L 4 KR 5289/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 7 KR 3530/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 5289/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 10. November 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt Krankengeld für die Zeit vom 1. März bis 7. Juni 2010.

Die 1953 geborene Klägerin war als Bürokauffrau mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden beschäftigt und deswegen als versicherungspflichtig Beschäftigte Mitglied der Beklagten. Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis zum 31. März 2009. Wegen ab 9. August 2007 bestehender Arbeitsunfähigkeit zahlte die Beklagte ab 10. August 2007 Krankengeld. Arbeitsunfähigkeit bescheinigte Internist Dr. H. mit den Diagnosen M79.7 (Fibromyalgie) und E83.1 (Störungen des Eisenstoffwechsels). Orthopäde Dr. R. diagnostizierte aufgrund einer Vorstellung der Klägerin am 8. November 2007 in seiner Praxis u.a. ein chronisch-rezidivierendes cervikocephales Syndrom bei vorhandenen degenerativen Veränderungen mit Prolaps C 6/7 sowie ein chronisch-rezidivierendes linksbetontes Lumbalsyndrom mit tendomyotischer Ischialgie links bei unteren lumbalen degenerativen Veränderungen und Prolaps L 5/S 1 (Arztbrief vom 20. Dezember 2007). Dr. K., Medizinischer Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK), nannte im Gutachten vom 28. August 2008 als Diagnosen neben dem Fibromyalgie-Syndrom u.a. cervicale und lumbale Bandscheibenvorfälle sowie ein degeneratives Wirbelsäulensyndrom und hielt unter Verweis auf das vorangegangene Gutachten des Dr. Re., MDK, vom 18. Februar 2008 die Erwerbsfähigkeit der Klägerin für ganz erheblich gefährdet. Die im Oktober 2007 und April 2008 erfolgte Ablehnung von medizinischen Leistungen der Rehabilitation durch die Deutsche Rentenversicherung Bund sei nur schwer nachvollziehbar. Auf den Antrag der Klägerin bei der Beklagten vom 17. September 2008, ihr eine ambulante Vorsorgeleistung u.a. wegen eines degenerativen Wirbelsäulensyndroms zu bewilligen, erstattete Dr. Re. das Gutachten vom 31. Oktober 2008. Er nannte als Diagnosen u.a. cervicale und lumbale Bandscheibenvorfälle sowie ein chronisches Schulter-Arm-Syndrom. Eine ambulante Rehabilitationsmaßnahme über den Rentenversicherungsträger sei zu erwägen. Auf die Aufforderung durch die Beklagte beantragte die Klägerin unter dem 9. November 2008 bei der Deutschen Rentenversicherung Bund (erneut) Leistungen der medizinischen Rehabilitation und gab - wie bereits in dem früheren Antrag - als im Vordergrund stehende gesundheitliche Probleme u.a. Kreuzschmerzen sowie Schmerzen der Lendenwirbelsäule und Brustwirbelsäule an. Auf diesen Antrag bewilligte die Deutsche Rentenversicherung Bund der Klägerin eine stationäre Leistung zur medizinischen Rehabilitation, die vom 20. Januar bis 17. Februar 2009 erfolgte und aus der die Klägerin arbeitsunfähig entlassen wurde. Dr. T. nannte im Entlassungsbericht vom 9. März 2009 als Rehabilitationsdiagnosen ein chronisches Schmerzsyndrom Typ Fibromyalgie und eine depressive Erschöpfung sowie als weitere Diagnosen u.a. ein chronisches Wirbelsäulensyndrom bei degenerativen Veränderungen und Polyarthrose und führte weiter aus, die Klägerin sei durch die chronische Schmerzerkrankung und die degenerativen Skelettveränderungen in ihrer Leistungsfähigkeit eingeschränkt. Zur Entwicklung der chronischen Schmerzerkrankung trügen multiple körperliche (degenerative Skelettveränderungen, Adipositas und muskuläre Dysbalance) und psychosoziale (berufliche Belastungen, hohe eigene Leistungsanforderungen und Ängste) Faktoren bei. Die Klägerin sehe sich derzeit nicht in der Lage, einer Tätigkeit entsprechend den früheren beruflichen Anforderungen auszuführen. Nach ausreichender Rekonvaleszenz wäre eine weniger belastende Tätigkeiten vorstellbar.

Die Beklagte zahlte der Klägerin Krankengeld bis einschließlich 19. Januar 2009. Der Anspruch auf Krankengeld wegen der seit 9. August 2007 bestehenden Arbeitsunfähigkeit endete am 5. Februar 2009. Vom 20. Januar bis 17. Februar 2009 bezog die Klägerin Übergangsgeld (Bescheid der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 13. Februar 2009). Ab 18. Februar 2009 bezog die Klägerin, die sich im Rahmen des festgestellten Leistungsvermögens der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestellt hatte, Arbeitslosengeld bis 3. März 2011, zuletzt in Höhe von EUR 12,59 täglich. Sie war deswegen versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten in der Krankenversicherung der Arbeitslosen.

Dr. H. bescheinigte erneut Arbeitsunfähigkeit am 18. Januar 2010 mit einer Erstbescheinigung bis voraussichtlich 1. Februar 2010 mit der Diagnose M51.1 (Lumbale und sonstige Bandscheibenschäden mit Radikulopathie) und am 1. Februar 2010 mit einer Folgebescheinigung bis voraussichtlich 12. Februar 2010 mit den Diagnosen M51.1 und S60.2 (Prellung sonstiger Teile des Handgelenkes und der Hand). Arzt für Allgemeinmedizin Dr. Br. bescheinigte am 16. Februar 2010 mit einer Folgebescheinigung Arbeitsunfähigkeit bis voraussichtlich 5. März 2010 mit den Diagnosen M54.5 und T10.0 (geschlossene Fraktur der oberen Extremität, Höhe nicht näher bezeichnet). Dr. H. stellte Auszahlscheine aus, am 2. März 2010 mit den Diagnosen M51.5 und S60.2 sowie ohne Angabe einer Diagnose am 15. März, 29. März, 12. April, 26. April, 10. Mai und 25. Mai 2010, im letzten mit der Angabe des Datums 7. Juni 2010 in der Rubrik "Ausgang?". Dr. H. teilte auf Anfrage der Beklagten mit, wegen Fibromyalgie sei Arbeitsunfähigkeit bis 2. November 2009 bzw. 18. Januar 2010 sowie Behandlungsbedürftigkeit dauernd gegeben gewesen. Die Arbeitsunfähigkeit ab 18. Januar 2010 sei im kausalen Zusammenhang mit der Fibromyalgie zu beurteilen (Telefax vom 18. März 2010). Die Beklagte lehnte es mit Bescheid vom 24. März 2010 ab, Krankengeld (ab 1. März 2010) zu zahlen, weil Krankengeld für Arbeitsunfähigkeit wegen Fibromyalgie bis zur Höchstbezugsdauer von 78 Wochen am 5. Februar 2009 gezahlt worden sei.

Die Klägerin erhob Widerspruch. Sie leide jetzt unter einem akuten Bandscheibenvorfall, der in keinem Zusammenhang mit der Fibromyalgie stehe. Sie reichte das mit dem Briefkopf des Dr. H. versehene ärztliche Attest der Internistin Dr. Ha. vom 29. März 2010 ein, wonach sie (die Klägerin) seit März 2009 bezüglich der Fibromyalgie wieder arbeitsfähig gewesen sei und seit dem 18. Januar 2010 wegen eines Bandscheibenvorfalls L5/S1 links sowie einer Mittelhandfraktur arbeitsunfähig sei. Diese Diagnosen stünden im Gegensatz zur Bescheinigung vom 18. März 2010 nicht im Zusammenhang mit der langjährigen Fibromyalgie. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch der Klägerin zurück (Widerspruchsbescheid vom 3. August 2010). Da die Klägerin ab 9. August 2007 wegen Fibromyalgie arbeitsunfähig gewesen sei und Krankengeld bezogen habe, laufe die erste Blockfrist wegen dieser Erkrankung vom 9. August 2007 bis 8. August 2010. In diesem Dreijahreszeitraum habe die Klägerin Krankengeld für die gesetzliche Höchstbezugsdauer erhalten. Aus dem Entlassungsbericht (des Dr. T. vom 9. März 2009) ergebe sich, dass die Klägerin auch über das Ende der Krankengeldzahlung am 5. Februar 2009 wegen der Fibromyalgie weiter arbeitsunfähig gewesen sei. Dr. H. habe bestätigt, dass wegen der Fibromyalgie über das Ende der Rehabilitationsmaßnahme hinaus Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit fortlaufend bis auf weiteres bestanden habe. Auch sei bestätigt worden, dass die Arbeitsunfähigkeit ab 18. Januar 2010 wegen der globalen Bandscheibenbeschwerden in einem kausalen Zusammenhang mit der Arbeitsunfähigkeit wegen Fibromyalgie stehe. Die neue Erkrankung ab 18. Januar 2010 stelle keine hinzugetretene Erkrankung dar, welche den Anspruch auf Krankengeld nicht verlängere. Aufgrund der vorliegenden Arztberichte und Gutachten des MDK anlässlich der Arbeitsunfähigkeit vom 9. August 2007 bis "17. Februar 2009" könne in Bezug auf die lumbale Wirbelsäulenerkrankung eine akute Erkrankung nicht nachvollzogen werden. Aufgrund des beschriebenen Erkrankungsbilds sei von einer chronisch degenerativen Erkrankung auszugehen. Das bei der Klägerin bestehende chronische Schmerzsyndrom oder die Fibromyalgie sowie die degenerative Erkrankung der Wirbelsäule seien als dieselbe Erkrankung zu bewerten. Dies gelte insbesondere auch bei Versicherten, bei denen wegen des Nebeneinanders verschiedener gravierender akuter oder chronischer Leiden von Anfang an eine Multi- oder Polymorbidität oder Polypathie bestehe, was vorliegend der Fall sei.

Die Klägerin erhob am 24. August 2010 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG). Sie sei seit 18. Januar 2010 ausschließlich aufgrund der Wirbelsäulenerkrankung arbeitsunfähig. Ein kausaler Zusammenhang zwischen einer Erkrankung an Fibromyalgie und einem Bandscheibenschaden sei wissenschaftlich nicht zu belegen und werde auch nicht durch die vorliegenden Befunde gestützt. Dr. H. habe in seiner Stellungnahme vom 29. März 2010 (gemeint das von Dr. Ha. unterzeichnete Attest) dies ausdrücklich bestätigt und seinen Bericht vom 18. März 2010 insoweit richtig gestellt.

Die Beklagte trat der Klage unter Verweis auf den Widerspruchsbescheid entgegen. Es sei zu vermuten, dass es sich bei der Bescheinigung vom 29. März 2010 um eine Wunschbescheinigung handeln könne. Bereits im Entlassungsbericht des Dr. T. werde über vielschichtige orthopädische Beschwerden sowie Schmerzzustände berichtet.

Dr. H. listete auf Anfrage des SG schriftlich als sachverständiger Zeuge die von ihm seit 2010 gestellten Diagnosen auf, übersandte von ihm ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für die Zeiträume vom 31. Mai bis 1. Juni 2007, 10. bis 20. Juli 2007, 9. August bis 3. Oktober 2007, 17. Februar bis 13. März 2009, 3. bis 4. November 2009, 18. Januar bis 12. Februar 2010 und 18. Oktober bis 12. November 2010 und gab weiter an, die Klägerin sei an wechselnden gehenden, sitzenden und stehenden Tätigkeiten gehindert gewesen.

Das SG wies die Klage mit Urteil vom 10. November 2011 ab. Die Arbeitsunfähigkeit ab 18. Januar 2010 beruhe auf derselben Krankheit wie die vorangegangene ab 9. August 2007. Die ärztlichen Bescheinigungen über ambulante und stationäre Behandlungen der Klägerin aus den Jahren 2002 bis 2009 belegten, dass sie seit 2002 an Erkrankungen der Wirbelsäule und des übrigen Bewegungsapparats leide, bereits im Jahre 2004 die Diagnose einer reaktiven Depression gestellt worden sei und auch nach der Erstdiagnose Fibromyalgie im November 2006 das Beschwerdebild sowohl orthopädisch als auch psychiatrisch eingeordnet worden sei, zuletzt im Entlassungsbericht des Dr. T ... Die Schmerzen des Bewegungsapparates, unter denen die Klägerin seit 2002 gelitten habe, insbesondere der verschiedenen Wirbelsäulenabschnitte, hätten sich im Laufe der Zeit zu einem eigenständigen Schmerzsyndrom, teilweise als Fibromyalgiebeschwerden, verselbstständigt, was zum Teil fachärztlich-psychiatrisch als reaktive Depression bewertet worden sei.

Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 25. November 2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 1. Dezember 2011 Berufung eingelegt. Sie wiederholt, dass ein akut aufgetretener Bandscheibenvorfall zu der Arbeitsunfähigkeit ab dem 18. Januar 2010 geführt habe. Es sei nicht nachvollziehbar, dass diese Erkrankung unmittelbar auf ihre bereits im Jahr 2002 dokumentierte, immer wieder Arbeitsunfähigkeiten hervorrufende Wirbelsäulenerkrankung zurückgehe und Folge dieser Grunderkrankung sei. Denn ihre Wirbelsäulenerkrankung habe vor dem 18. Januar 2010 zu keinen Zeiten der Arbeitsunfähigkeit oder des Bezugs von Krankengeld geführt. Die Fibromyalgie und der Bandscheibenvorfall seien unterschiedliche eigenständige Erkrankungen. Die Klägerin hat die ärztlichen Atteste des Dr. H. und des Orthopäden Dr. Ro. vom 16. Januar 2012 vorgelegt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 10. November 2011 und den Bescheid der Beklagten vom 24. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. August 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Krankengeld für die Zeit vom 1. März bis 7. Juni 2010 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Der Senat hat die die Klägerin betreffenden Akten der Agentur für Arbeit B. und der Deutschen Rentenversicherung Bund beigezogen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akte des SG, die beigezogenen Akten sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

II.

Der Senat entscheidet über die Berufung der Klägerin gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss, da der Senat die Berufung der Klägerin einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Zu der beabsichtigten Verfahrensweise hat der Senat die Beteiligten angehört.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und auch statthaft. Der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG von EUR 750,00 ist überschritten. Die Klägerin begehrt Krankengeld für 99 Kalendertage. Das zuletzt bezogene Arbeitslosengeld betrug EUR 12,59 täglich, so dass nach § 47b Abs. 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) tägliches Krankengeld in dieser Höhe zu zahlen wäre. Dies ergibt einen Gesamtbetrag von EUR 1.246,41.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das SG hat die Klage der Klägerin zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 24. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. August 2010 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf Krankengeld für die Zeit vom 1. März bis 7. Juni 2010.

Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn - abgesehen von den hier nicht gegebenen Fällen stationärer Behandlung - Krankheit sie arbeitsunfähig macht. Das bei Entstehung des streitigen Anspruchs auf Krankengeld bestehende Versicherungsverhältnis bestimmt, wer in welchem Umfang als "Versicherter" einen Anspruch auf Krankengeld hat (vgl. z.B. Bundessozialgericht [BSG], Urteile vom 26. Juni 2007 - B 1 KR 8/07 R - und 2. November 2007 - B 1 KR 38/06 R - SozR 4-2500 § 44 Nrn. 12 und 14, ständige Rechtsprechung). Die Klägerin war zwar bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit am 18. Januar 2010 als versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten in der Krankenversicherung der Arbeitslosen nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V mit Anspruch auf Krankengeld versichert. Einem Anspruch auf Krankengeld für den streitigen Zeitraum steht jedoch entgegen, dass die Klägerin Krankengeld im selben Dreijahreszeitraum bereits wegen derselben Krankheit bezog.

Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB V erhalten Versicherte Krankengeld ohne zeitliche Begrenzung, für den Fall der Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit jedoch für längstens 78 Wochen innerhalb von je drei Jahren, gerechnet vom Tage des Beginns der Arbeitsunfähigkeit an. Die Klägerin war ab 9. August 2007 arbeitsunfähig. Der Dreijahreszeitraum lief damit vom 9. August 2007 bis 8. August 2010. Innerhalb dieses Zeitraums bezog die Klägerin für 78 Wochen Krankengeld, nämlich vom 10. August 2007 bis 5. Februar 2009. Denn die Beklagte zahlte bis 19. Januar 2009 tatsächlich Krankengeld. Ab 20. Januar 2009 zahlte die Deutsche Rentenversicherung Bund der Klägerin Übergangsgeld wegen der Leistung der stationären medizinischen Rehabilitation, was zum Ruhen des Anspruchs auf Krankengeld führte (§ 49 Abs. 1 Nr. 3 SGB V). Nach § 48 Abs. 3 Satz 1 SGB V werden bei der Feststellung der Leistungsdauer des Krankengeldes Zeiten, in denen unter anderem der Anspruch auf Krankengeld ruht, wie Zeiten des Bezugs von Krankengeld berücksichtigt. Der Beginn der erneuten Arbeitsunfähigkeit am 18. Januar 2010 liegt innerhalb dieses Dreijahreszeitraums.

Bei im Zeitablauf nacheinander auftretenden Erkrankungen handelt es sich im Rechtssinne um dieselbe Krankheit, wenn der regelwidrige Körper- oder Geisteszustand, der die Krankheitsursache bildet, auf ein medizinisch nicht ausgeheiltes Grundleiden zurückzuführen ist. Dies kann z.B. bei wiederholt in unterschiedlicher Ausprägung auftretenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Fall sein. Hierbei ist eine stark verfeinernde, eng fachmedizinisch-diagnostische Sichtweise zu vermeiden, die die Gefahr begründet, dass dem Merkmal im Kontext des § 48 Abs. 1 SGB V letztlich gar keine eigenständige rechtliche Bedeutung mehr zukommt, obwohl das Gesetz damit gerade eine Einengung des zeitlichen Umfangs der Krankengeldgewährung bezweckt. Dies gilt bei Versicherten, bei denen wegen des Nebeneinanders verschiedener gravierender akuter oder chronischer Leiden von Anfang an eine Multi- oder Polymorbidität bzw. Polypathie besteht. Denn in Bezug auf die Anspruchsdauer des Krankengelds behandelt das Gesetz den Versicherten, der von vornherein an mehreren Krankheiten leidet und der deshalb arbeitsunfähig ist, nicht anders als denjenigen, bei dem "nur" ein einziges Leiden die Arbeitsunfähigkeit auslöst. Die dargestellte Begrenzung der Leistungsdauer des Krankengelds beruht maßgeblich auf der Erwägung, dass es in erster Linie der gesetzlichen Rentenversicherung obliegt, bei dauerhaft eingetretener Erwerbsminderung des Versicherten Entgeltersatzleistungen zur Verfügung zu stellen, während die gesetzliche Krankenversicherung typischerweise nur für den Ausgleich des entfallenden laufenden Arbeitsentgelts bei vorübergehenden, d.h. behandlungsfähigen Gesundheitsstörungen eintritt (zum Ganzen: BSG, Urteil vom 21. Juni 2011 - B 1 KR 15/10 R -, in juris). Degenerative Wirbelsäulenveränderungen stellen eine Krankheit im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung dar, sobald sie der Behandlung bedürfen oder/und Arbeitsunfähigkeit bedingen. Sie bestehen als dieselbe Krankheit im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB V jedenfalls so lange fort, als Behandlungsbedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit nicht für eine längere Zeit behoben sind und deshalb noch nicht von einem beschwerdefreien Zustand von gewisser Dauer gesprochen werden kann. Degenerative Veränderungen an der gesamten Wirbelsäule, die sich in gleichartigen Beschwerden in mehreren Wirbelsäulenabschnitten äußern, stellen ein einheitliches Grundleiden dar. Es liegt demzufolge auch dann dieselbe Krankheit vor, wenn von den in kürzeren Zeitabständen auftretenden Beschwerden die einzelnen Wirbelsäulenabschnitte unterschiedlich stark betroffen sind (vgl. BSG, Urteil vom 12. Oktober 1988 - 3/8 RK 28/87 -; Thüringer Landessozialgericht, Urteil vom 28. Februar 2012 - L 6 KR 285/08 - beide in juris).

Die am 18. Januar 2010 bestehende Arbeitsunfähigkeit bestand wegen derselben Krankheit, die bereits in dem vorangegangenen Zeitraum bestand, für welchen die Beklagte 78 Wochen Krankengeld zahlte. Denn sowohl in der Zeit der Arbeitsunfähigkeit ab 9. August 2007 als auch in der Zeit der Arbeitsunfähigkeit ab 18. Januar 2010 bestanden bei der Klägerin erhebliche Beschwerden im Bereich der Wirbelsäule, die behandlungsbedürftig waren. Dies ergibt sich aus mehreren in den Akten befindlichen Arztbriefen und Befundberichten, insbesondere aus dem Arztbrief des Dr. R. vom 20. Dezember 2007. Er kam hinsichtlich der Wirbelsäule aufgrund seiner Untersuchung sowie der bildgebenden Untersuchungen zu den Diagnosen eines chronisch-rezidivierenden cervikocephalen Syndroms bei vorhandenen degenerativen Veränderungen mit Prolaps C 6/7 sowie eines chronisch-rezidivierenden linksbetonten Lumbalsyndroms mit tendomyotischer Ischialgie links bei unteren lumbalen degenerativen Veränderungen und Prolaps L 5/S 1. Auch Dr. K. und Dr. Re., MDK, nannten in ihren Gutachten vom 28. August und 31. Oktober 2008 entsprechende Diagnosen (cervicale und lumbalen Bandscheibenvorfälle, degeneratives Wirbelsäulensyndrom). Seine Bestätigung findet dies in den eigenen Angaben der Klägerin. Sie verwies in ihren Anträgen auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation bei der Deutschen Rentenversicherung Bund, die sie während der ab 9. August 2007 bestehenden Arbeitsunfähigkeit nach Aufforderung durch die Beklagte gestellt hatte, auf Beschwerden und Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule und bezeichnete diese als im Vordergrund stehend. Anlässlich der Leistung der stationären medizinischen Rehabilitation, die vom 20. Januar bis 17. Dezember 2009 durchgeführt wurde, gab die Klägerin u.a. auch anhaltende Schmerzen im Rücken an. Dementsprechend nannte Dr. T. im Entlassungsbericht vom 9. März 2009 (S. 5) als weitere Diagnose u.a. auch ein chronisches Wirbelsäulensyndrom bei degenerativen Veränderungen.

Es ist unerheblich, dass Dr. H. in den Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für die Zeit ab 9. August 2007 als Diagnose Fibromyalgie (M79.7) nannte, für die Zeit ab 18. Januar 2010 demgegenüber als Diagnose lumbale und sonstige Bandscheibenschäden mit Radikulopathie oder Lumboischialgie (M51.1). Daraus lässt sich nicht ableiten, dass in den beiden Zeiträumen Arbeitsunfähigkeit wegen verschiedener Krankheiten bestand. Maßgeblich sind nicht die auf den Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen genannten (ICD-)Diagnosen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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