auch nicht um eine Verhaltenstherapie iSd § 15 Psychotherapie-RL. Somit handelt es sich um eine "andere" Psychotherapieform, die von § 17 Psychotherapie-RL erfasst wird. Danach können unter bestimmten Voraussetzungen andere als die in § 13 Psychotherapie-RL genannte Psychotherapieformen zulässig sein. Insoweit ist aber Voraussetzungen (§ 17 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Psychotherapie-RL), dass der wissenschaftliche Beirat gemäß § 11 PsychTG festgestellt hat, dass das Verfahren als wissenschaftlich anerkannt für eine vertiefte Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten oder Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten angesehen werden kann sowie (§ 17 Abs 1 Satz 1 Nr 2 Psychotherapie-RL) dass ein Nachweis von indikationsbezogenem Nutzen, medizinischer Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit nach Maßgabe der Verfahrensordnung des Gemeinsamen Bundesausschusses für mindestens die Anwendungsbereiche § 22 Abs 1 Nr 1, Nr 2 Psychotherapie-RL und entweder (a) zusätzlich für mindestens einen der folgenden Anwendungsbereiche: § 22 Abs 1 Nr 3, Nr 8, Abs 2 Nr 1 Psychotherapie-RL oder (b) zusätzlich für mindestens zwei der folgenden Anwendungsbereiche: § 22 Abs 1 Nr 4, Nr 5, Nr 6, Nr 7, Nr 9, Abs 2 Nr 2, Nr 3, Nr 4 Psychotherapie-RL erbracht ist. Nach § 17 Abs 2 Psychotherapie-RL kann eine neue Methode (gemeint ist eine "andere" als die in § 13 Psychotherapie-RL zugelassenen Methoden) nach vorangegangener Anerkennung durch den wissenschaftlichen Beirat gemäß § 11 PsychTG und Nachweis von Nutzen, medizinischer Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit nach Maßgabe der Verfahrensordnung des GBA indikationsbezogen Anwendung finden. Hinsichtlich der Körperpsychotherapie liegt weder eine entsprechende Feststellung des wissenschaftlichen Beirats nach § 11 PsychTG vor (dazu vgl die auf dessen Homepage veröffentlichte Gutachten: www.wbpsychotherapie.de/page.asp? his=0.2.30Gutachten), noch liegt ein Nachweis von indikationsbezogenem Nutzen, medizinischer Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit nach Maßgabe der Verfahrensordnung des GBA für die in § 17 Abs 1 Satz 1 Nr 2 Psychotherapie-RL genannten Anwendungsbereiche vor. Insbesondere liegen keine entsprechenden Studien vor; der im Verfahren vorgelegte Aufsatz "Evaluation der Wirksamkeit von ambulanten Körperpsychotheraoien - EWAK" sowie die darin zitierte Studien genügen insoweit nicht.

In begründeten Ausnahmefällen kann gemäß § 17 Abs 3 Psychotherapie-RL von der in § 17 Abs 1 Nr 1 und in Abs. 2 Psychotherapie-RL geregelten Voraussetzung einer vorherigen Anerkennung durch den wissenschaftlichen Beirat gemäß § 11 PsychTG abgewichen werden. Hierzu stellte der GBA fest, für welche Verfahren und Methoden in der Psychotherapie und Psychosomatik die der Verfahrensordnung des GBA und der Psychotherapie-Richtlinie zugrundeliegenden Erfordernisse als erfüllt gelten und gegebenenfalls unter welchen Bedingungen diese zur Behandlung von Krankheit Anwendung finden können; die Feststellungen sind als Anlage 1 Bestandteil der Richtlinie (§ 17 Abs 3 Satz 2 und 3 Psychotherapie-RL). Derartige Feststellungen hat der GBA aber zur Körperpsychotherapie gerade nicht getroffen (vgl dazu Anlage 1 der Psychotherapie-RL).

Damit gehört die Körperpsychotherapie nicht zum Leistungsumfang der GKV. Dies wird unterstrichen durch § 1 Abs 2 Satz 2 Psychotherapie-RL, wonach körperbezogene Therapieverfahren ausdrücklich aus dem Leistungskatalog ausgeschlossen sind. Insoweit liegt auch gerade keine positive Empfehlung des GBA iSd § 135 SGB V vor; dieser hat vielmehr körperbezogene Therapieformen, wozu auch die Körperpsychotherapie gehört, ausdrücklich aus dem Leistungskatalog der GKV ausgeschlossen.

Ein Ausnahmefall, in dem es keiner positiven Empfehlung des GBA bedarf, liegt nicht vor. Für ein Systemversagen (nicht zu verwechseln mit dem sog Systemversagen mangels Zuganges zu zugelassenen Leistungserbringern iS einer Versorgungslücke) wegen verzögerter Bearbeitung eines Antrags auf Empfehlung einer neuen Methode (vgl dazu BSG 07.11.2006, B 1 KR 24/06 R, BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12 = juris) bei dem eine Ausnahme von diesem Erfordernis erwogen werden könnte, ist nichts vorgetragen oder sonst ersichtlich, zumal der GBA in § 1 Abs 2 Satz 2 Psychotherapie-RL bereits über derartige Therapieformen entscheiden hat und ein entsprechender Antrag beim GBA weder ersichtlich ist, noch eine entsprechende Stellungnahme des wissenschaftlichen Beirates gemäß § 11 PsychTG überhaupt existiert.

Auch liegt ein Seltenheitsfall, bei dem des Weiteren eine Ausnahme vom Erfordernis der vorherigen positiven Empfehlung des GBA erwogen werden könnte (vgl BSG 19.10.2004, B 1 KR 27/02 R, BSGE 93, 236-252 = SozR 4-2500 § 27 Nr 1 = juris), nicht vor. Das bei der Klägerin vorliegende Krankheitsbild der Depression tritt häufig auf und kann mit den im Leistungskatalog der GKV vorhandenen Behandlungsmethoden ausreichend und wirksam behandelt werden. Insbesondere muss hier berücksichtigt werden, dass die behandelnden Ärzte zu einer stationären, zumindest zu einer medikamentösen Behandlung geraten haben und die Klägerin diese ihr zugänglichen und zumutbaren Therapieformen abgelehnt hat.

Auch mittels einer grundrechtsorientierten Auslegung der Regelungen des SGB V kann vorliegend nicht auf das Erfordernis einer positiven Empfehlung des GBA nach § 135 SGB V verzichtet werden. Denn eine derartige verfassungskonforme Auslegung (BVerfG 06.12.2005, 1 BvR 347/98, BVerfGE 115, 25-51 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 = juris; BSG 04.04.2006, B 1 KR 7/05 R, BSGE 96, 170-182 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4 = juris) setzt ua voraus, dass eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende (BSG, aaO (Tomudex)) oder eine zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung (BSG 04.04.2006, B 1 KR 12/04 R, BSGE 96, 153-161= SozR 4-2500 § 27 Nr 7 = juris (D-Ribose)) vorliegt. Daran fehlt es vorliegend, denn Depressionen gehören nicht zu den lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankungen; auch stehen sie wertungsmäßig einer solchen Erkrankung nicht gleich. Zwar besteht bei der Klägerin eine MS-Erkrankung, die möglicherweise die Voraussetzungen dieser Rechtsprechung erfüllen könnte, doch wurde die vorliegend streitige Behandlungsmethode nicht zur Behandlung der erst nach Therapiebeginn festgestellten MS-Erkrankung eingesetzt, sondern zur Therapie der nach der Geburt der Tochter aufgetretenen Depressionen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Dabei hat der Senat im Rahmen seines Ermessens insbesondere berücksichtigt, dass die Klägerin in beiden Instanzen ohne Erfolg geblieben ist.

Die Revision wird nicht zugelassen, da Gründe für die Zulassung nicht vorliegen (§ 160 Nr 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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