Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
15
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 SF 42/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Kostenbeschluss
Leitsätze
1. Ein Betreuer, der nach Anordnung des persönlichen Erscheinens durch das Gericht an einem Gerichtstermin teilnimmt, hat keinen Anspruch auf Entschädigung für Verdienstausfall gem. § 22 JVEG. Die Teilnahme am Gerichtstermin ist im Rahmen seiner pauschal gemäß §§ 4, 5 VBVG vergüteten Tätigkeit erfolgt; einen Verdienstausfall hat er daher nicht erlitten.
2. Ein Betreuer, der nach Anordnung des persönlichen Erscheinens durch das Gericht an einem Gerichtstermin teilnimmt, hat keinen Anspruch auf Entschädigung für Zeitversäumnis gem. § 20 JVEG. Der Annahme einer Zeitversäumnis steht entgegen, dass die Zeit für den Gerichtstermin durch die pauschal vergütete Betreuertätigkeit in Anspruch genommen worden ist.
2. Ein Betreuer, der nach Anordnung des persönlichen Erscheinens durch das Gericht an einem Gerichtstermin teilnimmt, hat keinen Anspruch auf Entschädigung für Zeitversäumnis gem. § 20 JVEG. Der Annahme einer Zeitversäumnis steht entgegen, dass die Zeit für den Gerichtstermin durch die pauschal vergütete Betreuertätigkeit in Anspruch genommen worden ist.
Die Entschädigung der Antragstellerin für die Wahrnehmung des Termins beim Bayer. Landessozialgericht am 21.12.2010 wird auf 61,25 EUR festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt eine Entschädigung nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) wegen der Wahrnehmung eines Gerichtstermins, zu dem ihr persönliches Erscheinen angeordnet worden ist.
Die Antragstellerin arbeitet zum einen als Betreuerin, zum anderen als selbstständige Diplomsozialarbeiterin für ein Familiengericht und ein Landratsamt.
In dem am Bayerischen Landessozialgericht (Bayer. LSG) unter dem Az. L 17 U 480/08 geführten Rechtsstreit fand am 21.12.2010 ein Erörterungstermin statt; das persönliche Erscheinen der Antragstellerin als gerichtlich bestellter Betreuerin des Klägers war angeordnet. Die mündliche Verhandlung dauerte von 13.25 Uhr bis 14.17 Uhr.
Mit Entschädigungsantrag vom 29.12.2010 beantragte die Antragstellerin die Entschädigung für das Erscheinen beim Erörterungstermin. Sie sei - so die Antragstellerin - um 9.00 Uhr von zu Hause weggefahren und um 18.00 Uhr zurückgekehrt. Benutzt habe sie den PKW (105 km) und den Zug (Bayern-Ticket 29,- EUR). Es seien Zehrkosten in Höhe von 8,- EUR angefallen. In der Zeit von 14.00 Uhr bis 18.00 Uhr und von 18.00 Uhr bis 21.00 Uhr sei ihr ein tatsächlicher Verdienstausfall von 217,15 EUR entstanden, da sie zwei Termine im Rahmen ihrer Tätigkeit als Diplomsozialarbeiterin abgesagt habe; am Vormittag gehe sie ihrer Betreuertätigkeit nach, die pauschal vergütet werde.
Die Kostenbeamtin des Bayer. LSG setzte mit Schreiben vom 21.01.2011 die Entschädigung wie folgt fest:
Fahrtkosten
- Öffentliche Verkehrsmittel Bahn lt. Ticket 29,00 EUR
PKW: 105 km à 0,25 EUR 26,25 EUR EUR
Aufwand/Tagegeld bei notwendiger Abwesenheit
von 9.00 Uhr bis 18.00 Uhr 6,00 EUR
Entschädigung für Nachteilsausgleich
8 Stunden à 3,- EUR 24,00 EUR
Insgesamt 85,25 EUR
Eine Entschädigung für Verdienstausfall könne nicht gewährt werden, da die Antragstellerin diesbezüglich nur Ansprüche nach dem Gesetz über die Vergütung von Vormündern und Betreuern (VBVG) habe.
Dagegen hat sich die Antragstellerin mit Schreiben vom 26.01.2011 gewandt. Es sei - so die Antragstellerin - richtig, dass sie zum Gerichtstermin in ihrer Eigenschaft als Betreuerin geladen worden sei. Diesbezüglich stehe ihr vermutlich kein Verdienstausfall zu; sie werde pauschal unabhängig vom Zeitaufwand vergütet. Sie arbeite allerdings noch als selbstständige Diplomsozialarbeiterin für das Familiengericht und das Landratsamt. Wegen des Gerichtstermins habe sie Termine absagen müssen, für die sie unabhängig von der Betreuungstätigkeit einen Verdienstausfall erlitten habe. Dafür könne sie nicht mit 3,- EUR pro Stunde wie eine Hausfrau entschädigt werden.
II.
Die Festsetzung der Entschädigung erfolgt gemäß § 4 Abs. 1 JVEG durch gerichtlichen Beschluss, wenn wie hier die Berechtigte mit Schreiben vom 26.01.2011 sinngemäß die gerichtliche Festsetzung beantragt.
Gegenstand der gerichtlichen Festsetzung ist ein Entschädigungsanspruch der Antragstellerin; einen Entschädigungsanspruch des Klägers im Verfahren mit dem Az. L 17 U 480/08 hat die Antragstellerin nicht geltend gemacht.
Die Entschädigung für die Wahrnehmung des Termins am 21.12.2010 ist auf 61,25 EUR festzusetzen. Ein weitergehender Anspruch besteht nicht.
Die Entschädigung der Antragstellerin ergibt sich aus dem JVEG.
Eine originäre Anwendung der Regelungen des JVEG auf Betreuer scheitert daran, dass das JVEG eine Entschädigung von Betreuern in dieser Eigenschaft nicht vorsieht. Eine analoge Anwendung des JVEG scheitert daran, dass für Betreuer mit dem VBVG eine abschließende Regelung für die Vergütung zur Verfügung steht (vgl. Oberlandesgericht Dresden, Beschluss vom 19.11.2001, Az.: 3 Ws 77/01).
Die Anwendbarkeit des JVEG folgt aber aus der Verweisungsnorm des § 191 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Danach sind Beteiligte eines gerichtlichen Verfahrens wie Zeugen, d.h. nach dem JVEG, zu entschädigen, sofern es sich um ein gerichtskostenfreies Verfahren im Sinne des § 183 SGG handelt.
Beteiligte des sozialgerichtlichen Verfahrens sind gemäß § 69 SGG der Kläger, der Beklagte und der Beigeladene. Einem Kläger gleichzustellen ist dessen gesetzlicher Vertreter, also auch der Betreuer, der gemäß § 1902 Bürgerliches Gesetzbuch die Stellung eines gesetzlichen Vertreters hat (vgl. Diederichsen, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 71. Aufl. 2012, § 1902, Rdnr. 2), sofern er im Rahmen des Aufgabenkreises seiner Betreuung handelt.
Gekennzeichnet ist die Stellung als Kläger dadurch, dass der Kläger ein (eigenes oder ein fremdes) Recht im eigenen Namen geltend macht (vgl. Littman, in: Lüdtke, SGG, 4. Aufl. 2012, § 69, Rdnr. 3). Davon, nämlich von der Geltendmachung eines Rechts im eigenen Namen, kann beim gesetzlichen Vertreter nicht ausgegangen werden. Es wird daher auch die Ansicht vertreten, dass der gesetzliche Vertreter nicht Beteiligter ist (vgl. Littman, a.a.O., § 71, Rdnr. 8). Dies würde den Schluss nahelegen, dass eine Anordnung des persönlichen Erscheinens des gesetzlichen Vertreters nicht möglich wäre, da nach dem Wortlaut des § 111 Abs. 1 SGG die Anordnung des persönlichen Erscheinens nur bei Beteiligten im Sinne des § 69 SGG möglich ist. Damit wäre auch eine Entschädigung für das Erscheinen des gesetzlichen Vertreters bei Gericht - bei gleichwohl angeordnetem persönlichem Erscheinen - fraglich, da § 191 SGG eine Auslagenvergütung nur für Beteiligte im Sinne des § 69 SGG vorsieht.
Dieser engen Meinung kann sich der Senat nicht anschließen. Es ist nicht nur für die Verfahrensordnung des sozialgerichtlichen Verfahrens, sondern auch für die Zivilprozessordnung (ZPO) weitgehend unbestritten, dass das persönliche Erscheinen des gesetzlichen Vertreters angeordnet werden kann (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 11. Aufl. 2011, § 141, Rdnr. 7; Stein u.a., ZPO, 22. Aufl. 2005, § 141, Rdnr. 15; Smid, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 3. Aufl. 2007, § 141, Rdnr. 13; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/ders., SGG, 10. Aufl. 2012, § 111, Rdnr. 3). Selbst im Kommentar von Lüdtke zum SGG wird zu § 111 SGG die Ansicht vertreten, dass das persönliche Erscheinen des gesetzlichen Vertreters angeordnet werden könne (vgl. Roller, in: Lüdtke, a.a.O., § 111, Rdnr. 4), was die oben angeführte Kommentierung zu § 69 SGG fraglich erscheinen lässt. Dass das persönliche Erscheinen des gesetzlichen Vertreters im Gegensatz zum Erscheinen des gewillkürten Vertreters (vgl. Smid, a.a.O., § 141, Rdnr. 15) angeordnet werden kann, ist mit dem Sinn und Zweck des persönlichen Erscheinens begründet. Dieser besteht vorrangig in der Aufklärung des Sachverhalts (vgl. Leitherer, a.a.O., § 111, Rdnr. 2). Dafür ist es erforderlich, dass eine Person am Gerichtstermin teilnimmt, die umfassende Kenntnisse über den zugrunde liegenden Sachverhalt hat. Dies ist primär der Kläger selbst als unmittelbar Betroffener. Ist er selbst nicht prozessfähig im Sinne des § 71 SGG, liegt es nicht fern, dass es ihm auch an der Fähigkeit mangelt, an der Aufklärung in dem vom Gericht erwünschten Umfang mitzuwirken. In derartigen Fällen ist aber davon auszugehen, dass der gesetzliche Vertreter über die erforderlichen Kenntnisse verfügt und daher in annähernd gleicher Weise wie ansonsten der Kläger zur Aufklärung beitragen kann. Es liegt daher im Interesse eines geordneten Prozesses, dass auch das persönliche Erscheinen des gesetzlichen Vertreters angeordnet werden kann. Dass es demgegenüber nicht möglich ist, das persönliche Erscheinen eines gewillkürten Vertreters anzuordnen, steht dieser rechtlichen Wertung nicht entgegen. Denn die Position des gewillkürten Vertreters ist mit der des gesetzlichen Vertreters nicht vergleichbar. Der gewillkürte Vertreter wird typischerweise nur mit der Wahrnehmung der (rechtlichen) Interessen des Klägers in einem eng umgrenzten Lebenssachverhalt beauftragt. Die Beauftragung erfolgt zudem regelmäßig erst zu einem Zeitpunkt, zu dem der zum Rechtsstreit führende Lebenssachverhalt bereits weitgehend abgeschlossen ist. Die Kenntnisse des gewillkürten Vertreters zum zugrunde liegenden Lebenssachverhalt beruhen daher typischerweise nicht auf eigenen Wahrnehmungen, sondern auf den späteren Angaben des Klägers. Insofern wäre von einer Befragung des gewillkürten Vertreters - anders als vom Kläger oder von seinem gesetzlichen Vertreter - kein besonderer Erkenntnisgewinn zu erwarten, der allein die Anordnung des persönlichen Erscheinens sachlich rechtfertigen würde.
Ordnet der Hauptsacherichter das persönliche Erscheinen des Betreuers an, ist davon auszugehen, dass der Betreuer in seinem Aufgaben- und Pflichtenkreis als Betreuer tätig geworden ist. Denn anderenfalls hätte es an der rechtlichen Grundlage für die Anordnung des persönlichen Erscheinens gefehlt. Der Betreuer ist dann wie ein Beteiligter und damit wie ein Zeuge zu entschädigen.
Die Antragstellerin ist zum Gerichtstermin am 21.12.2010 persönlich geladen worden. Sie ist damit in ihrer Eigenschaft als Betreuerin bei Gericht aufgetreten und wie eine Zeugin zu entschädigen.
Die Entschädigungstatbestände (für einen Zeugen) sind in § 19 JVEG aufgelistet.
Der Festsetzung der Entschädigung der Antragstellerin für das Erscheinen im Gerichtstermin vom 21.12.2010, für den ihr persönliches Erscheinen angeordnet war, liegen folgende Einzelpositionen zugrunde:
Fahrtkosten
- Öffentliche Verkehrsmittel Bahn lt. Ticket 29,00 EUR
PKW: 105 km à 0,25 EUR 26,25 EUR
Tagegeld/Verpflegungskosten 6,00 EUR
Verdienstausfall 0,00 EUR
Entschädigung für Nachteilsausgleich 0,00 EUR
Insgesamt 61,25 EUR
Die Beträge begründen sich im Einzelnen wie folgt:
1. Fahrtkosten
Für Fahrtkosten gemäß § 5 JVEG ist eine Entschädigung in Höhe von 29,- EUR für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel und in Höhe von 26,25 EUR für die Fahrt mit dem PKW zu leisten.
Bei Zugrundelegung der Kilometerangaben der Antragstellerin, die bei Überprüfung anhand eines im Internet jedermann zugänglichen Routenplaners plausibel erscheinen, hat eine Entschädigung für gefahrene 105 km zu erfolgen. Die Entschädigung hat gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JVEG in Höhe von 0,25 EUR für jeden gefahrenen Kilometer zu erfolgen. Es errechnet sich damit ein Fahrtkostenersatz in Höhe von 26,25 EUR.
Weiter sind die Kosten für die vorgelegte Zugfahrkarte als notwendige Aufwendungen in Höhe von 29,- EUR zu erstatten.
2. Tagegeld/Verpflegungskosten
Es ist eine Entschädigung für Aufwand (Tagegeld) gemäß § 6 JVEG in Höhe von 6,- EUR zu gewähren.
Mit dem Tagegeld sind die weiteren Kosten abgedeckt, die infolge einer längeren Abwesenheitszeit vom Wohnort oder der Arbeitsstelle entstehen. Davon umfasst sind insbesondere die Kosten für Verpflegung. Zehr- oder Verpflegungskosten sind als allgemeiner Aufwand im Sinne von § 6 Abs. 1 JVEG erstattungsfähig, wenn sie infolge des gerichtlich angesetzten Termins objektiv notwendig sind. Aus dem Verweis in § 6 Abs. 1 letzter Halbsatz JVEG auf das Tagegeld im Sinne von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 Einkommenssteuergesetz wird deutlich, wann und in welcher Höhe Verpflegungskosten in Form einer Zehrkostenpauschale als notwendiger allgemeiner Aufwand zu erstatten sind. Bei einer Abwesenheit von mindestens acht bis unter 14 Stunden ist ein Pauschalbetrag von 6,- EUR anzusetzen. Eine durch den Gerichtstermin erforderlich gewordene Abwesenheit von dieser Mindestdauer ist mit neun Stunden im vorliegenden Fall gegeben.
Dass die tatsächlichen Ausgaben der Antragstellerin höher gewesen sind als die vom Gesetzgeber vorgesehene Pauschale, ist für die Entschädigung ohne Bedeutung. Aufgrund der getroffenen gesetzlichen Regelung kommt es nicht auf die tatsächlich entstandenen Kosten an.
3. Verdienstausfall
Eine Entschädigung für Verdienstaufall gemäß § 22 JVEG hat nicht zu erfolgen.
Einer solchen Entschädigung steht vorliegend entgegen, dass die Antragstellerin in ihrer Eigenschaft als Betreuerin am Gerichtstermin teilgenommen hat. In dieser Eigenschaft erhält sie bereits eine Vergütung nach dem VBVG, sodass ihr ein Verdienstausfall im Sinne des § 22 JVEG nicht entstanden sein kann.
Nach der vom Gesetzgeber in §§ 4, 5 VBVG getroffenen Entscheidung erfolgt die Vergütung eines Betreuers nach einem Pauschalvergütungsmodell. Dem liegt eine Mischkalkulation zugrunde. Der Pauschalansatz ist damit gerechtfertigt, dass der tatsächliche Zeitaufwand im zeitlichen Verlauf manchmal höher, manchmal niedriger liegt als die vom Gesetzgeber zugrunde gelegten Erfahrungswerte, sich aber über einen längeren Zeitraum hinweg die zugrunde gelegten Zeitpauschalen als zutreffend erweisen. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese auf einer Mischkalkulation aufbauende Regelung hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nicht gesehen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 06.02.2007, Az.: 1 BvL 10/06, vom 18.03.2009, Az.: 1 BvL 2374/07, vom 20.08.2009, Az.: 1 BvR 2889/06, und vom 18.08.2011, Az.: 1 BvL 10/11).
Damit steht fest, dass alle Zeiträume, in denen die Antragstellerin als Betreuerin tätig gewesen ist, nach dem VBVG vergütet worden sind, wobei es auf den konkreten Stundenlohn, wie er sich aus der pauschal gewährten Vergütung und der tatsächlich erbrachten Stundenzahl errechnen würde, nicht ankommen kann.
Die Antragstellerin kann dem nicht entgegen halten, dass infolge der Wahrnehmung des Gerichtstermins die dem Pauschalvergütungsmodell zugrunde gelegte monatliche Stundenzahl überschritten und ihr daher ein Verdienstaufall entstanden wäre. Es ist für ein Pauschalvergütungsmodell geradezu typisch und unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten hinzunehmen, dass Überschreitungen der Durchschnittszeiten - genauso wie Unterschreitungen, bei denen auch keine teilweise Rückzahlung der Pauschalvergütung verlangt werden kann - nicht zu vermeiden sind. Genauso wie derartige Überschreitungen im Rahmen der Vergütung nach dem VBVG unbeachtlich sind, bleibt dies auch bei der Entschädigung im Rahmen des JVEG unberücksichtigt. Anderenfalls würde das Pauschalvergütungsmodell des VBVG konterkariert.
Die Antragstellerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass sie bei ihrer zweiten beruflichen Tätigkeit als selbstständige Diplomsozialarbeiterin einen Verdienstausfall erlitten hätte. Auch wenn die Antragstellerin wegen des Gerichtstermins Termine für ihre Tätigkeit als selbstständige Diplomsozialarbeiterin hätte absagen müssen und insofern keinen Verdienst hätte erzielen können, begründet dies keinen zu entschädigenden Verdienstausfall. Denn dieser anderweitig mögliche Verdienst ist daran gescheitert, dass die Antragstellerin ihrer - ebenfalls vergüteten - Tätigkeit als Betreuerin nachgegangen ist. Es könnte also von Seiten der Antragstellerin allenfalls argumentiert werden, dass ihr wegen der Betreuertätigkeit ein Verdienstausfall bei der Tätigkeit als selbstständige Diplomsozialarbeiterin entstanden sei. Für eine Entschädigung wegen finanzieller Nachteile wegen der Betreuertätigkeit bietet das JVEG aber keinen Raum; dieser Gesichtspunkt könnte allenfalls im Rahmen der Vergütung nach den Regelungen des VBVG beachtlich sein, die aber nicht Gegenstand der Entscheidung des Senats sind. Daran ändert auch der Vortrag der Antragstellerin zu ihren Arbeitszeiten nichts. Feste Arbeitszeiten bei der selbständigen Ausübung der Betreuertätigkeit gibt es nicht. Wenn die Antragstellerin demgegenüber vorträgt, dass sie der Betreuertätigkeit am Vormittag nachgehe, ist dies lediglich auf eigene organisatorische Maßnahmen der Antragstellerin zurückzuführen.
Der Senat schließt sich damit im Ergebnis der Rechtsprechung des LSG Nordrhein-Westfalen an, wonach einem Betreuer für die Teilnahme an einem Gerichtstermin nach Anordnung des persönlichen Erscheinens eine Entschädigung für Verdienstausfall nicht gewährt werden kann (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13.10.2010, Az.: L 4 KR 192/10 B), wobei der Senat - anders als das LSG Nordrhein-Westfalen, das zwar von einem durch die Wahrnehmung des Gerichtstermins entstandenen Verdienstausfall ausgeht, diesen aber durch die Pauschalvergütung als abgegolten ansieht - seine Begründung darauf aufbaut, dass überhaupt kein Verdienstaufall entstanden ist.
4. Entschädigung für Zeitversäumnis
Eine Entschädigung für Zeitversäumnis im Sinne des § 20 JVEG ist nicht zu leisten.
Wenn die Entschädigung für Zeitversäumnis im Sinne des § 20 JVEG in der urkundsbeamtlichen genauso wie in der richterlichen Praxis immer wieder als "Mindestentschädigung" bezeichnet und der Eindruck vermittelt wird, dass eine Entschädigung gemäß § 20 JVEG immer dann zu erfolgen habe, wenn keine (betragsmäßig höhere) Entschädigung für Nachteile bei der Haushaltsführung gemäß § 21 JVEG oder für Verdienstausfall gemäß § 22 JVEG in Betracht komme, erfolgt dies unter Verkennung der rechtlichen Voraussetzungen für die Entschädigung für Zeitversäumnis im Sinne des § 20 JVEG. Denn eine Entschädigung gemäß § 20 JVEG ist nicht schon dann zu leisten, wenn eine Entschädigung gemäß §§ 21, 22 JVEG ausgeschlossen ist. Vielmehr setzt die Entschädigung gemäß § 20 JVEG zusätzlich voraus, dass der Ausschlussgrund, dass "durch die Heranziehung ersichtlich kein Nachteil entstanden ist", verneint werden kann.
Zwar ist es für eine Entschädigung für Zeitversäumnis nicht erforderlich, dass dem Betroffenen geldwerte Vorteile entgehen (vgl. Meyer/Höver/Bach, JVEG, 25. Aufl. 2011, Rdnr. 20.5). Ausreichend - aber auch erforderlich - ist jedoch, dass der Betroffene die Zeit, die er für den Gerichtstermin aufgewandt hat, anderweitig zweckvoll und nutzbringend hätte verwenden können (vgl. Meyer/Höver/Bach, a.a.O., Rdnr. 20.4); auch ein Verlust an Freizeit ist als Nachteil im Sinne des § 20 JVEG zu betrachten (vgl. Meyer/Höver/Bach, a.a.O., Rdnr. 20.5; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27.12.2005, Az.: III-4 Ws 572/05, 4 Ws 572/05). Wegen der in § 20 letzter Halbsatz JVEG aufgestellten widerlegbaren gesetzlichen Vermutung wird daher in vielen Fällen davon auszugehen sein, dass ein Nachteil erstanden ist. Jedenfalls dann aber, wenn - wie hier - die Tätigkeit der Betreuerin vor Gericht Bestandteil ihrer nach dem VBVG vergüteten Betreuertätigkeit ist, ist eine Entschädigung für Zeitversäumnis ausgeschlossen. Denn die aus der Betreuertätigkeit resultierenden Pflichten stehen einer anderweitigen Verwendung der für den Gerichtstermin aufgewandten Zeit entgegen; die Zeit ist durch die Betreuertätigkeit in Anspruch genommen worden. Dass dies mittelbar auf den Gerichtstermin zurückzuführen ist, kann eine Entschädigung für Zeitversäumnis - wie auch schon einen Verdienstausfall - nicht begründen.
Insgesamt steht der Antragstellerin eine Entschädigung in Höhe von 61,25 EUR zu. Dass dieser gerichtlich festgesetzte Betrag unter dem von der Kostenbeamtin festgesetzten Betrag liegt, steht der Festsetzung nicht entgegen. Denn das Verbot der sogenannten "reformatio in peius" verbietet eine gerichtliche Feststellung auf einen Betrag unter der Festsetzung der Kostenbeamtin nicht. Dieses Verbot greift bei einer gerichtlichen Festsetzung, die von der im Verwaltungswege berechneten Vergütung zu Lasten der Antragstellerin abweicht, nicht ein, da die gerichtliche Festsetzung keine Abänderung der von der Kostenbeamtin vorgenommenen Berechnung, sondern eine davon unabhängige erstmalige Festsetzung nach § 4 Abs.1 Satz 1 JVEG ist. Damit wird eine vorherige Berechnung der Beträge im Verwaltungswege gegenstandslos (ständige Rechtsprechung, vgl. Meyer/Höver/Bach, a.a.O., Rdnr. 4.12 - m.w.N.).
Der Kostensenat trifft diese Entscheidung wegen der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 4 Abs. 7 Satz 2 JVEG in voller Besetzung.
Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG). Sie ergeht kosten- und gebührenfrei (§ 4 Abs. 8 JVEG).
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt eine Entschädigung nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) wegen der Wahrnehmung eines Gerichtstermins, zu dem ihr persönliches Erscheinen angeordnet worden ist.
Die Antragstellerin arbeitet zum einen als Betreuerin, zum anderen als selbstständige Diplomsozialarbeiterin für ein Familiengericht und ein Landratsamt.
In dem am Bayerischen Landessozialgericht (Bayer. LSG) unter dem Az. L 17 U 480/08 geführten Rechtsstreit fand am 21.12.2010 ein Erörterungstermin statt; das persönliche Erscheinen der Antragstellerin als gerichtlich bestellter Betreuerin des Klägers war angeordnet. Die mündliche Verhandlung dauerte von 13.25 Uhr bis 14.17 Uhr.
Mit Entschädigungsantrag vom 29.12.2010 beantragte die Antragstellerin die Entschädigung für das Erscheinen beim Erörterungstermin. Sie sei - so die Antragstellerin - um 9.00 Uhr von zu Hause weggefahren und um 18.00 Uhr zurückgekehrt. Benutzt habe sie den PKW (105 km) und den Zug (Bayern-Ticket 29,- EUR). Es seien Zehrkosten in Höhe von 8,- EUR angefallen. In der Zeit von 14.00 Uhr bis 18.00 Uhr und von 18.00 Uhr bis 21.00 Uhr sei ihr ein tatsächlicher Verdienstausfall von 217,15 EUR entstanden, da sie zwei Termine im Rahmen ihrer Tätigkeit als Diplomsozialarbeiterin abgesagt habe; am Vormittag gehe sie ihrer Betreuertätigkeit nach, die pauschal vergütet werde.
Die Kostenbeamtin des Bayer. LSG setzte mit Schreiben vom 21.01.2011 die Entschädigung wie folgt fest:
Fahrtkosten
- Öffentliche Verkehrsmittel Bahn lt. Ticket 29,00 EUR
PKW: 105 km à 0,25 EUR 26,25 EUR EUR
Aufwand/Tagegeld bei notwendiger Abwesenheit
von 9.00 Uhr bis 18.00 Uhr 6,00 EUR
Entschädigung für Nachteilsausgleich
8 Stunden à 3,- EUR 24,00 EUR
Insgesamt 85,25 EUR
Eine Entschädigung für Verdienstausfall könne nicht gewährt werden, da die Antragstellerin diesbezüglich nur Ansprüche nach dem Gesetz über die Vergütung von Vormündern und Betreuern (VBVG) habe.
Dagegen hat sich die Antragstellerin mit Schreiben vom 26.01.2011 gewandt. Es sei - so die Antragstellerin - richtig, dass sie zum Gerichtstermin in ihrer Eigenschaft als Betreuerin geladen worden sei. Diesbezüglich stehe ihr vermutlich kein Verdienstausfall zu; sie werde pauschal unabhängig vom Zeitaufwand vergütet. Sie arbeite allerdings noch als selbstständige Diplomsozialarbeiterin für das Familiengericht und das Landratsamt. Wegen des Gerichtstermins habe sie Termine absagen müssen, für die sie unabhängig von der Betreuungstätigkeit einen Verdienstausfall erlitten habe. Dafür könne sie nicht mit 3,- EUR pro Stunde wie eine Hausfrau entschädigt werden.
II.
Die Festsetzung der Entschädigung erfolgt gemäß § 4 Abs. 1 JVEG durch gerichtlichen Beschluss, wenn wie hier die Berechtigte mit Schreiben vom 26.01.2011 sinngemäß die gerichtliche Festsetzung beantragt.
Gegenstand der gerichtlichen Festsetzung ist ein Entschädigungsanspruch der Antragstellerin; einen Entschädigungsanspruch des Klägers im Verfahren mit dem Az. L 17 U 480/08 hat die Antragstellerin nicht geltend gemacht.
Die Entschädigung für die Wahrnehmung des Termins am 21.12.2010 ist auf 61,25 EUR festzusetzen. Ein weitergehender Anspruch besteht nicht.
Die Entschädigung der Antragstellerin ergibt sich aus dem JVEG.
Eine originäre Anwendung der Regelungen des JVEG auf Betreuer scheitert daran, dass das JVEG eine Entschädigung von Betreuern in dieser Eigenschaft nicht vorsieht. Eine analoge Anwendung des JVEG scheitert daran, dass für Betreuer mit dem VBVG eine abschließende Regelung für die Vergütung zur Verfügung steht (vgl. Oberlandesgericht Dresden, Beschluss vom 19.11.2001, Az.: 3 Ws 77/01).
Die Anwendbarkeit des JVEG folgt aber aus der Verweisungsnorm des § 191 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Danach sind Beteiligte eines gerichtlichen Verfahrens wie Zeugen, d.h. nach dem JVEG, zu entschädigen, sofern es sich um ein gerichtskostenfreies Verfahren im Sinne des § 183 SGG handelt.
Beteiligte des sozialgerichtlichen Verfahrens sind gemäß § 69 SGG der Kläger, der Beklagte und der Beigeladene. Einem Kläger gleichzustellen ist dessen gesetzlicher Vertreter, also auch der Betreuer, der gemäß § 1902 Bürgerliches Gesetzbuch die Stellung eines gesetzlichen Vertreters hat (vgl. Diederichsen, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 71. Aufl. 2012, § 1902, Rdnr. 2), sofern er im Rahmen des Aufgabenkreises seiner Betreuung handelt.
Gekennzeichnet ist die Stellung als Kläger dadurch, dass der Kläger ein (eigenes oder ein fremdes) Recht im eigenen Namen geltend macht (vgl. Littman, in: Lüdtke, SGG, 4. Aufl. 2012, § 69, Rdnr. 3). Davon, nämlich von der Geltendmachung eines Rechts im eigenen Namen, kann beim gesetzlichen Vertreter nicht ausgegangen werden. Es wird daher auch die Ansicht vertreten, dass der gesetzliche Vertreter nicht Beteiligter ist (vgl. Littman, a.a.O., § 71, Rdnr. 8). Dies würde den Schluss nahelegen, dass eine Anordnung des persönlichen Erscheinens des gesetzlichen Vertreters nicht möglich wäre, da nach dem Wortlaut des § 111 Abs. 1 SGG die Anordnung des persönlichen Erscheinens nur bei Beteiligten im Sinne des § 69 SGG möglich ist. Damit wäre auch eine Entschädigung für das Erscheinen des gesetzlichen Vertreters bei Gericht - bei gleichwohl angeordnetem persönlichem Erscheinen - fraglich, da § 191 SGG eine Auslagenvergütung nur für Beteiligte im Sinne des § 69 SGG vorsieht.
Dieser engen Meinung kann sich der Senat nicht anschließen. Es ist nicht nur für die Verfahrensordnung des sozialgerichtlichen Verfahrens, sondern auch für die Zivilprozessordnung (ZPO) weitgehend unbestritten, dass das persönliche Erscheinen des gesetzlichen Vertreters angeordnet werden kann (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 11. Aufl. 2011, § 141, Rdnr. 7; Stein u.a., ZPO, 22. Aufl. 2005, § 141, Rdnr. 15; Smid, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 3. Aufl. 2007, § 141, Rdnr. 13; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/ders., SGG, 10. Aufl. 2012, § 111, Rdnr. 3). Selbst im Kommentar von Lüdtke zum SGG wird zu § 111 SGG die Ansicht vertreten, dass das persönliche Erscheinen des gesetzlichen Vertreters angeordnet werden könne (vgl. Roller, in: Lüdtke, a.a.O., § 111, Rdnr. 4), was die oben angeführte Kommentierung zu § 69 SGG fraglich erscheinen lässt. Dass das persönliche Erscheinen des gesetzlichen Vertreters im Gegensatz zum Erscheinen des gewillkürten Vertreters (vgl. Smid, a.a.O., § 141, Rdnr. 15) angeordnet werden kann, ist mit dem Sinn und Zweck des persönlichen Erscheinens begründet. Dieser besteht vorrangig in der Aufklärung des Sachverhalts (vgl. Leitherer, a.a.O., § 111, Rdnr. 2). Dafür ist es erforderlich, dass eine Person am Gerichtstermin teilnimmt, die umfassende Kenntnisse über den zugrunde liegenden Sachverhalt hat. Dies ist primär der Kläger selbst als unmittelbar Betroffener. Ist er selbst nicht prozessfähig im Sinne des § 71 SGG, liegt es nicht fern, dass es ihm auch an der Fähigkeit mangelt, an der Aufklärung in dem vom Gericht erwünschten Umfang mitzuwirken. In derartigen Fällen ist aber davon auszugehen, dass der gesetzliche Vertreter über die erforderlichen Kenntnisse verfügt und daher in annähernd gleicher Weise wie ansonsten der Kläger zur Aufklärung beitragen kann. Es liegt daher im Interesse eines geordneten Prozesses, dass auch das persönliche Erscheinen des gesetzlichen Vertreters angeordnet werden kann. Dass es demgegenüber nicht möglich ist, das persönliche Erscheinen eines gewillkürten Vertreters anzuordnen, steht dieser rechtlichen Wertung nicht entgegen. Denn die Position des gewillkürten Vertreters ist mit der des gesetzlichen Vertreters nicht vergleichbar. Der gewillkürte Vertreter wird typischerweise nur mit der Wahrnehmung der (rechtlichen) Interessen des Klägers in einem eng umgrenzten Lebenssachverhalt beauftragt. Die Beauftragung erfolgt zudem regelmäßig erst zu einem Zeitpunkt, zu dem der zum Rechtsstreit führende Lebenssachverhalt bereits weitgehend abgeschlossen ist. Die Kenntnisse des gewillkürten Vertreters zum zugrunde liegenden Lebenssachverhalt beruhen daher typischerweise nicht auf eigenen Wahrnehmungen, sondern auf den späteren Angaben des Klägers. Insofern wäre von einer Befragung des gewillkürten Vertreters - anders als vom Kläger oder von seinem gesetzlichen Vertreter - kein besonderer Erkenntnisgewinn zu erwarten, der allein die Anordnung des persönlichen Erscheinens sachlich rechtfertigen würde.
Ordnet der Hauptsacherichter das persönliche Erscheinen des Betreuers an, ist davon auszugehen, dass der Betreuer in seinem Aufgaben- und Pflichtenkreis als Betreuer tätig geworden ist. Denn anderenfalls hätte es an der rechtlichen Grundlage für die Anordnung des persönlichen Erscheinens gefehlt. Der Betreuer ist dann wie ein Beteiligter und damit wie ein Zeuge zu entschädigen.
Die Antragstellerin ist zum Gerichtstermin am 21.12.2010 persönlich geladen worden. Sie ist damit in ihrer Eigenschaft als Betreuerin bei Gericht aufgetreten und wie eine Zeugin zu entschädigen.
Die Entschädigungstatbestände (für einen Zeugen) sind in § 19 JVEG aufgelistet.
Der Festsetzung der Entschädigung der Antragstellerin für das Erscheinen im Gerichtstermin vom 21.12.2010, für den ihr persönliches Erscheinen angeordnet war, liegen folgende Einzelpositionen zugrunde:
Fahrtkosten
- Öffentliche Verkehrsmittel Bahn lt. Ticket 29,00 EUR
PKW: 105 km à 0,25 EUR 26,25 EUR
Tagegeld/Verpflegungskosten 6,00 EUR
Verdienstausfall 0,00 EUR
Entschädigung für Nachteilsausgleich 0,00 EUR
Insgesamt 61,25 EUR
Die Beträge begründen sich im Einzelnen wie folgt:
1. Fahrtkosten
Für Fahrtkosten gemäß § 5 JVEG ist eine Entschädigung in Höhe von 29,- EUR für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel und in Höhe von 26,25 EUR für die Fahrt mit dem PKW zu leisten.
Bei Zugrundelegung der Kilometerangaben der Antragstellerin, die bei Überprüfung anhand eines im Internet jedermann zugänglichen Routenplaners plausibel erscheinen, hat eine Entschädigung für gefahrene 105 km zu erfolgen. Die Entschädigung hat gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JVEG in Höhe von 0,25 EUR für jeden gefahrenen Kilometer zu erfolgen. Es errechnet sich damit ein Fahrtkostenersatz in Höhe von 26,25 EUR.
Weiter sind die Kosten für die vorgelegte Zugfahrkarte als notwendige Aufwendungen in Höhe von 29,- EUR zu erstatten.
2. Tagegeld/Verpflegungskosten
Es ist eine Entschädigung für Aufwand (Tagegeld) gemäß § 6 JVEG in Höhe von 6,- EUR zu gewähren.
Mit dem Tagegeld sind die weiteren Kosten abgedeckt, die infolge einer längeren Abwesenheitszeit vom Wohnort oder der Arbeitsstelle entstehen. Davon umfasst sind insbesondere die Kosten für Verpflegung. Zehr- oder Verpflegungskosten sind als allgemeiner Aufwand im Sinne von § 6 Abs. 1 JVEG erstattungsfähig, wenn sie infolge des gerichtlich angesetzten Termins objektiv notwendig sind. Aus dem Verweis in § 6 Abs. 1 letzter Halbsatz JVEG auf das Tagegeld im Sinne von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 Einkommenssteuergesetz wird deutlich, wann und in welcher Höhe Verpflegungskosten in Form einer Zehrkostenpauschale als notwendiger allgemeiner Aufwand zu erstatten sind. Bei einer Abwesenheit von mindestens acht bis unter 14 Stunden ist ein Pauschalbetrag von 6,- EUR anzusetzen. Eine durch den Gerichtstermin erforderlich gewordene Abwesenheit von dieser Mindestdauer ist mit neun Stunden im vorliegenden Fall gegeben.
Dass die tatsächlichen Ausgaben der Antragstellerin höher gewesen sind als die vom Gesetzgeber vorgesehene Pauschale, ist für die Entschädigung ohne Bedeutung. Aufgrund der getroffenen gesetzlichen Regelung kommt es nicht auf die tatsächlich entstandenen Kosten an.
3. Verdienstausfall
Eine Entschädigung für Verdienstaufall gemäß § 22 JVEG hat nicht zu erfolgen.
Einer solchen Entschädigung steht vorliegend entgegen, dass die Antragstellerin in ihrer Eigenschaft als Betreuerin am Gerichtstermin teilgenommen hat. In dieser Eigenschaft erhält sie bereits eine Vergütung nach dem VBVG, sodass ihr ein Verdienstausfall im Sinne des § 22 JVEG nicht entstanden sein kann.
Nach der vom Gesetzgeber in §§ 4, 5 VBVG getroffenen Entscheidung erfolgt die Vergütung eines Betreuers nach einem Pauschalvergütungsmodell. Dem liegt eine Mischkalkulation zugrunde. Der Pauschalansatz ist damit gerechtfertigt, dass der tatsächliche Zeitaufwand im zeitlichen Verlauf manchmal höher, manchmal niedriger liegt als die vom Gesetzgeber zugrunde gelegten Erfahrungswerte, sich aber über einen längeren Zeitraum hinweg die zugrunde gelegten Zeitpauschalen als zutreffend erweisen. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese auf einer Mischkalkulation aufbauende Regelung hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nicht gesehen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 06.02.2007, Az.: 1 BvL 10/06, vom 18.03.2009, Az.: 1 BvL 2374/07, vom 20.08.2009, Az.: 1 BvR 2889/06, und vom 18.08.2011, Az.: 1 BvL 10/11).
Damit steht fest, dass alle Zeiträume, in denen die Antragstellerin als Betreuerin tätig gewesen ist, nach dem VBVG vergütet worden sind, wobei es auf den konkreten Stundenlohn, wie er sich aus der pauschal gewährten Vergütung und der tatsächlich erbrachten Stundenzahl errechnen würde, nicht ankommen kann.
Die Antragstellerin kann dem nicht entgegen halten, dass infolge der Wahrnehmung des Gerichtstermins die dem Pauschalvergütungsmodell zugrunde gelegte monatliche Stundenzahl überschritten und ihr daher ein Verdienstaufall entstanden wäre. Es ist für ein Pauschalvergütungsmodell geradezu typisch und unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten hinzunehmen, dass Überschreitungen der Durchschnittszeiten - genauso wie Unterschreitungen, bei denen auch keine teilweise Rückzahlung der Pauschalvergütung verlangt werden kann - nicht zu vermeiden sind. Genauso wie derartige Überschreitungen im Rahmen der Vergütung nach dem VBVG unbeachtlich sind, bleibt dies auch bei der Entschädigung im Rahmen des JVEG unberücksichtigt. Anderenfalls würde das Pauschalvergütungsmodell des VBVG konterkariert.
Die Antragstellerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass sie bei ihrer zweiten beruflichen Tätigkeit als selbstständige Diplomsozialarbeiterin einen Verdienstausfall erlitten hätte. Auch wenn die Antragstellerin wegen des Gerichtstermins Termine für ihre Tätigkeit als selbstständige Diplomsozialarbeiterin hätte absagen müssen und insofern keinen Verdienst hätte erzielen können, begründet dies keinen zu entschädigenden Verdienstausfall. Denn dieser anderweitig mögliche Verdienst ist daran gescheitert, dass die Antragstellerin ihrer - ebenfalls vergüteten - Tätigkeit als Betreuerin nachgegangen ist. Es könnte also von Seiten der Antragstellerin allenfalls argumentiert werden, dass ihr wegen der Betreuertätigkeit ein Verdienstausfall bei der Tätigkeit als selbstständige Diplomsozialarbeiterin entstanden sei. Für eine Entschädigung wegen finanzieller Nachteile wegen der Betreuertätigkeit bietet das JVEG aber keinen Raum; dieser Gesichtspunkt könnte allenfalls im Rahmen der Vergütung nach den Regelungen des VBVG beachtlich sein, die aber nicht Gegenstand der Entscheidung des Senats sind. Daran ändert auch der Vortrag der Antragstellerin zu ihren Arbeitszeiten nichts. Feste Arbeitszeiten bei der selbständigen Ausübung der Betreuertätigkeit gibt es nicht. Wenn die Antragstellerin demgegenüber vorträgt, dass sie der Betreuertätigkeit am Vormittag nachgehe, ist dies lediglich auf eigene organisatorische Maßnahmen der Antragstellerin zurückzuführen.
Der Senat schließt sich damit im Ergebnis der Rechtsprechung des LSG Nordrhein-Westfalen an, wonach einem Betreuer für die Teilnahme an einem Gerichtstermin nach Anordnung des persönlichen Erscheinens eine Entschädigung für Verdienstausfall nicht gewährt werden kann (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13.10.2010, Az.: L 4 KR 192/10 B), wobei der Senat - anders als das LSG Nordrhein-Westfalen, das zwar von einem durch die Wahrnehmung des Gerichtstermins entstandenen Verdienstausfall ausgeht, diesen aber durch die Pauschalvergütung als abgegolten ansieht - seine Begründung darauf aufbaut, dass überhaupt kein Verdienstaufall entstanden ist.
4. Entschädigung für Zeitversäumnis
Eine Entschädigung für Zeitversäumnis im Sinne des § 20 JVEG ist nicht zu leisten.
Wenn die Entschädigung für Zeitversäumnis im Sinne des § 20 JVEG in der urkundsbeamtlichen genauso wie in der richterlichen Praxis immer wieder als "Mindestentschädigung" bezeichnet und der Eindruck vermittelt wird, dass eine Entschädigung gemäß § 20 JVEG immer dann zu erfolgen habe, wenn keine (betragsmäßig höhere) Entschädigung für Nachteile bei der Haushaltsführung gemäß § 21 JVEG oder für Verdienstausfall gemäß § 22 JVEG in Betracht komme, erfolgt dies unter Verkennung der rechtlichen Voraussetzungen für die Entschädigung für Zeitversäumnis im Sinne des § 20 JVEG. Denn eine Entschädigung gemäß § 20 JVEG ist nicht schon dann zu leisten, wenn eine Entschädigung gemäß §§ 21, 22 JVEG ausgeschlossen ist. Vielmehr setzt die Entschädigung gemäß § 20 JVEG zusätzlich voraus, dass der Ausschlussgrund, dass "durch die Heranziehung ersichtlich kein Nachteil entstanden ist", verneint werden kann.
Zwar ist es für eine Entschädigung für Zeitversäumnis nicht erforderlich, dass dem Betroffenen geldwerte Vorteile entgehen (vgl. Meyer/Höver/Bach, JVEG, 25. Aufl. 2011, Rdnr. 20.5). Ausreichend - aber auch erforderlich - ist jedoch, dass der Betroffene die Zeit, die er für den Gerichtstermin aufgewandt hat, anderweitig zweckvoll und nutzbringend hätte verwenden können (vgl. Meyer/Höver/Bach, a.a.O., Rdnr. 20.4); auch ein Verlust an Freizeit ist als Nachteil im Sinne des § 20 JVEG zu betrachten (vgl. Meyer/Höver/Bach, a.a.O., Rdnr. 20.5; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27.12.2005, Az.: III-4 Ws 572/05, 4 Ws 572/05). Wegen der in § 20 letzter Halbsatz JVEG aufgestellten widerlegbaren gesetzlichen Vermutung wird daher in vielen Fällen davon auszugehen sein, dass ein Nachteil erstanden ist. Jedenfalls dann aber, wenn - wie hier - die Tätigkeit der Betreuerin vor Gericht Bestandteil ihrer nach dem VBVG vergüteten Betreuertätigkeit ist, ist eine Entschädigung für Zeitversäumnis ausgeschlossen. Denn die aus der Betreuertätigkeit resultierenden Pflichten stehen einer anderweitigen Verwendung der für den Gerichtstermin aufgewandten Zeit entgegen; die Zeit ist durch die Betreuertätigkeit in Anspruch genommen worden. Dass dies mittelbar auf den Gerichtstermin zurückzuführen ist, kann eine Entschädigung für Zeitversäumnis - wie auch schon einen Verdienstausfall - nicht begründen.
Insgesamt steht der Antragstellerin eine Entschädigung in Höhe von 61,25 EUR zu. Dass dieser gerichtlich festgesetzte Betrag unter dem von der Kostenbeamtin festgesetzten Betrag liegt, steht der Festsetzung nicht entgegen. Denn das Verbot der sogenannten "reformatio in peius" verbietet eine gerichtliche Feststellung auf einen Betrag unter der Festsetzung der Kostenbeamtin nicht. Dieses Verbot greift bei einer gerichtlichen Festsetzung, die von der im Verwaltungswege berechneten Vergütung zu Lasten der Antragstellerin abweicht, nicht ein, da die gerichtliche Festsetzung keine Abänderung der von der Kostenbeamtin vorgenommenen Berechnung, sondern eine davon unabhängige erstmalige Festsetzung nach § 4 Abs.1 Satz 1 JVEG ist. Damit wird eine vorherige Berechnung der Beträge im Verwaltungswege gegenstandslos (ständige Rechtsprechung, vgl. Meyer/Höver/Bach, a.a.O., Rdnr. 4.12 - m.w.N.).
Der Kostensenat trifft diese Entscheidung wegen der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 4 Abs. 7 Satz 2 JVEG in voller Besetzung.
Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG). Sie ergeht kosten- und gebührenfrei (§ 4 Abs. 8 JVEG).
Rechtskraft
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