Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 21 AS 116/09
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 AS 687/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14 AS 71/12 BH
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 19.03.2010 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) vom 21.08.2008 bis 14.01.2009.
Der 1987 geborene Kläger absolvierte vom 01.08.2006 bis 12.12.2006 eine Ausbildung als Werkzeugmechaniker bei der G GmbH & Co. KG in X. Als Auszubildender war er bei der Gmünder ErsatzKasse (GEK) - heute Barmer GEK, HV Schwäbisch Gmünd - pflichtversichert in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung und lebte in einer eigenen Wohnung in X. Nach dem Abbruch der Ausbildung nahm der Kläger weder eine Arbeit auf noch bemühte er sich um eine Ausbildung. Er wohnte zeitweise bei seinem Bruder bzw. bei Freunden und zog schließlich Anfang 2008 wieder bei seinen Eltern ein. Diese gewährten ihm Unterkunft, Verpflegung und Kleidung, ohne dass ein Darlehen vereinbart wurde. Zum 15.01.2009 zog der Kläger in eine eigene Wohnung in I.
Am 21.08.2008 sprach der Kläger bei der Agentur für Arbeit F vor und beantragte am 25.08.2008 schriftlich Hilfe zum Lebensunterhalt. Eine Weiterleitung dieses Schreibens an den Leistungsträger nach dem SGB II unterblieb.
Nach AntragsteIlung bei der Rechtsvorgängerin des Beklagten bewilligte dieser dem Kläger mit Bescheid vom 09.02.2009 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 20.05.2009 Grundsicherung ab dem 15.01.2009 und meldete den Kläger als Leistungsbezieher bei der GEK an.
Mit Bescheiden vom 03.03.2009, 19.06.2009 und 03.07.2009 erhob die Barmer GEK, HV Schwäbisch Gmünd, Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge von 886,26 EUR (890,96 EUR incl. Mahngebühren) für April 2007 bis Januar 2009. Der Widerspruch blieb ebenso wie die Klage und die Berufung erfolglos (L 5 KR 136/10). Die Krankenkasse hat dem Kläger wegen des Bezugs der Grundsicherung die Forderung gestundet.
Mit Schreiben vom 31.05.2009 begehrte der Kläger Grundsicherung vom 21.08.2008 bis 14.01.2009, insbesondere auch die Übernahme der Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung. Der Beklagte informierte den Kläger, dass er beabsichtige, den Antrag wegen fehlender Hilfebedürftigkeit abzulehnen. Der Kläger bilde mit seinen Eltern im streitigen Zeitraum eine Bedarfsgemeinschaft. Da die Eltern ihre Einkünfte nicht offen legen würden, aber davon auszugehen sei, dass diese oberhalb "der von mir zu beachtenden Grenzen liegen", sei keine Grundsicherung zu gewähren und keine Krankenversicherungsbeiträge zu übernehmen. Der Kläger wies in seiner Stellungnahme vom 11.06.2009 darauf hin, dass "die Einkünfte der von dem Beklagten angenommenen Bedarfsgemeinschaft zutreffend als zu hoch angesehen würden". Davon sei seine Hilfebedürftigkeit jedoch zu unterscheiden. Die Beiträge zur Krankenversicherung hätten seine Eltern nicht übernommen. Vielmehr seien diese nachträglich berechnet worden und seine Eltern würden diese Forderung nicht begleichen. Sie seien der Ansicht, dass keine Verpflichtung bestehe, Unterhalt zu gewähren. Daraus folge, dass er im Hinblick auf die Krankenversicherungsbeiträge als hilfsbedürftig anzusehen sei. Sein Anliegen habe er zwischenzeitlich auch dem Petitionsausschuss vorgetragen.
Mit Bescheid vom 22.06.2009 lehnte der Beklagte die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 21.08.2008 bis 14.01.2009 wegen fehlender Hilfebedürftigkeit ab. Zwischen dem Kläger und seinen Eltern bestehe eine Bedarfsgemeinschaft. Die Eltern hätten ihre Einkünfte nicht offen gelegt. Es sei davon auszugehen, dass Hilfebedürftigkeit auch in Bezug auf die Krankenversicherungsbeiträge nicht bestanden habe.
Dagegen legte der Kläger am 21.07.2009 Widerspruch ein. Die Beitragsforderungen seien erst nach Beendigung der Bedarfsgemeinschaft mit seinen Eltern erhoben worden. Den Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28.09.2009 mit der Begründung, Leistungen nach dem SGB II seien mangels Hilfebedürftigkeit des Klägers in der Zeit vom 21.08.2008 bis 14.01.2009 nicht zu gewähren und die Übernahme der Beitragsforderungen für die Zeiten ohne Leistungsbezug nicht möglich, zurück. Mangels gesetzlicher Grundlage könnten diese auch nicht als Schulden übernommen werden.
Hiergegen hat der Kläger am 16.10.2009 Klage beim Sozialgericht (SG) Aachen erhoben. Er hat sein Begehren weiter verfolgt.
Der Kläger hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 22.06.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.09.2009 zu verurteilen, ihm Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 21.08.2008 bis 14.01.2009 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Klage abzuweisen.
Er hat auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid verwiesen.
Die Eltern des Klägers haben schriftsätzlich zu dem Zusammenleben mit dem Kläger im streitbefangenen Zeitraum, seiner finanzielle Unterstützung und ihren Einkommensverhältnisse Stellung genommen. Sie haben betont, dass eine Bedarfsgemeinschaft im streitigen Zeitraum vorlag, ausreichend finanzielle Mittel vorhanden gewesen seien, um auch den Lebensunterhalt des Klägers sicherzustellen und die Krankenversicherungsbeiträge zu entrichten. Diese seien jedoch nicht in dem Zeitraum bis 14.01.2009 geltend gemacht worden, sondern erst am 03.03.2009. Zudem sei der Kläger freiwillig unterhalten worden. Eine Vereinbarung oder gerichtliche Entscheidung im Sinne einer Verpflichtung bestehe nicht. Denn der Kläger sei volljährig gewesen, habe eine Ausbildung abgebrochen und sei nicht Willens gewesen, eine erneute Ausbildung zu beginnen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 21.02.2010 Bezug genommen.
Das SG hat im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entschieden und die Klage mit Urteil vom 19.03.2010 abgewiesen. Zur Begründung hat das SG ausgeführt:
Der Beklagte habe zu Recht die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 21.08.2008 bis 14.01.2009 mangels Hilfebedürftigkeit und damit auch die Übernahme der Beitragsnachforderungen der Barmer GEK für diese Zeit abgelehnt. Nach der Stellungnahme der Eltern des Klägers vom 21.02.2010 greife die Vermutung des § 9 Abs. 5 SGB II ein. Der Kläger habe im Haushalt seiner Eltern gelebt und sei von diesen verpflegt worden. Die Eltern des Klägers hätten bestätigt, dass sie ihren Sohn unterhalten und somit finanziell unterstützt hätten. Der Umstand, dass die Eltern des Klägers die Beitragsforderungen für die Zeit der Haushaltsgemeinschaft nicht übernehmen wollen, obwohl sie nach eigenen Angaben hierzu nach ihren finanziellen Verhältnissen in der Lage seien, führe zu keiner anderen Beurteilung. Im streitbefangenen Zeitraum sei der Kläger nicht hilfebedürftig gewesen, da er die Unterstützung erhalten habe. Auch die Geltendmachung der Beitragsnachforderungen während des laufenden Bezugs von Leistungen nach dem SGB II begründe mangels gesetzlicher Grundlage keine Verpflichtung zu deren Übernahme durch den Beklagten. Im Übrigen werde die Beitragsnachforderung von der GEK im Hinblick auf den Bezug von Leistungen nach dem SBG II bis auf Weiteres gestundet.
Der nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 09.02.2010 (1 BvL 1/09) bestehende Anspruch auf Leistungen zur Sicherstellung eines zur Deckung des menschenwürdigen Existenzminimums unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen besonderen Bedarfs greife zugunsten des Klägers nicht ein. Die Beiträge zur Sozialversicherung seien zwar nicht durch die Regelleistung gedeckt, aber ein aktueller Bedarf des Klägers bestehe aufgrund der Stundung der Forderung nicht. Im Übrigen handele es sich nur um eine einmalige und keine laufende Zahlungsverpflichtung.
Gegen das dem Kläger am 01.04.2010 zugestellte Urteil hat dieser am 27.04.2010 Berufung eingelegt. Er äußert Zweifel, ob der Gesetzgeber Bürger überhaupt verpflichten könne, einer Krankenversicherung beizutreten. Auch in den USA werde diese Fragestellung vehement diskutiert.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 19.03.2010 abzuändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 22.06.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28.09.2009 zu verurteilen, ihm Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 21.08.2008 bis 14.01.2009 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Der Beklagte beantragt sinngemäß,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verweist auf das Urteil des SG vom 19.03.2010.
Der Senat hat die Akten L 5 KR 136/10, S 14 AS 1172/10 und S 14 AS 1234/10 beigezogen. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die zwischen den Beteiligten gewechselten vorbereitenden Schriftsätze, den übrigen Akteninhalt sowie auf die Verwaltungsakten des Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung bestehen auch im Hinblick auf § 144 Abs. 1 S. 1 SGG nicht. Danach bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil oder auf Beschwerde durch Beschluss, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,00 EUR nicht übersteigt. Zwar wird die Berufungssumme ausgehend von der Beitragsforderung der Krankenkasse für den Zeitraum April 2007 bis Januar 2009 - 886,26 EUR (890,96 EUR) für den streitigen Zeitraum vom 21.08.2008 bis 14.01.2009 nicht erreicht. Jedoch könnte der Kläger nur dann einen Anspruch auf die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge haben, wenn er einen Anspruch auf Grundsicherung hätte, so dass ohne einen tatsächlichen Bedarf für Kosten für Unterkunft und Heizung das Begehren zugunsten des Klägers als Anspruch auf Gewährung von Grundsicherung - Regelbedarf und Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung - auszulegen ist.
Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 SGB II. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach diesem Buch Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben bzw. die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Der Kläger hat das 15. Lebensjahr vollendet und noch nicht die Altersgrenze erreicht, war erwerbsfähig und hatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Der Kläger bildete mit seinen Eltern im Zeitraum von August 2008 bis zum Auszug Mitte Januar 2009 eine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II. Danach gehören zur Bedarfsgemeinschaft die dem Haushalt angehörenden Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können. Nach dem Akteninhalt, d.h. den Stellungnahmen des Klägers und seiner Eltern lag eine Bedarfsgemeinschaft.
Der Kläger war jedoch nicht hilfebedürftig. Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch die Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält (§ 9 Abs. 1 SGB II). Leben Hilfebedürftige in Haushaltsgemeinschaft mit Verwandten oder Verschwägerten zusammen, so wird nach § 9 Abs. 5 SGB II vermutet, dass sie von ihnen Leistungen erhalten, soweit dies nach deren Einkommen oder Vermögen erwartet werden kann. Diese widerlegbare Unterstützungsvermutung setzt voraus, dass zwischen dem Hilfebedürftigen und seinen Verwandten oder Verschwägerten eine Haushaltsgemeinschaft besteht (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 27.01.2009, B 14 AS 6/08 R). Hierfür reicht es nicht aus, wenn Verwandte oder Verschwägerte lediglich in einem Haushalt zusammen wohnen. Vielmehr muss über die bloße Wohngemeinschaft hinaus eine Wirtschaftsgemeinschaft zwischen dem Hilfebedürftigen und seinen Verwandten oder Verschwägerten vorliegen. Neben der gemeinsamen Nutzung der Wohnung muss der Bedarf des Hilfebedürftigen durch gemeinsames Wirtschaften mit den Verwandten oder Verschwägerten aus einem Topf gedeckt sein. Diese Voraussetzungen lagen nach der Stellungnahme der Eltern des Klägers vom 21.02.2010 zweifellos vor. Neben der gemeinsamen Nutzung der Wohnung - der Kläger schlief im Wintergarten, hätte aber unter Beachtung gewisser Vorgaben sein früheres Zimmer bewohnen können - und der Bedarf des Klägers wurde von den Eltern, die dazu nach eigenem Bekunden finanziell in der Lage waren, tatsächlich gedeckt.
Dabei ist es unerheblich, dass die Eltern die Existenz einer Unterhaltspflicht verneinen. Ausreichend ist vielmehr, dass sie den Bedarf des Klägers gedeckt haben und sie dazu finanziell in der Lage waren.
War der Kläger somit nicht hilfebedürftig, hatte er im Zeitraum vom 21.08.2008 bis zum 14.01.2009 auch keinen Anspruch gegenüber dem Beklagten auf Zahlung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Kläger in dem Zeitpunkt, in dem er gegenüber dem Beklagten die Forderung aus dem Beitragsbescheid der Krankenkasse geltend machte, im Leistungsbezug bei dem Beklagten stand. Denn es bestand schon kein aktueller tatsächlicher Bedarf. Denn die Krankenkasse hat dem Kläger wegen des Bezugs der Grundsicherung die Forderung gestundet. Auf die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage, ob der Gesetzgeber befugt sei, Bürger zu verpflichten, sich gegen Krankheit zu versichern, kommt es - unabhängig, davon, ob diese Fragestellung nicht gegenüber dem Träger der Krankenversicherung zu erörtern wäre - nicht an.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) vom 21.08.2008 bis 14.01.2009.
Der 1987 geborene Kläger absolvierte vom 01.08.2006 bis 12.12.2006 eine Ausbildung als Werkzeugmechaniker bei der G GmbH & Co. KG in X. Als Auszubildender war er bei der Gmünder ErsatzKasse (GEK) - heute Barmer GEK, HV Schwäbisch Gmünd - pflichtversichert in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung und lebte in einer eigenen Wohnung in X. Nach dem Abbruch der Ausbildung nahm der Kläger weder eine Arbeit auf noch bemühte er sich um eine Ausbildung. Er wohnte zeitweise bei seinem Bruder bzw. bei Freunden und zog schließlich Anfang 2008 wieder bei seinen Eltern ein. Diese gewährten ihm Unterkunft, Verpflegung und Kleidung, ohne dass ein Darlehen vereinbart wurde. Zum 15.01.2009 zog der Kläger in eine eigene Wohnung in I.
Am 21.08.2008 sprach der Kläger bei der Agentur für Arbeit F vor und beantragte am 25.08.2008 schriftlich Hilfe zum Lebensunterhalt. Eine Weiterleitung dieses Schreibens an den Leistungsträger nach dem SGB II unterblieb.
Nach AntragsteIlung bei der Rechtsvorgängerin des Beklagten bewilligte dieser dem Kläger mit Bescheid vom 09.02.2009 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 20.05.2009 Grundsicherung ab dem 15.01.2009 und meldete den Kläger als Leistungsbezieher bei der GEK an.
Mit Bescheiden vom 03.03.2009, 19.06.2009 und 03.07.2009 erhob die Barmer GEK, HV Schwäbisch Gmünd, Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge von 886,26 EUR (890,96 EUR incl. Mahngebühren) für April 2007 bis Januar 2009. Der Widerspruch blieb ebenso wie die Klage und die Berufung erfolglos (L 5 KR 136/10). Die Krankenkasse hat dem Kläger wegen des Bezugs der Grundsicherung die Forderung gestundet.
Mit Schreiben vom 31.05.2009 begehrte der Kläger Grundsicherung vom 21.08.2008 bis 14.01.2009, insbesondere auch die Übernahme der Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung. Der Beklagte informierte den Kläger, dass er beabsichtige, den Antrag wegen fehlender Hilfebedürftigkeit abzulehnen. Der Kläger bilde mit seinen Eltern im streitigen Zeitraum eine Bedarfsgemeinschaft. Da die Eltern ihre Einkünfte nicht offen legen würden, aber davon auszugehen sei, dass diese oberhalb "der von mir zu beachtenden Grenzen liegen", sei keine Grundsicherung zu gewähren und keine Krankenversicherungsbeiträge zu übernehmen. Der Kläger wies in seiner Stellungnahme vom 11.06.2009 darauf hin, dass "die Einkünfte der von dem Beklagten angenommenen Bedarfsgemeinschaft zutreffend als zu hoch angesehen würden". Davon sei seine Hilfebedürftigkeit jedoch zu unterscheiden. Die Beiträge zur Krankenversicherung hätten seine Eltern nicht übernommen. Vielmehr seien diese nachträglich berechnet worden und seine Eltern würden diese Forderung nicht begleichen. Sie seien der Ansicht, dass keine Verpflichtung bestehe, Unterhalt zu gewähren. Daraus folge, dass er im Hinblick auf die Krankenversicherungsbeiträge als hilfsbedürftig anzusehen sei. Sein Anliegen habe er zwischenzeitlich auch dem Petitionsausschuss vorgetragen.
Mit Bescheid vom 22.06.2009 lehnte der Beklagte die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 21.08.2008 bis 14.01.2009 wegen fehlender Hilfebedürftigkeit ab. Zwischen dem Kläger und seinen Eltern bestehe eine Bedarfsgemeinschaft. Die Eltern hätten ihre Einkünfte nicht offen gelegt. Es sei davon auszugehen, dass Hilfebedürftigkeit auch in Bezug auf die Krankenversicherungsbeiträge nicht bestanden habe.
Dagegen legte der Kläger am 21.07.2009 Widerspruch ein. Die Beitragsforderungen seien erst nach Beendigung der Bedarfsgemeinschaft mit seinen Eltern erhoben worden. Den Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28.09.2009 mit der Begründung, Leistungen nach dem SGB II seien mangels Hilfebedürftigkeit des Klägers in der Zeit vom 21.08.2008 bis 14.01.2009 nicht zu gewähren und die Übernahme der Beitragsforderungen für die Zeiten ohne Leistungsbezug nicht möglich, zurück. Mangels gesetzlicher Grundlage könnten diese auch nicht als Schulden übernommen werden.
Hiergegen hat der Kläger am 16.10.2009 Klage beim Sozialgericht (SG) Aachen erhoben. Er hat sein Begehren weiter verfolgt.
Der Kläger hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 22.06.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.09.2009 zu verurteilen, ihm Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 21.08.2008 bis 14.01.2009 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Klage abzuweisen.
Er hat auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid verwiesen.
Die Eltern des Klägers haben schriftsätzlich zu dem Zusammenleben mit dem Kläger im streitbefangenen Zeitraum, seiner finanzielle Unterstützung und ihren Einkommensverhältnisse Stellung genommen. Sie haben betont, dass eine Bedarfsgemeinschaft im streitigen Zeitraum vorlag, ausreichend finanzielle Mittel vorhanden gewesen seien, um auch den Lebensunterhalt des Klägers sicherzustellen und die Krankenversicherungsbeiträge zu entrichten. Diese seien jedoch nicht in dem Zeitraum bis 14.01.2009 geltend gemacht worden, sondern erst am 03.03.2009. Zudem sei der Kläger freiwillig unterhalten worden. Eine Vereinbarung oder gerichtliche Entscheidung im Sinne einer Verpflichtung bestehe nicht. Denn der Kläger sei volljährig gewesen, habe eine Ausbildung abgebrochen und sei nicht Willens gewesen, eine erneute Ausbildung zu beginnen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 21.02.2010 Bezug genommen.
Das SG hat im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entschieden und die Klage mit Urteil vom 19.03.2010 abgewiesen. Zur Begründung hat das SG ausgeführt:
Der Beklagte habe zu Recht die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 21.08.2008 bis 14.01.2009 mangels Hilfebedürftigkeit und damit auch die Übernahme der Beitragsnachforderungen der Barmer GEK für diese Zeit abgelehnt. Nach der Stellungnahme der Eltern des Klägers vom 21.02.2010 greife die Vermutung des § 9 Abs. 5 SGB II ein. Der Kläger habe im Haushalt seiner Eltern gelebt und sei von diesen verpflegt worden. Die Eltern des Klägers hätten bestätigt, dass sie ihren Sohn unterhalten und somit finanziell unterstützt hätten. Der Umstand, dass die Eltern des Klägers die Beitragsforderungen für die Zeit der Haushaltsgemeinschaft nicht übernehmen wollen, obwohl sie nach eigenen Angaben hierzu nach ihren finanziellen Verhältnissen in der Lage seien, führe zu keiner anderen Beurteilung. Im streitbefangenen Zeitraum sei der Kläger nicht hilfebedürftig gewesen, da er die Unterstützung erhalten habe. Auch die Geltendmachung der Beitragsnachforderungen während des laufenden Bezugs von Leistungen nach dem SGB II begründe mangels gesetzlicher Grundlage keine Verpflichtung zu deren Übernahme durch den Beklagten. Im Übrigen werde die Beitragsnachforderung von der GEK im Hinblick auf den Bezug von Leistungen nach dem SBG II bis auf Weiteres gestundet.
Der nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 09.02.2010 (1 BvL 1/09) bestehende Anspruch auf Leistungen zur Sicherstellung eines zur Deckung des menschenwürdigen Existenzminimums unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen besonderen Bedarfs greife zugunsten des Klägers nicht ein. Die Beiträge zur Sozialversicherung seien zwar nicht durch die Regelleistung gedeckt, aber ein aktueller Bedarf des Klägers bestehe aufgrund der Stundung der Forderung nicht. Im Übrigen handele es sich nur um eine einmalige und keine laufende Zahlungsverpflichtung.
Gegen das dem Kläger am 01.04.2010 zugestellte Urteil hat dieser am 27.04.2010 Berufung eingelegt. Er äußert Zweifel, ob der Gesetzgeber Bürger überhaupt verpflichten könne, einer Krankenversicherung beizutreten. Auch in den USA werde diese Fragestellung vehement diskutiert.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 19.03.2010 abzuändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 22.06.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28.09.2009 zu verurteilen, ihm Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 21.08.2008 bis 14.01.2009 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Der Beklagte beantragt sinngemäß,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verweist auf das Urteil des SG vom 19.03.2010.
Der Senat hat die Akten L 5 KR 136/10, S 14 AS 1172/10 und S 14 AS 1234/10 beigezogen. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die zwischen den Beteiligten gewechselten vorbereitenden Schriftsätze, den übrigen Akteninhalt sowie auf die Verwaltungsakten des Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung bestehen auch im Hinblick auf § 144 Abs. 1 S. 1 SGG nicht. Danach bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil oder auf Beschwerde durch Beschluss, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,00 EUR nicht übersteigt. Zwar wird die Berufungssumme ausgehend von der Beitragsforderung der Krankenkasse für den Zeitraum April 2007 bis Januar 2009 - 886,26 EUR (890,96 EUR) für den streitigen Zeitraum vom 21.08.2008 bis 14.01.2009 nicht erreicht. Jedoch könnte der Kläger nur dann einen Anspruch auf die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge haben, wenn er einen Anspruch auf Grundsicherung hätte, so dass ohne einen tatsächlichen Bedarf für Kosten für Unterkunft und Heizung das Begehren zugunsten des Klägers als Anspruch auf Gewährung von Grundsicherung - Regelbedarf und Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung - auszulegen ist.
Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 SGB II. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach diesem Buch Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben bzw. die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Der Kläger hat das 15. Lebensjahr vollendet und noch nicht die Altersgrenze erreicht, war erwerbsfähig und hatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Der Kläger bildete mit seinen Eltern im Zeitraum von August 2008 bis zum Auszug Mitte Januar 2009 eine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II. Danach gehören zur Bedarfsgemeinschaft die dem Haushalt angehörenden Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können. Nach dem Akteninhalt, d.h. den Stellungnahmen des Klägers und seiner Eltern lag eine Bedarfsgemeinschaft.
Der Kläger war jedoch nicht hilfebedürftig. Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch die Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält (§ 9 Abs. 1 SGB II). Leben Hilfebedürftige in Haushaltsgemeinschaft mit Verwandten oder Verschwägerten zusammen, so wird nach § 9 Abs. 5 SGB II vermutet, dass sie von ihnen Leistungen erhalten, soweit dies nach deren Einkommen oder Vermögen erwartet werden kann. Diese widerlegbare Unterstützungsvermutung setzt voraus, dass zwischen dem Hilfebedürftigen und seinen Verwandten oder Verschwägerten eine Haushaltsgemeinschaft besteht (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 27.01.2009, B 14 AS 6/08 R). Hierfür reicht es nicht aus, wenn Verwandte oder Verschwägerte lediglich in einem Haushalt zusammen wohnen. Vielmehr muss über die bloße Wohngemeinschaft hinaus eine Wirtschaftsgemeinschaft zwischen dem Hilfebedürftigen und seinen Verwandten oder Verschwägerten vorliegen. Neben der gemeinsamen Nutzung der Wohnung muss der Bedarf des Hilfebedürftigen durch gemeinsames Wirtschaften mit den Verwandten oder Verschwägerten aus einem Topf gedeckt sein. Diese Voraussetzungen lagen nach der Stellungnahme der Eltern des Klägers vom 21.02.2010 zweifellos vor. Neben der gemeinsamen Nutzung der Wohnung - der Kläger schlief im Wintergarten, hätte aber unter Beachtung gewisser Vorgaben sein früheres Zimmer bewohnen können - und der Bedarf des Klägers wurde von den Eltern, die dazu nach eigenem Bekunden finanziell in der Lage waren, tatsächlich gedeckt.
Dabei ist es unerheblich, dass die Eltern die Existenz einer Unterhaltspflicht verneinen. Ausreichend ist vielmehr, dass sie den Bedarf des Klägers gedeckt haben und sie dazu finanziell in der Lage waren.
War der Kläger somit nicht hilfebedürftig, hatte er im Zeitraum vom 21.08.2008 bis zum 14.01.2009 auch keinen Anspruch gegenüber dem Beklagten auf Zahlung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Kläger in dem Zeitpunkt, in dem er gegenüber dem Beklagten die Forderung aus dem Beitragsbescheid der Krankenkasse geltend machte, im Leistungsbezug bei dem Beklagten stand. Denn es bestand schon kein aktueller tatsächlicher Bedarf. Denn die Krankenkasse hat dem Kläger wegen des Bezugs der Grundsicherung die Forderung gestundet. Auf die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage, ob der Gesetzgeber befugt sei, Bürger zu verpflichten, sich gegen Krankheit zu versichern, kommt es - unabhängig, davon, ob diese Fragestellung nicht gegenüber dem Träger der Krankenversicherung zu erörtern wäre - nicht an.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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