Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 11 RJ 1570/97 A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 14 RJ 62/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 8. November 2000 abgeändert und die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 6. Dezember 1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25. August 1997 in vollem Umfang abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten beider Rechtszüge sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist zwischen den Beteiligten die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit aufgrund eines Antrages vom August 1994.
Der am 1941 geborene Kläger, ein Serbe mit Wohnsitz in seiner Heimat, war in der Bundesrepublik Deutschland von 1965 bis 1973 als Helfer versicherungspflichtig beschäftigt. In Jugoslawien hat er Versicherungszeiten in den Jahren 1958 bis 1962, sodann 1967 und 1968 und wiederum von 1975 bis zur Arbeitsaufgabe im August 1990 nachgewiesen. Sein erster Rentenantrag vom August 1990 blieb aus medizinischen Gründen erfolglos (ablehnender Bescheid vom 15.05.1991, zurückweisender Widerspruchsbescheid vom 05.11.1991). Die Beklagte übersandte mit dem Widerspruchsbescheid zugleich ihr Merkblatt 6 und eine Kurzbelehrung zu den versicherungsrechtlichen Voraussetzungen. Im Bescheidtext war der Hinweis enthalten, dass ein Rentenbezug in Jugoslawien keinen Verlängerungstatbestand darstellt.
Seit August 1990 bezieht der Kläger in seiner Heimat jugoslawische Invalidenpension.
Am 08.08.1994 beantragte der Kläger erneut Rente. Unter Auswertung der Untersuchung der jugoslawischen Invalidenkommission in Belgrad vom 24.01.1995 und der eigenen Untersuchung in der Ärztlichen Gutachterstelle in Regensburg vom 28. bis 30.10.1996 durch den Nervenarzt Dr.M. lehnte die Beklagte den Antrag mit streitgegenständlichem Bescheid vom 06.12.1996 mit der Begründung ab, die Erwerbsfähigkeit des Klägers werde zwar beeinträchtigt (reaktiv-depressive Verstimmungszustände bei abnormer Persönlichkeitsstörung, Bluthochdruck ohne Umbauerscheinungen am Herzen, Diabetes mellitus, wirbelsäulenabhängige Beschwerden, Hüft- und Kniegelenksbeschwerden beidseits); der Kläger könne aber noch vollschichtig leichte Arbeiten ohne Akkord, Schichtdienst, ohne häufiges Bücken, überwiegend im Sitzen verrichten. Der Widerspruch blieb erfolglos (zurückweisender Widerspruchsbescheid vom 25.08.1997).
Im Klageverfahren vertrat die Beklagte zu den Voraussetzungen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs die Auffassung, dass das beigefügte Merkblatt 6 zum Widerspruchsbescheid vom 05.11.1991 den Kläger ausreichend über die Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes informiert habe.
Nachdem der Kläger zu einer anberaumten Untersuchung in der Bundesrepublik Deutschland aus gesundheitlichen Gründen nicht erschienen war, beauftragte das Sozialgericht die Ärztin für Psychiatrie Dr.M. mit einer Begutachtung nach Aktenlage. Dr.M. ging im Gutachten vom 19.03.1999 von den gleichen Gesundheitsstörungen wie die Beklagte aus und teilte auch deren sozialmedizinische Beurteilung.
Zu den vom Kläger übersandten medizinischen Unterlagen, u.a. über eine stationäre Behandlung vom 02. bis 17.06.1999, wobei insbesondere eine spastische Paraparese der unteren Extremitäten festgestellt worden sei, stellte Dr.M. in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 02.09.1999 eine Verschlimmerung fest. Es liege nunmehr ein inkomplettes Querschnittssyndrom vor, das es dem Kläger unmöglich mache, noch Arbeiten von wirtschaftlichem Wert auszuführen. Eine Besserung könne nicht gänzlich ausgeschlossen werden.
Nach Auswertung eines Befundberichts vom 31.10.2000 (weitere Verschlechterung der spastischen Paraparese) und von Entlassungsberichten über die stationären Behandlungen vom 25.02. bis 30.03. und 24.04. bis 29.05.2000 über eine Bandscheibenoperation (nach wie vor schwere Paraparese, die fremde Pflege und Hilfe erforderlich mache), anerkannte die Beklagte den Leistungsfall der dauernden Erwerbsunfähigkeit am 02.06.1999. Ein Anspruch auf Rentenleistungen wegen Erwerbsunfähigkeit bestehe aber nicht, weil die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien.
Der Kläger machte geltend, bereits seit 1990 erwerbsunfähig zu sein, zumal er seit seinem ersten Rentenantrag Invalidenpension in seiner Heimat beziehe.
Mit Urteil vom 08.11.2000 verurteilte das Sozialgericht die Beklagte unter Aufhebung der zugrunde liegenden Bescheide, dem Kläger ab 01.07.1999 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Dauer zu zahlen unter Abweisung der Klage im Übrigen. In den Gründen führte es im Wesentlichen aus: Der Kläger sei seit 02.06.1999 auf Dauer erwerbsunfähig, erfülle jedoch derzeit nicht die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen gemäß § 44 Abs.1 Satz 1 Nr.2 in Verbindung mit Abs.4, § 43 Abs.3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) und auch nicht die der Übergangsregelung des § 241 Abs.2 Satz 1 SGB VI. Er habe jedoch einen Rentenanspruch, weil die Voraussetzungen des § 241 Abs.1 Satz 1 in Verbindung mit Abs.2 Satz 2, § 197 Abs.3 SGB VI gegeben seien. Im maßgeblichen Fünfjahreszeitraum von Juni 1994 bis Juni 1999 habe der Kläger weder Beitragszeiten noch sogenannte Verlängerungstatbestände, wozu insbesondere nicht die ausländische Invalidenrente zähle, aufzuweisen. Es fehle zunächst auch an einer ununterbrochenen Belegung des Zeitraums vom 01.01.1984 bis Mai 1999 mit Anwartschaftserhaltungszeiten. Der Kläger sei jedoch berechtigt, für den unbelegten Zeitraum von September 1990 bis Mai 1999 freiwillige Beiträge nachzuzahlen. Diese Berechtigung zur Beitragszahlung stehe der tatsächlichen Entrichtung gleich. Dieses Nachzahlungsrecht leite das Gericht von einer verfassungskonformen Auslegung des § 197 Abs.3 SGB VI her und stütze sich dabei auf die Zweifel des 13. Senats des Bundessozialgerichts an der Verfassungsmäßigkeit der durch das Haushaltsbegleitgesetz 1984 eingeführten Gesamtregelung, die auch im Falle des Klägers berechtigt seien (BSG SozR 3-2200, § 1246 Nr.48), und die angestellten Erwägungen über die von Verfassungs wegen erforderlichen Erleichterungen bei der Beitragsentrichtung für ausländische Arbeitnehmer. § 197 Abs.3 Satz 1 SGB VI gewährleiste für den Kläger ein Nachentrichtungsrecht; diese Vorschrift sei als Unterfall der von der Rechtsprechung entwickelten Nachsichtgewährung im Verhältnis zum sogenannten sozialrechtlichen Herstellungsanspruch ein andersartiges Rechtsinstitut, wobei gerade kein Fehlverhalten des Versicherungsträgers erforderlich sei. Ohne die nachträgliche Zulassung zur Beitragszahlung ergebe sich für den Kläger eine besondere Härte. Abschließend brachte das Sozialgericht zum Ausdruck, dass es an seiner Rechtsauffassung festhalte vorbehaltlich einer entsprechenden höchstrichterlichen Klärung.
Mit der Berufung wendet die Beklagte ein, dass die vom Sozialgericht genannten Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der durch das Haushaltsbegleitgesetz 1984 eingeführten Regelung nunmehr höchstrichterlich geklärt worden seien durch die Urteile des Bundessozialgerichts vom 11.05.2000 (B 13 RJ 85/98 R; B 13 RJ 19/99 R). Die Anwendung des § 197 Abs.3 SGB VI scheitere zudem an dem Ablauf der auch in diesem Zusammenhang zu beachtenden Jahresfrist. Dem Kläger stehe deshalb kein Recht mehr zu, freiwillige Beiträge für Zeiten bis zum August 1990 zu entrichten.
Mit einstweiliger Anordnung vom 23.02.2001 hat der Vorsitzende des Senats die Vollstreckung aus dem sozialgerichtlichen Urteil ausgesetzt.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 08.11.2000 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt (sinngemäß), die Berufung zurückzuweisen.
Dem Senat liegen zur Entscheidung die Rentenakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge vor. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird wegen der Einzelheiten hierauf Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143 ff. des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig und auch begründet.
Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Landshut war aufzuheben, soweit dem Kläger ab 01.07.1999 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Dauer zuerkannt war. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Leistung einer Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit und auch nicht wegen Erwerbsminderung (ab 01.01.2001), weil für sämtliche Rentenarten die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt und auch nicht mehr erfüllbar sind. Die gegenteilige Auffassung des Sozialgerichts lässt sich im Hinblick auf die Urteile des Bundessozialgerichts vom 11.05.2000 (B 13 RJ 85/98 R, vgl. SozR 3-5750 Art.2 § 6 Nr.18 und B 13 RJ 19/99 R) nicht aufrecht erhalten. Der erkennende Senat ist an die geänderte höchstrichterliche Rechtsprechung gebunden.
Die Rechtslage beurteilt sich noch nach den Vorschriften des SGB VI in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung, da ein Leistungsbeginn vor dem 01.01.2001 in Streit steht (vgl. § 300 Abs.2 SGB VI).
Mit der Beklagten und dem Sozialgericht geht auch der Senat davon aus, dass beim Kläger der Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit im Juni 1999 eingetreten ist. Ein früherer Versicherungsfall ist nicht nachgewiesen. Insbesondere kann dem Ansinnen des Klägers, Erwerbsunfähigkeit bestehe seit 1990 mit dem Einsetzen der Invalidenpension in seiner Heimat, nicht gefolgt werden. Dem steht das gründliche Untersuchungsergebnis in Regensburg vom Oktober 1996 entgegen, wonach nachvollziehbar und überzeugend herausgearbeitet war, dass dem ungelernten Kläger wenigstens noch leichte Arbeiten mit gewissen sachlichen Einschränkungen zeitlich uneingeschränkt möglich waren.
Ausgehend von dem Eintritt der Erwerbsunfähigkeit erst im Jahre 1999 erfüllt der Kläger die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der §§ 43 Abs.1 Satz 1 Nr.2, 44 Abs.1 Satz 1 Nr.2 SGB VI nicht mehr, da er in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung keine drei Jahre Pflichtbeiträge aufzuweisen hat und Tatbestände gemäß § 43 Abs.3, 44 Abs.4 SGB VI, die den Fünfjahreszeitraum verlängern, nicht gegeben sind. Die allenfalls möglichen, in den §§ 58, 252 SGB VI genannten Anrechnungszeiten, z.B. wegen Rentenbezugs, kommen nicht in Betracht, da der Bezug einer Invalidenpension in Serbien nicht als Rentenbezugszeit im Sinne des § 43 Abs.3 Satz 1 Nr.1 SGB VI gilt (vgl. KassKomm-Niesel § 43 Rdnr.135 m.w.N.).
Beitragszeiten vom 01.01.1984 bis zum Kalendermonat vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit liegen beim Kläger nicht vor und sind auch nicht mehr herstellbar. Nach den vorliegenden deutschen und jugoslawischen Versicherungsverläufen ist die Zeit ab August 1990 unbelegt. Eine nachträgliche Belegung mit Beiträgen, wobei nur freiwillige in Betracht kommen, ist nach der geänderten Rechtsprechung des 13. Senats des Bundessozialgerichts (BSG a.a.O.) nicht mehr zulässig. Nach der seit 01.01.1992 gültigen Vorschrift des § 197 Abs.2 SGB VI sind freiwillige Beiträge nur wirksam, wenn sie bis zum 31. März des Jahres, das dem Jahr folgt, für das sie gelten sollten, gezahlt werden. Die in § 197 Abs.2 SGB VI genannte Frist wird gemäß § 198 Satz 1 SGB VI durch ein Verfahren über einen Rentenanspruch, vorliegend erst ab 08.08.1994 unterbrochen. Hieraus folgt, dass für die Zeit nach August 1990 eine Beitragszahlung nicht mehr möglich ist. Insbesondere stellen nach der geänderten Rechtsauffassung des BSG für Beitragszahlungen aus dem Ausland nach Deutschland bestehende devisenrechtliche Beschränkungen jedenfalls dann kein den Ablauf der Beitragsentrichtung hemmendes Ereignis höherer Gewalt im Sinne von § 203 Abs.2 des Bürgerlichen Gesetzbuches dar, wenn sich der Versicherte nicht rechtzeitig an den zuständigen Versicherungsträger gewandt hat. Dies ist vorliegend erkennbar nicht der Fall.
Auch § 197 Abs.3 SGB VI greift nicht zugunsten des Klägers. Nach Satz 1 dieser Bestimmung ist in Fällen besonderer Härte, insbesondere bei drohendem Verlust der Anwartschaft auf eine Rente, auf Antrag der Versicherten die Zahlung von Beiträgen auch nach Ablauf der in § 197 Abs.1 und 2 SGB VI genannten Frist zuzulassen, wenn die Versicherten an der rechtzeitigen Beitragszahlung ohne Verschulden gehindert waren. Selbst wenn man eine etwaige Unkenntnis der §§ 240 Abs.2, 241 Abs.2 SGB VI, die auf unzureichende Informationsmöglichkeiten am ausländischen Wohnsitz eines Versicherten zurückzuführen ist, als unverschuldetes Hindernis der Beitragszahlung anerkennen würde, so könnte sich der Kläger jedoch nicht mehr auf mangelndes Verschulden berufen. Er hat nämlich jedenfalls hinsichtlich der Beiträge ab 1990 die in § 27 Abs.3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) geregelte Jahresfrist, die auch im Rahmen des § 197 Abs.3 SGB VI entsprechend gilt, versäumt. Die Nachzahlung wäre demnach allenfalls noch zuzulassen, wenn diese zuvor infolge höherer Gewalt unmöglich gewesen wäre. Aber auch dies ist vorliegend offenkundig nicht der Fall. Im Übrigen hat das BSG eine denkbare Möglichkeit der Entrichtung freiwilliger Beiträge zu den Versicherungsträgern im ehemaligen Jugoslawien zur nachträglichen Erfüllung der Voraussetzungen des § 241 SGB VI ausdrücklich ausgeschlossen.
Auch ein Fehlverhalten der Beklagten in Gestalt eines Verstoßes gegen ihre Beratungspflicht nach § 14 Erstes Buch Sozialgesetzbuch, das Grundlage für einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch wäre und vorliegend zu einer besonderen Härte im Sinne des § 197 Abs.3 SGB VI führen könnte, liegt nicht vor. Vielmehr wurde der Kläger im Merkblatt 6 des damaligen Widerspruchsbescheides vom November 1991 hinreichend darüber informiert, dass er für unbelegte Zeiten zur Aufrechterhaltung der Rentenanwartschaft freiwillige Beitragszahlungen anbieten muss. Jedenfalls war das Merkblatt geeignet, offenen Beratungsbedarf zu erkennen. Im Übrigen enthielt der damalige Widerspruchsbescheid im Bescheidtext den ausdrücklichen Hinweis, dass Zeiten des jugoslawischen Rentenbezugs keinen Verlängerungstatbestand darstellen.
Weil die Zeit ab Januar 1984 auch nicht mit beitragsfreien Zeiten (Anrechnungszeiten, Zurechnungszeit oder Ersatzzeit) belegt ist, fehlen nach jeder Betrachtungsweise die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für einen Rentenanspruch des Klägers ab Juni 1999.
Da die - mehrfach zitierte - geänderte höchstrichterliche Rechtsprechung der Rechtsauffassung des Sozialgerichts widerspricht, war das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 08.11. 2000 auf die Berufung der Beklagten hin aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 SGG Nrn.1 und 2 sind im Hinblick auf die zitierten Urteile des Bundessozialgerichts nicht erkennbar.
II. Außergerichtliche Kosten beider Rechtszüge sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist zwischen den Beteiligten die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit aufgrund eines Antrages vom August 1994.
Der am 1941 geborene Kläger, ein Serbe mit Wohnsitz in seiner Heimat, war in der Bundesrepublik Deutschland von 1965 bis 1973 als Helfer versicherungspflichtig beschäftigt. In Jugoslawien hat er Versicherungszeiten in den Jahren 1958 bis 1962, sodann 1967 und 1968 und wiederum von 1975 bis zur Arbeitsaufgabe im August 1990 nachgewiesen. Sein erster Rentenantrag vom August 1990 blieb aus medizinischen Gründen erfolglos (ablehnender Bescheid vom 15.05.1991, zurückweisender Widerspruchsbescheid vom 05.11.1991). Die Beklagte übersandte mit dem Widerspruchsbescheid zugleich ihr Merkblatt 6 und eine Kurzbelehrung zu den versicherungsrechtlichen Voraussetzungen. Im Bescheidtext war der Hinweis enthalten, dass ein Rentenbezug in Jugoslawien keinen Verlängerungstatbestand darstellt.
Seit August 1990 bezieht der Kläger in seiner Heimat jugoslawische Invalidenpension.
Am 08.08.1994 beantragte der Kläger erneut Rente. Unter Auswertung der Untersuchung der jugoslawischen Invalidenkommission in Belgrad vom 24.01.1995 und der eigenen Untersuchung in der Ärztlichen Gutachterstelle in Regensburg vom 28. bis 30.10.1996 durch den Nervenarzt Dr.M. lehnte die Beklagte den Antrag mit streitgegenständlichem Bescheid vom 06.12.1996 mit der Begründung ab, die Erwerbsfähigkeit des Klägers werde zwar beeinträchtigt (reaktiv-depressive Verstimmungszustände bei abnormer Persönlichkeitsstörung, Bluthochdruck ohne Umbauerscheinungen am Herzen, Diabetes mellitus, wirbelsäulenabhängige Beschwerden, Hüft- und Kniegelenksbeschwerden beidseits); der Kläger könne aber noch vollschichtig leichte Arbeiten ohne Akkord, Schichtdienst, ohne häufiges Bücken, überwiegend im Sitzen verrichten. Der Widerspruch blieb erfolglos (zurückweisender Widerspruchsbescheid vom 25.08.1997).
Im Klageverfahren vertrat die Beklagte zu den Voraussetzungen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs die Auffassung, dass das beigefügte Merkblatt 6 zum Widerspruchsbescheid vom 05.11.1991 den Kläger ausreichend über die Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes informiert habe.
Nachdem der Kläger zu einer anberaumten Untersuchung in der Bundesrepublik Deutschland aus gesundheitlichen Gründen nicht erschienen war, beauftragte das Sozialgericht die Ärztin für Psychiatrie Dr.M. mit einer Begutachtung nach Aktenlage. Dr.M. ging im Gutachten vom 19.03.1999 von den gleichen Gesundheitsstörungen wie die Beklagte aus und teilte auch deren sozialmedizinische Beurteilung.
Zu den vom Kläger übersandten medizinischen Unterlagen, u.a. über eine stationäre Behandlung vom 02. bis 17.06.1999, wobei insbesondere eine spastische Paraparese der unteren Extremitäten festgestellt worden sei, stellte Dr.M. in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 02.09.1999 eine Verschlimmerung fest. Es liege nunmehr ein inkomplettes Querschnittssyndrom vor, das es dem Kläger unmöglich mache, noch Arbeiten von wirtschaftlichem Wert auszuführen. Eine Besserung könne nicht gänzlich ausgeschlossen werden.
Nach Auswertung eines Befundberichts vom 31.10.2000 (weitere Verschlechterung der spastischen Paraparese) und von Entlassungsberichten über die stationären Behandlungen vom 25.02. bis 30.03. und 24.04. bis 29.05.2000 über eine Bandscheibenoperation (nach wie vor schwere Paraparese, die fremde Pflege und Hilfe erforderlich mache), anerkannte die Beklagte den Leistungsfall der dauernden Erwerbsunfähigkeit am 02.06.1999. Ein Anspruch auf Rentenleistungen wegen Erwerbsunfähigkeit bestehe aber nicht, weil die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien.
Der Kläger machte geltend, bereits seit 1990 erwerbsunfähig zu sein, zumal er seit seinem ersten Rentenantrag Invalidenpension in seiner Heimat beziehe.
Mit Urteil vom 08.11.2000 verurteilte das Sozialgericht die Beklagte unter Aufhebung der zugrunde liegenden Bescheide, dem Kläger ab 01.07.1999 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Dauer zu zahlen unter Abweisung der Klage im Übrigen. In den Gründen führte es im Wesentlichen aus: Der Kläger sei seit 02.06.1999 auf Dauer erwerbsunfähig, erfülle jedoch derzeit nicht die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen gemäß § 44 Abs.1 Satz 1 Nr.2 in Verbindung mit Abs.4, § 43 Abs.3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) und auch nicht die der Übergangsregelung des § 241 Abs.2 Satz 1 SGB VI. Er habe jedoch einen Rentenanspruch, weil die Voraussetzungen des § 241 Abs.1 Satz 1 in Verbindung mit Abs.2 Satz 2, § 197 Abs.3 SGB VI gegeben seien. Im maßgeblichen Fünfjahreszeitraum von Juni 1994 bis Juni 1999 habe der Kläger weder Beitragszeiten noch sogenannte Verlängerungstatbestände, wozu insbesondere nicht die ausländische Invalidenrente zähle, aufzuweisen. Es fehle zunächst auch an einer ununterbrochenen Belegung des Zeitraums vom 01.01.1984 bis Mai 1999 mit Anwartschaftserhaltungszeiten. Der Kläger sei jedoch berechtigt, für den unbelegten Zeitraum von September 1990 bis Mai 1999 freiwillige Beiträge nachzuzahlen. Diese Berechtigung zur Beitragszahlung stehe der tatsächlichen Entrichtung gleich. Dieses Nachzahlungsrecht leite das Gericht von einer verfassungskonformen Auslegung des § 197 Abs.3 SGB VI her und stütze sich dabei auf die Zweifel des 13. Senats des Bundessozialgerichts an der Verfassungsmäßigkeit der durch das Haushaltsbegleitgesetz 1984 eingeführten Gesamtregelung, die auch im Falle des Klägers berechtigt seien (BSG SozR 3-2200, § 1246 Nr.48), und die angestellten Erwägungen über die von Verfassungs wegen erforderlichen Erleichterungen bei der Beitragsentrichtung für ausländische Arbeitnehmer. § 197 Abs.3 Satz 1 SGB VI gewährleiste für den Kläger ein Nachentrichtungsrecht; diese Vorschrift sei als Unterfall der von der Rechtsprechung entwickelten Nachsichtgewährung im Verhältnis zum sogenannten sozialrechtlichen Herstellungsanspruch ein andersartiges Rechtsinstitut, wobei gerade kein Fehlverhalten des Versicherungsträgers erforderlich sei. Ohne die nachträgliche Zulassung zur Beitragszahlung ergebe sich für den Kläger eine besondere Härte. Abschließend brachte das Sozialgericht zum Ausdruck, dass es an seiner Rechtsauffassung festhalte vorbehaltlich einer entsprechenden höchstrichterlichen Klärung.
Mit der Berufung wendet die Beklagte ein, dass die vom Sozialgericht genannten Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der durch das Haushaltsbegleitgesetz 1984 eingeführten Regelung nunmehr höchstrichterlich geklärt worden seien durch die Urteile des Bundessozialgerichts vom 11.05.2000 (B 13 RJ 85/98 R; B 13 RJ 19/99 R). Die Anwendung des § 197 Abs.3 SGB VI scheitere zudem an dem Ablauf der auch in diesem Zusammenhang zu beachtenden Jahresfrist. Dem Kläger stehe deshalb kein Recht mehr zu, freiwillige Beiträge für Zeiten bis zum August 1990 zu entrichten.
Mit einstweiliger Anordnung vom 23.02.2001 hat der Vorsitzende des Senats die Vollstreckung aus dem sozialgerichtlichen Urteil ausgesetzt.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 08.11.2000 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt (sinngemäß), die Berufung zurückzuweisen.
Dem Senat liegen zur Entscheidung die Rentenakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge vor. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird wegen der Einzelheiten hierauf Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143 ff. des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig und auch begründet.
Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Landshut war aufzuheben, soweit dem Kläger ab 01.07.1999 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Dauer zuerkannt war. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Leistung einer Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit und auch nicht wegen Erwerbsminderung (ab 01.01.2001), weil für sämtliche Rentenarten die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt und auch nicht mehr erfüllbar sind. Die gegenteilige Auffassung des Sozialgerichts lässt sich im Hinblick auf die Urteile des Bundessozialgerichts vom 11.05.2000 (B 13 RJ 85/98 R, vgl. SozR 3-5750 Art.2 § 6 Nr.18 und B 13 RJ 19/99 R) nicht aufrecht erhalten. Der erkennende Senat ist an die geänderte höchstrichterliche Rechtsprechung gebunden.
Die Rechtslage beurteilt sich noch nach den Vorschriften des SGB VI in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung, da ein Leistungsbeginn vor dem 01.01.2001 in Streit steht (vgl. § 300 Abs.2 SGB VI).
Mit der Beklagten und dem Sozialgericht geht auch der Senat davon aus, dass beim Kläger der Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit im Juni 1999 eingetreten ist. Ein früherer Versicherungsfall ist nicht nachgewiesen. Insbesondere kann dem Ansinnen des Klägers, Erwerbsunfähigkeit bestehe seit 1990 mit dem Einsetzen der Invalidenpension in seiner Heimat, nicht gefolgt werden. Dem steht das gründliche Untersuchungsergebnis in Regensburg vom Oktober 1996 entgegen, wonach nachvollziehbar und überzeugend herausgearbeitet war, dass dem ungelernten Kläger wenigstens noch leichte Arbeiten mit gewissen sachlichen Einschränkungen zeitlich uneingeschränkt möglich waren.
Ausgehend von dem Eintritt der Erwerbsunfähigkeit erst im Jahre 1999 erfüllt der Kläger die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der §§ 43 Abs.1 Satz 1 Nr.2, 44 Abs.1 Satz 1 Nr.2 SGB VI nicht mehr, da er in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung keine drei Jahre Pflichtbeiträge aufzuweisen hat und Tatbestände gemäß § 43 Abs.3, 44 Abs.4 SGB VI, die den Fünfjahreszeitraum verlängern, nicht gegeben sind. Die allenfalls möglichen, in den §§ 58, 252 SGB VI genannten Anrechnungszeiten, z.B. wegen Rentenbezugs, kommen nicht in Betracht, da der Bezug einer Invalidenpension in Serbien nicht als Rentenbezugszeit im Sinne des § 43 Abs.3 Satz 1 Nr.1 SGB VI gilt (vgl. KassKomm-Niesel § 43 Rdnr.135 m.w.N.).
Beitragszeiten vom 01.01.1984 bis zum Kalendermonat vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit liegen beim Kläger nicht vor und sind auch nicht mehr herstellbar. Nach den vorliegenden deutschen und jugoslawischen Versicherungsverläufen ist die Zeit ab August 1990 unbelegt. Eine nachträgliche Belegung mit Beiträgen, wobei nur freiwillige in Betracht kommen, ist nach der geänderten Rechtsprechung des 13. Senats des Bundessozialgerichts (BSG a.a.O.) nicht mehr zulässig. Nach der seit 01.01.1992 gültigen Vorschrift des § 197 Abs.2 SGB VI sind freiwillige Beiträge nur wirksam, wenn sie bis zum 31. März des Jahres, das dem Jahr folgt, für das sie gelten sollten, gezahlt werden. Die in § 197 Abs.2 SGB VI genannte Frist wird gemäß § 198 Satz 1 SGB VI durch ein Verfahren über einen Rentenanspruch, vorliegend erst ab 08.08.1994 unterbrochen. Hieraus folgt, dass für die Zeit nach August 1990 eine Beitragszahlung nicht mehr möglich ist. Insbesondere stellen nach der geänderten Rechtsauffassung des BSG für Beitragszahlungen aus dem Ausland nach Deutschland bestehende devisenrechtliche Beschränkungen jedenfalls dann kein den Ablauf der Beitragsentrichtung hemmendes Ereignis höherer Gewalt im Sinne von § 203 Abs.2 des Bürgerlichen Gesetzbuches dar, wenn sich der Versicherte nicht rechtzeitig an den zuständigen Versicherungsträger gewandt hat. Dies ist vorliegend erkennbar nicht der Fall.
Auch § 197 Abs.3 SGB VI greift nicht zugunsten des Klägers. Nach Satz 1 dieser Bestimmung ist in Fällen besonderer Härte, insbesondere bei drohendem Verlust der Anwartschaft auf eine Rente, auf Antrag der Versicherten die Zahlung von Beiträgen auch nach Ablauf der in § 197 Abs.1 und 2 SGB VI genannten Frist zuzulassen, wenn die Versicherten an der rechtzeitigen Beitragszahlung ohne Verschulden gehindert waren. Selbst wenn man eine etwaige Unkenntnis der §§ 240 Abs.2, 241 Abs.2 SGB VI, die auf unzureichende Informationsmöglichkeiten am ausländischen Wohnsitz eines Versicherten zurückzuführen ist, als unverschuldetes Hindernis der Beitragszahlung anerkennen würde, so könnte sich der Kläger jedoch nicht mehr auf mangelndes Verschulden berufen. Er hat nämlich jedenfalls hinsichtlich der Beiträge ab 1990 die in § 27 Abs.3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) geregelte Jahresfrist, die auch im Rahmen des § 197 Abs.3 SGB VI entsprechend gilt, versäumt. Die Nachzahlung wäre demnach allenfalls noch zuzulassen, wenn diese zuvor infolge höherer Gewalt unmöglich gewesen wäre. Aber auch dies ist vorliegend offenkundig nicht der Fall. Im Übrigen hat das BSG eine denkbare Möglichkeit der Entrichtung freiwilliger Beiträge zu den Versicherungsträgern im ehemaligen Jugoslawien zur nachträglichen Erfüllung der Voraussetzungen des § 241 SGB VI ausdrücklich ausgeschlossen.
Auch ein Fehlverhalten der Beklagten in Gestalt eines Verstoßes gegen ihre Beratungspflicht nach § 14 Erstes Buch Sozialgesetzbuch, das Grundlage für einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch wäre und vorliegend zu einer besonderen Härte im Sinne des § 197 Abs.3 SGB VI führen könnte, liegt nicht vor. Vielmehr wurde der Kläger im Merkblatt 6 des damaligen Widerspruchsbescheides vom November 1991 hinreichend darüber informiert, dass er für unbelegte Zeiten zur Aufrechterhaltung der Rentenanwartschaft freiwillige Beitragszahlungen anbieten muss. Jedenfalls war das Merkblatt geeignet, offenen Beratungsbedarf zu erkennen. Im Übrigen enthielt der damalige Widerspruchsbescheid im Bescheidtext den ausdrücklichen Hinweis, dass Zeiten des jugoslawischen Rentenbezugs keinen Verlängerungstatbestand darstellen.
Weil die Zeit ab Januar 1984 auch nicht mit beitragsfreien Zeiten (Anrechnungszeiten, Zurechnungszeit oder Ersatzzeit) belegt ist, fehlen nach jeder Betrachtungsweise die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für einen Rentenanspruch des Klägers ab Juni 1999.
Da die - mehrfach zitierte - geänderte höchstrichterliche Rechtsprechung der Rechtsauffassung des Sozialgerichts widerspricht, war das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 08.11. 2000 auf die Berufung der Beklagten hin aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 SGG Nrn.1 und 2 sind im Hinblick auf die zitierten Urteile des Bundessozialgerichts nicht erkennbar.
Rechtskraft
Aus
Login
FSB
Saved