L 5 RJ 615/99

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 7 RJ 292/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 RJ 615/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 29. Oktober 1999 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

In diesem Rechtsstreit geht es um Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Die am 1932 geborene Klägerin hat von 1954 bis 1970 als Kindermädchen, Hausgehilfin und Stationsangestellte gearbeitet. Am 12.03.1971 hat sie eine Prüfung als Altenpflegerin abgelegt und diesen Beruf bis 31.10.1975 unter Zahlung von Pflichtbeiträgen ausgeübt. Daran schloss sich eine Arbeitslosigkeit bis zum 03.02.1977 an.

Danach sind Pflichtbeiträge erst wieder in der Zeit vom 01.06.1991 bis 31.01.1992 (8 Monate) vorhanden, wo die Klägerin als Altenpflegerin im Haus H. in M. gearbeitet hat.

Ein erster Rentenantrag vom 30.07.1992 wurde nach Untersuchung der Klägerin am 22.09.1992 von der Beklagten mit Bescheid vom 13.10.1992 abgelehnt, weil zum einem die Klägerin weder berufs- noch erwerbsunfähig sei, zum anderen weil in den letzten fünf Jahren vor der Antragstellung nur 8 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen belegt seien. Nach Stellung eines weiteren Rentenantrages am 22.03.1993 wurde die Klägerin am 19.05.1993 von dem Internisten Dr.R. untersucht, der folgende Diagnosen stellt: 1. Chronische Rückenbeschwerden - mäßige Funktionsbeeinträchtigung, deutliche Herabsetzung der Belastbarkeit (Zervikal-, BWS- und Lumbalsyndrom ohne radikuläre Ausfälle, degenerative WS-Veränderungen). Fußbeschwerden bei Fußdeformierungen beidseits - deutliche Funktionsbeeinträchtigung (Klumpfuß beidseits, Klumpfuß-OP links 1979). 2. Bluthochdruckkrankheit mit leichter Einschränkung der Herzleistung. Kreislauffehlregulationen mit temporären Hirndurchblutungsstörungen. 3. Schwerhörigkeit mit mäßiger psychosozialer Beeinträchtigung. Einfach strukturierte Persönlichkeit mit vermindertem Anpassungs- und Umstellungsvermögen. Übergewicht. Ganzheitlich betrachtet - vorwiegend aber unter Würdigung der psychischen Situation - bestehe ein aufgehobenes Leistungsvermögen. Die Klägerin könne seit dem Tag der Untersuchung nur mehr unter zwei Stunden täglich arbeiten.

Die Beklagte lehnte daraufhin den Rentenatrag mit Bescheid vom 17.06.1993 und Widerspruchsbescheid vom 24.05.1994 wegen fehlender versicherungsrechtlicher Voraussetzungen bei Eintritt des Versicherungsfalles im März 1993 ab. Die dagegen erhobene Klage wurde mit Urteil des SG Augsburg vom 31.01.1995 (S 13 Ar 297/94) rechtskräftig abgewiesen. Zur Begründung führte das SG aus, ausgehend von einem Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit im März 1993 seien die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt. Es gebe keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit durch einen Sturz am 18.10.1991 während der Arbeit im Haus H. eingetreten sei. Dieses Urteil wurde von der anwaltlich vertretenen Klägerin nicht angefochten. Vielmehr hat sie am 16.04.1996 erneut Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bzw. Berufsunfähigkeit beantragt. Auch diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 31.07.1996 ab, weil bei einem Versicherungsfall im März 1993 die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Im Widerspruchsverfahren gab die Klägerin an, sie sei in der Zeit vom 01.01.1984 bis 31.05.1991 im Bürgerhospital S. Krankenhaus als Kranken- und Altenpflegerin tätig gewesen und in der Zeit vom 01.02.1992 bis 31.12.1995 arbeitslos gemeldet gewesen. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 17.03.1998 zurück. Im Fünfjahreszeitraum vom 22.03.1988 bis 21.03.1993 seien nur acht Monate Pflichtbeitragszeit zurückgelegt worden. Selbst wenn man einen früheren Versicherungsfall im Februar 1992 (bis 31.01.1992 Pflichtbeiträge) annehme, ergebe sich nichts anderes, weil aufgrund der Belegungslücke von März 1977 bis Mai 1991 auch dann die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt wären. Zeiten einer geringfügigen nicht versicherungspflichtigen Beschäftigung seien weder Pflichtbeitragszeiten noch Aufschubtatbestände.

Im anschließenden Klageverfahren trug die Klägerin vor, sie sei von Beruf examinierte Krankenschwester und Altenpflegerin und seit dem 22.03.1993 erwerbsunfähig. Im maßgeblichen Fünfjahreszeitraum habe sie von 1987 bis 1988 als Altenpflegerin im Haus H. in L. , von 1988 bis November 1989 als Haushaltshilfe in der evangelischen Gemeinde in I. , von 1989 bis Juni 1991 als Altenpflegerin im Bürgerhospital Stadt S. in S. und von Juni 1991 bis Januar 1992 im Haus H. in M. gearbeitet. Anschließend sei sie bis 31.12.1995 arbeitslos gemeldet gewesen.

Das SG hat nach Einholung zahlreicher Arztunterlagen die Klage mit Urteil vom 29.10.1999 abgewiesen, wobei es gemäß § 136 Abs.3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf die Gründe des Widerspruchsbescheides Bezug nahm. Außerdem berief es sich auf das rechtskräftige Urteil vom 31.01.1995. In diesem Verfahren habe die Klägerin selber angegeben, von 1986 bis November 1989 nicht und von November 1989 bis Mai 1991 nur geringfügig beschäftigt gewesen zu sein. Damit seien die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt.

Gegen das am 15.11.1999 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 08.12.1999 durch ihren Bevollmächtigten Berufung eingelegt. In der Begründung vom 02.05.2001 wurden erneut die bereits im Klageverfahren vorgetragenen Zeiten geltend gemacht.

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Augsburg vom 29.10.1999 sowie des Bescheides vom 31.07.1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17.03.1998 zu verurteilen ihr aufgrund des Antrags vom 16.04.1996 Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bis 30.06.1997 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Beigezogen wurden die Akten des SG Augsburg und der Beklagten. Seit 01.07.1997 bezieht die Klägerin Regelaltersrente wegen Vollendung des 65.Lebensjahres (Bl.91 ff LVA-A).

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Voraussetzung für einen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ist, dass a) die letzten fünf Jahre vor Eintritt der Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit mit mindestens drei Jahren Pflichtbeitragszeiten für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sind (§§ 43 Abs.1 Nr.2, 44 Abs.1 Nr.2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI) oder b) die Zeit vom 01.01.1984 bis zum Eintritt von Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit mit Anwartschaftserhaltungszeiten voll belegt oder noch belegbar ist (§§ 240 Abs.2, 241 Abs.2 SGB VI) oder c) die Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit aufgrund eines Tatbestandes eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit erfüllt ist (§§ 43 Abs.4, 44 Abs.4 i.V.m. 53 SGB VI) oder d) wenn der Leistungsfall spätestens im Jahre 1984 eingetreten ist (§ 240 Abs.2 SGB VI).

Diese Voraussetzungen sind bei der Klägerin sämtlich nicht erfüllt.

Nach dem Ergebnis der Begutachtung durch die Beklagte, das vom SG Augsburg (S 13 Ar 297/94) bestätigt wurde (rechtskräftiges Urteil vom 31.01.1995), ist der Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit bei der Klägerin am 22.03.1993 eingetreten. Davon geht auch die Klägerseite aus, wie in der Berufungsbegründung vom 02.05.2001 ausdrücklich festgestellt wird. In den letzten fünf Jahren vor diesem Zeitpunkt wurden jedoch nur für acht Monate Pflichtbeiträge geleistet. An dieser Tatsache vermag die Berufungsbegründung nichts zu ändern. Zwar wird behauptet, die Klägerin habe von 1987 bis 1988 im Altenpflegeheim Haus H. in M. gearbeitet. Tatsächlich liegt eine Arbeitgeberbescheinigung des Haus H. vom 11.10.1994 vor (Bl.45-47 der SG-Akte, S 13 Ar 297/94), in der jedoch nur die Zeit von Juni 1991 bis Januar 1992 ausgewiesen ist, für die auch tatsächlich Pflichtbeiträge gezahlt wurden. Selbst wenn man davon ausgeht, die Klägerin habe bereits 1987 bis 1988 im Haus H. gearbeitet, sind dafür Beiträge nicht geleistet worden. Vermutlich handelte es sich um eine wegen Geringsfügigkeit versicherungsfreie Beschäftigung. Letztlich kann dies aber dahingestellt bleiben, da maßgeblich für die rentenrechtliche Berücksichtigung einer Zeit die Entrichtung von Versicherungsbeiträgen ist. Dasselbe gilt für die anschließende Zeit bis zum November 1989, wo die Klägerin Haushaltshilfe in der evangelischen Kirchengemeinde in I. war. Hierzu hatte sie im o.g. Klageverfahren (S 13 AR 297/94) selber angegeben, sie habe dort vom 02.05.1989 bis 12.12.1989 in der Nachbarschaftshilfe gearbeitet und zwar nicht versicherungspflichtig. Während der Tätigkeit als Altenpflegerin im Bürgerhospital in S. wurden offenkundig ebenfalls keine Beiträge geleistet. Auch hierzu hatte die Klägerin früher angegeben, sie sei nur geringfügig beschäftigt gewesen. Aber selbst wenn man diesen Zeitraum von insgesamt höchstens 19 Monaten voll anerkennen würde und zu den vorhandenen acht Monaten hinzuzöge, kämen nur 27 Monate an Pflichtbeiträgen heraus, keinesfalls also die erforderlichen 36 Monate. Die anschließend geltend gemachte Zeit von Juni 1991 bis Januar 1992 ist bereits voll berücksichtigt und bringt somit keine weiteren Versicherungszeiten.

Unbehelflich ist ferner die anschließende Zeit der Arbeitslosigkeit. Abgesehen davon, dass nach der vorgelegten Bescheinigung des Arbeitsamtes keine Leistungen bezogen wurden, sind Zeiten, die nach Eintritt des Versicherungsfalles liegen, ohnehin nicht mehr auf Wartezeit oder Anwartschaftszeit anrechenbar. Soweit die Zeit vor Eintritt des Versicherungsfalles läge, wäre sie nur geeignet, den Fünfjahreszeitraum nach vorn zu verlegen, wodurch sich jedoch keine weiteren anrechenbaren Zeiten ergäben, da tatsächlich bereits seit 1977 keine Beitragszeiten mehr vorhanden sind. Soweit ließe sich der Anrechnungszeitraum keinesfalls zurückverlegen.

Damit sind die Voraussetzungen des § 43 Abs.1 Nr.2 SGB VI in der bei Eintritt des Versicherungsfalles geltenden Fassung nicht erfüllt.

Die Anwartschaft ist auch nicht gemäß § 240 Abs.2 bzw. § 241 Abs.2 SGB VI erhalten. Zwar hatte die Klägerin vor dem 01.01.1984 die allgemeine Wartezeit von 60 Kalendermonaten bereits erfüllt, doch ist die Zeit vom 01.01.1984 bis zum Eintritt des Versicherungsfalles keineswegs durchgehend mit sog. Anwartschaftserhaltungszeiten im Sinne des § 240 Abs.2 Satz 1 Nr.1 bis 6 SGB VI belegt und auch nicht mehr belegbar. Der Versicherungsfall der Berufsunfähigkeit bzw. Erwerbsunfähigkeit ist auch nicht bereits vor dem 01.01.1984 eingetreten (§ 241 Abs.2 S.1 2.Alt. SGB VI a.F.).

Schließlich ist der Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit auch nicht bei dem während der Arbeit im Haus H. erlittenen Sturz im Oktober 1991 eingetreten, denn die Klägerin war danach nach der Auskunft des behandelnden Arztes nur kurzzeitig arbeitsunfähig erkrankt. Demnach sind die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen auch nicht gemäß §§ 43 Abs.4, 44 Abs.4 i.V.m. § 53 SGB VI erfüllt, wie auch bereits das SG Augsburg in seinem rechtskräftigen Urteil vom 31.01.1995 (S 13 Ar 297/94) zutreffend festgestellt hat.

Unerheblich ist, ob die Klägerin - wie sie meint - Berufsschutz als Altenpflegerin genießt, da die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der Rente wegen Berufsunfähigkeit und wegen Erwerbsunfähigkeit bezüglich der Anwartschaft identisch sind.

Nach allem ist festzustellen, dass die Klägerin, wie von der Beklagten bereits in mehreren Rentenverfahren und vom SG Augsburg ebenfalls bereits in zwei Urteilen festgestellt wurde, vor Beginn der Regelaltersrente keinen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit hat. Die Berufung gegen das Urteil des SG Augsburg vom 29.10.1999 war deshalb zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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