Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 2 SB 3549/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 4982/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 31. Juli 2009 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 31. März 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. September 2007 verpflichtet ist, bei der Klägerin einen Grad der Behinderung von 40 ab dem 20. Januar 2006 und von 50 ab dem 03. Juli 2008 festzustellen.
2. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens werden nicht erstattet.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt einen Grad der Behinderung (GdB) von 100.
Die am 09.05.1966 geborene Klägerin beantragte am 20.01.2006 bei dem Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis (Versorgungsamt) die Feststellung der Schwerbehinderteneigen¬schaft. Nach Beiziehung ärztlicher Berichte des Facharztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. J. führte Dr. S. in ihrer versorgungsmedizinischen Stellungnahme vom 16.03.2006 aus, bei der Klägerin lägen eine seelische Störung (GdB 30) und eine Funktionsstörung durch Fußfehlform (GdB 10) vor. Der Gesamt-GdB betrage 30. Mit Bescheid vom 21.03.2006 stellte der Beklagte daraufhin diesen GdB seit dem 20.01.2006 fest. Die Schwerbehinderteneigenschaft sei nicht anzuerkennen.
Im Widerspruchsverfahren zog das Versorgungsamt das nervenärztliche Gutachten des Dr. D. vom 20.02.2006 bei, das im Rahmen eines beim Sozialgericht Mannheim (SG) anhängigen Klageverfahrens gegen die damalige Landesversicherungsanstalt Baden-Württemberg (S 10 R 1792/05) erstellt worden war. Dr. D. hatte darin ausgeführt, bei der Klägerin lägen eine leichte bis mittelschwere depressive Verstimmung, eine chronifizierte Anpassungsstörung und eine kombinierte Persönlichkeitsstörung vor. Die Klägerin sei deshalb gegenwärtig nur für drei bis unter sechs Stunden arbeitstäglich erwerbsfähig, nach einer erfolgreichen Behandlung sollte sie wieder ganzschichtig leistungsfähig sein. Versorgungsarzt Britten hielt in seiner Stellungnahme vom 04.10.2006 an der Beurteilung sowohl der Teil- als auch des Gesamt-GdB fest. Die Klägerin legte einen Bericht der Fachärzte für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. I. und E. vom 16.05.2007 vor, wonach eine erheblich chronifizierte rezidivierende Störung auf dem Boden einer zwanghaft strukturierten Persönlichkeit vorliege und sich trotz intensiver nervenärztlicher Behandlung, begleitender verhaltenstherapeutisch orientierter Psychotherapie, regelmäßiger Medikation und wiederholter stationärer und rehabilitativer Behandlungen keine wesentliche Änderung des Befundes ergeben habe. Ferner zog das Versorgungsamt das Gutachten des Neurologen und Psychiaters C. vom 13.08.2007 bei, das im Rentenverfahren erstellt worden war. Dieser Gutachter kam zusammenfassend zu dem Ergebnis, bei der Klägerin lägen eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mit mittelgradiger Episode, eine kombinierte Persönlichkeitsstörung, eine Zwangsstörung sowie rezidivierende Rückenschmerzen vor. Dr. F. führte hierzu in seiner versorgungsmedizinischen Stellungnahme vom 31.08.2007 aus, aus dem Gutachten des Arztes C. ergäbe sich, dass die seelische Erkrankung der Klägerin mit einer deutlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit verbunden sei, dieser Beeinträchtigung werde jedoch mit dem bisherigen GdB von 30 Rechnung getragen. Mit Widerspruchsbescheid vom 17.09.2007 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück.
Die Klägerin hat am 17.10.2007 Klage zum SG erhoben. Sie hat dort ausgeführt, bei ihr seien nicht sämtliche Erkrankungen erfasst und nicht sämtliche Auswirkungen auf die Lei-stungsfähigkeit berücksichtigt worden.
Nachdem der Beklagte der Klage entgegengetreten war, hat das SG zunächst die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen. Dr. D. hat in seiner Aus-kunft vom 07.12.2007 ausgeführt, es seien Einzel-GdB von 30 für die leichte bis mittelschwere depressive Verstimmung, 10 für die die chronifizierte Anpassungsstörung und 10 für die kombinierte Persönlichkeitsstörung anzunehmen. Hieraus resultiere ein GdB von 40. Dr. G., Leitender Arzt für Neurologie und Psychiatrie in der Psychosomatischen Klinik Schloss W., hat in seiner Auskunft vom 14.01.2008 mitgeteilt, die rezidivierende depressive Störung sei mittelschwer ausgeprägt (Teil-GdB 30), die gemischte Persönlichkeitsstörung sei mit einem Teil-GdB von 30 und die bei der Klägerin vorliegende Lumboischialgie mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten. Der Gesamt-GdB liege bei 40. Ferner hat er auf den Entlassungsbericht seiner Klinik vom 10.10.2006 verwiesen, der in dem genannten Rentenstreitverfahren zur Akte gezogen worden war. Darin hatte Dr. G. u. a. ausgeführt, psychotische Elemente beständen nicht.
Hierauf hat der Beklagte ein Vergleichsangebot (Gesamt-GdB 40 ab 20.01.2006) unterbreitet, das auf einer versorgungsmedizinischen Beurteilung durch Dr. X. vom 16.05.2008 beruhte. Die Klägerin hat dieses Angebot abgelehnt und eine weitere Bescheinigung der Ärzte Dr. I. und E. vom 03.07.2008 vorgelegt, wonach sich die bisher vorliegenden Erkrankungen (Zwangsstörung und rezidivierende depressive Verstimmung) verschlechtert hätten.
Daraufhin hat das SG die Klägerin bei dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. O. begutachten lassen. Dieser Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 30.10.2008 ausgeführt, bei der Klägerin lägen eine Zwangskrankheit (im Wesentlichen ein übersteigerter Ordnungs- und Reinlichkeitszwang mit Wasch- bzw. Putzzwang) bei zwanghaft-ängstlicher Persönlichkeits¬störung, eine anhaltende, wechselnd ausgeprägte depressive Episode, aktuell mittel¬gradig ausgeprägt, sowie ein leichtes Carpaltunnelsyndrom beidseits vor. Es beständen keine Anhalts¬punkte für eine Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis oder für ein hirnorganisches Psychosyndrom. Die Zwangskrankheit sei mit einem Teil-GdB von 50, die depressive Episode mit einem Teil-GdB von 40 zu bewerten. Die seelische Störung sei als schwer einzustufen. Dies rechtfertige insgesamt einen GdB von 50.
Der Beklagte hat daraufhin im Vergleichswege die Feststellung eines GdB von 50 ab dem 03.07.2008 angeboten und sich hierbei auf die versorgungsmedizinischen Stellungnahme von Dr. X. vom 22.01.2009 gestützt. Auch dieser Vergleich ist nicht zu Stande gekommen.
Mit Urteil vom 31.07.2009 hat das SG unter Abänderung der angefochtenen Bescheide - im Sinne eines Feststellungsurteils - festgestellt, dass der GdB der Klägerin 40 ab dem 20.01.2006 und 50 ab dem 03.07.2008 beträgt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das SG hat die Voraussetzungen der Feststellung eines GdB nach § 69 Abs. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) und § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) sowie nach den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" bzw. - ab dem 01.01.2009 - nach der Anlage zu § 2 der Versor-gungsmedizin-Verordnung (VersMedV) dargelegt, auf jene Ausführungen wird verwiesen. Nach diesen Maßstäben ergäben sich, so das SG, die zeitlich gestaffelt zugesprochenen GdB. Bei der Klägerin lägen eine Zwangskrankheit bei zwanghaft-ängstlicher Persönlichkeitsstörung, eine anhaltende, wechselnd ausgeprägte depressive Episode und ein leichtes Carpaltunnelsyndrom beidseits vor. Dies sei aus den Auskünften von Dr. D. vom 07.12.2007 und Dr. G. vom 14.01.2008 zu entnehmen. Beide Ärzte hätten den hieraus folgenden GdB mit insgesamt 40 eingeschätzt. Dies treffe zu. Es sei davon auszugehen, dass die psychiatrischen Erkrankungen die Klägerin am stärksten beeinträchtigten, wie sich aus den Unterlagen von Dr. J. ergebe. Die orthopädischen Leiden seien nach der Stellungnahme von Dr. G. allenfalls mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten. Hieraus resultiere nach seiner überzeugenden Einschätzung ein Gesamt-GdB von 40. Dem habe sich auch Dr. X. in seiner sozialmedizinischen Stellungnahme vom 16.05.2008 angeschlossen. Aufgrund der Feststellungen des Sachverständigen Dr. O. in dem Gutachten vom 30.10.2008 sei allerdings davon auszugehen, dass sich die psychiatrischen Erkrankungen im Laufe des Klageverfahrens verschlechtert hätten. Hierfür biete die Be¬scheinigung der Ärzte Dr. I. und E. vom 03.07.2008 einen nachvollziehbaren, objek¬tivierbaren Anhaltspunkt. Diese Ärzte hätten mitgeteilt, dass sich die Zwangsstörung und die rezidivierende depressive Verstimmung nunmehr verschlechtert hätten. Dementsprechend sei Dr. O. in seinem Gutachten zu dem Ergebnis gekommen, dass die Auswirkungen der Zwangskrankheit die Klägerin jetzt wesentlich stärker beeinträchtigten. Er schätze den hierdurch bedingten Teil-GdB mit 50 ein. Die daneben bestehende ausgeprägte depressive Episode, die er mit einem Teil-GdB von 40 bewerte, sei allerdings im Hinblick auf die Überlagerung mit den Auswirkungen der zwanghaft-ängstlichen Persönlichkeitsstörung nicht geeignet, eine wesentl¬iche Erhöhung des Gesamt-GdB zu begründen. Der Sachverständige komme deshalb nach¬vollziehbar, schlüssig und überzeugend zu dem Ergebnis, dass zum Zeitpunkt seiner Unter¬suchung ein GdB von 50 vorliege. Dieser sei aufgrund der Stellungnahme von Dres. I. und E. ab dem 03.07.2008 nachgewiesen. Hiervon gehe auch Dr. X. in seiner Stellungnahme vom 22.01.2009 aus.
Gegen dieses Urteil, das ihrer Prozessbevollmächtigten am 29.09.2009 zugestellt worden ist, hat die Klägerin am 28.10.2009 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Sie trägt vor, ihre Grunderkrankung sei derzeit angesichts einer schweren depressiven Episode mit einem GdB von 80 zu bewerten. Auch sei ihr am 08.10.2007 wegen einer depressiven Periode mit psychotischen Symptomen, nämlich optischen Halluzinationen, eine stationäre Behandlung verordnet worden. Nunmehr stehe eine medizinische Rehabilitation an. Ferner seien ihre orthopädischen Leiden - Lumboischialgie und Fußfehlform - mit einem GdB von 20 zu bewerten.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 31. Juli 2009 abzuändern und den Beklagten unter weiterer Abänderung des Bescheids vom 31. März 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. September 2007 zu verpflichten, ihr ab dem 20. Januar 2006 einen Grad der Behinderung von 100 zuzuerkennen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angegriffene Urteil und seine Entscheidungen und hat zunächst vorgetragen, eine weitere Verschlechterung des psychischen Erkrankungsbildes sei nicht ausreichend belegt, insoweit könne die angekündigte Rehabilitationsmaßnahme abgewartet werden.
Die Klägerin hat sodann das nervenfachärztliche Gutachten von Dr. B. vom 15.06.2010 vorgelegt, das in einem weiteren Rentenstreitverfahren vor dem SG Mannheim (S 9 R 3752/09) eingeholt worden war. Darin ist ausgeführt, der Klägerin seien wegen einer mit¬tel¬gradigen depressiven Episode, Zwangsstörungen und einer kombinierten Persönlichkeitsstörung nur noch leichte bis in Spitzen mittelschwere Arbeiten ohne Nacht- und Wechselschicht, oh¬ne erhöhten Zeitdruck und ohne besondere geistige Beanspruchung, ohne Stress und ohne Akkord-arbeiten für drei bis "deutlich unter sechs Stunden" arbeitstäglich zuzumuten. Die Leistungs-min¬derung habe sich seit 2006 nicht verändert. Ferner hat die Klägerin schriftliche Zeugenaussagen des Allgemeinmediziners Dr. U. vom 03.02.2010 und von Dr. I. vom 01.02.2010 vorgelegt, die in dem Rentenstreit¬verfahren eingeholt worden waren. Hierin hat Dr. U. von einer Psychose berichtet und als psychotisches Element insbesondere ein Spinnensehen genannt.
Der Senat hat sodann bei der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg das von dort bei Dr. M. erhobene Gutachten vom 04.07.2009 eingeholt, auf das verwiesen wird.
Der Berichterstatter des Senats hat die Klägerin persönlich angehört. Hierbei hat die Klägerin ausgeführt, sie erhalte weiterhin Rente wegen voller Erwerbsminderung bis September 2011, werde im Sommer eine Heilmaßnahme absolvieren, sie habe noch einige orthopädische Beschwerden im Schulterbereich und an der unteren Wirbelsäule und habe nachts das Gefühl eingeschlafener Hände, jedoch kein Kribbeln. Sie sei sehr sauberkeitsorientiert und es sei ihr am liebsten, weder sie noch ihr Sohn brächten Besuch in ihre Wohnung, damit kein Staub entstehe. Sie wische sehr häufig und gründlich die Wohnung. Sie erledige auch die Einkäufe. Sie besuche gelegentlich eine Freundin. Das Tischtennisspielen habe sie vor drei Jahren aufgegeben. Sie sei seit mindestens zwei Jahren nicht mehr im Urlaub gewesen. Sie habe zeitweise Spinnen gesehen, vor allem morgens nach dem Aufstehen. Dies habe jedoch aufgehört. Sie höre jedoch gelegent¬lich das Telefon oder die Haustürglocke schellen und dann sei niemand da. Sie nehme ein Anti¬depressivum (Fluoxetin 40) einmal morgens. Wegen der weiteren Angaben der Klägerin wird auf das Protokoll der nichtöffentlichen Sitzung vom 11.03.2011 verwiesen.
Die Klägerin hat sich nach dem Erörterungstermin bei dem Orthopäden Dr. V. vorgestellt und hierzu das Attest vom 21.03.2011 eingereicht. Ferner hat der Senat Dr. V. schriftlich als Zeugen vernommen. Er hat unter dem 27.06.2011 mitgeteilt, am 18.03.2011 hätten wieder Beschwerden der Hals- und der Lendenwirbelsäule im Sinne einer Lum¬bo¬ischialgie bei Degeneration der LWS vorgelegen. Die Klägerin sei chirotherapeutisch, medikamentös (Diclofenac, Ibuprofen) und mit Massagen behandelt worden. Eine Einschränkung der Beweglichkeit bestehe nur an der HWS und sei endgradig, insoweit könne ein GdB von 20 angenommen werden. An Brust- und Lenden¬wirbelsäule bestehe ein ausreichender Bewegungsumfang. Schulterbeschwerden seien nicht geschildert worden.
Zu der Zeugenaussage von Dr. V. hat der Beklagte ausgeführt, ein GdB von 20 für die Wirbelsäulenbeschwerden sei nicht vertretbar, da nur ein Wirbelsäulenabschnitt betroffen sei und die Beeinträchtigungen geringfügig seien. Die von der Klägerin angegebenen Missem-pfindungen der Hände könnten nicht mit Wurzelreizerscheinungen gleichgesetzt werden.
Die Klägerin absolvierte die angekündigte Rehabilitationsmaßnahme vom 09.08. bis 20.09.2011 in dem Reha-Zentrum H. in T ... Sie hat sodann den vorläufigen Entlassungsbericht vom 15.09.2011 vorgelegt, in dem eine schwere depressive Episode diagnostiziert war. Nach dem von der Klägerin ebenfalls vorgelegten endgültigen Entlassungsbericht vom 12.10.2011 besteht bei ihr gegenwärtig eine Zwangsstörung und eine rezidivierende depressive Störung. Diese Diagnosen sind in dem Bericht nach der internationalen Klassifikation der Krankheiten ICD-10 mit F42.2 und F33.1 codiert. Es seien keine Hinweise auf Wahnvorstellungen oder Sinnes¬täuschungen gefunden worden. Eine Ich-Störung bestehe nicht. Die Klägerin leide an blasphe¬mischen Gedanken und einem Putzzwang. Von diesem habe sie sich während des Aufenthalts etwas distanziert. Ihre Grundstimmung sei hoffnungslos, niedergeschlagen, sie sei nicht mehr nach oben auslenkbar, sie habe im Aufnahmegespräch geweint. Der Antrieb sei vermindert. Zwischenzeitlich sei es ihr gelungen, im Kontakt zu Mitpatienten auch entspannt und locker zu sein, beim Thema Rückkehr nach Hause sei sie jedoch schnell ängstlich und überfordert gewe¬sen. Zur Wirbelsäule ist ausgeführt, sie sei physiologisch gekrümmt, bei Beugung, Drehung und Seitneigung des Kopfes seien keine Schmerzen angegeben und keine Beweglichkeits¬einschränkungen diagnostiziert worden. An der HWS bestehe deutlicher Muskelhartspann. Die Klägerin sei berentet und könne nur mittelfristig am ehesten unter geschützten Bedingungen wieder einer Tätigkeit nachgehen.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 27.06.2012 waren.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG vom 31.07.2009 hat keinen Erfolg (dazu im Folgenden unter 1). Allerdings war der Tenor des Urteils von Amts wegen dahin zu ändern, dass der bei der Klägerin vorliegende GdB nicht unmittelbar gerichtlicherseits festgestellt wird, sondern - den Anträgen der Klägerin folgend - der Beklagte zu einer entsprechenden behörd-lichen Feststellung verpflichtet wird (unten 2).
1. Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. In der Sache zutreffend hat das SG ent-schieden, dass bei der Klägerin ab Antragstellung ein GdB von 40 vorlag und ab dem 03.07.2008 ein GdB von 50 zuzuerkennen ist.
a) Das SG hat die Voraussetzungen der Feststellung eines GdB nach § 69 Abs. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) und § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) sowie nach den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (AHP) bzw. - ab dem 01.01.2009 - nach den in der Anlage zu § 2 VersMedV enthaltenen Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG) nebst ihren späteren Än-derungen zutreffend dargelegt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf jene Ausfüh-rungen verwiesen (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).
b) Die Erkrankungen der Klägerin auf psychiatrischem Gebiet sind zur Zeit, und zwar seit dem 03.07.2008, mit einem GdB von 50 zu bewerten.
aa) Bei der Klägerin besteht eine Zwangskrankheit bei zwanghaft-ängstlicher Persön-lichkeitsstörung mit rezidivierenden depressiven Episoden unterschiedlichen Grades, die mit einem GdB von 50 zu bewerten ist.
Nach Nr. 26.3 AHP und gleichermaßen nach Teil B Nr. 3.7 VG werden neurotische Er-krankungen, Persönlichkeitsstörungen und die Folgen psychischer Traumen als einheitliche psychische Erkrankung zusammengefasst. Hierzu zählen, wie sich aus der Aufzählung in der Rubrik der stärker behindernden Störungen ergibt, auch depressive und phobische Störungen sowie somatoforme Erkrankungen wie bestimmte Schmerzstörungen. Dass auch Zwangs-krankheiten unter diese Behinderung zu fassen sind, ergibt sich aus ihrer ausdrücklichen Erwä-hnung in der Rubrik der schweren Störungen. Solche Krankheiten bedingen einen GdB von 30 bis 40 bei einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit, von 50 bis 70 bei mittel¬gradigen sozialen Anpassungsstörungen und von 80 bis 100 bei schweren sozialen Anpassungsstörungen. Nach dem Auszug aus der Niederschrift über die Tagung der Sektion "Versorgungsmedizin" des Ärztlichen Sachverständigenbeirats beim Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung vom 18. bis 19. März 1998 ist von mittelgradigen sozialen An-passungsschwierigkeiten auszugehen, wenn sich die psychische Veränderung in den meisten Berufen auswirkt und eine weitere Tätigkeit zwar grundsätzlich noch erlaubt, jedoch eine verminderte Einsatzfähigkeit bedingt, die auch eine berufliche Gefährdung mit einschließt; darüber hinaus ist das Bestehen erheblicher familiärer Probleme durch Kontaktverlust und affektive Nivellierung zu berücksichtigen (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 11.08.2011, L 11 SB 24/10, Juris Rn. 31).
Nach diesen Grundsätzen sind die genannten, nach Teil B Nr. 3.7 VG zusammenzufassenden psychischen Erkrankungen der Klägerin gegenwärtig mit einem GdB von 50 zu bewerten. Der Senat schließt sich insoweit den Vorschlägen des Sachverständigen Dr. O. und den Erwägungen des SG an. Auch wenn die beiden Behinderungen zusammenzufassen sind, so bestehen doch bei der Klägerin mehrere neurotische Krankheitsbilder, neben der Zwangskrankheit auch eine rezidivierende Depression mit mittelschweren depressiven Episoden. Es kann hier offen bleiben, ob bereits die Zwangskrankheit allein als "schwere Zwangskrankheit" und damit als schwere Störung einzustufen ist, die bereits allein einen GdB von 50 bedingen würde. Der Putzzwang allein erreicht diesen Grad zwar nicht, denn die Reinigung der Wohnung ist eine an sich übliche soziale Tätigkeit, die Klägerin putzt ihre Wohnung oft nur anlassbezogen, wenn sich z. B. ihr Sohn mit seinen Freunden in der Wohnung aufgehalten hat, und sie übt neben dem Putzen im Tagesablauf noch weitere Tätigkeiten wie Einkaufen oder Kochen aus. Aber zur Zwangs¬krankheit gehören auch die zwanghaften Gedankengänge blasphemischer Art, wie sie z. B. in dem Entlassungsbericht über den stationären Aufenthalt der Klägerin in T. vom 12.10.2011 von Prof. Dr. L. beschrieben worden sind. Jedenfalls ist die neben der Zwangskrankheit beste¬hende depressive Erkrankung ihrerseits als zumindest mittelgradig einzustufen. Die Klägerin leidet sehr unter ihrer psychischen Belastung. So berichten sowohl Dr. B. in seinem Gutachten vom 15.06.2010 als auch Prof. Dr. L. in dem genannten Entlassungsbericht, die Klägerin sei kaum nach oben auslenkbar, habe bei den Anamnesegesprächen geweint, das formale Denken sei verlangsamt, die Grundstimmung sei hoffnungslos, der Schlaf durch Grübeln gestört. Betrachtet man diese Beeinträchtigungen insgesamt, so kann von bereits mittelgradigen sozialen An¬passungsschwierigkeiten ausgegangen werden. Wie insbesondere Dr. O. in seinem Gutachten vom 30.10.2008 unter Heranziehung anderer ärztlicher Unterlagen und gestützt auf die Eigen¬anamnese der Klägerin dargelegt hat, sind die sozialen Kontakte eingeschränkt, die Klägerin berichtet insoweit nur von ihrem Sohn und einer Freundin, die gelegentlich bei ihr - der Klägerin - zu Besuch kommt. Dies hat Dr. B. in seinem Gutachten bestätigt und von einem erheblichen sozialen Rückzug gesprochen. Ferner ist die Klägerin für alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht mehr leistungsfähig, weswegen sie inzwischen eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bezieht.
Der Senat konnte sich nicht davon überzeugen, dass diese psychische Krankheit (Zwangskrankheit und rezidivierende Depression) bereits einen GdB von 60 bedingt. Entgegen dem Vortrag der Klägerin lässt sich aus den medizinischen Unterlagen keine laufende Verschlechterung ablesen. Mittelgradige depressive Episoden werden seit Jahren regelmäßig diagnostiziert. Es ist nicht davon auszugehen, dass diese Episoden zwischenzeitlich schweres Niveau erreicht haben. Nur der vorläufige Entlassungsbericht aus T. vom 15.09.2011 hat eine schwere Episode genannt. Bereits in dem endgültigen Entlassungsbericht vom 12.10.2011, den der Senat für maßgeblich hält, war wiederum lediglich eine mittelgradige Episode diagnostiziert. Dies ergibt sich aus der dort verwendeten Codierung F33.1 nach der ICD-10. Eine schwere depressive Episode ist mit F33.2 zu verschlüsseln. Es ist hiernach nicht ausgeschlossen, dass die psychische Erkrankung der Klägerin fortschreitet und in Zukunft eventuell mit einem GdB von 60 oder mehr bewertet werden muss. Dies kann nur im Rahmen eines Neufeststellungsantrags geschehen.
bb) Eine weitere psychische Krankheit liegt bei der Klägerin zurzeit nicht vor. Insbesondere bestand bei ihr - im gesamten Streitzeitraum - keine mindestens sechs Monate andauernde und daher als Behinderung anzuerkennende psychotische Erkrankung, die nach Nr. 26.3 AHP bzw. nach Teil B Nr. 3.6 VG neben einer neurotischen oder depressiven Erkrankung gesondert zu bewerten wäre. Bei der Klägerin mögen gelegentlich einzelnen psychotische Elemente vorgelegen haben. So hatte Dr. U. in seiner Stellungnahme vom 03.02.2010 gegenüber dem SG in dem Rentenstreitverfahren von einer Psychose gesprochen. Bereits die Klägerin selbst hat aber bei ihrer Anhörung am 11.03.2011 von Spinnensehen und Klingelhören gesprochen, wobei das Spinnensehen auch nach ihren Angaben abgeklungen ist. Solche psychotischen Elemente erreichen jedoch nicht das Niveau einer psychotischen Erkrankung im Sinne der genannten Maßgaben aus den AHP bzw. den VG. Dass sie keine - aktive - floride oder affektive Psychose sind, ist offensichtlich. Aber sie erreichen auch nicht das Niveau eine schizophrenen Residuums, denn dafür wären verbliebene Reststörungen wie Konzentrationsschwäche, Kontaktschwäche, Vitalitätseinbußen oder eine affektive Nivellierung notwendig. Solche Beeinträchtigungen bestehen jedoch bei der Klägerin nicht. Wie bereits zur neurotischen Erkrankung ausgeführt, ist die Klägerin aktiv, verfügt noch über ausreichende soziale Kontakte und leidet - wie sich z. B. an ihren umfangreichen Reinigungsarbeiten zeigt - auch nicht unter Vitalitätseinbußen. Dass aktuell nicht einmal mehr psychotische Elemente vorliegen, entnimmt der Senat wiederum dem endgül¬tigen Entlassungsbericht aus T. vom 12.11.2011. Darin sind psychotische Elemente ausdrücklich verneint. Außerdem wäre eine depressive Erkrankung mit psychotischen Elementen nach der ICD-10 mit F33.3 zu verschlüsseln gewesen.
c) Dagegen ist die psychische Erkrankung der Klägerin für die Zeit vor dem 03.07.2008 nur mit einem GdB von 40 zu bewerten. Auch in diesem Punkt folgt der Senat dem angegriffenen Urteil des SG.
Die aus jenem Zeitraum vorliegenden ärztlichen Unterlagen belegen nur eine stärker be-hindernde Störung mit - nur - wesentlicher Einschränkung des Erlebnis- und Gestaltungsspiel-raums. Dies beruht vor allem darauf, dass sich vor allem die Zwangskrankheit im Laufe der Zeit verstärkt hat, während die rezidivierenden depressiven Episoden im Leben der Klägerin schon längere Zeit aufgetreten sind. Entsprechend hatte Dr. D. in seinem Gutachten vom 20.02.2006 - nur - von einer leichten bis mittelgradigen depressiven Verstimmung, einer chronifizierten An¬passungsstörung und einer kombinierten Persönlichkeitsstörung gesprochen, aber keine Zwangs¬krankheit diagnostiziert. Er hatte keine stärkergradige Einschränkung der Schwingungsfähigkeit feststellen können. Auch hatte die Klägerin damals noch von stärkeren sozialen Kontakten ge¬sprochen, so war sie "öfters" in ihrer Freizeit bei einer Nachbarin gewesen und hatte regelmäßig Kontakt mit einer Verwandten. Ferner war sie an Pfingsten 2006 mit ihrem Sohn noch im Urlaub gewesen. Vor dem Hintergrund dieser Feststellungen erscheint es nachvollziehbar, das Dr. D. selbst in seiner Aussage gegenüber dem SG vom 07.12.2007 einen GdB von 40 vorgeschlagen hat. Bestätigt wird dies durch die gleichlautende Einschätzung von Dr. G. von der Klinik W. gegenüber dem SG vom 14.01.2008. Dass insbesondere die sozialen Kontakte der Klägerin damals noch nicht so stark wie gegenwärtig eingeschränkt waren, zeigt sich auch daran, dass sie - nach ihren Angaben gegenüber Dr. B. - von etwa 2004 an eine Beziehung zu einem älteren Mann unterhalten hatte, die im Dezember 2009 geendet habe.
Dass das SG den 03.07.2008 als Datum für die Verschlechterung des psychischen Gesund-heitszustandes und damit die Erhöhung des GdB angenommen hat, ist nicht zu beanstanden. Unter diesem Datum hatten die Ärzte Dr. I. und E. eine Verschlimmerung beschrieben und als Grund dafür unter anderem auf das Ende der psychotherapeutischen Behandlung verwiesen. Es ist vertretbar anzunehmen, dass damit eine wesentliche Verschlimmerung erstmals ärztlicherseits festgestellt worden ist.
d) Auf neurologischem Gebiet liegt keine Behinderung vor, die mit einem GdB zu bewerten wäre. Dr. O. hat insoweit auf ein leichtes Carpaltunnelsyndrom bds. hingewiesen, das gering-fügige Empfindungsstörungen hervorrufe. Nachdem hierdurch insbesondere keine Beweglich-keitseinschränkung verursacht wird, ist es nachvollziehbar, dass Dr. O. hierfür keinen GdB vor-geschlagen hat.
e) Die orthopädischen Beeinträchtigungen der Klägerin bedingten für den gesamten Streitzeit-raum seit der Antragstellung am 20.01.2006 keinen GdB von mehr als 10.
Nach Teil B Nr. 18.9 VG und gleichermaßen Nr. 26.18 AHP sind Wirbelsäulenschäden mit einem GdB von 10 zu bewerten, wenn sie geringe funktionelle Auswirkungen verursachen, ein GdB von 20 ist für mittelgradige funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt anzuerkennen, und ein GdB von 30 kommt erst bei schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt oder zumindest mittelgradigen Auswirkungen in zwei Wirbel-säulenabschnitten in Betracht.
Bei der Klägerin ist nur ein Wirbelsäulenabschnitt, nämlich die HWS, betroffen, und die Auswirkungen sind nicht mittelgradig. Dr. V. hat in seiner Zeugenaussage vom 27.06.2011 ausgeführt, die Klägerin habe sich, nachdem sie zuletzt am 31.10.2006 und am 09.06.2008 bei ihm gewesen sei, erst am 18.03.2011 - auf Vorschlag des Senats - dort wieder vorgestellt. Es bestehe eine endgradige Einschränkung der Seitneigung und der Kopfrotation im Bereich der HWS, dagegen bestehe bei BWS und LWS ein ausreichender Bewegungsumfang und es lägen dort keine neurologischen Störungen vor, die sich auf die unteren Extremitäten auswirkten. Auch die Schultergelenke seien beschwerdefrei. Auch der Entlassungsbericht aus T. vom 12.11.2010 gibt - lediglich - an, die Wirbelsäule sei physiologisch gekrümmt, jedoch seien bei Beugung, Drehung und Seitneigung des Kopfes keine Schmerzen angegeben und keine Beweg-lichkeitseinschränkungen diagnostiziert worden. An der HWS bestehe deutlicher Muskelhart-spann. Vor diesem Hintergrund kann nicht Dr. V.s Vorschlag, für die Beeinträchtigungen der Wirbelsäule einen GdB von 20 anzunehmen, gefolgt werden.
f) Nachdem außerhalb der psychischen Erkrankungen nur ein GdB von 10 anzunehmen ist, der nach Teil A Nr. 3 Buchst. d Doppelbuchst. ee Satz 1 VG (entsprechend Nr. 19 Abs. 4 Satz 1 AHP) nicht zu einer Erhöhung des Gesamt-GdB führt, bewendet es bei den GdB auf psychiatrischem Fachgebiet von 40 ab Antragstellung und 50 ab dem 03.07.2008.
2. Auch wenn die Berufung der Klägerin keinen Erfolg hat, war der Tenor des angegriffenen Urteils von Amts wegen abzuändern. Das SG hat den bei der Klägerin bestehenden GdB unmittelbar festgestellt. Abgesehen davon, dass die Klägerin einen entsprechenden Antrag auf gerichtliche Feststellung (§ 55 Abs. 1 Halbsatz 1 Nr. 1 SGG) nicht gestellt hatte, sondern von Anfang an - nur - eine Verpflichtung des Beklagten zu einer entsprechenden behördlichen Feststellung beantragt hatte, scheidet im Rahmen des Schwerbehindertenrechts eine gerichtliche Feststellung aus. § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX überträgt die Entscheidung über den GdB - allein - den mit der Versorgungsverwaltung betrauten Behörden. Es handelt sich um eine Status¬entscheidung, die Rechtswirkungen für Dritte entfaltet. Eine gerichtliche Feststellung dieser Art wäre u.U. nicht möglich, solange diese Dritten nicht am Rechtsstreit beteiligt sind. Entsprechend kann die Feststellung eines GdB nur mit einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflich¬tungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG begehrt werden (BSG, Urt. v. 12.04.2000, B 9 SB 3/99 R, Juris Rn. 10; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 54 Rn. 20b, § 55 Rn. 13c).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten für das Berufungsverfahren war nicht anzuordnen, nachdem der Senat lediglich von Amts wegen den Tenor des angegriffenen Urteils abgeändert hat.
4. Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs. 2 SGG).
2. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens werden nicht erstattet.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt einen Grad der Behinderung (GdB) von 100.
Die am 09.05.1966 geborene Klägerin beantragte am 20.01.2006 bei dem Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis (Versorgungsamt) die Feststellung der Schwerbehinderteneigen¬schaft. Nach Beiziehung ärztlicher Berichte des Facharztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. J. führte Dr. S. in ihrer versorgungsmedizinischen Stellungnahme vom 16.03.2006 aus, bei der Klägerin lägen eine seelische Störung (GdB 30) und eine Funktionsstörung durch Fußfehlform (GdB 10) vor. Der Gesamt-GdB betrage 30. Mit Bescheid vom 21.03.2006 stellte der Beklagte daraufhin diesen GdB seit dem 20.01.2006 fest. Die Schwerbehinderteneigenschaft sei nicht anzuerkennen.
Im Widerspruchsverfahren zog das Versorgungsamt das nervenärztliche Gutachten des Dr. D. vom 20.02.2006 bei, das im Rahmen eines beim Sozialgericht Mannheim (SG) anhängigen Klageverfahrens gegen die damalige Landesversicherungsanstalt Baden-Württemberg (S 10 R 1792/05) erstellt worden war. Dr. D. hatte darin ausgeführt, bei der Klägerin lägen eine leichte bis mittelschwere depressive Verstimmung, eine chronifizierte Anpassungsstörung und eine kombinierte Persönlichkeitsstörung vor. Die Klägerin sei deshalb gegenwärtig nur für drei bis unter sechs Stunden arbeitstäglich erwerbsfähig, nach einer erfolgreichen Behandlung sollte sie wieder ganzschichtig leistungsfähig sein. Versorgungsarzt Britten hielt in seiner Stellungnahme vom 04.10.2006 an der Beurteilung sowohl der Teil- als auch des Gesamt-GdB fest. Die Klägerin legte einen Bericht der Fachärzte für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. I. und E. vom 16.05.2007 vor, wonach eine erheblich chronifizierte rezidivierende Störung auf dem Boden einer zwanghaft strukturierten Persönlichkeit vorliege und sich trotz intensiver nervenärztlicher Behandlung, begleitender verhaltenstherapeutisch orientierter Psychotherapie, regelmäßiger Medikation und wiederholter stationärer und rehabilitativer Behandlungen keine wesentliche Änderung des Befundes ergeben habe. Ferner zog das Versorgungsamt das Gutachten des Neurologen und Psychiaters C. vom 13.08.2007 bei, das im Rentenverfahren erstellt worden war. Dieser Gutachter kam zusammenfassend zu dem Ergebnis, bei der Klägerin lägen eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mit mittelgradiger Episode, eine kombinierte Persönlichkeitsstörung, eine Zwangsstörung sowie rezidivierende Rückenschmerzen vor. Dr. F. führte hierzu in seiner versorgungsmedizinischen Stellungnahme vom 31.08.2007 aus, aus dem Gutachten des Arztes C. ergäbe sich, dass die seelische Erkrankung der Klägerin mit einer deutlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit verbunden sei, dieser Beeinträchtigung werde jedoch mit dem bisherigen GdB von 30 Rechnung getragen. Mit Widerspruchsbescheid vom 17.09.2007 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück.
Die Klägerin hat am 17.10.2007 Klage zum SG erhoben. Sie hat dort ausgeführt, bei ihr seien nicht sämtliche Erkrankungen erfasst und nicht sämtliche Auswirkungen auf die Lei-stungsfähigkeit berücksichtigt worden.
Nachdem der Beklagte der Klage entgegengetreten war, hat das SG zunächst die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen. Dr. D. hat in seiner Aus-kunft vom 07.12.2007 ausgeführt, es seien Einzel-GdB von 30 für die leichte bis mittelschwere depressive Verstimmung, 10 für die die chronifizierte Anpassungsstörung und 10 für die kombinierte Persönlichkeitsstörung anzunehmen. Hieraus resultiere ein GdB von 40. Dr. G., Leitender Arzt für Neurologie und Psychiatrie in der Psychosomatischen Klinik Schloss W., hat in seiner Auskunft vom 14.01.2008 mitgeteilt, die rezidivierende depressive Störung sei mittelschwer ausgeprägt (Teil-GdB 30), die gemischte Persönlichkeitsstörung sei mit einem Teil-GdB von 30 und die bei der Klägerin vorliegende Lumboischialgie mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten. Der Gesamt-GdB liege bei 40. Ferner hat er auf den Entlassungsbericht seiner Klinik vom 10.10.2006 verwiesen, der in dem genannten Rentenstreitverfahren zur Akte gezogen worden war. Darin hatte Dr. G. u. a. ausgeführt, psychotische Elemente beständen nicht.
Hierauf hat der Beklagte ein Vergleichsangebot (Gesamt-GdB 40 ab 20.01.2006) unterbreitet, das auf einer versorgungsmedizinischen Beurteilung durch Dr. X. vom 16.05.2008 beruhte. Die Klägerin hat dieses Angebot abgelehnt und eine weitere Bescheinigung der Ärzte Dr. I. und E. vom 03.07.2008 vorgelegt, wonach sich die bisher vorliegenden Erkrankungen (Zwangsstörung und rezidivierende depressive Verstimmung) verschlechtert hätten.
Daraufhin hat das SG die Klägerin bei dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. O. begutachten lassen. Dieser Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 30.10.2008 ausgeführt, bei der Klägerin lägen eine Zwangskrankheit (im Wesentlichen ein übersteigerter Ordnungs- und Reinlichkeitszwang mit Wasch- bzw. Putzzwang) bei zwanghaft-ängstlicher Persönlichkeits¬störung, eine anhaltende, wechselnd ausgeprägte depressive Episode, aktuell mittel¬gradig ausgeprägt, sowie ein leichtes Carpaltunnelsyndrom beidseits vor. Es beständen keine Anhalts¬punkte für eine Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis oder für ein hirnorganisches Psychosyndrom. Die Zwangskrankheit sei mit einem Teil-GdB von 50, die depressive Episode mit einem Teil-GdB von 40 zu bewerten. Die seelische Störung sei als schwer einzustufen. Dies rechtfertige insgesamt einen GdB von 50.
Der Beklagte hat daraufhin im Vergleichswege die Feststellung eines GdB von 50 ab dem 03.07.2008 angeboten und sich hierbei auf die versorgungsmedizinischen Stellungnahme von Dr. X. vom 22.01.2009 gestützt. Auch dieser Vergleich ist nicht zu Stande gekommen.
Mit Urteil vom 31.07.2009 hat das SG unter Abänderung der angefochtenen Bescheide - im Sinne eines Feststellungsurteils - festgestellt, dass der GdB der Klägerin 40 ab dem 20.01.2006 und 50 ab dem 03.07.2008 beträgt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das SG hat die Voraussetzungen der Feststellung eines GdB nach § 69 Abs. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) und § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) sowie nach den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" bzw. - ab dem 01.01.2009 - nach der Anlage zu § 2 der Versor-gungsmedizin-Verordnung (VersMedV) dargelegt, auf jene Ausführungen wird verwiesen. Nach diesen Maßstäben ergäben sich, so das SG, die zeitlich gestaffelt zugesprochenen GdB. Bei der Klägerin lägen eine Zwangskrankheit bei zwanghaft-ängstlicher Persönlichkeitsstörung, eine anhaltende, wechselnd ausgeprägte depressive Episode und ein leichtes Carpaltunnelsyndrom beidseits vor. Dies sei aus den Auskünften von Dr. D. vom 07.12.2007 und Dr. G. vom 14.01.2008 zu entnehmen. Beide Ärzte hätten den hieraus folgenden GdB mit insgesamt 40 eingeschätzt. Dies treffe zu. Es sei davon auszugehen, dass die psychiatrischen Erkrankungen die Klägerin am stärksten beeinträchtigten, wie sich aus den Unterlagen von Dr. J. ergebe. Die orthopädischen Leiden seien nach der Stellungnahme von Dr. G. allenfalls mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten. Hieraus resultiere nach seiner überzeugenden Einschätzung ein Gesamt-GdB von 40. Dem habe sich auch Dr. X. in seiner sozialmedizinischen Stellungnahme vom 16.05.2008 angeschlossen. Aufgrund der Feststellungen des Sachverständigen Dr. O. in dem Gutachten vom 30.10.2008 sei allerdings davon auszugehen, dass sich die psychiatrischen Erkrankungen im Laufe des Klageverfahrens verschlechtert hätten. Hierfür biete die Be¬scheinigung der Ärzte Dr. I. und E. vom 03.07.2008 einen nachvollziehbaren, objek¬tivierbaren Anhaltspunkt. Diese Ärzte hätten mitgeteilt, dass sich die Zwangsstörung und die rezidivierende depressive Verstimmung nunmehr verschlechtert hätten. Dementsprechend sei Dr. O. in seinem Gutachten zu dem Ergebnis gekommen, dass die Auswirkungen der Zwangskrankheit die Klägerin jetzt wesentlich stärker beeinträchtigten. Er schätze den hierdurch bedingten Teil-GdB mit 50 ein. Die daneben bestehende ausgeprägte depressive Episode, die er mit einem Teil-GdB von 40 bewerte, sei allerdings im Hinblick auf die Überlagerung mit den Auswirkungen der zwanghaft-ängstlichen Persönlichkeitsstörung nicht geeignet, eine wesentl¬iche Erhöhung des Gesamt-GdB zu begründen. Der Sachverständige komme deshalb nach¬vollziehbar, schlüssig und überzeugend zu dem Ergebnis, dass zum Zeitpunkt seiner Unter¬suchung ein GdB von 50 vorliege. Dieser sei aufgrund der Stellungnahme von Dres. I. und E. ab dem 03.07.2008 nachgewiesen. Hiervon gehe auch Dr. X. in seiner Stellungnahme vom 22.01.2009 aus.
Gegen dieses Urteil, das ihrer Prozessbevollmächtigten am 29.09.2009 zugestellt worden ist, hat die Klägerin am 28.10.2009 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Sie trägt vor, ihre Grunderkrankung sei derzeit angesichts einer schweren depressiven Episode mit einem GdB von 80 zu bewerten. Auch sei ihr am 08.10.2007 wegen einer depressiven Periode mit psychotischen Symptomen, nämlich optischen Halluzinationen, eine stationäre Behandlung verordnet worden. Nunmehr stehe eine medizinische Rehabilitation an. Ferner seien ihre orthopädischen Leiden - Lumboischialgie und Fußfehlform - mit einem GdB von 20 zu bewerten.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 31. Juli 2009 abzuändern und den Beklagten unter weiterer Abänderung des Bescheids vom 31. März 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. September 2007 zu verpflichten, ihr ab dem 20. Januar 2006 einen Grad der Behinderung von 100 zuzuerkennen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angegriffene Urteil und seine Entscheidungen und hat zunächst vorgetragen, eine weitere Verschlechterung des psychischen Erkrankungsbildes sei nicht ausreichend belegt, insoweit könne die angekündigte Rehabilitationsmaßnahme abgewartet werden.
Die Klägerin hat sodann das nervenfachärztliche Gutachten von Dr. B. vom 15.06.2010 vorgelegt, das in einem weiteren Rentenstreitverfahren vor dem SG Mannheim (S 9 R 3752/09) eingeholt worden war. Darin ist ausgeführt, der Klägerin seien wegen einer mit¬tel¬gradigen depressiven Episode, Zwangsstörungen und einer kombinierten Persönlichkeitsstörung nur noch leichte bis in Spitzen mittelschwere Arbeiten ohne Nacht- und Wechselschicht, oh¬ne erhöhten Zeitdruck und ohne besondere geistige Beanspruchung, ohne Stress und ohne Akkord-arbeiten für drei bis "deutlich unter sechs Stunden" arbeitstäglich zuzumuten. Die Leistungs-min¬derung habe sich seit 2006 nicht verändert. Ferner hat die Klägerin schriftliche Zeugenaussagen des Allgemeinmediziners Dr. U. vom 03.02.2010 und von Dr. I. vom 01.02.2010 vorgelegt, die in dem Rentenstreit¬verfahren eingeholt worden waren. Hierin hat Dr. U. von einer Psychose berichtet und als psychotisches Element insbesondere ein Spinnensehen genannt.
Der Senat hat sodann bei der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg das von dort bei Dr. M. erhobene Gutachten vom 04.07.2009 eingeholt, auf das verwiesen wird.
Der Berichterstatter des Senats hat die Klägerin persönlich angehört. Hierbei hat die Klägerin ausgeführt, sie erhalte weiterhin Rente wegen voller Erwerbsminderung bis September 2011, werde im Sommer eine Heilmaßnahme absolvieren, sie habe noch einige orthopädische Beschwerden im Schulterbereich und an der unteren Wirbelsäule und habe nachts das Gefühl eingeschlafener Hände, jedoch kein Kribbeln. Sie sei sehr sauberkeitsorientiert und es sei ihr am liebsten, weder sie noch ihr Sohn brächten Besuch in ihre Wohnung, damit kein Staub entstehe. Sie wische sehr häufig und gründlich die Wohnung. Sie erledige auch die Einkäufe. Sie besuche gelegentlich eine Freundin. Das Tischtennisspielen habe sie vor drei Jahren aufgegeben. Sie sei seit mindestens zwei Jahren nicht mehr im Urlaub gewesen. Sie habe zeitweise Spinnen gesehen, vor allem morgens nach dem Aufstehen. Dies habe jedoch aufgehört. Sie höre jedoch gelegent¬lich das Telefon oder die Haustürglocke schellen und dann sei niemand da. Sie nehme ein Anti¬depressivum (Fluoxetin 40) einmal morgens. Wegen der weiteren Angaben der Klägerin wird auf das Protokoll der nichtöffentlichen Sitzung vom 11.03.2011 verwiesen.
Die Klägerin hat sich nach dem Erörterungstermin bei dem Orthopäden Dr. V. vorgestellt und hierzu das Attest vom 21.03.2011 eingereicht. Ferner hat der Senat Dr. V. schriftlich als Zeugen vernommen. Er hat unter dem 27.06.2011 mitgeteilt, am 18.03.2011 hätten wieder Beschwerden der Hals- und der Lendenwirbelsäule im Sinne einer Lum¬bo¬ischialgie bei Degeneration der LWS vorgelegen. Die Klägerin sei chirotherapeutisch, medikamentös (Diclofenac, Ibuprofen) und mit Massagen behandelt worden. Eine Einschränkung der Beweglichkeit bestehe nur an der HWS und sei endgradig, insoweit könne ein GdB von 20 angenommen werden. An Brust- und Lenden¬wirbelsäule bestehe ein ausreichender Bewegungsumfang. Schulterbeschwerden seien nicht geschildert worden.
Zu der Zeugenaussage von Dr. V. hat der Beklagte ausgeführt, ein GdB von 20 für die Wirbelsäulenbeschwerden sei nicht vertretbar, da nur ein Wirbelsäulenabschnitt betroffen sei und die Beeinträchtigungen geringfügig seien. Die von der Klägerin angegebenen Missem-pfindungen der Hände könnten nicht mit Wurzelreizerscheinungen gleichgesetzt werden.
Die Klägerin absolvierte die angekündigte Rehabilitationsmaßnahme vom 09.08. bis 20.09.2011 in dem Reha-Zentrum H. in T ... Sie hat sodann den vorläufigen Entlassungsbericht vom 15.09.2011 vorgelegt, in dem eine schwere depressive Episode diagnostiziert war. Nach dem von der Klägerin ebenfalls vorgelegten endgültigen Entlassungsbericht vom 12.10.2011 besteht bei ihr gegenwärtig eine Zwangsstörung und eine rezidivierende depressive Störung. Diese Diagnosen sind in dem Bericht nach der internationalen Klassifikation der Krankheiten ICD-10 mit F42.2 und F33.1 codiert. Es seien keine Hinweise auf Wahnvorstellungen oder Sinnes¬täuschungen gefunden worden. Eine Ich-Störung bestehe nicht. Die Klägerin leide an blasphe¬mischen Gedanken und einem Putzzwang. Von diesem habe sie sich während des Aufenthalts etwas distanziert. Ihre Grundstimmung sei hoffnungslos, niedergeschlagen, sie sei nicht mehr nach oben auslenkbar, sie habe im Aufnahmegespräch geweint. Der Antrieb sei vermindert. Zwischenzeitlich sei es ihr gelungen, im Kontakt zu Mitpatienten auch entspannt und locker zu sein, beim Thema Rückkehr nach Hause sei sie jedoch schnell ängstlich und überfordert gewe¬sen. Zur Wirbelsäule ist ausgeführt, sie sei physiologisch gekrümmt, bei Beugung, Drehung und Seitneigung des Kopfes seien keine Schmerzen angegeben und keine Beweglichkeits¬einschränkungen diagnostiziert worden. An der HWS bestehe deutlicher Muskelhartspann. Die Klägerin sei berentet und könne nur mittelfristig am ehesten unter geschützten Bedingungen wieder einer Tätigkeit nachgehen.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 27.06.2012 waren.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG vom 31.07.2009 hat keinen Erfolg (dazu im Folgenden unter 1). Allerdings war der Tenor des Urteils von Amts wegen dahin zu ändern, dass der bei der Klägerin vorliegende GdB nicht unmittelbar gerichtlicherseits festgestellt wird, sondern - den Anträgen der Klägerin folgend - der Beklagte zu einer entsprechenden behörd-lichen Feststellung verpflichtet wird (unten 2).
1. Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. In der Sache zutreffend hat das SG ent-schieden, dass bei der Klägerin ab Antragstellung ein GdB von 40 vorlag und ab dem 03.07.2008 ein GdB von 50 zuzuerkennen ist.
a) Das SG hat die Voraussetzungen der Feststellung eines GdB nach § 69 Abs. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) und § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) sowie nach den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (AHP) bzw. - ab dem 01.01.2009 - nach den in der Anlage zu § 2 VersMedV enthaltenen Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG) nebst ihren späteren Än-derungen zutreffend dargelegt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf jene Ausfüh-rungen verwiesen (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).
b) Die Erkrankungen der Klägerin auf psychiatrischem Gebiet sind zur Zeit, und zwar seit dem 03.07.2008, mit einem GdB von 50 zu bewerten.
aa) Bei der Klägerin besteht eine Zwangskrankheit bei zwanghaft-ängstlicher Persön-lichkeitsstörung mit rezidivierenden depressiven Episoden unterschiedlichen Grades, die mit einem GdB von 50 zu bewerten ist.
Nach Nr. 26.3 AHP und gleichermaßen nach Teil B Nr. 3.7 VG werden neurotische Er-krankungen, Persönlichkeitsstörungen und die Folgen psychischer Traumen als einheitliche psychische Erkrankung zusammengefasst. Hierzu zählen, wie sich aus der Aufzählung in der Rubrik der stärker behindernden Störungen ergibt, auch depressive und phobische Störungen sowie somatoforme Erkrankungen wie bestimmte Schmerzstörungen. Dass auch Zwangs-krankheiten unter diese Behinderung zu fassen sind, ergibt sich aus ihrer ausdrücklichen Erwä-hnung in der Rubrik der schweren Störungen. Solche Krankheiten bedingen einen GdB von 30 bis 40 bei einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit, von 50 bis 70 bei mittel¬gradigen sozialen Anpassungsstörungen und von 80 bis 100 bei schweren sozialen Anpassungsstörungen. Nach dem Auszug aus der Niederschrift über die Tagung der Sektion "Versorgungsmedizin" des Ärztlichen Sachverständigenbeirats beim Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung vom 18. bis 19. März 1998 ist von mittelgradigen sozialen An-passungsschwierigkeiten auszugehen, wenn sich die psychische Veränderung in den meisten Berufen auswirkt und eine weitere Tätigkeit zwar grundsätzlich noch erlaubt, jedoch eine verminderte Einsatzfähigkeit bedingt, die auch eine berufliche Gefährdung mit einschließt; darüber hinaus ist das Bestehen erheblicher familiärer Probleme durch Kontaktverlust und affektive Nivellierung zu berücksichtigen (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 11.08.2011, L 11 SB 24/10, Juris Rn. 31).
Nach diesen Grundsätzen sind die genannten, nach Teil B Nr. 3.7 VG zusammenzufassenden psychischen Erkrankungen der Klägerin gegenwärtig mit einem GdB von 50 zu bewerten. Der Senat schließt sich insoweit den Vorschlägen des Sachverständigen Dr. O. und den Erwägungen des SG an. Auch wenn die beiden Behinderungen zusammenzufassen sind, so bestehen doch bei der Klägerin mehrere neurotische Krankheitsbilder, neben der Zwangskrankheit auch eine rezidivierende Depression mit mittelschweren depressiven Episoden. Es kann hier offen bleiben, ob bereits die Zwangskrankheit allein als "schwere Zwangskrankheit" und damit als schwere Störung einzustufen ist, die bereits allein einen GdB von 50 bedingen würde. Der Putzzwang allein erreicht diesen Grad zwar nicht, denn die Reinigung der Wohnung ist eine an sich übliche soziale Tätigkeit, die Klägerin putzt ihre Wohnung oft nur anlassbezogen, wenn sich z. B. ihr Sohn mit seinen Freunden in der Wohnung aufgehalten hat, und sie übt neben dem Putzen im Tagesablauf noch weitere Tätigkeiten wie Einkaufen oder Kochen aus. Aber zur Zwangs¬krankheit gehören auch die zwanghaften Gedankengänge blasphemischer Art, wie sie z. B. in dem Entlassungsbericht über den stationären Aufenthalt der Klägerin in T. vom 12.10.2011 von Prof. Dr. L. beschrieben worden sind. Jedenfalls ist die neben der Zwangskrankheit beste¬hende depressive Erkrankung ihrerseits als zumindest mittelgradig einzustufen. Die Klägerin leidet sehr unter ihrer psychischen Belastung. So berichten sowohl Dr. B. in seinem Gutachten vom 15.06.2010 als auch Prof. Dr. L. in dem genannten Entlassungsbericht, die Klägerin sei kaum nach oben auslenkbar, habe bei den Anamnesegesprächen geweint, das formale Denken sei verlangsamt, die Grundstimmung sei hoffnungslos, der Schlaf durch Grübeln gestört. Betrachtet man diese Beeinträchtigungen insgesamt, so kann von bereits mittelgradigen sozialen An¬passungsschwierigkeiten ausgegangen werden. Wie insbesondere Dr. O. in seinem Gutachten vom 30.10.2008 unter Heranziehung anderer ärztlicher Unterlagen und gestützt auf die Eigen¬anamnese der Klägerin dargelegt hat, sind die sozialen Kontakte eingeschränkt, die Klägerin berichtet insoweit nur von ihrem Sohn und einer Freundin, die gelegentlich bei ihr - der Klägerin - zu Besuch kommt. Dies hat Dr. B. in seinem Gutachten bestätigt und von einem erheblichen sozialen Rückzug gesprochen. Ferner ist die Klägerin für alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht mehr leistungsfähig, weswegen sie inzwischen eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bezieht.
Der Senat konnte sich nicht davon überzeugen, dass diese psychische Krankheit (Zwangskrankheit und rezidivierende Depression) bereits einen GdB von 60 bedingt. Entgegen dem Vortrag der Klägerin lässt sich aus den medizinischen Unterlagen keine laufende Verschlechterung ablesen. Mittelgradige depressive Episoden werden seit Jahren regelmäßig diagnostiziert. Es ist nicht davon auszugehen, dass diese Episoden zwischenzeitlich schweres Niveau erreicht haben. Nur der vorläufige Entlassungsbericht aus T. vom 15.09.2011 hat eine schwere Episode genannt. Bereits in dem endgültigen Entlassungsbericht vom 12.10.2011, den der Senat für maßgeblich hält, war wiederum lediglich eine mittelgradige Episode diagnostiziert. Dies ergibt sich aus der dort verwendeten Codierung F33.1 nach der ICD-10. Eine schwere depressive Episode ist mit F33.2 zu verschlüsseln. Es ist hiernach nicht ausgeschlossen, dass die psychische Erkrankung der Klägerin fortschreitet und in Zukunft eventuell mit einem GdB von 60 oder mehr bewertet werden muss. Dies kann nur im Rahmen eines Neufeststellungsantrags geschehen.
bb) Eine weitere psychische Krankheit liegt bei der Klägerin zurzeit nicht vor. Insbesondere bestand bei ihr - im gesamten Streitzeitraum - keine mindestens sechs Monate andauernde und daher als Behinderung anzuerkennende psychotische Erkrankung, die nach Nr. 26.3 AHP bzw. nach Teil B Nr. 3.6 VG neben einer neurotischen oder depressiven Erkrankung gesondert zu bewerten wäre. Bei der Klägerin mögen gelegentlich einzelnen psychotische Elemente vorgelegen haben. So hatte Dr. U. in seiner Stellungnahme vom 03.02.2010 gegenüber dem SG in dem Rentenstreitverfahren von einer Psychose gesprochen. Bereits die Klägerin selbst hat aber bei ihrer Anhörung am 11.03.2011 von Spinnensehen und Klingelhören gesprochen, wobei das Spinnensehen auch nach ihren Angaben abgeklungen ist. Solche psychotischen Elemente erreichen jedoch nicht das Niveau einer psychotischen Erkrankung im Sinne der genannten Maßgaben aus den AHP bzw. den VG. Dass sie keine - aktive - floride oder affektive Psychose sind, ist offensichtlich. Aber sie erreichen auch nicht das Niveau eine schizophrenen Residuums, denn dafür wären verbliebene Reststörungen wie Konzentrationsschwäche, Kontaktschwäche, Vitalitätseinbußen oder eine affektive Nivellierung notwendig. Solche Beeinträchtigungen bestehen jedoch bei der Klägerin nicht. Wie bereits zur neurotischen Erkrankung ausgeführt, ist die Klägerin aktiv, verfügt noch über ausreichende soziale Kontakte und leidet - wie sich z. B. an ihren umfangreichen Reinigungsarbeiten zeigt - auch nicht unter Vitalitätseinbußen. Dass aktuell nicht einmal mehr psychotische Elemente vorliegen, entnimmt der Senat wiederum dem endgül¬tigen Entlassungsbericht aus T. vom 12.11.2011. Darin sind psychotische Elemente ausdrücklich verneint. Außerdem wäre eine depressive Erkrankung mit psychotischen Elementen nach der ICD-10 mit F33.3 zu verschlüsseln gewesen.
c) Dagegen ist die psychische Erkrankung der Klägerin für die Zeit vor dem 03.07.2008 nur mit einem GdB von 40 zu bewerten. Auch in diesem Punkt folgt der Senat dem angegriffenen Urteil des SG.
Die aus jenem Zeitraum vorliegenden ärztlichen Unterlagen belegen nur eine stärker be-hindernde Störung mit - nur - wesentlicher Einschränkung des Erlebnis- und Gestaltungsspiel-raums. Dies beruht vor allem darauf, dass sich vor allem die Zwangskrankheit im Laufe der Zeit verstärkt hat, während die rezidivierenden depressiven Episoden im Leben der Klägerin schon längere Zeit aufgetreten sind. Entsprechend hatte Dr. D. in seinem Gutachten vom 20.02.2006 - nur - von einer leichten bis mittelgradigen depressiven Verstimmung, einer chronifizierten An¬passungsstörung und einer kombinierten Persönlichkeitsstörung gesprochen, aber keine Zwangs¬krankheit diagnostiziert. Er hatte keine stärkergradige Einschränkung der Schwingungsfähigkeit feststellen können. Auch hatte die Klägerin damals noch von stärkeren sozialen Kontakten ge¬sprochen, so war sie "öfters" in ihrer Freizeit bei einer Nachbarin gewesen und hatte regelmäßig Kontakt mit einer Verwandten. Ferner war sie an Pfingsten 2006 mit ihrem Sohn noch im Urlaub gewesen. Vor dem Hintergrund dieser Feststellungen erscheint es nachvollziehbar, das Dr. D. selbst in seiner Aussage gegenüber dem SG vom 07.12.2007 einen GdB von 40 vorgeschlagen hat. Bestätigt wird dies durch die gleichlautende Einschätzung von Dr. G. von der Klinik W. gegenüber dem SG vom 14.01.2008. Dass insbesondere die sozialen Kontakte der Klägerin damals noch nicht so stark wie gegenwärtig eingeschränkt waren, zeigt sich auch daran, dass sie - nach ihren Angaben gegenüber Dr. B. - von etwa 2004 an eine Beziehung zu einem älteren Mann unterhalten hatte, die im Dezember 2009 geendet habe.
Dass das SG den 03.07.2008 als Datum für die Verschlechterung des psychischen Gesund-heitszustandes und damit die Erhöhung des GdB angenommen hat, ist nicht zu beanstanden. Unter diesem Datum hatten die Ärzte Dr. I. und E. eine Verschlimmerung beschrieben und als Grund dafür unter anderem auf das Ende der psychotherapeutischen Behandlung verwiesen. Es ist vertretbar anzunehmen, dass damit eine wesentliche Verschlimmerung erstmals ärztlicherseits festgestellt worden ist.
d) Auf neurologischem Gebiet liegt keine Behinderung vor, die mit einem GdB zu bewerten wäre. Dr. O. hat insoweit auf ein leichtes Carpaltunnelsyndrom bds. hingewiesen, das gering-fügige Empfindungsstörungen hervorrufe. Nachdem hierdurch insbesondere keine Beweglich-keitseinschränkung verursacht wird, ist es nachvollziehbar, dass Dr. O. hierfür keinen GdB vor-geschlagen hat.
e) Die orthopädischen Beeinträchtigungen der Klägerin bedingten für den gesamten Streitzeit-raum seit der Antragstellung am 20.01.2006 keinen GdB von mehr als 10.
Nach Teil B Nr. 18.9 VG und gleichermaßen Nr. 26.18 AHP sind Wirbelsäulenschäden mit einem GdB von 10 zu bewerten, wenn sie geringe funktionelle Auswirkungen verursachen, ein GdB von 20 ist für mittelgradige funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt anzuerkennen, und ein GdB von 30 kommt erst bei schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt oder zumindest mittelgradigen Auswirkungen in zwei Wirbel-säulenabschnitten in Betracht.
Bei der Klägerin ist nur ein Wirbelsäulenabschnitt, nämlich die HWS, betroffen, und die Auswirkungen sind nicht mittelgradig. Dr. V. hat in seiner Zeugenaussage vom 27.06.2011 ausgeführt, die Klägerin habe sich, nachdem sie zuletzt am 31.10.2006 und am 09.06.2008 bei ihm gewesen sei, erst am 18.03.2011 - auf Vorschlag des Senats - dort wieder vorgestellt. Es bestehe eine endgradige Einschränkung der Seitneigung und der Kopfrotation im Bereich der HWS, dagegen bestehe bei BWS und LWS ein ausreichender Bewegungsumfang und es lägen dort keine neurologischen Störungen vor, die sich auf die unteren Extremitäten auswirkten. Auch die Schultergelenke seien beschwerdefrei. Auch der Entlassungsbericht aus T. vom 12.11.2010 gibt - lediglich - an, die Wirbelsäule sei physiologisch gekrümmt, jedoch seien bei Beugung, Drehung und Seitneigung des Kopfes keine Schmerzen angegeben und keine Beweg-lichkeitseinschränkungen diagnostiziert worden. An der HWS bestehe deutlicher Muskelhart-spann. Vor diesem Hintergrund kann nicht Dr. V.s Vorschlag, für die Beeinträchtigungen der Wirbelsäule einen GdB von 20 anzunehmen, gefolgt werden.
f) Nachdem außerhalb der psychischen Erkrankungen nur ein GdB von 10 anzunehmen ist, der nach Teil A Nr. 3 Buchst. d Doppelbuchst. ee Satz 1 VG (entsprechend Nr. 19 Abs. 4 Satz 1 AHP) nicht zu einer Erhöhung des Gesamt-GdB führt, bewendet es bei den GdB auf psychiatrischem Fachgebiet von 40 ab Antragstellung und 50 ab dem 03.07.2008.
2. Auch wenn die Berufung der Klägerin keinen Erfolg hat, war der Tenor des angegriffenen Urteils von Amts wegen abzuändern. Das SG hat den bei der Klägerin bestehenden GdB unmittelbar festgestellt. Abgesehen davon, dass die Klägerin einen entsprechenden Antrag auf gerichtliche Feststellung (§ 55 Abs. 1 Halbsatz 1 Nr. 1 SGG) nicht gestellt hatte, sondern von Anfang an - nur - eine Verpflichtung des Beklagten zu einer entsprechenden behördlichen Feststellung beantragt hatte, scheidet im Rahmen des Schwerbehindertenrechts eine gerichtliche Feststellung aus. § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX überträgt die Entscheidung über den GdB - allein - den mit der Versorgungsverwaltung betrauten Behörden. Es handelt sich um eine Status¬entscheidung, die Rechtswirkungen für Dritte entfaltet. Eine gerichtliche Feststellung dieser Art wäre u.U. nicht möglich, solange diese Dritten nicht am Rechtsstreit beteiligt sind. Entsprechend kann die Feststellung eines GdB nur mit einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflich¬tungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG begehrt werden (BSG, Urt. v. 12.04.2000, B 9 SB 3/99 R, Juris Rn. 10; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 54 Rn. 20b, § 55 Rn. 13c).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten für das Berufungsverfahren war nicht anzuordnen, nachdem der Senat lediglich von Amts wegen den Tenor des angegriffenen Urteils abgeändert hat.
4. Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs. 2 SGG).
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