L 22 R 732/11

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
22
1. Instanz
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Aktenzeichen
S 22 R 402/10
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 22 R 732/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 07. Juni 2011 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen den Bescheid der Beklagten vom 11. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Januar 2007, mit dem die Nicht-Anwendbarkeit des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG) festgestellt worden ist.

Der 1946 geborene Kläger, der berechtigt ist, die Berufsbezeichnung "Ingenieur" zu führen, war vom 12. März 1973 bis zum 31. Mai 1990 bei dem VEB S Potsdam, Betriebsteil Frankfurt (Oder) beschäftigt und zwar als kommissarischer Leiter HAG, als Bauleiter, als Produktions-Bereichsleiter und als Leiter Produktion bzw. Bauproduktion. Am 01. Juni 1990 wechselte der Kläger als Produktionsdirektor in den VEB Bau F, in dem er über den 30. Juni 1990 hinaus beschäftigt war. Der VEB Bau F war mit Wirkung vom 01. Januar 1976 Rechtsnachfolger des VEB Baureparaturen F geworden, deren übergeordnetes Verwaltungsorgan jeweils der Rat der Stadt F gewesen war.

Im Juni 1990 war als einer der Nachfolgebetriebe des VEB Bau Stadtbaubetrieb die S GmbH gegründet worden (Gesellschaftsvertrag vom 21. Juni 1990). Diese Gesellschaft, bei der der Kläger dann beschäftigt war, war am 01. August 1990 in das Handelsregister des Amtsgerichts Frankfurt (Oder) eingetragen worden.

Am 01. Oktober 1978 war der Kläger der freiwilligen Zusatzrentenversicherung beigetreten und hatte FZR Beiträge nur für das Einkommen bis 1 200,00 Mark monatlich gezahlt.

Mit Bescheid vom 17. August 2001 hatte die Beklagte auf Antrag des Klägers die Zeiten vom 12. März 1973 bis zum 30. Juni 1990 als Zeiten der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz und das gesamte erzielte Arbeitsentgelt als "zu berücksichtigen" festgestellt.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch des Klägers hatte die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14. Februar 2002 als unbegründet zurückgewiesen, da weitere Zeiten nicht als solche der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem festzustellen seien. Die hiergegen gerichtete Klage war durch Urteil des Sozialgerichts (SG) Frankfurt (Oder) vom 26. November 2003 (Az.: S 9 RA 139/02) abgewiesen worden. Das anschließende Berufungsverfahren (Az.: L 1 RA 29/04 beim Landessozialgericht für das Land Brandenburg) war durch Rücknahme der Berufung beendet worden.

Mit Schreiben vom 24. September 2006 bat der Kläger im Zusammenhang mit seinem Antrag auf Bewilligung einer Altersrente für Schwerbehinderte bei der Beklagten als Rentenversicherungsträger um Überprüfung, ob die vom "Sonderversorgungsträger" im Feststellungsbescheid vom 17. August 2001 ohne Begrenzung ausgewiesenen Entgelte der Rechtslage entsprechend angerechnet worden seien.

Dies nahm die Beklagte zum Anlass, den Bescheid vom 17. August 2001 von Amts wegen zu überprüfen. In dem Bescheid vom 11. Oktober 2006 heißt es u. a.:

" ...Ergänzend wird hiermit die Feststellung nachgeholt, dass das AAÜG nach dessen § 1 Abs. 1 für Sie keine Anwendung findet. Nach § 44 SGB X ist der Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme verpflichtet, einen rechtswidrigen Bescheid zurückzunehmen, wenn sich herausstellt, dass das Recht unrichtig angewandt oder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden ist und deshalb das maßgebende Entgelt zu niedrig festgestellt worden ist. Die durch Ihr Schreiben vom 24.09.2006 veranlasste erneute sachliche Prüfung des Bescheides vom 17.08.2001 hat ergeben, dass dieser rechtswidrig ist. Die Zuerkennung von Zusatzversorgungszeiten war von Anfang an fehlerhaft Am 30.06.1990 übten Sie eine Beschäftigung in der Stadtbau GmbH Frankfurt/Oder aus. Es handelte sich bei Ihrem Beschäftigungsbetrieb nicht mehr um einen volkseigenen Produktionsbetrieb (Industrie oder Bau) im Sinne im Sinne der Versorgungsordnung. Dieser war auch nicht einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Sinne von § 1 Abs. 2 der 2. Durchführungsbestimmung vom 24.05.1951 gleichgestellt Es lagen somit am Stichtag 30.06.1990 die Voraussetzungen für einen fiktiven Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage zur Altersversorgung der technischen Intelligenz nicht vor. Die Voraussetzungen des § 1 AAÜG sind nicht erfüllt. Aus diesem Grund ist der Bescheid vom 17.08.2001 fehlerhaft begünstigend und damit rechtswidrig. In einem zweiten Schritt war zu prüfen, ob eine Rücknahme des Bescheides vom 17.08.2001 nach § 45 SGB X möglich ist Eine teilweise oder vollständige Rücknahem des Bescheides vom 17.08.2001 ist jedoch nicht zulässig, weil die für die Rücknahme von rechtswidrigen Bescheiden vorgesehene Frist des § 45 Abs. 3 SGB X (Ablauf von 2 Jahren nach Bekanntgabe des ursprünglichen Bescheides) bereits abgelaufen ist. Es verbleibt deshalb bei den im Feststellungsbescheid vom 17.08.2001 rechtswidrig festgestellten Pflichtbeitragszeiten nach dem AAÜG. Die Bestandskraft des Bescheides erstreckt sich jedoch nur auf die bereits festgestellten Tatsachen. Weitere Rechte können daraus nicht abgeleitet werden

Den hiergegen eingelegten Widerspruch des Klägers, der u. a. damit begründet wurde, dass die Eintragung der St GmbH F erst am 01. August 1990 erfolgt sei, so dass über den 30. Juni 1990 hinaus der VEB Bau bestanden habe, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16. Januar 2007 zurück. Zur Begründung wurde nunmehr ausgeführt, dass der Kläger am 30. Juni 1990 zwar eine Beschäftigung im VEB Bau ausgeübt habe, es sich bei diesem Betrieb jedoch nicht um einen volkseigenen Produktionsbetrieb (Industrie oder Bau) im Sinne der Versorgungsordnung gehandelt habe, ebenso wenig wie um einen im Sinne von § 1 Abs. 2 der 2. DB vom 24. Mai 1951 gleichgestellten Betrieb. Der Beschäftigungsbetrieb (VEB Bau F) sei der Wirtschaftsgruppe 20270 (Betriebe für Rekonstruktionsbaumaßnahmen und Modernisierung, Baureparaturbetriebe) zugeordnet gewesen. Dem Betrieb habe weder die industrielle Fertigung (Fabrikation, Herstellung oder Produktion) von Sachgütern das Gepräge gegeben noch sei sein Hauptzweck die Massenproduktion von Bauwerken gewesen (unter Bezugnahme auf Urteil des BSG vom 08. Juni 2004, B 4 RA 57/03 R). Eine Änderung des Feststellungsbescheides sei deshalb nicht möglich. Mit dem Feststellungsbescheid gemäß § 8 AAÜG habe der Versorgungsträger keine Grundlagenentscheidung über die Anwendbarkeit des AAÜG getroffen. Es seien lediglich bestimmte Zugehörigkeitszeiten im Sinne von § 5 AAÜG festgestellt worden. Damit sei ohne Bindung an diesen Bescheid - jeweils gesondert für Beitrittszeiträume - darüber zu entscheiden, ob die Voraussetzungen des § 1 AAÜG erfüllt gewesen seien (Bezugnahme auf Urteil des BSG vom 09. April 2002, B 4 RA 31/01 R). Der Feststellungsbescheid sei fehlerhaft begünstigend und habe nur im Rahmen des Vertrauensschutzes weiterhin Bestandskraft. Der Vertrauensschutz erstrecke sich jedoch nur auf die bereits festgestellten Tatsachen; daher verbleibe es bei den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen. Weitere Rechte könnten nicht hergeleitet werden.

Hiergegen hat der Kläger am 14. Februar 2007 Klage beim SG Frankfurt (Oder) (SG) erhoben.

Er hat vorgetragen, der VEB Bau F sei ein Produktionsbetrieb des Bauwesens gewesen, wobei der Schwerpunkt bei den Investitionsvorhaben im Sinne von Neubauten gelegen habe. Der Anteil von Neubauten habe auch im ersten Halbjahr 1990 noch mehr als 50 % der Gesamtkapazität des Unternehmens ausgemacht. Bei der Rekonstruktion und Modernisierung im Wohnungsbau seien industrielle Fertigungs- und Montageorganisationsformen wie Taktstraße und Fließfertigung entwickelt und angewandt worden. Dabei seien auch in völlig entkernten Häusern, in denen nur die Außenwände standen, Keller saniert, alle Decken neu eingezogen, Dachstuhl und Dächer neu erstellt und der Innenausbau vollzogen worden, und zwar mit vorgefertigten Beton- und Holzelementen in der Regel aus der industriellen Produktion des Unternehmens selbst.

Der Kläger hat neben eigenen Angaben zu Aufgabe, Strukturen und Tätigkeiten der VEB Bau Fauch schriftliche Erklärungen der ehemaligen Gründungs-Geschäftsführer der S GmbH F P F (vom 18. Mai 2009) und H K (vom 02. Februar 2007 sowie vom 16. März 2007) übersandt.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid vom 11. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Januar 2007 aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, dass der VEB Bau nicht geprägt gewesen sei durch die originäre Errichtung von Bauwerken, sondern durch Rekonstruktions- und Modernisierungsmaßnahmen. Was die Konsumgüterproduktion betreffe, so sei die Produktion von Sachgütern nicht der Hauptzweck des Unternehmens gewesen.

Zur Ermittlung des Hauptzwecks des VEB Bau F hat das SG Beweis erhoben durch die Vernehmung des Zeugen H K (Anlage 1 zur Sitzungsniederschrift vom 07. Juni 2011). Darüber hinaus hat es u. a. die Eröffnungsbilanz der S GmbH F zum 01. Juli 1990, den Gesellschaftsvertrag der S GmbH F vom 21. Juni 1990, den Gründungsbericht der St GmbH F vom 15. Juni 1990, das Protokoll über die Prüfung der Schlussbilanz des VEB Bau Stadtbaubetrieb F vom 28. Juni 1990 sowie einen Geschäftsbericht des VEB Bau F für das Jahr 1987 bei gezogen.

Durch Urteil des SG vom 07. Juni 2011 ist die Klage abgewiesen worden. Zur Begründung des Urteils hat das SG ausgeführt, dass der Bescheid vom 11. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Januar 2007, soweit er feststelle, dass das AAÜG nach dessen § 1 Abs. 1 für den Kläger keine Anwendung finde und die Anerkennung von AAÜG Pflichtbeitragszeiten mit Bescheid vom 17. August 2001 daher zu Unrecht erfolgt sei, rechtmäßig sei. Zwar habe es sich bei dem VEB Bau zum Stichtag 30. Juni 1990 noch um einen volkseigenen Betrieb gehandelt, es fehle aber an der nach der Rechtsprechung des BSG erforderlichen betrieblichen Voraussetzung. Beim VEB Bau F habe es sich nicht um einen Produktionsbetrieb im Sinne der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz (VO AVItech) vom 17. August 1950 (GBl. DDR Seite 844) und der 2. DB zur VO AVItech (nachfolgend 2. DB) vom 24. Mai 1951 (GBl. DDR Seite 487) gehandelt. Nach der Rechtsprechung des BSG sei unter Produktion im Sinne der VO AVItech die industrielle (serienmäßig wiederkehrende) Fertigung, Herstellung, Anfertigung, Fabrikation von Sachgütern oder die Errichtung (Massenproduktion) von baulichen Anlagen zu verstehen (Bezugnahme auf Urteile vom 18. Dezember 2003, B 4 RA 14/03 R, und vom 08. Juni 2004, B 4 RA 57/03 R), die dem Beschäftigungsbetrieb das Gepräge gegeben haben müsse (Bezugnahme auf BSG, Urteile vom 06. Mai 2004, B 4 RA 44/03 R, und vom 27. Juli 2004, B 4 RA 11/04 R), wobei es sich um Massenproduktion im Sinne von massenhaftem Ausstoß standardisierter Produkte gehandelt haben müsse (sog. "fordistisches Produktionsmodell"). Beim VEB Bau F habe es sich nicht um einen industriellen Produktionsbetrieb des Bauwesens in diesem Sinne gehandelt. Seine Hauptaufgabe habe in der Durchführung komplexer Modernisierungs- und Rekonstruktionsmaßnahmen an bestehender Bausubstanz bestanden. Dies ergebe sich insbesondere aus den bei gezogenen Auskünften und Aussagen des Zeugen K sowie aus den vorliegenden Betriebsunterlagen und auch aus den Bekundungen des Klägers selbst. So habe der Kläger eingeräumt, dass die komplexe Rekonstruktion einen Schwerpunkt der Tätigkeit des VEB Bau F ausgemacht habe. Der Zeuge K habe ausgeführt, dass im VEB Bau F einige Hundert Handwerker nahezu sämtlicher Gewerke eingestellt und in der komplexen Altbausanierung eingesetzt worden seien. Er habe eingängig beschrieben, wie dazu regelmäßig in mehreren benachbarten, regelmäßig bewohnten Wohnungen jeweils konzertiert einzeln anliegende Sanierungsbedarfe festgestellt und behoben worden seien. Im Vordergrund habe insoweit gestanden, Altbauten bewohnbar zu halten oder zu machen. Anders als vom Kläger angegeben, der von kompletten Entkernungen gesprochen habe, hätten nach der Schilderung des Zeugen K Maßnahmen wie die Erneuerung von Fenstern, Dachstühlen, maroden Balken und Decken etc. im Vordergrund gestanden. Diese Schilderung finde ihre Entsprechung in den vom Zeugen K vorgelegten Fotos einzelner vom VEB Bau F realisierten Rekonstruktionsarbeiten. Neubautätigkeiten habe der VEB Bau F nach den Angaben des Zeugen K zwar auch entwickelt. Den Schwerpunkt der Tätigkeit habe aber die komplexe Rekonstruktion und Modernisierung von Altbauten gebildet, die mit industrialisierten Methoden zur Erreichung einer möglichst hohen Produktivität realisiert worden seien. Diese Angaben deckten sich mit denen im Geschäftsbericht von 1987, der in der Baubilanz für den Bereich "Baureparatur" mit 28 400 den bei weitem größten Anteil verzeichnet (zum Vergleich: Investitionen: 5 049). Auch entspreche dies dem statistischen Betriebsregister der DDR, wonach der VEB Bau F mit der Wirtschaftsgruppennummer 20270 ausgewiesen sei. Zwar habe sich wie der Kläger und der Zeuge K in der mündlichen Verhandlung glaubhaft dargelegt hätten auch in der Modernisierung und Rekonstruktion eine zunehmende Industrialisierung der baulichen Tätigkeit unter Einsatz von Methoden der Fließfertigung u. ä. entwickelt. Gleichwohl hätten insofern, wie insbesondere die Schilderungen des Zeugen K verdeutlicht hätten, die Werterhaltung bereits vorhandener, in der Regel bewohnter Bauwerke und mithin die Versorgung der Bevölkerung mit Baureparaturen im Vordergrund gestanden. Diese serienmäßige Instandsetzung im Rahmen eines industriellen Prozesses sei, auch wenn, was der die Kammer nicht verkenne, hoch spezialisiert von spezialisierten Fachkräften durchgeführt, nicht darauf gerichtet gewesen, ein neues Sachgut serienmäßig herzustellen, sondern im Rahmen einer industriemäßigen Organisation nicht mehr gebrauchsfähige Güter nach einzelner Durchsicht jeweils wieder gebrauchsfähig zu machen. Allein das Ansetzen einer Instandsetzung am Einzelgut zur Feststellung der Fehlerhaftigkeit und des Instandsetzungsbedarfs verdeutliche, dass keine serienmäßige Neuproduktion vorgenommen worden sei. Auch die Steigerung des Gebrauchswertes bzw. die Wiederherstellung des Gebrauchswertes führe nicht dazu, dass von einem Neuprodukt gesprochen werden könne. Demgemäß sei in dem "Beschluss über die Anwendung der Grundsätze des neuen ökonomischen Systems der Planung und Leitung der Volkswirtschaft im Bauwesen" vom 14. Juni 1963 (GBl. II Nr. 63 Seite 437) u. a. unterschieden worden zwischen der von den Bau- und Montagekombinaten durchzuführenden Erstellung von Bauwerken in Massenproduktion einerseits und den Baureparaturbetrieben andererseits, die im Wesentlichen zuständig waren für die Erhaltung der Bausubstanz, die Durchführung von Um- und Ausbauten sowie von kleineren Neubauten (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 08. Juni 2004, B 4 RA 57/03 R, Urteil vom 23. August 2007, B 4 RS 3/06 R). Auch das Wörterbuch der Ökonomie des Sozialismus differenziere ausdrücklich zwischen der Bauindustrie, deren Produktion vorwiegend durch industrielle Fertigung von Bauwerken in Baukombinaten und Baubetrieben (Bau- und Montagekombinate, Spezialbaukombinate, Landbaukombinate und Wohnungsbaukombinate) gekennzeichnet sei (Wörterbuch der Ökonomie des Sozialismus, 7. Auflage, Neuausgabe 1989, Seite 125), und der Baureparatur, die alle Baumaßnahmen zur Erhaltung und Modernisierung der Bausubstanz erfasse, die lediglich zur Teileproduktion führten und die die Instandhaltung, Instandsetzung, Modernisierung und Teile der Rekonstruktion, die ausdrücklich als Rekonstruktion im nicht produzierenden Bereich deklariert worden seien, umfasse (Seite 128 im Wörterbuch der Ökonomie des Sozialismus). Dass vom VEB Bau F neben seinem Schwerpunkt, der industriellen Instandsetzung, auch Neubauten realisiert worden seien, führe nicht zur Einbeziehung dieses Betriebes in die Versorgungsordnung. Dies gelte umso mehr, als es sich bei den vom VEB Bau F errichteten Neubauten wie die vom Kläger benannten Beispiele: drei Schulen, 3 Ladenblöcke, die Gockelhalle, verdeutlichten weder um standardisierte Produkte gehandelt habe, noch diese in hoher "Stückzahl" erzeugt worden seien. Auch führe der Umstand, dass, wie der Zeuge K beschrieben habe, ein Teil der bei der Rekonstruktion eingesetzten Ersatzteile vom VEB Bau F konstruiert und hergestellt worden sei, etwa Fenster, Betondecken, Balken, Füllkörper, Zaunpfähle, Rasenborde und Schonsteinfertigteile, nicht dazu, dass der VEB Bau F als Produktionsbetrieb einzuordnen sei. Nach den Schilderungen des Zeugen ist in dem Bereich der Herstellung nur ein geringerer Teil der Beschäftigten des Gesamtbetriebs tätig gewesen, und zudem sei ganz vornehmlich für die eigenen Rekonstruktionstätigkeiten produziert worden. Der VEB Bau F sei auch kein Betrieb gewesen, der gemäß § 1 Abs. 2 der 2. DB einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens gleichgestellt gewesen sei. In dieser Bestimmung seien Betriebe oder Einrichtungen, die Montagearbeiten erbracht hätten, nicht aufgeführt. Da es sich bei der Aufzählung der gleich gestellten Betriebe in § 1 Abs. 2 der 2. DB um einen enumerativen Katalog gehandelt habe, sei dieser auch einer Erweiterung auf dort nicht erwähnte Betriebe nicht zugänglich. Soweit sich der Kläger darauf berufe, bei ehemaligen Arbeitskollegen seien Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG von der Beklagten anerkannt worden, sei darauf hinzuweisen, dass diese Anerkennung nach den vorstehenden Ausführungen zu Unrecht erfolgt und damit rechtswidrig sei. Da der Kläger für sich keine "Gleichheit im Unrecht" in Anspruch nehmen könne bzw. ein solcher Gleichbehandlungsanspruch aus Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz nicht folge, könne seine Klage auch nicht unter diesem Gesichtspunkt Erfolg haben.

Gegen das dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 14. Juli 2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 15. Juli 2011 Berufung beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingelegt.

Der Kläger ist der Meinung, die Definition des BSG gebe den versorgungsrechtlichen Produktionsbegriff der VO AVItech und der 2. DB unzutreffend wieder. Soweit es dabei in ständiger Rechtsprechung auf die besondere Bedeutung des staatlichen Sprachgebrauchs der DDR für die Anwendung des Zusatzversorgungsrechts hingewiesen habe, erweise es sich, dass die Definition des "Produktionsbetriebes" durch das BSG keineswegs mit dem Produktionsbegriff des staatlichen Sprachgebrauchs der DDR übereinstimme. Unstreitig sei, dass materielle Produktion nach dem ökonomischen staatlichen Sprachgebrauch der DDR stets dann vorliege, wenn eine Erhöhung des materiellen Gebrauchswertes eintrete. Dies sei bei der Tätigkeit des VEB Bau F der Fall gewesen. Im Übrigen sei davon auszugehen, dass der VEB Bau F Bauteile im Wege industrieller Massenproduktion selbst hergestellt habe, welche mit ihrem Zusammenbau zum fertigen Produkt Teil der industriellen Produktion unter Einschluss des Bauwesens gewesen seien. Danach erfülle der Kläger die erforderlichen Voraussetzungen für die Zuordnung zum Personenkreis des AAÜG. Es sei im Übrigen unerklärlich, dass dem Hinweis des Zeugen K auf die charakteristische Produktion mittels Taktstraßen oder Erzeugnislinien, also der massenhaften Wiederholung von Arbeitstakten, kein Augenmerk geschenkt worden sei. Darüber hinaus habe er, der Kläger, aufgrund der Änderung seines Arbeitsvertrages vom 06. Januar 1978, aus dem in Punkt 2. hervorgehe, dass ihm aus seiner Betriebszugehörigkeit beim VEB Spezialbau P, Betriebsteil F, u. a. der Anspruch auf Gewährung zusätzlicher Alters- und Invalidenrente zugesichert sei, Anspruch auf Anerkennung der Zusatzversorgungszeiten.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 07. Juni 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 11. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Januar 2007 aufzuheben und festzustellen, dass § 1 Abs. 1 AAÜG anwendbar ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat vorgetragen, dass die Behauptung des Klägers, die sozialistische Ökonomie sei von einem weiten Produktionsbegriff ausgegangen, zusatzversorgungsrechtlich ohne Bedeutung sei. Selbst wenn der ökonomische Sprachgebrauch der DDR am 30. Juni 1990 den Produktionsbegriff in einem weiten oder erweiterten Sinne verstanden haben sollte, könne dieser nicht zugrunde gelegt werden, weil er von der Versorgungsordnung nicht inkorporiert worden sei. Im Übrigen solle nicht bestritten werden, dass der VEB Bau F, auf dessen Tätigkeit hier abzustellen sei nicht auf den VEB Spezialbau P , Neubauten errichtet habe. Die vom Kläger erstellte Liste der Neubauten zeige jedoch eine bunte Vielfalt von Bauvorhaben, angefangen von singulären Einrichtungen (Wasserturm, Lichtspieltheater, Kindergarten, Heizwerk, Kaufhalle, Straßenbahndepot) bis hin zu Wohnungsneubauten. Der Wohnungsbau durch diesen VEB sei jedoch eher ein Geschäft gewesen, bei dem vorhandene Baulücken geschlossen oder einzelne Baufelder mit vergleichsweise kleineren Wohnblöcken bebaut worden seien. Dabei habe es sich nicht um die industrielle Form des Bauens gehandelt, die einen versorgungsrelevanten Betrieb des Bauwesens ausmache. Schon aufgrund der Vielgestaltigkeit seines Betriebsprofils lasse sich ein Schwerpunkt des VEB Bau F im Bereich des seriell betriebenen, massenhaften Neubaues von Zweck-, Industrie- oder Wohnbauten nicht erkennen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtakten und der bei gezogenen Verwaltungsakten der Beklagten () sowie den Inhalt der ebenfalls bei gezogenen Gerichtsakten in dem Rechtsstreit des WH gegen die Beklagte (Az.: L 6 R 113/11), auf dessen Erläuterungen zur Vorfertigung und Taktstraßenarbeit der Kläger sich stützt, Bezug genommen. Die Akten sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das SG hat zutreffend entschieden, dass der Bescheid vom 11. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Januar 2007 rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt. Ein Anspruch des Klägers auf Feststellung der Anwendbarkeit des AAÜG besteht nicht.

Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom 11. Oktober 2006. Soweit die Beklagte darin "ergänzend die Feststellung nachgeholt" hat, dass das AAÜG nach dessen § 1 Abs. 1 für den Kläger keine Anwendung finde, handelt es sich um einen (negativen) Status Bescheid, mit dem sie festgestellt hat, dass zum 01. August 1991 Ansprüche oder Anwartschaften aufgrund der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem im Beitrittsgebiet nicht erworben sind oder eine Anwartschaft nach § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG nicht fingiert ist, so dass grundsätzlich alle anderen Vorschriften des AAÜG keine Anwendung finden können (zur Zulässigkeit einer solchen Statusentscheidung vgl. BSG, Urteil vom 09. April 2002, B 4 RA 31/01 R, veröffentlicht in juris).

Rechtsgrundlage hierfür ist § 8 Abs. 2 und 3 Satz 1 AAÜG. Danach kann der Versorgungsträger (§ 8 Abs. 4 AAÜG), der von einem Bürger unter Berufung auf Vorschriften des AAÜG in Anspruch genommen wird, vorab durch feststellenden Verwaltungsakt (Grundlagenbescheid) verbindlich klären, ob das vom Bürger behauptete Versorgungsrechtverhältnis im Sinne von § 1 AAÜG überhaupt besteht (so BSG, Urteil vom 09. April 2002, a.a.O., Rz. 16). Einen solchen Grundlagenbescheid hatte die Beklagte hier bis zu dem hier angefochtenen Verwaltungsakt vom 11. Oktober 2006 nicht getroffen. Der vorangegangene, bindend gewordene Bescheid der Beklagten vom 17. August 2001, mit dem - im Rahmen der Zuständigkeit der Beklagten Vorabentscheidungen über Anspruchselemente für die dem Rentenversicherungsträger vorbehaltene Entscheidung über u. a. die Höhe einer SGB VI Rente zu treffen (§§ 8 Abs. 2, Abs. 3 S. 1, Abs. 5 Satz 2 AAÜG; vgl. zur Zuständigkeit und dem Aufgabenbereich des Zusatzversorgungsträgers: Urteil des BSG vom 18. Juli 1996, 4 RA 7/95, veröffentlicht in juris, dort insbesondere Rz. 10, 19) - zugunsten des Klägers Pflichtbeitragszeiten nach § 5 AAÜG und die in diesen Zeiten erzielten Arbeitsentgelte nach § 6 AAÜG festgestellt worden sind, enthält keine (positive) Status-Entscheidung über die Anwendbarkeit des § 1 Abs. 1 AAÜG. Denn eine solche positive Status-Entscheidung muss in einem nach § 8 Abs. 3 S. 1 AAÜG zu erteilenden Bescheid grundsätzlich als feststellender Verwaltungsakt kenntlich gemacht und unzweifelhaft zu erkennen sein; hingegen kann aus der bloßen Anwendung von Vorschriften eines Gesetzes oder dessen Erwähnung in der Begründung eines anderen Verwaltungsaktes nicht entnommen werden, der Bescheid solle eine eigenständige Feststellung im Sinne von § 31 S. 1 SGB X verlautbaren (so ausdrücklich BSG, Urteil vom 09. April 2002, a.a.O., Rz. 16 ).

Das AAÜG ist nicht auf den Kläger anwendbar, weil er nicht zum in § 1 Abs. 1 AAÜG umschriebenen Personenkreis gehört.

Der persönliche Geltungsbereich des AAÜG ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl. z. B. Urteil vom 09. April 2002, B 4 RA 31/01 R, veröffentlicht in juris; zuletzt BSG, Urteil vom 28. September 2011, B 5 RS 8/10 R, ebenfalls veröffentlicht in juris) begrenzt auf Personen, die am 01. August 1991 Versorgungsansprüche oder Versorgungsanwartschaften aufgrund der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem nach Anlage 1 oder 2 zum AAÜG hatten, weil sie am 03. Oktober 1990 bereits einbezogen waren oder danach wegen der Aufhebung rechtswidriger Verwaltungsakte der DDR wieder einbezogen wurden oder vor dem 01. Juli 1990 einbezogen und aufgrund der Regelungen der Versorgungssysteme wieder ausgeschieden waren oder weil sie nach der am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage aufgrund der zu Bundesrecht gewordenen zwingenden Bestimmung der Versorgungssysteme einen Anspruch auf Einbeziehung/Versorgungszusage hätten

Der Kläger hat weder einen solchen Anspruch im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG noch eine fiktive Anwartschaft gemäß Satz 2 der Vorschrift inne und hatte am 01. August 1991 aus bundesrechtlicher Sicht auch keine "aufgrund der Zugehörigkeit" zur AVItech "erworbene" Anwartschaft.

Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 28. September 2011, B 5 RS 8/10 R, veröffentlicht in juris, dort Rz. 13) umfasst der Ausdruck "Anspruch" in seiner bundesrechtlichen Bedeutung das (Voll )Recht auf Versorgung, wie die in § 194 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) umschriebene Berechtigung, an die auch § 40 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) anknüpft, vom Versorgungsträger (wiederkehrend) Leistungen, nämlich die Zahlung eines bestimmten Geldbetrages, zu verlangen. Dagegen umschreibt "Anwartschaft" entsprechend dem bundesdeutschen Rechtsverständnis eine Rechtsposition unterhalb der Vollrechtsebene, in der alle Voraussetzungen für den Anspruchserwerb bis auf den Eintritt des Versicherungs- bzw. Leistungsfalls (Versorgungsfall) erfüllt sind.

Der Kläger hat schon deshalb keinen "Anspruch" auf Versorgung im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG erworben, weil bei ihm bis zum In Kraft Treten des AAÜG am 01. August 1991 kein Versorgungsfall (Alter, Invalidität) eingetreten war. Zu seinen Gunsten begründet auch nicht ausnahmsweise § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG eine (gesetzlich) fingierte Anwartschaft ab dem 01. August 1991, weil der Kläger in der DDR nie konkret in ein Versorgungssystem einbezogen worden war und diese Rechtsposition deshalb später auch nicht wieder verlieren konnte.

Der Kläger hat auch nicht "aufgrund der Zugehörigkeit" zu einem Zusatzversorgungssystem eine "Anwartschaft" auf Versorgung im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG fiktiv aufgrund der am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage nach der am 31. Juli 1991 gegebenen bundesrechtlichen Rechtslage einen "Anspruch auf Versorgungszusage" nach den bundesrechtlichen leistungsrechtlichen Regelungen der Versorgungssysteme – hier allein in Betracht kommend das AVItech (Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG) – erworben (vgl. hierzu BSG, Urteile vom 09. April 2002, B4 RA 31/01 R, und - soweit ersichtlich als jüngstes - vom 28. September 2011, B 5 RS 8/10 R).

Als Ausgangspunkt für die Beurteilung der Frage einer fiktiven Zugehörigkeit zum System der AVItech sind die "Regelungen" für die Versorgungssysteme, die gemäß Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nr. 9 des Vertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR über die Herstellung der Einheit Deutschlands vom 31. August 1990 (BGBl. II 889) mit dem Beitritt am 03. Oktober 1990 zu sekundärem Bundesrecht geworden sind. Dies sind insbesondere die Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (VO AVItech) vom 17. August 1990 (GBl. I Nr. 93 Seite 844) und die 2. Durchführungsbestimmung (2. DB) zu dieser Verordnung vom 24. Mai 1991 (GBl. I Nr. 62 Seite 487), soweit sie nicht gegen vorrangiges originäres Bundesrecht oder höherrangiges Recht verstoßen (so wörtlich BSG im Urteil vom 28. September 2011, B 5 RS 8/10 R, veröffentlicht in juris, dort Rz. 16).

Nach ständiger Rechtssprechung des BSG (so zuletzt BSG, Urteil vom 28. September 2011, B 5 RS 8/10 R, veröffentlicht in juris, dort Rz. 17) hängt das Bestehen einer fingierten Versorgungsanwartschaft nach § 1 VO AVItech und der dazu ergangenen 2. DB von folgenden drei Voraussetzungen ab, die kumulativ vorliegen müssen:

1. von der Berechtigung, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung),

2. von der Ausübung einer entsprechenden Tätigkeit (sachliche Voraussetzung),

3. und zwar - in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens (§ 1 Abs. 1 2. DB) oder - in einem durch § 1 Abs. 2 2. DB gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).

Der Kläger erfüllt zwar die persönliche und sachliche Voraussetzung - denn er darf den Titel "Ingenieur" führen und hat während seiner Beschäftigungen im Zeitraum vom 12. März 1973 bis zum 30. Juni 1990 im VEB Spezialbau P, Betriebsteil F, bzw. VEB Bau F entsprechende Tätigkeiten, zuletzt als Produktionsdirektor, ausgeübt; allerdings war die betriebliche Voraussetzung am 30. Juni 1990 nicht erfüllt.

Der Senat vermag nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens (§128 Sozialgerichtsgesetz, SGG) nicht festzustellen, dass der Kläger am 30. Juni 1990 in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens oder in einem gleichgestellten Betrieb beschäftigt war.

Beschäftigungsstelle des Klägers im rechtlichen Sinne war am 30. Juni 1990 der VEB Bau F, mit dem der Kläger am 01. Juni 1990 einen Arbeitsvertrag geschlossen hatte, nachdem er zuvor im VEB Spezialbau P, Betriebsteil F, beschäftigt gewesen war. Der VEB Bau existierte zum 30. Juni 1990 auch noch, da er erst am 01. August 1990 aus dem Register der volkseigenen Wirtschaft des Rates der Stadt Frankfurt (Oder) gelöscht worden ist und erst zu diesem Zeitpunkt die Rechtsnachfolgerin die St GmbH F in das Handelsregister des Amtsgerichts Frankfurt (Oder) eingetragen worden ist. Der VEB Bau F hatte seine Arbeitgebereigenschaft auch nicht bereits vorher verloren durch die am 01. Juni 1990 eingeleitete Umwandlung des VEB u. a. in die S GmbH F, gegründet durch Gesellschaftsvertrag vom 21. Juni 1990); denn die Umwandlung war noch nicht vollständig vollzogen bis zum 30 Juni 1990. Nach § 7 Satz 1 der Verordnung zur Umwandlung von volkseigenen Kombinaten, Betrieben und Einrichtungen in Kapitalgesellschaften (UmwVO) vom 01. März 1990 (GBl. DDR I 107) wurde die notariell beurkundete Umwandlungserklärung vom 21. Juni 1990 erst mit der Eintragung der GmbH in das beim Staatlichen Vertragsgericht geführte Register wirksam. Zur Registereintragung kam es aber erst nach dem 30. Juni 1990. Bis dahin stand die Umwandlung nach der UmwVO unter der aufschiebenden Bedingung der Eintragung; diese hatte konstitutive Bedeutung (so BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010, B 5 RS 2/08 R, veröffentlicht in juris, dort Rz. 34). Konnte die Umwandlung nach der UmwVO wie hier bis zum 30. Juni 1990 nicht erreicht werden, so ging auch das Vermögen aus der Vorinhaberschaft bzw. Rechtsträgerschaft des VEB erst am 01. Juli 1990 an dessen (Nachfolge )GmbH über. Denn nach § 11 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes zur Privatisierung und Reorganisation des volkseigenen Vermögens (Treuhandgesetz vom 17. Juni 1990, GBl. DDR I 300) waren grundsätzlich (Ausnahmen: § 11 Abs. 3 Treuhandgesetz) alle Wirtschaftseinheiten (§ 1 Abs. 4 Treuhandgesetz), die bis zum 01. Juli 1990 noch nicht in Kapitalgesellschaften umgewandelt waren, vom 01. Juli 1990 an kraft Gesetzes Aktiengesellschaften (AG) oder "vorzugsweise" (§ 11 Abs. 1 Satz 2 Treuhandgesetz) GmbH (so Urteil des BSG vom 19. Oktober 2010, a. a. O., Rz. 35).

Mit seiner Beschäftigung im VEB B erfüllt der Kläger nicht die betriebliche Voraussetzung. Denn ein volkseigener Produktionsbetrieb des Bauwesens setzt die (Massen )Produktion von Bauwerken voraus, wobei diese Aufgabe dem VEB das Gepräge gegeben haben muss (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. Urteile vom 08. Juni 2004, B 4 RA 57/03 R, veröffentlicht in juris, und vom 23. August 2007, B 4 RS 3/06 R, veröffentlicht in juris). An dieser Rechtsprechung des 4. Senates des BSG hat auch der nunmehr zuständige 5. Senat festgehalten, insbesondere auch an der vom Kläger im Berufungsverfahren kritisierten "engen" Definition des Begriffs der "Produktion" durch das BSG. Der 5. Senat des BSG Senat hat in seinem Urteil vom 19. Juli 2011 (B 5 RS 7/10 R) hierzu ausgeführt (zitiert nach juris, dort Rz. 24 – 27):

" Der erkennende Senat hält auch insoweit an der Rechtsprechung des 4. Senats fest. Die in der Literatur teilweise erhobenen Bedenken gegen den hier vertretenen Begriff des Produktionsbetriebs teilt der erkennende Senat nicht. Das Verständnis der Vorschriften der VO-AVItech und der 2. DB erschließt sich stets zunächst und soweit als möglich unmittelbar aus sich heraus. Nur soweit aus bundesrechtlicher Sicht der objektivierte Wortlaut - nicht also die DDR-rechtliche Bewertung -, der interne Sinnzusammenhang und der historische Kontext noch Unklarheiten lassen, kann es zur Ergänzung der so gewonnenen Erkenntnisse und von ihnen ausgehend auf den sonstigen offiziellen Sprachgebrauch der DDR am Stichtag 30.6.1990 ankommen, soweit er einen versorgungsrechtlichen Bezug aufweist. Entwicklungen des Sprachgebrauchs sind daher nur insofern von Bedeutung, als sie sich auf Umstände beziehen, die ihrer Art nach bereits ursprünglich von den Versorgungsordnungen erfasst waren oder durch spätere Änderungen zu deren Bestandteil gemacht wurden (versorgungsrechtlicher Sprachgebrauch). Dagegen sind Entwicklungen des Sprachgebrauchs in sonstigen Bereichen, insbesondere dem Wirtschaftsrecht, ohne Bedeutung. Das bundesrechtliche Verständnis von einschlägigen Begriffen des Versorgungsrechts darf daher von vornherein nicht etwa in der Weise gewonnen werden, dass zunächst kontextunabhängig und ohne Beschränkung auf den versorgungsrechtlichen Zusammenhang nach einem offiziellen Sprachgebrauch der DDR am 30.6.1990 geforscht wird, um dann das Ergebnis dieser Bemühungen mit dem "Wortlaut" der einschlägigen versorgungsrechtlichen Regelungen gleichzusetzen und deren spezifisch versorgungsrechtlichen Anwendungsbereich hiernach zu bestimmen. Von Belang sind vielmehr allein Entwicklungen des versorgungsrechtlich relevanten Sprachgebrauchs. Einzelne Stimmen im Schrifttum basieren auf diesem methodischen Irrtum und vermögen daher auch den auf sie gestützten Revisionen nicht zum Erfolg zu verhelfen. Dies gilt umso mehr, soweit dort eine Ausdehnung des Produktionsbegriffs befürwortet wird, die die versorgungsrechtliche Gleichstellung von wissenschaftlichen Einrichtungen, Bildungseinrichtungen, Betrieben sowie wirtschaftsleitenden Organen im Ergebnis überflüssig machen würde. Vorliegend könnten zwar die Überschrift der VO-AVItech vom 17.8.1950, deren Einleitung und ihr § 1 sowie § 1 Abs 1 2. DB darauf hindeuten, dass deren Voraussetzungen generell durch die einschlägige Beschäftigung von Ingenieuren in allen volkseigenen Betrieben erfüllt werden. Indessen kann der VO an diesen Stellen für den betrieblichen Anwendungsbereich einzelner Teile nichts entnommen werden. Insbesondere zeigt der Wortlaut der Gleichstellungsregelung in § 1 Abs 2 2. DB, dass generell nur volkseigene Produktionsbetriebe erfasst sind. Die "Rechtsfolge" der ausnahmsweisen Gleichstellung der dort im Einzelnen aufgeführten wissenschaftlichen Einrichtungen, Bildungseinrichtungen, Betriebe sowie wirtschaftsleitenden Organe bestimmt logisch notwendig Inhalt und Umfang des Grundtatbestands. Versorgungsrechtlich relevant ist damit nur die Beschäftigung in einer Teilmenge der volkseigenen Betriebe. Die positiven Bestimmungsmerkmale der Teilmenge "Produktionsbetriebe" ergeben sich mit hinreichender Bestimmtheit zunächst aus dem sachlichen Zuständigkeitsbereich des Ministeriums für Industrie, auf dessen Einvernehmen es nach § 5 der VO-AVItech vom 17.8.1950 für den Erlass von Durchführungsbestimmungen durch das Ministerium der Finanzen ua ankam. Die Beteiligung gerade dieses damals für Herstellungsvorgänge in den industriellen Fertigungsbetrieben verantwortlichen Ministeriums gibt zu erkennen, dass versorgungsrechtlich grundsätzlich nur diesem Kriterium genügende VEB erfasst sein sollten. Dies wird zudem durch die historische Situation beim Aufbau einer zentralen Planwirtschaft durch das Interesse der Machthaber, qualifizierten Kräften gerade im Bereich der Industrie einen Beschäftigungsanreiz zu bieten, bestätigt. Die herausragende Bedeutung der Industrie, die auch in der DDR im Sinne der Herstellung von Erzeugnissen auf der Basis industrieller Massenproduktion verstanden wurde , ist unabhängig davon, ob hierfür der (Wort-)Begriff "fordistisches Produktionsmodell" gebraucht wird. Hiervon wird - ungeachtet ihrer ursprünglichen formellen Zuordnung zum Ministerium für Aufbau - der Sache nach bereits ursprünglich auch die Bauindustrie erfasst. Diese wurde in der DDR zudem in der Folgezeit durchgehend zusammen mit der Industrie den beiden führenden Produktionsbereichen zugeordnet und gemeinsam gegenüber anderen Wirtschaftsbereichen abgegrenzt. Dies gilt jeweils auch und gerade noch nach dem Sprachgebrauch der am 30.6.1990 maßgeblichen Verordnung über die volkseigenen Kombinate, Kombinatsbetriebe und volkseigenen Betriebe vom 8.11.1979 " Nach diesen Ausführungen des BSG, denen sich der Senat anschließt, kann der Auffassung des Klägers, wonach jede wirtschaftliche Wertsteigerung materielle Produktion und dies auch versorgungsrechtlich maßgeblich sei, nicht gefolgt werden.

Das BSG hat zur erforderlichen Massenproduktion von Bauwerken in seinem Urteil vom 08. Juni 2004 (B 4 RA 57/03 R) ausgeführt (zitiert nach juris, dort Rz. 24):

" Mit der Konzentration der Baukapazitäten in großen Bau- und Montagekombinaten sollte ein neuer, selbstständiger Zweig der Volkswirtschaft geschaffen werden, der die Organisierung und Durchführung der kompletten Serienfertigung von gleichartigen Bauwerken zum Gegenstand hatte. Die Bau- und Montagekombinate sollten danach ua den Bau kompletter Produktionsanlagen einschließlich der dazugehörigen Wohnkomplexe und Nebenanlagen durchführen und jeweils die betriebsfertigen Anlagen und schlüsselfertigen Bauwerke bei Anwendung der komplexen Fließfertigung und des kombinierten und kompakten Bauens übergeben. Von wesentlicher Bedeutung war somit das (Massen-)"Produktionsprinzip" in der Bauwirtschaft. Demgemäß wurde in dem og Beschluss ua unterschieden zwischen der von den Bau- und Montagekombinaten durchzuführenden Erstellung von Bauwerken in Massenproduktion einerseits und den Baureparaturbetrieben andererseits, die im Wesentlichen zuständig waren für die Erhaltung der Bausubstanz, die Durchführung von Um- und Ausbauten sowie von kleineren Neubauten; sie waren im Übrigen Baudirektionen unterstellt "

Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben lässt sich zur Überzeugung des Senates nicht zweifelsfrei feststellen, dass die Erstellung von Neubauten der Tätigkeit des VEB Bau F das Gepräge gegeben hat. Vielmehr lässt sich eher feststellen, dass der Schwerpunkt der Tätigkeit des VEB Bau F in der Durchführung komplexer Modernisierungs- und Rekonstruktionsmaßnahmen an bereits bestehender Bausubstanz bestanden hat. Der Senat verweist insoweit auf die von ihm gleichermaßen vorgenommene Beweiswürdigung des SG, Seite 10 letzter Absatz bis Seite 12 der Entscheidungsgründe.

Soweit der Kläger im Berufungsverfahren die Auffassung vertritt, dass es sich bei der Rekonstruktion und Modernisierung von Bauten durch den VEB Bau F) ebenfalls um "Neubauten" gehandelt habe, wie der Zeuge K bei seiner Vernehmung durch das SG vom 07. Juni 2011 bekundet habe ("Neubau in Altsubstanz"), ist festzuhalten, dass der Zeuge K durchaus zwischen Neubauten in seiner Aussage vom 07. Juni 2011 hat er z. B. die L Straße und die K Straße für die Jahre von 1987 bis 1990 als solche "Neubauten" genannt und dem den "Schwerpunkt der Tätigkeit des VEB Bau F" bildenden Baurekonstruktions- und Modernisierungstätigkeit unterschieden hat. Soweit er bezüglich der Baurekonstruktions- und Modernisierungstätigkeit des VEB Bau F) vom "Neubau in Altsubstanz" gesprochen hat, ergibt sich aus seiner weiteren Aussage, dass er darunter Bauleistungen solche "in alten, noch bestehenden, in der Regel bewohnten Häusern" verstanden hat. Mit seiner Formulierung "Neubau in Altsubstanz" hat er somit lediglich auf den erheblichen Rekonstruktions- und Modernisierungsaufwand ähnlich dem Neubau eines schlüsselfertig übergebenen Bauwerkes hinweisen wollen, wobei er im Übrigen auch auf die Verwendung von in industrieller Fertigungsart (Fließfertigung und Taktstraßen) vom VEB Bau F) hergestellten Bauprodukten hingewiesen hat.

Das SG hat auch in Anknüpfung an die zitierte Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 08. Juni 2004, aaO, Rz. 24) zu Recht unterschieden zwischen Neubau im Sinne der Herstellung kompletter Produktionsanlagen einschließlich der dazugehörigen Wohnkomplexe und Nebenanlagen und der Übergabe der betriebsfertigen Anlagen und schlüsselfertigen Bauwerke bei Anwendung der komplexen Fließfertigung und des kombinierten und kompakten Bauens einerseits und Baureparaturbetrieben andererseits, die im Wesentlichen zuständig waren für die Erhaltung der Bausubstanz, die Durchführung von Um- und Ausbauten sowie von kleineren Neubauten und den VEB Bau F jedenfalls nicht in die erstgenannte Kategorie eingeordnet. Dass es sich bei der Tätigkeit des VEB Bau F im Schwerpunkt gerade um ein Unternehmen gehandelt haben soll, dem die Herstellung schlüsselfertiger Neubauten nach einem immer weitgehend gleichen Schema das Gepräge gegeben hat, lässt sich nicht feststellen. Dies ergibt sich auch aus der Aussage des Zeugen H K. Dieser hat bei seiner Vernehmung durch das SG am 07. Juni 2011 ausgeführt:

"Von 1949 bis in die 60 er Jahre stand in der DDR der manuelle Neubau im Vordergrund. Danach wurden die reinen Neubaukapazitäten eher heruntergefahren. Ausgebaut wurden hingegen große Kapazitäten im handwerklichen Bereich. Es standen sich also gegenüber einerseits industrielles Bauen, andererseits Reparaturen. Reparaturen in diesem Zusammenhang hieß dann, dass im VEB Bau F einige Hundert Handwerker eingestellt wurden, die in einer bereits bestehenden Bausubstanz eingesetzt wurden. In bewohnten Straßenzügen wurden komplexe Modernisierungs- und Instandsetzungsarbeiten vorgenommen. In den 60 und 70 er Jahren mussten wir zunächst Erfahrungen sammeln für dieses Mammutprojekt, in den 80 er Jahren perfektionierte sich dies immer mehr. Wir setzten Fließlinien und auch Taktstraßen ein, wie im industriellen Wohnungsbau, wenn man dies so nennen möchte. Das hieß in der Praxis, dass in der Regel so sechs bis acht Gebäude als Serie repariert wurden, d. h. so bearbeitet wurden, bis sie im neuen Glanz erstrahlten. Dies bezog sich einerseits auf die Fassade, andererseits aber auch auf das Innere der Wohnung. Beispielsweise wurde untersucht, ob Schwamm in den Decken war, dann wurden in einzelnen Wohnungen Betondecken eingezogen, Tischler und Glaser wurden eingesetzt. Am Anfang stand dabei die Projektierung, d. h., es gingen Gruppen um alle Häuser, um festzustellen, was jeweils zu machen war. Danach wurden dann passende Arbeitsgruppen zusammengestellt, die die anstehenden Aufgaben durchführten. Dies erstreckte sich von Erdarbeiten über Maurerarbeiten, Zimmererarbeiten bis zu Dachdeckerarbeiten. Der Umfang in den einzelnen Wohnungen war dabei unterschiedlich, die Tätigkeiten aber immer wieder dieselben. Um eine solche komplexe Modernisierung durchzuführen, brachte man regelmäßig alle Gewerke, die im Bauwesen tätig sind, denn nachdem der Maurer tätig war, brauchte man ganz regelmäßig auch den Maler, um den letzten Pinselstrich zu führen ... Es kam vielleicht auch mal vor, dass nur die Fassade stehen blieb und dahinter alles neu gebaut wurde. Dies war aber verschwindend gering. Es ging eher darum zu sehen, waren die Fenster noch funktionsfähig, wenn nicht, wurden sie ausgetauscht. Oder etwa der Dachstuhl schadhaft, dann wurde dieser repariert und rekonstruiert ... Unter dem dritten Tätigkeitsbereich Baureparaturen verstehe ich den Einsatz unserer Gewerke an Einzelstandorten. Im Grunde waren dort ähnliche oder dieselben Aufgaben zu tun, wie bei der Rekonstruktion und Modernisierung, allerdings ging es um Einzelstandorte, so dass nicht vergleichbar konzertiert vorgegangen werden konnte. So waren Fließlinien und Taktstraßen in diesem Zusammenhang nicht einsetzbar. Die Baureparaturen an Einzelstandorten machten meiner Erinnerung nach im Zeitraum 1987 bis 1990 ungefähr 15 bis 20 % der Tätigkeit aus."

Aus dieser Aussage wird deutlich, dass es sich bei der Rekonstruktions- und Modernisierungstätigkeit des VEB Bau Fallenfalls um eine "Serienfertigung" gehandelt hat (" ...Das hieß in der Praxis, dass in der Regel so sechs bis acht Gebäude als Serie repariert wurden ..."), die sich von der Massenproduktion insoweit unterscheidet als die "Produkte" lediglich in begrenzter Anzahl repariert wurden, aber gerade nicht in Massenfertigung. Dies zeigt hier auch eindrucksvoll die Zahl der jeweils in einer "Serie" bearbeiteten Gebäude: bei jeweils sechs bis acht Gebäuden handelt es sich allenfalls um eine "Kleinserie".

Soweit vom VEB Bau F Bauteile der Zeuge K nennt in seiner Aussage in der Sitzung vom 07. Juni 2011 Fenster, Betondecken, Balken, Füllkörper, Zaunpfähle, Rasenborde und Schornsteinfertigteile - selbst hergestellt worden sind, erfüllt dies nicht die Voraussetzung einer Massenproduktion in der Industrie, einschließlich des Bauwesens. Zwar mag der VEB Bau F die genannten Sachgüter serienmäßig wiederkehrend hergestellt haben. Es handelte sich aber insoweit nicht um die Fertigung, die ihm das Gepräge gegeben hat. Denn ausweislich der "Kennzifferübersicht der Jahre 1988 und 1989 lt. Geschäftsbericht", die dem Gründungsbericht der Stadtbau-GmbH vom 15. Juni 1990 beigefügt ist, setzte sich die in der Rubrik "Produktion des Bauwesens" für das Jahr 1989 angegebene Ist-Kennziffer von "TM 39 502" zusammen aus einer "Bauproduktion" von "TM 35 525" und einer "Ind. Produktion" von "2 127 TM". Selbst wenn die o.g. Sachgüter unter den Begriff der "Ind. Produktion" fallen sollten, ergibt sich im Verhältnis zur gerade nicht als "industriell" gekennzeichneten "Bauproduktion" ein Verhältnis von ca. 1 zu 17. Darüber hinaus wurden diese Sachgüter primär auch nicht hergestellt, um sie als solche anschließend zu verkaufen. Sie wurden vielmehr im Wesentlichen bei der Bautätigkeit des Unternehmens verwendet, wie der Zeuge HK bekundet hat.

Auch die Verwendung dieser Sachgüter bei der Bauproduktion des VEB Bau F erfüllt nicht die Voraussetzungen einer Massenproduktion im Bauwesen. Hierzu hat das BSG in seinem Urteil vom 19. Juli 2011 (B 5 RS 7/10 R, veröffentlicht in juris, dort Rz. 30, 31) ausgeführt:

" ...Dem allgemeinen Sprachgebrauch folgend wurde auch in der DDR unter Montage der planmäßige Zusammenbau von Bauteilen zu einem Endprodukt verstanden. Fällt sie in einem Betrieb an, der die Bauteile im Wege industrieller Massenproduktion selbst herstellt, kann auch der Zusammenbau dieser Teile zum fertigen Produkt seinerseits Teil der industriellen Produktion einschließlich des Bauwesens sein. Dies wird stets dann der Fall sein, wenn diese Produkte ihrerseits massenhaft hergestellt werden und daher ihr Zusammenbau mehr oder weniger schematisch anfällt. Unter diesen Voraussetzungen ist insbesondere auch eine größere Produktpalette oder eine Vielzahl potenziell zu verbindender Einzelteile kein Hindernis, solange das Produkt einer vom Hersteller standardmäßig angebotenen Palette entspricht. Werden dagegen Gebrauchtteile mit verbaut oder treten individuelle Kundenwünsche, wie der zusätzliche Einbau von besonders gefertigten Teilen oder der Bau eines zwar aus standardisierten Einzelteilen bestehenden, so aber vom Hersteller nicht vorgesehenen und allein auf besondere Anforderungen gefertigten Produkts, in den Vordergrund, entfällt der Bezug zur industriellen Massenproduktion. In diesem Fall ist zu prüfen, ob der Betrieb in dem gleichermaßen die industrielle Massenproduktion von Einzelteilen und der individualisierte Zusammenbau von Endprodukten anfallen, sein Gepräge durch den erstgenannten Bereich erhält "

Dass der "Einbau" der vom VEB Bau F selbst hergestellten Sachgüter mehr oder weniger schematisch in immer der gleichen Weise geschah, lässt sich nicht zweifelsfrei feststellen. Denn die Rekonstruktion/Modernisierung von Bauwerken wurde nicht so durchgeführt, dass entsprechend dem Angebot der VEB Bau F in immer gleicher Weise jeweils "sechs bis acht Gebäude repariert" wurden. Vielmehr wurde je nach dem unterschiedlichen Zustand der Gebäude - insoweit eher individuell - vorgegangen. Hierzu hat der Zeuge K in der mündlichen Verhandlung vom 07. Juni 2011 bekundet:

" ... Das hieß in der Praxis, dass in der Regel so sechs bis acht Gebäude als Serie repariert wurden, d. h. so bearbeitet wurden, bis sie im neuen Glanz erstrahlten. Dies bezog sich einerseits auf die Fassade, andererseits aber auch auf das Innere der Wohnung. Beispielsweise wurde untersucht, ob Schwamm in den Decken war, dann wurden in einzelnen Wohnungen Betondecken eingezogen, Tischler und Glaser wurden eingesetzt. Am Anfang stand dabei die Projektierung, d. h., es gingen Gruppen um alle Häuser, um festzustellen, was jeweils zu machen war. Danach wurden dann passende Arbeitsgruppen zusammengestellt, die die anstehenden Aufgaben durchführten. Dies erstreckte sich von Erdarbeiten über Maurerarbeiten, Zimmererarbeiten bis zu Dachdeckerarbeiten. Der Umfang in den einzelnen Wohnungen war dabei unterschiedlich, die Tätigkeiten aber immer wieder dieselben. Um eine solche komplexe Modernisierung durchzuführen, brachte man regelmäßig alle Gewerke, die im Bauwesen tätig sind, denn nachdem der Maurer tätig war, brauchte man regelmäßig auch den Maler, um den letzten Pinselstrich zu führen ..."

Diese Aussage zeigt, dass es gerade nicht um einen mehr oder weniger schematischen Zusammenbau von einzelnen Bauteilen gegangen ist, wie sie für die industrielle Massenproduktion typisch sind. Dies hat auch der Zeuge H K insoweit indirekt zum Ausdruck gebracht, als er bekundete (bei seiner Vernehmung vom 07. Juni 2011):

" ... Dabei arbeiteten wir mit weit größerem Aufwand, mit dem zweifelsfrei mehr Sachverstand, als im Neubau, wo es nur darum ging, ein Bauteil auf das andere zu schichten "

Der Zeuge selbst hat also durchaus den Unterschied zwischen der eher - wie bei Reparaturen an Einzelobjekten - individuellen Vorgehensweise bei der Rekonstruktion/Modernisierung von sechs bis acht Gebäuden einerseits und dem massenhaften "schematischen" Bau von neuen Bauwerken gemacht.

Darüber hinaus wird der eher individuelle Charakter der Rekonstruktions- und Modernisierungstätigkeit des VEB Bau F auch daran deutlich, dass nicht allein "ganze Straßenzüge" so die Angabe des Zeugen H K in seiner vom Kläger vorgelegten Erklärung vom 16. März 2007 , sondern auch viele Einzelbauwerke rekonstruiert und modernisiert worden sind. Genannt werden von dem Zeugen H K in seiner Erklärung vom 16. März 2006 "das gesamte Rathaus, Konzerthalle, Gertraudenkirche, Druckerei " Neuer Tag/MOZ".

Soweit der in der Zeit von Januar 1972 bis 1990 im VEB Bau F der Bauingenieur, Bauleiter und Oberbauleiter und beim Rechtsnachfolger, der St GmbH F als Geschäftsführer tätige P F in seiner vom Kläger eingereichten schriftlichen Erklärung vom 18. Mai 2009 ausgeführt hat, dass der VEB Bau F sich vorrangig von 1985 bis 1990 als GAN Betrieb (Generalauftragnehmer für die Errichtung kompletter Objekte) entwickelt habe und der Anteil an Objekten mit Neubaucharakter dabei 1989/1990 in der Regel 60 bis 70 % betragen habe, hätte der Hauptzweck des VEB in der Dienstleistungen wie Organisation, Leitung und Überwachung der Realisierung bestanden. Ein solcher war kein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens und auch kein gleich gestellter Betrieb (Urteil des BSG -B 4 RS 3/06-).

Zudem lässt sich nicht feststellen, dass die Errichtung von Neubauten 60 bis 70 % der Tätigkeit des VEB Bau F ausgemacht hatten. Diese Aussage wird allein bezogen auf den GAN Bereich des VEB Bau F. Darüber hinaus wird in der Erklärung auf die verschiedensten Erzeugnis- und Leistungsprofile des VEB Bau F hingewiesen (GAN Bereich, Bereich Forschung und Entwicklung, Projektierung, Hochbau, Tiefbau, Konsumgüterproduktion, Fenster- und Glaserproduktion, eigene Beton- und Mörtelproduktion, Betonelemente, Heizungsbau, Sanitärstrecke u. a. Ausbaugewerke), wobei auch auf industrielle Fertigungsverfahren (Fließlinien) verwiesen wird. Die Vielfalt des genannten Erzeugnis- und Leistungsprofils des VEB Bau F spricht nicht für die Bewertung, dass es im Wesentlichen um die Erstellung standardisierter Bauwerke gegangen sei. Denn die Vielfältigkeit der Erzeugnisse und Leistungen ist sowohl im Rahmen des massenhaften Neubaus ("traditionelle Neubauten" - so P F in seinem Gründungsbericht der St GmbH F vom 15. Juni 1990) als auch bei der nicht-industriellen Rekonstruktion/Modernisierung verschiedenster Bauwerke ("Vorbereitung und Ausführung von Rekonstruktionen des Wohnungs-, Gesellschafts- und Industriebaues" - so ebenfalls P F im Gründungsbericht vom 15. Juni 1990) von Nutzen und lässt eine Festlegung allein auf einen der beiden Zwecke nicht zu.

Gerade auch die vom Kläger im Berufungsverfahren vorgelegte Liste "reiner Neubauten des VEB Bau Frankfurt (Oder) und seiner Vorläuferbetriebe - ohne Teile Altbausubstanz" (vom 15. Februar 2012) zeigt im Übrigen die Unterschiedlichkeit der von dem VEB Bau F errichteten Gebäude, die gerade keine Standardisierung im Hinblick auf bestimmte Bautypen erkennen lässt. Genannt werden vom Kläger neben verschiedenen Wohnkomplexen "Kindergarteneinrichtungen, Bahnhofsvorplatz, Lichtspieltheater der Jugend, Reichsbahnkomplex, Brenner-Gymnasium, Schulanbau Booßen, Versorgungseinrichtungen und Bunkeranlage/Teilleistungen, Ladeneinrichtungen/Ladenbereiche Magistrale, Hochhaus Oderbrücke, Kaufhalle Leine Oderstraße (Gockelkaufhalle), diverse Industrieanlagen, Heizwerk Stadtzentrum, Straßenbahndepot Neuberesinchen, Erweiterung des Messezentrums mit Gaststätte Westkreuz 1989, Anbau MOZ Tageszeitung (Neubau) und parallel dessen Rekonstruktion (Altbau), diverse Einfamilienhäuser".

Soweit der Kläger sich für seinen Anspruch auf den Inhalt der Akten im Rechtsstreit des W H gegen die Beklagte (Az.: L 6 R 113/11) bezieht, ergibt sich hieraus eher das Gegenteil. Denn in diesem Verfahren hat der Kläger W H selbst vorgetragen, dass es sich bei dem VEB Baureparaturen F und dem VEB Bau F um einen Betrieb gehandelt habe, "in dem wir den gesamten Bestand der Gebäude erhalten, Schulgebäude angebaut sowie Kindertagesstätten an- und umgebaut" hätten; es sei "industriell die Modernisierung vorangetrieben" worden, wobei "Hauptauftraggeber der VEB Gebäudewirtschaft" gewesen sei. Es habe sich "bei der Tätigkeit für den VEB Gebäudewirtschaft um Rekonstruktions-, Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen mit einem Anteil von 60 bis 70 %" gehandelt (vgl. Niederschrift der öffentlichen Sitzung der 8. Kammer des SG Frankfurt (Oder) vom 26. November 2010 in dem Rechtsstreit S 8 R 702/06 - L 6 R 113/11). Insoweit hat der in dem Verfahren L 6 R 113/11 als Kläger auftretende Herr H eher bestätigt, dass es sich bei dem VEB Bau F gerade nicht um einen Betrieb gehandelt hat, dem massenhaft industriell hergestellte Neubauten das Gepräge gegeben haben.

Der VEB Bau F war auch kein Betrieb, der gemäß § 1 Abs. 2 der 2. DB einem volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens gleichgestellt war, wie das SG zu Recht im angegriffenen Urteil festgestellt hat. Zur Begründung wird auf Seite 13 2. Abschnitt des Urteils vom 07. Juni 2011 Bezug genommen.

Soweit der Kläger sich für die Begründung seines Klagebegehrens auf eine Änderung des Arbeitsvertrages mit dem VEB Spezialbau P, Betriebsteil F vom 06. Januar 1978 bezieht, ist dies nicht nachvollziehbar. Darin ist nicht die Rede von der AVItech.

Die Kostenentscheidung, die dem Ergebnis des Rechtsstreits entspricht, folgt aus § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, da die Voraussetzungen nach § 160 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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