L 19 R 646/08

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 14 R 4575/07
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 19 R 646/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5 R 28/12 R
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 15.07.2008 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Altersrente des Klägers, insbesondere die Bewertung von Zeiten, in denen der Kläger beim Bundesgrenzschutz tätig war, streitig.

Der 1946 geborene Kläger beantragte am 22.11.2006 bei der Beklagten eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit und Vollendung des 60. Lebensjahres. Mit Bescheid vom 20.12.2006 bewilligte die Beklagte diese Rente ab 01.03.2007 in Höhe von 1.469,07 EUR. Dabei wurden zunächst 65,2389 Entgeltpunkte für Beitragszeiten und 1,5000 Entgeltpunkt für beitragsfreie Zeiten sowie zusätzliche Entgeltpunkte für beitragsgeminderte Zeiten in Höhe von 0,8353 Punkten berücksichtigt. Die Summe von 67,5742 Punkten wurde jedoch durch den entsprechenden verminderten Zugangsfaktor von 0,832 auf den Wert von 56,2217 reduziert, der dann der Rentenberechnung zugrunde gelegt wurde.

Aus dem beigefügten Versicherungsverlauf ist zu ersehen, dass für die Zeit vom 12.04.1966 bis 30.09.1967 17 Monate 19 Tage Pflichtbeitragszeiten im Rahmen einer Nachversicherung ausgewiesen wurden; auf die Zeiten entfielen 0,3749 Punkte sowie weitere 0,4166 Punkte, d.h. zusammen 0,7915 Punkte. Grundlage für die Berechnung war eine Bescheinigung vom 22.09.1967 über die Nachversicherung der Beschäftigungszeit beim Bundesgrenzschutz vom 12.04.1966 bis 30.09.1967 gem. § 124 Abs 6 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) in Höhe von 7.965,95 DM.

Auf den Widerspruch des Klägers erfolgte mit Bescheid vom 15.03.2007 eine Neufeststellung der Rente ab Beginn wegen eines hier nicht streitgegenständlichen Zeitraums (monatliche Rente 1.490,41 EUR).

Im Widerspruchsverfahren hatte der Kläger Berechnungen der Beklagten u.a. für den fiktiven Fall erbeten, dass er 18 Monate Wehrdienst bei der Bundeswehr geleistet hätte und nicht - wie tatsächlich erfolgt - beim Bundesgrenzschutz im Einsatz gewesen sei. Die Beklagte teilte mit, dass der Kläger im fiktiven Fall einer Wehrdienstleistung bei der Bundeswehr oder eines Zivildienstes für die Zeit vom 12.04.1966 bis 30.09.1967 0,7194 und 0,7500, insgesamt also 1,4694 Punkte erhalten hätte. Nach einer Probeberechnung wäre ein monatl. Rentenbetrag in Höhe von 1.505,73 EUR anzunehmen. Die Beklagte stellte hierzu fest, dass eine Gleichstellung des Grenzschutzdienstes mit dem Wehrdienst jedoch erst ab dem 01.10.1969 vorgesehen sei. Für die Zeit davor verbleibe es bei der entsprechenden Nachversicherung, selbst wenn die Tätigkeit beim Grenzschutzdienst gleichzeitig dazu geführt habe, dass eine Befreiung vom Wehrdienst vorgelegen hätte. Die Anwendung der Regelung über die Abgeltung der Wehrdienstzeiten, in denen lediglich Wehrsold gezahlt worden sei (§ 256 Abs 3 Sechstes Buches Sozialgesetzbuch -SGB VI-), komme mithin nicht in Betracht (Schreiben vom 12.06.2007).

Mit Schreiben vom 09.07.2007 hielt der Kläger an seinem Überprüfungsbegehren fest. Hierzu führte die Beklagte mit Bescheid vom 19.09.2007 aus, dass dem Antrag des Klägers vom 09.07.2007 auf Rücknahme des Bescheides vom 15.03.2007und Neufeststellung der Rente nicht entsprochen werden könne. Die Überprüfung des Bescheides vom 15.03.2007 habe ergeben, dass weder das Recht unrichtig angewandt, noch von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden sei. Die Rente sei in zutreffender Höhe festgestellt worden. Ein Rückgängigmachen der Nachversicherung zu Gunsten einer Anerkennung als Grundwehrdienstzeit sei nicht möglich, weil hierfür der Gesetzgeber keine Regelung vorgesehen habe.

Hiergegen legte der Kläger am 24.09.2007 Widerspruch ein und trug weiter vor, dass ihm seinerzeit versichert worden sei, dass er keine Nachteile erleiden würde, wenn er seine Wehrpflicht beim Bundesgrenzschutz ableiste; vielmehr sei es so dargestellt worden, dass er eine längere, härtere und sportlichere Ausbildung hätte und dafür auch den höheren Sold erhalte. Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 07.12.2007 den Widerspruch zurück. Die Berücksichtigung der Zeit vom 12.04.1966 bis 30.09.1967 als Grundwehrdienstzeit und nicht als Nachversicherung gemäß § 9 AVG/§ 233 SGB VI komme nicht in Betracht. Es habe seinerzeit ein versicherungsfreies Dienstverhältnis vorgelegen, das nach dem Ausscheiden vom damaligen Dienstherrn nachversichert worden sei. Eine Gleichstellung des Grenzschutzdienstes mit dem Grundwehrdienst sei erst für die Zeit ab 01.10.1969 erfolgt.

Hiergegen hat der Kläger am 28.12.2007 Klage zum Sozialgericht (SG) Würzburg erhoben und nochmals ausgeführt, dass ihm bei der Musterung beim Kreiswehrersatzamt in A. - etwa im November 1965 - versichert worden sei, dass er durch die Ableistung des Grundwehrdienstes beim Bundesgrenzschutz eine härtere und längere Grundausbildung, mehr Sold und im Übrigen keine Nachteile hätte. Ein Gesetz über die Ableistung des Grundwehrdienstes beim Bundesgrenzschutz gebe es schon ab 1963/1964, da es für ihn sonst gar nicht möglich gewesen wäre, seinen Grundwehrdienst beim Bundesgrenzschutz in der Zeit vom 12.04.1966 bis 30.09.1967 abzuleisten. Deshalb sei die Gleichstellung des Grenzschutzdienstes mit Grundwehrdienst nicht erst ab dem 01.10.1969 - wie von der Beklagten aufgrund der Gesetzeslage angenommen - sondern bereits zuvor vorzunehmen gewesen.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 15.07.2008 die Klage abgewiesen. Es hat auf § 256 Abs 3 Satz 1 SGB VI verwiesen, Für Zeiten vom 01.01.1982 bis 31.12.1991, in denen für Personen, die aufgrund gesetzlicher Pflicht mehr als 3 Tage Wehrdienst oder Zivildienst geleistet hätten, Pflichtbeiträge gezahlt worden seien, seien für jedes volle Kalenderjahr 0,75 Entgeltpunkte und für die Zeit vom 01.05.1961 bis zum 31.12.1981 für jedes volle Kalenderjahr 1,0 Entgeltpunkte sowie für jeden Teilzeitraum der entsprechende Anteil zu Grunde zu legen. Außerdem seien nach § 233 Abs 1 Satz 1 SGB VI Personen, die nach dem geltenden Recht zunächst versicherungsfrei oder von der Versicherungspflicht befreit gewesen seien oder sonst nicht versicherungspflichtig gewesen seien, nach den bisherigen Vorschriften nachzuversichern, wenn sie ohne Anspruch oder Anwartschaft auf Versorgung aus der Beschäftigung ausgeschieden seien. Der Gesetzgeber habe bis einschließlich 30.09.1969 für Wehrpflichtige, die anstelle ihres damals 18-monatigen Wehrdienstes den Dienst für 18 Monate beim Bundesgrenzschutz abgeleistet hätten und damit in einem versicherungsfreien Dienstverhältnis - ähnlich wie ein Beamter oder Berufssoldat - gestanden hätten, keine Regelung vorgesehen, wonach diese Dienstzeiten nicht im Wege der Nachversicherung entsprechend der nachversicherten Entgelte rentenrechtlich zu berücksichtigen gewesen wären.

Eine derartige Regelung habe der Gesetzgeber erst zum 01.10.1969 durch eine Änderung des AVG in Kraft gesetzt; erst ab diesem Zeitpunkt habe er den Dienst beim Bundesgrenzschutz mit dem Grundwehrdienst rentenversicherungsrechtlich gleichgestellt. Eine Rückwirkung dieser Regelung oder gar ein Rückgängigmachen bereits erfolgter Nachversicherungen sei gesetzlich nicht vorgesehen gewesen. Grundlagen für einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch seien nicht zu erkennen. Der Kläger sei in der Vergangenheit auch bereits mehrfach darüber informiert worden, dass die streitgegenständliche Zeit nicht als Beitragszeit iS von § 256 Abs 3 SGB VI in seinem Rentenkonto gespeichert gewesen sei.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger am 25.08.2008 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Ihm sei nicht begründet worden, warum sein Anliegen nicht rechtens sei, sondern es werde immer nur auf die Gesetzeslage verwiesen. Es gebe ein Gesetz von ca. 1963, das die Ableistung des Wehrdienstes beim Bundesgrenzschutz mit dem bei der Bundeswehr gleichstelle, hinsichtlich der Rentenversicherung gelte diese Gleichstellung aber erst ab 01.10.1969. Dies verstoße gegen Gerechtigkeit und Gleichheit, so wie jeder vor dem Gesetz behandelt werden solle. Die überwiegende Mehrheit der damals beim Bundesgrenzschutz Beschäftigten habe dies nur als Ableistung ihrer Wehrpflicht getan. Von seinen damals 40 Kameraden seien nur 4 länger als 18 Monate, d.h. über die Wehrpflichtzeit hinaus, beim Bundesgrenzschutz geblieben. Er habe sich auch erst jetzt gegen die rentenrechtliche Behandlung dieser Zeit gewandt, weil ihm jetzt erst erklärt worden sei, was der Unterschied zwischen nachversicherten Entgelten und Pflichtbeitragszeiten bedeute und wie sich dies auf die Rente auswirken würde. Mittlerweile sei es sogar so, dass bemängelt werde, dass frühere Angehörige der bewaffneten Kräfte der DDR bei den Rentenansprüchen besser gestellt seien als Angehörige des Bundesgrenzschutzes, die nach ihrem Dienst nicht im Staatsdienst geblieben seien.

Die Beklagte hat Folgendes erwidert: In der Zeit vom 12.04.1966 bis 30.09.1967 habe keine Versicherungspflicht nach § 2 Abs 1 Nr 8 AVG bzw. § 3 Satz 1 Nr 2 SGB VI bestanden, weil der geleistete Vollzugsdienst als Grenztruppjäger beim Bundesgrenzschutz nicht aufgrund bestehender Dienstpflicht geleistet wurde. Die Zeit müsse daher weiterhin als Nachversicherungszeit bei der Rentenberechnung berücksichtigt werden. Versicherungspflichtig nach § 2 Abs 1 Nr 8 AVG idF ab 01.04.1965 seien Personen gewesen, die vor einer Wehrdienstleistung iS des § 4 Abs 1 Wehrpflichtgesetz (WehrpflG) zuletzt nach diesem Absatz versichert gewesen seien oder vor der Wehrdienstzeit weder pflicht- noch freiwillig versichert gewesen seien, bei einer Einberufung zu einem Wehrdienst von länger als 3 Tagen für die Dauer der Wehrdienstleistung. Der aufgrund der Wehrpflicht bei der Bundeswehr zu leistende Dienst habe damals den Grundwehrdienst, Wehrübungen sowie den unbefristeten Wehrdienst im Verteidigungsfall umfasst. Versicherungspflicht sei nur eingetreten, wenn der Wehrdienst aufgrund bestehender Dienstpflicht bei der Bundeswehr geleistet worden sei.

Bis zum 17.01.1969 hätten Wehrpflichtige die Möglichkeit gehabt, anstelle des Grundwehrdienstes bei der Bundeswehr freiwillig einen Vollzugsdienst beim Bundesgrenzschutz zu leisten. Eine gesetzliche Pflicht zur Ableistung eines Vollzugsdienstes habe jedoch nicht bestanden. Sei der Dienst entsprechend der Dauer des Grundwehrdienstes im Umfang von 18 Monaten geleistet gewesen, sei zwar die Pflicht zur Grundwehrdienstleistung erloschen (§ 42 WehrpflG), Versicherungspflicht sei damit jedoch nicht eingetreten. Die rechtliche Gleichstellung des Vollzugsdienstes beim Bundesgrenzschutz mit dem Grundwehrdienst sei erst durch das 6. Gesetz zur Änderung des Wehrpflichtgesetzes vom 13.01.1969 beschlossen worden. Nach § 49 Bundesgrenzschutzgesetz (BGSG) konnten Wehrpflichtige ab diesem Zeitpunkt auch zum Dienst beim Bundesgrenzschutz herangezogen werden. Die Grenzschutzdienstpflichtigen hätten seitdem auch sozialversicherungsrechtlich den Wehrdienstpflichtigen gleich gestanden, sodass Versicherungspflicht nach § 2 Abs 1 Nr 8 AVG habe eintreten können. Die Einführung der Grenzschutzdienstpflicht sei nicht aus Gründen der Gleichbehandlung erfolgt, sondern um eine Sicherung und bessere personelle Ausstattung des Bundesgrenzschutzes zu erreichen (Hinweis auf BT-Drucks V/3568).

Die Gründe, weshalb sich der Kläger seinerzeit freiwillig zur Ableistung eines Vollzugsdienstes beim Bundesgrenzschutz bereit erklärt habe, seien für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung dieser Zeit unerheblich. Die differenzierte Beurteilung des Grenzschutzdienstes vor und nach Einführung der Grenzschutzdienstpflicht verstoße auch nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz nach Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG). Es handele sich hierbei um verschiedene Fallgestaltungen.

Der Kläger hat noch ausgeführt, er sei durch das Versprechen zum Bundesgrenzschutz gelockt worden, dass er keinerlei Nachteile gegenüber der Bundeswehr hätte und fühle sich daher als nicht gleichberechtigt behandelt. Die willkürliche ungleiche Behandlung als Strafe der frühen Geburt sei nicht gerecht. In der mündlichen Verhandlung des Senats vom 25.01.2012 hat der Kläger angegeben, dass er seinerzeit von vornherein ausschließlich seine Wehrpflicht habe erfüllen wollen und dies auch so vorgesehen gewesen sei. Er sei während seiner Ausbildung gefragt worden, ob er Lehrgänge absolvieren und dann länger bleiben wolle, was er jedoch verneint habe. Der monatliche Sold habe damals etwa 400 DM brutto betragen, wovon jedoch zusätzliche Kosten zu bestreiten gewesen seien.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 15.07.2008 und den Bescheid vom 19.09.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.12.2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, bei ihm unter Abänderung des Bescheides vom 15.03.2007 die Zeit vom 12.04.1966 bis 30.09.1967 nach § 256 Abs 3 Satz 1 2. Halbsatz SGB VI zu bewerten und ihm ab Rentenbeginn eine entsprechend höhere Rente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 15.07.2008 zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten und der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz
-SGG-) ist zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat zu Recht einen Anspruch des Klägers auf eine höhere Altersrente unter Bewertung der von ihm beim Bundesgrenzschutz geleisteten Dienstzeiten nach § 256 Abs 3 Satz 1 2. Halbsatz SGB VI abgelehnt.

Nach § 64 SGB VI ergibt sich die Höhe der Altersrente des Klägers dadurch, dass die unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelten persönlichen Entgeltpunkte, der Rentenartfaktor und der aktuelle Rentenwert miteinander vervielfältigt werden. § 66 Abs. 1 SGB VI legt fest, wie die persönlichen Entgeltpunkte ermittelt werden und § 256 Abs. 3 SGB VI enthält eine Sonderregelung über die Höhe der Entgeltpunkte für Zeiten des Wehrdienstes oder Zivildienstes vor dem 01.01.1992, dem Inkrafttreten des SGB VI.

Die Beklagte hat aus den von ihr ermittelten Entgeltpunkten zutreffend die Höhe der Rente des Klägers berechnet, was der Kläger auch nicht beanstandet hat. Entgegen der Auffassung des Klägers hat die Beklagte auch die Entgeltpunkte zutreffend ermittelt und zwar sowohl entsprechend dem Gesetzeswortlaut als auch im Einklang mit höherrangigem Recht.

Nach § 256 Abs 3 Satz 1 2. Halbsatz SGB VI werden für Zeiten vom 01.05.1961 bis 31.12.1981, für die Pflichtbeiträge gezahlt worden sind für Personen, die aufgrund gesetzlicher Pflicht mehr als drei Tage Wehrdienst oder Zivildienst geleistet haben, für jedes volle Kalenderjahr 1,0 Entgeltpunkte und für jeden Teilzeitraum der entsprechende Anteil zugrunde gelegt. Diese Regelung ist nach dem Wortlaut eindeutig - nur - auf Zeiten anwendbar, in denen auf Grund gesetzlicher Pflicht Wehrdienst oder Zivildienst geleistet wurde. Die Einbeziehung von Zeiten beim Bundesgrenzschutz in diese Vorschrift könnte daher nur auf Grund zusätzlicher ausdrücklicher Verweisungen oder wegen einer durch übergeordnetes Recht gebotenen Gleichstellung erfolgen, was im Fall des Klägers jedoch nicht vorliegt.

Der Kläger kann sich zur Überzeugung des Senats zunächst nicht mit Erfolg darauf berufen, dass ihm durch Aussagen, die seinerzeit im Kreiswehrersatzamt gemacht worden sein sollen, für seine beim Bundesgrenzschutz zurückgelegten Zeiten eine identische rentenrechtliche Bewertung mit Wehrdienstzeiten zugesichert worden sei. Ein Anspruch auf Grund einer Zusicherung scheidet bereits deshalb aus, weil eine wirksame Zusicherung nur vorliegen kann, wenn sie in schriftlicher Form erfolgt ist (vgl. § 34 Abs 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch -SGB X-). Über eine derartige schriftliche Zusicherung verfügt der Kläger nicht.

Der Kläger kann die höhere Bewertung der beim Bundesgrenzschutz geleisteten Dienstzeiten auch nicht im Wege des so genannten sozialrechtlichen Herstellungsanspruches (vgl. hierzu Kasseler Kommentar, Stand 01.04.2011, Seewald, vor § 38-47 SGB I Rn. 30 ff) einfordern. Abgesehen davon, dass der Kläger die damaligen Aussagen, auf die er sich berufen will, beweisen müsste, fehlt es schon an einer fehlerhaften Beratung eines Sozialleistungsträgers, die für einen vom Kläger erlittenen Nachteil kausal geworden wäre. Der Kläger hat seinerzeit keine Auskunft des Rentenversicherungsträgers eingeholt. Der Rentenversicherungsträger muss sich die Auskunft eines Bediensteten beim Bundesgrenzschutz ebenso wenig zurechnen lassen, wie er sich eine falsche Auskunft eines Arbeitgebers zurechnen lassen müsste. Selbst ein Fehlverhalten einer Behörde, die weder über den Sozialleistungsanspruch zu befinden hat, noch als Antrags- oder Auskunftsstelle funktional in das Sozialleistungsverfahren einbezogen ist, muss sich der zuständige Sozialleistungsträger im Rahmen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nicht zurechnen lassen (z.B. BSG Urteil vom 09.02.1994 - 14/14b REg 9/93 - SozR 3-7833 § 1 Nr 12). Hinzu kommt, dass zum damaligen Zeitpunkt für niemanden eine verantwortbare Vorhersage der rentenrechtlichen Verhältnisse bei Eintritt des Klägers ins Rentenalter möglich gewesen wäre. Dies spricht umso mehr dafür, dass in der vom Kläger berichteten pauschalen Aussage, dass er bei einer Tätigkeit für den Bundesgrenzschutz keinerlei Nachteile im Vergleich zur unmittelbaren Ableistung der Wehrpflicht haben würde, Aussagen zur späteren Rentensituation gar nicht beinhaltet sein sollten.

Eine Gleichstellung der Zeit der Beschäftigung beim Bundesgrenzschutz mit derjenigen Zeit, in der aufgrund gesetzlicher Pflicht mehr als drei Tage Wehrdienst (oder Zivildienst) geleistet wurde, lässt sich für die streitige Zeit vom 12.04.1966 bis 30.09.1967 nicht begründen.

Die Beklagte hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die Grenzschutzdienstpflicht zum Zeitpunkt der Tätigkeit des Klägers beim Bundesgrenzschutz nicht gesetzlich geregelt war.

Die Rechtstellung von Polizeivollzugsbeamten des Bundesgrenzschutzes war anfänglich auf Gesetzesebene nur allgemein geregelt worden (vgl. Gesetz über den Bundesgrenzschutz und die Einrichtung von Grenzschutzbehörden, BGBl. I 1951, S. 201, und Zweites Gesetz über den Bundesgrenzschutz, BGBl. I 1956, S. 436). Für Polizeivollzugsbeamte bestand in der gesetzlichen Rentenversicherung Versicherungsfreiheit (§ 6 Abs 1 Nr 5 AVG). Bei unversorgtem Ausscheiden aus einer derartigen versicherungsfreien Beschäftigung hat eine Nachversicherung zu erfolgen, wie dies jetzt in § 233 SGB VI berücksichtigt ist. Nach § 233 Abs 1 Satz 1 SGB VI werden Personen, die vor dem 01.01.1992 aus einer Beschäftigung ausgeschieden sind, in der sie nach dem jeweils geltenden, dem § 5 Abs 1, § 6 Abs 1 Nr 2, § 230 Abs 1 Nrn 1 und 3 oder § 231 Abs 1 Satz 1 SGB VI sinngemäß entsprechenden Recht nicht versicherungspflichtig, versicherungsfrei oder von der Versicherungspflicht befreit waren, weiterhin nach den bisherigen Vorschriften nachversichert, wenn sie ohne Anspruch oder Anwartschaft auf Versorgung aus der Beschäftigung ausgeschieden sind.

Erst zum 01.03.1973 ist die Neufassung des BGSG vom 18.08.1972 in Kraft getreten, die eine eigenständige Grenzschutzdienstpflicht in § 49 BGSG ausgestaltete und hierzu § 42a WehrpflG entsprechend abänderte (§ 72 BGSG idF vom 18.08.1972). § 53 Abs 4 BGSG enthielt die allgemeine Bestimmung, dass im Übrigen auf die Grenzschutzdienstpflicht und den Grenzschutzdienst die Vorschriften über die Wehrpflicht und den Wehrdienst entsprechend anzuwenden sind, soweit in dem BGSG nichts anderes bestimmt ist. § 59 Abs 1 BGSG habe dies ausdrücklich auch hinsichtlich der Vorschriften zur Sozialversicherung konkretisiert. Danach stand der als Dienstleistender geleistete Grenzschutzdienst auch in der Sozialversicherung dem Wehrdienst gleich (vgl. Einwag/Schoen, Kommentar zum Bundesgrenzschutzgesetz, 1973, § 59 Rn. 63). Dienstleistende waren bei Einberufung zu einem Grenzschutzdienst von länger als drei Tagen in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert, und zwar für die Dauer des Grenzschutzdienstes. Bei Beendigung des Grenzschutzdienstverhältnisses war für jeden Dienstleistenden eine Grenzschutzdienstbescheinigung nach § 1412a Reichsversicherungsordnung, § 140 Reichsknappschaftsgesetz oder § 134a AVG auszustellen.

Zuvor war mit Wirkung ab 18.01.1969 in § 42a Abs 1 WehrpflG idF vom 13.01.1969 bereits eine an die Wehrpflicht angeknüpfte Grenzschutzdienstpflicht geschaffen worden (vgl. auch Einwag/Schoen, a.a.O., § 49 Rn. 1). Danach konnten Wehrpflichtige zum Polizeivollzugsdienst im Bundesgrenzschutz verpflichtet werden. Auf die Grenzschutzdienstpflicht und dem Grenzschutzdienst waren die Vorschriften über die Wehrpflicht und den Wehrdienst entsprechend anwendbar (§ 42a Abs 2 Satz 1 WehrpflG idF vom 13.01.1969). Nach § 42 Abs 1 Satz 2 WehrpflG idF vom 13.01.1969 erlosch die Pflicht zur Leistung von Grundwehrdienst für einen Wehrpflichtigen, wenn er zwei Jahre Polizeivollzugsdienst im Bundesgrenzschutz geleistet hatte. Aus den zugehörigen Gesetzesmaterialien, auf die die Beklagte ebenfalls hingewiesen hat, wird deutlich, dass es dem Gesetzgeber bei der Einführung der Bundesgrenzschutzpflicht ausschließlich um eine Sicherstellung der Tätigkeiten des Bundesgrenzschutzes ging und die Situation und Absicherung der beim Bundesgrenzschutz tätigen jungen Männer für die Einführung dieser Regelung keine Rolle spielte (BT-Drs V/3568, S. 1). Im Gegenteil, es sollte die seinerzeit als unbefriedigend bezeichnete Situation beseitigt werden, "daß ein Teil der Wehrpflichtigen ihre Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes durch einen nur 18 Monate dauernden Dienst als Polizeivollzugsbeamter mit vollen Dienstbezügen zum Erlöschen bringen kann, während die Wehrpflichtigen in der Bundeswehr bei entsprechender Dienstzeit nur Wehrsold erhalten" (a.a.O. S. 2).

Auch wenn in vielen Punkten ein Gleichlauf des Polizeivollzugsdienstes mit dem Wehrdienst gesehen werden konnte, fehlt es vor dem 18.01.1969 - also auch zum Zeitpunkt der Tätigkeit des Klägers beim Bundesgrenzschutz - an einer den Gesetzgeber bindenden gleichen Ausgangssituation. Eine Gleichstellung der Ableistung des Grundwehrdienstes und des Dienstes im Bundesgrenzschutz bestand nicht. Nach dem WehrpflG idF vom 14.05.1965 war vorgesehen (s. auch Scherer/Krekeler, Wehrpflichtgesetz mit Erläuterungen, 3.Aufl. 1966, S. 2 ff), dass die Wehrpflicht durch den Wehrdienst oder durch den zivilen Ersatzdienst erfüllt wird (§ 3 Abs 1 Satz 1 WehrpflG), eine Befreiung vom Wehrdienst erfolgte in den in § 11 WehrpflG geregelten Fällen (u.a. bei Geistlichen). Bei Verwendung im zivilen Bevölkerungsschutz wird durch § 13a WehrpflG die Nichtheranziehung zum Wehrdienst festgelegt. Die Sondervorschrift § 42 Abs 1 Satz 1, 2 WehrpflG bestimmte, dass Wehrpflichtige, die dem Vollzugsdienst der Polizei angehören, für die Dauer ihrer Zugehörigkeit nicht zum Wehrdienst herangezogen werden und zudem ihre Pflicht zur Ableistung von Grundwehrdienst erlischt, wenn sie mindestens 18 Monate als Polizeivollzugsbeamte Dienst geleistet haben. Zum Polizeivollzugsdienst gehörten an erster Stelle Polizeivollzugsbeamte des Bundesgrenzschutzes (vgl. Scherer/Krekeler, a.a.O. S. 322). Aus diesen Regelungen ergibt sich, dass der Vollzugsdienst bei der Polizei nicht zur Befreiung von der Wehrpflicht führte, sondern es sich um eine eigenständig geregelte Tätigkeit handelt, die zur Erfüllung der Wehrpflicht in anderer Form führte. Maßgeblich ist, dass Wehrpflichtige, die dem Vollzugsdienst der Polizei angehörten, vom Wehrdienst zurückgestellt wurden. Die Heranziehung war nicht zulässig, solange die Zugehörigkeit zum Vollzugsdienst bestand. Das spätere Erlöschen der Pflicht zur Ableistung von Grundwehrdienst, wenn sie mindestens 18 Monate als Polizeivollzugsbeamte Dienst geleistet haben, kann aber nicht als Ableistung des Grundwehrdienstes angesehen werden. Hinzu kommt, dass seinerzeit die Tätigkeit eines Beamten noch einem sogenannten "besonderen Gewaltverhältnis" zugeordnet wurde; gleichwohl lag im Zugang zu der Beamtentätigkeit noch eine freie Willensbetätigung und nicht wie im Rahmen der grundgesetzlich geregelten Dienstpflicht eine Grundrechtsbeschränkung vor.

Soweit im Ergebnis auf die Schaffung einer an die Wehrpflicht anknüpfende Grenzschutzdienstpflicht mit Einführung ab 18.01.1969 in § 42a Abs 1 WehrpflG idF vom 13.01.1969 abgestellt wird, liegt hierin eine nicht zu beanstandende Stichtagsregelung. Stichtagsregelungen und die unterschiedliche Behandlung ansonsten gleicher Sachverhalte vor und nach diesem Stichtag können ohne Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot des Grundgesetzes (Art 3 GG) zulässig sein (vgl. LSG Baden-Württemberg Urteil vom 19.03.2002 - L 9 RJ 95/01 - zitiert nach juris - für einen mit der Bewertung von Wehrdienstzeiten befassten Streitfall). Zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte dürfen Stichtage eingeführt werden, obwohl jeder Stichtag unvermeidlich gewisse Härten mit sich bringt (BVerfG Beschluss vom 26.06.2007 - 1 BvR 2204/00, 1 BvR 1355/03 - zitiert nach juris; BVerfGE 49, 260, 275). Solche Stichtage unterliegen der verfassungsrechtlichen Überprüfung nur daraufhin, ob der Gesetzgeber den ihm bei der Stichtagsregelung zukommenden Gestaltungsfreiraum in sachgerechter Weise genutzt hat, ob er die für die zeitliche Anknüpfung in Betracht kommenden Faktoren hinreichend gewürdigt hat und ob sich die gefundene Lösung im Hinblick auf den gegebenen Sachverhalt und das System der Gesamtregelung durch sachliche Gründe rechtfertigen lässt oder als willkürlich erscheint. Vorliegend ist eine ausdrückliche Stichtagsregelung nicht geschaffen worden, vielmehr wird an einem formalen Regelungsunterschied - dem Vorliegen bzw. Nichtvorliegen einer Grenzschutzdienstpflicht - angeknüpft. Insofern ist ein sachlicher Differenzierungsgrund bereits immanent mitgeliefert worden. Auch wenn schon vor der Einführung der Grenzschutzdienstpflicht vielfach die Tätigkeit beim Bundesgrenzschutz als Ersatz für eine sonst aufgrund der Wehrpflicht bestehende Dienstleistung genutzt wurde und insofern die Ähnlichkeit zu einer freiwillig eingegangenen Beschäftigung im Polizeivollzugsdienst nur "oberflächlich" war, lagen durchaus auch Unterschiede vor z.B. hinsichtlich Unterbringung, Entlohnung und sich anschließender Pflichten für Wehrübungen (s.a. BT-Drs V/3568, S. 2). Die Gleichstellung einer durch die Tätigkeit beim Bundesgrenzschutz erfüllten Wehrpflicht schon vor der Einführung der eigenständigen Grenzschutzdienstpflicht war nicht zwingend geboten. Daher ist es nicht zu beanstanden, dass durch die Regelungen des Gesetzgebers der vom Kläger in der Zeit vom 12.04.1966 bis 30.09.1967 geleistete Dienst nicht nach § 256 Abs 3 SGB VI zu bewerten ist.

Ferner ist zu beachten, dass bei der Beklagten in der Vergangenheit bereits eine Nachversicherung des Klägers für die Zeiten seiner Tätigkeit beim Bundesgrenzschutz erfolgt war, ohne dass dies seitens des Klägers beanstandet worden wäre. Andererseits hatte der Kläger bisher keine auf diesen Versicherungszeiten beruhende Rentenleistung erhalten, so dass auch noch keine abschließende Bewertung der Zeiten erfolgt war. § 181 Abs 3 Satz 2 SGB VI regelt für die Nachversicherung, dass die Mindestbeitragsbemessungsgrundlage für die dem Grundwehrdienst entsprechenden Dienstzeiten von Zeit- oder Berufssoldaten der Beitrag ist, der für die Berechnung der Beiträge für Grundwehrdienstleistende in dem jeweiligen Zeitraum maßgebend war. Im Fall des Klägers spricht jedoch gegen einen Anspruch auf höhere Beiträge im Rahmen der Nachversicherung, dass auch diese Vorschrift ihrem Wortlaut nach Tätigkeiten beim Bundesgrenzschutz nicht einbezieht sowie dass die Nachversicherung bereits abgeschlossen und eine rückwirkende Neuberechnung der Nachversicherung nicht vorgesehen ist. Die Regelung ist aber nur für Nachversicherungen einschlägig, die - unabhängig vom Zeitraum, der nachversichert wurde - nach dem 31.12.1992 durchgeführt worden sind (vgl. Gürtner in: Kasseler Kommentar, Stand 01.04.2011, § 181 SGB VI Rn. 10).

Mithin war die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Da der streitigen Gleichstellung von Wehrdienstzeiten und Zeiten beim Bundesgrenzschutz grundsätzliche Bedeutung zukommt, wird die Revision zugelassen (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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