L 5 RJ 731/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 3 RJ 357/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 RJ 731/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 20. November 2001 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Änderung der an den Kläger 1970 erteilten Versicherungsnummer wegen einer Änderung des Geburtsdatums aufgrund einer Entscheidung eines türkischen Gerichts vom 24. Februar 1992 streitig. Der Kläger behauptet, statt des in der Versicherungsnummer enthaltenen Geburtsdatums: 1944, laute das richtige Geburtsdatum: 1934. Des Weiteren ist streitig die Gewährung einer Regelaltersrente wegen Vollendung des 65. Lebensjahres ab 1. Februar 1999.

Der in M. , Türkei, geborene Kläger ist seit 16. Juni 1999 deutscher Staatsangehöriger und wohnt seit 1970 in Deutschland. Für ihn wurden seit dem 21. Juli 1970 Beiträge zur Rentenversicherung abgeführt, die ihm erteilte Versicherungsnummer lautet: 18.010144.O.389.

Am 28. Januar 1988 bat der Kläger um eine Aufstellung der für ihn entrichteten Beiträge zur Rentenversicherung. Er legte hierzu einen türkischen Pass vor, in dem als Geburtsdatum der 1944 eingetragen war. Die Beklagte hatte den Kläger bereits 1984 aufgefordert, zur Feststellung des genauen Geburtsdatums einen Auszugs aus dem türkischen Einwohnerbuch vorzulegen. In der vom Kläger übersandten, vom Standesamt der Gemeinde M. in der Provinz A. ausgestellten Bescheinigung vom 24. April 1984 war als Geburtsdatum der 1944 angegeben.

Am 21. Oktober 1991 beantragte der Kläger die Gewährung einer Rente wegen Berufs-/Erwerbsunfähigkeit. Die Beklagte bat den Kläger am 2. Dezember 1991 erneut, zur Feststellung der genauen Geburtsdaten einen Auszug aus dem türkischen Einwohnerbuch vom zuständigen Standesamt ausstellen zu lassen. Daraufhin übersandte der Kläger einen am 17.12.1991 ausgestellten Auszug aus dem türkischen Einwohnerbuch ("Nüfus"), in dem wiederum als Geburtsdatum des Klägers der 1944 angegeben wurde. Auch diese Bescheinigung wurde vom Standesamt der Gemeinde M. in der Provinz A. ausgestellt. Auch eine vom Kläger vorgelegte türkische Sozialversicherungskarte enthielt als Geburtsjahr das Jahr 1944, ebenso wie eine weitere 1970 in A. ausgestellte Bescheinigung.

Die AOK Memmingen wandte sich mit Schreiben vom 5. Juni 1992, 14. Juli und 14. August 1992 an die Beklagte und beantragte die Überprüfung der Versicherungsnummer, da für den Kläger nach einem vorgelegten türkischen Gerichtsurteil das Geburtsdatum falsch sei. Den Schreiben der AOK Memmingen lag ein Urteil des 6. Rechtsgerichts erster Instanz der Provinz A. vom 24. Februar 1992 bei, das am 2. April 1992 rechtskräftig wurde. Nach diesem Urteil soll das Geburtsdatum des Klägers, der im Personenstandsregister von der Stadt A. , Landkreis S. , Wohnort M. als am 01.01.1944 Geborener eingetragen ist, ungültig gemacht werden und es soll auf 1934 verbessert werden. Ebenfalls lag ein neuer "Nüfus" vom 21. Mai 1992 bei, in dem als Geburtsdatum des Klägers nunmehr "1934" eingetragen war. Auch der Arbeitgeber des Klägers wandte sich an die Beklagte und übersandte eine Kopie des Urteils über die Änderung des Geburtsdatums. Vorgelegt wurde auch eine Kopie des türkischen Reisepasses, er nunmehr das geänderte Geburtsdatum "1934" enthielt. Von der Beklagten wurden auch zwei Zeugenaussagen, auf denen das Urteil des türkischen Gerichtes beruhte, in Übersetzung beigezogen. Am 15. Oktober 1992 teilte die Beklagte sowohl der AOK als auch dem Arbeitgeber des Klägers mit, dass das vom Kläger behauptete Geburtsdatum nicht ausreichend nachgewiesen sei. Auch die übersandten Zeugenaussagen seien nicht als Nachweis geeignet. Eine Änderung der Versicherungsnummer erfolge daher nicht. Es verbleibe bei der Versicherungsnummer "18.010144.O.389".

Bereits am 7. Juli 1992 hatte die Beklagte den Kläger gebeten, die originalen Volksschulzeugnisse, eine amtliche Bescheinigung, aus der hervorgehe, wann er den Militärdienst abgeleistet habe, und Auszüge aus dem türkischen Einwohnerbuch vorzulegen. Am 3. November 1992 erklärte der Prozessbevollmächtigte des Klägers, der Kläger habe nie eine Volksschule besucht, in seinem Ort sei erst 1966 eine Volksschule errichtet worden. Der Vater des Klägers sei 1908 geboren, die Mutter 1909. Vorgelegt wurde auch ein Familienbuch, aus dem zu ersehen ist, dass der Kläger mit Frau F. Ö. verheiratet ist. Nach diesem Familienbuch ist Frau Ö. am 1934 geboren, der Kläger am 1944. Die Ehe wurde am 10. Dezember 1956 geschlossen. Aus der vorgelegten Bescheinigung über den Wehrdienst ergibt sich, dass der 1944 geborene Kläger den Wehrdienst vom 25. März 1964 bis 25. März 1966 abgeleistet hat.

In einem Bescheid vom 30. November 1992 gegenüber dem Kläger lehnte die Beklagte eine Änderung der Versicherungsnummer ab. Sie stellte fest, das behauptete Geburtsdatum "1934" sei nicht ausreichend nachgewiesen. Die eingereichten Unterlagen enthielten keine Beweise, die gegen 1944 als Geburtsjahr sprächen. Die vom Kläger dagegen zum Sozialgericht Bayreuth erhobene Klage wurde im Einverständnis mit seinem Prozessbevollmächtigten als Widerspruch gewertet, der mit Widerspruchsbescheid vom 3. November 1993 zurückgewiesen wurde. Die Beklagte sah nach nochmaliger eingehender Überprüfung keine Veranlassung, dem Urteil des 6. Rechtsgerichts A. vom 24. Februar 1992 zu folgen, da dieses keine Tatsachen enthalte, welches die Änderung des Geburtsdatums nachvollziehbar belegen könne. Die Unrichtigkeit des Geburtsdatums werde auch nicht durch den Einwand, dass der Kläger 1956 und somit als erst Zwölfjähriger die Ehe geschlossen hätte, bewiesen. Wenn nach türkischem Recht in diesem Alter eine Eheschließung nicht möglich gewesen wäre, hätte schon zum Zeitpunkt der Eheschließung im Jahre 1956 die Eintragung im Personenstandsregister berichtigt werden müssen. Nach der neuesten Rechtsprechung des Bundessozialgericht (Urteil vom 13. Oktober 1992 - 5 RJ 16/92) sei das richtige Geburtsdatum in der Versicherungsnummer das bei dere Vergabe zugrunde gelegte Geburtsdatum, wenn dieses den im damaligen Zeitpunkt vom Versicherten gemachten Angaben entspreche und mit den damals von ihm vorgelegten Urkunden übereinstimme. Spätestens bei Prüfung der Versicherungsnummer am 4. Juni 1984 sei das Geburtsdatum 1944 belegt gewesen.

Gegen die Nichtänderung der Versicherungsnummer hat der Kläger Klage erhoben, die am 30. November 1993 beim Sozialgericht Augsburg einging und das Az.: S 15 AR 570/93 erhielt. Nach einem Hinweis der Vorsitzenden der 12. Kammer des SG Augsburg, dass am BSG mit dem Az.: 13 RJ 47/93 ein Revisionsverfahren zur Änderung des türkischen Geburtsdatums und der sich daran anschließenden beantragten Änderung der deutschen Versicherungsnummer anhängig sei, beantragten die Beteiligten das Ruhen des Verfahrens. Mit Beschluss vom 20. Juni 1994 wurde daraufhin das Ruhen des Verfahrens angeordnet.

Mit Schriftsatz vom 28. Mai 1999 hat der Klägerbevollmächtigte beantragt, das ruhende Verfahren wieder aufzunehmen. Das Verfahren wurde nunmehr mit dem Az.: S 3 RJ 357/99 fortgeführt. Der Klägerbevollmächtigte hat vorgetragen, da der 1934 das richtige Geburtsdatum des Klägers sei, habe dieser im Januar 1999 die Altersgrenze für die Altersrente erreicht. Der Antrag des Klägers auf Altersrente sei jedoch unter Hinweis auf § 33a SGB I abgelehnt worden, obwohl er auf das anhängige Klageverfahren hinsichtlich der Änderung der Versicherungsnummer hingewiesen habe. Es bestehe daher ein berechtigtes Interesse an der Fortsetzung des Verfahrens. Am 13. Dezember 1999 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers eine Einbürgerungsurkunde für den Kläger vom 1. Juni 1999 vorgelegt. Auf der Einbürgerungsurkunde ist als Geburtsdatum des Klägers der 1944 angegeben. Das Sozialgericht hat die Einbürgerungsakte über den Kläger beigezogen. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt und die Verbindung des vorliegenden Verfahrens mit dem Rechtsstreit des Klägers gegen die Entscheidung der Beklagten beantragt, mit dem der Antrag des Klägers auf Gewährung einer Altersrente abgelehnt worden war (Az.: S 3 RJ 835/00). Mit Beschluss vom 19. November 2001 hat das Sozialgericht die beiden Streitsachen S 3 RJ 835/00 und S 3 RJ 357/99 verbunden.

Am 22. März 1999 hatte der Kläger die Gewährung der Regelaltersrente wegen Vollendung des 65. Lebensjahres beantragt. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 5. Mai 1999 ab, weil die Anspruchsvoraussetzungen nicht erfüllt seien. Der Kläger habe das für die begehrte Altersrente maßgebende 65. Lebensjahr noch nicht vollendet. Nach § 33a Abs.1 SGB I sei unter anderem für den Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung grundsätzlich das zuerst angegebene Geburtsdatum maßgeblich. Bei Eintritt in die deutsche Rentenversicherung habe der Kläger den 1944 als Geburtsdatum angegeben. Davon dürfe gemäß § 33a Abs.2 SGB I nur dann abgewichen werden, wenn durch die Landesversicherungsanstalt festgestellt werde, dass ein Schreibfehler vorliege, oder sich aus einer Urkunde, deren Original vor Eintritt in die deutsche Rentenversicherung ausgestellt worden sei, ein anderes Geburtsdatum ergebe. Durch den Beschluss des türkischen Gerichts vom 24. Februar 1992 würden die Voraussetzungen des § 33a Abs.2 SGB I nicht erfüllt. Auch nach türkischem Sozialversicherungsrecht (Art.120 Gesetz 506) werde eine Änderung der Geburtsdaten nach dem Eintritt in die Versicherung nicht mehr anerkannt. Den dagegen eingelegten Widerspruch des Klägers wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 6. Juli 1999 zurück.

Die dagegen erhobene Klage ging am 3. August 1999 beim Sozialgericht Augsburg ein und erhielt zunächst das Az.: S 3 RJ 503/99. Auf Anregung des Gerichts haben die Beteiligten das Ruhen des Verfahrens beantragt. Mit Beschluss vom 29. Februar 2000 wurde daraufhin der Rechtsstreit bis zur Entscheidung des Verfahrens S 3 RJ 357/99 ausgesetzt. Am 1. Dezember 2000 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers jedoch die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Verbindung zu dem Verfahren mit Az.: S 3 RJ 357/99 beantragt. Das wiederaufgenommene Verfahren wurde mit dem Az.: S 3 RJ 835/00 fortgeführt und war Gegenstand des erwähnten Verbindungsbeschlusses vom 19. November 2001.

Mit Urteil vom 20. November 2001 ohne mündliche Verhandlung hat das Sozialgericht die Klage gegen die Bescheide vom 30. November 1992 und 5. Mai 1999 sowie die Widerspruchsbescheide vom 3. November 1993 und 6. Juli 1999 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die Neuvergabe einer Versicherungsnummer stelle einen Verwaltungsakt dar. Die vom Kläger erhobene kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage sei deshalb zulässig. Sie sei jedoch unbegründet, da der Kläger keinen Anspruch auf Änderung seiner Versicherungsnummer unter Berücksichtigung eines Geburtsdatums "1934" und auf Gewährung einer Regelaltersrente habe. Nach der Rechtsprechung des BSG sei das im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung geltende Recht maßgebend. Es sei deshalb die mit Wirkung vom 1. Juli 2000 in Kraft getretene Verordnung über die Versicherungsnummer, die Kontoführung und den Versicherungsverlauf in der gesetzlichen Rentenversicherung (VNrV) ebenso zugrunde zu legen, wie die am 1. Januar 1998 in Kraft getretene Vorschrift des § 33a SGB I. Die Beklagte sei nicht zur Berichtigung der Versicherungsnummer des Klägers verpflichtet, weil die Unrichtigkeit des darin enthaltenen Geburtsdatums des Klägers (§ 3 Abs.1 Satz 2 VNrV) nicht nachgewiesen sei. Nach § 33a Abs.1 SGB I sei, soweit Rechte oder Pflichten davon abhängig seien, dass eine bestimmte Altersgrenze erreicht oder nicht überschritten sei, das Geburtsdatum maßgebend, das sich aus der ersten Angabe des Berechtigten oder Verpflichteten oder seiner Angehörigen gegenüber einem Sozialleistungsträger oder, soweit es sich um eine Angabe im Rahmen des dritten oder sechsten Abschnittes SGB IV handle, gegenüber dem Arbeitgeber ergebe. Von einem nach Abs.1 maßgebenden Geburtsdatum dürfe nach Abs.2 der Vorschrift nur abgewichen werden, wenn der zuständige Leistungsträger feststelle, dass ein Schreibfehler vorliege, oder sich aus Urkunden, deren Original vor dem Zeitpunkt der Angabe nach Abs.1 ausgestellt worden sei, ein anderes Geburtsdatum ergebe. Diese Vorschrift stelle nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 14. März 2000 keinen Verstoß gegen Art.3 Abs.1 des Beschlusses Nr.3/80 des Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit der Mitgliedsstaaten der europäischen Gemeinschaften auf die türkischen Arbeitnehmer und auf deren Familienangehörige dar. Unstreitig habe der Kläger aber bei seinen ersten Angaben gegenüber der Beklagten als Sozialleistungsträger als Geburts- datum den 1944 angegeben. Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Neuvergabe der Versicherungsnummer mit dem nunmehr geltend gemachten Geburtsdatum 1934 würde voraussetzen, dass das bisher in der Versicherungsnummer verwendete Geburtsdatum im Sinne von § 33a Abs.2 SGB I unrichtig gewesen sei. Es sei jedenfalls nicht ersichtlich, dass es im Zusammenhang mit den ersten Angaben des Klägers hinsichtlich seines Geburtsdatums gegenüber einem deutschen Sozialleistungsträger zu einem Schreibfehler gekommen sei. Die vom Kläger zum Nachweis des Geburtsdatums 1934 vorgelegten Urkunden seien im Original nicht vor dem Zeitpunkt seiner Angaben nach Abs.1 des § 33a SGB I ausgestellt. Das Urteil des 6. Rechtsgerichts erster Instanz von A. bzw. der korrigierte Reisepass des Klägers wurden erst nach 1970, nämlich 1992, ausgestellt. Der Argumentation des Klägers, dass er bei einem Geburtsdatum 1944 im Alter von nur zwölf Jahren 1956 geheiratet habe, gehe ins Leere. Das Datum der Eheschließung möge durchaus Zweifel an der Richtigkeit des Geburtsdatums 1944 begründen. Es beweise aber nicht, dass der Kläger 1934 geboren sei. Dagegen spreche, dass seine Geburt erst am 25. Oktober 1948 zusammen mit der von H. (geboren 1947) im Geburtsregister eingetragen worden sei. Wäre er tatsächlich 1934, also zeitlich zwischen O. (geboren 1932) und B. (geboren 1937) auf die Welt gekommen, hätte es nahe gelegen, seine Geburt bereits zusammen mit der von O. und B. , also am 17.07.1944 (im Urteil steht als Schreibfehler 1994), ins Geburtsregister eintragen zu lassen.

Die gegen das am 23. November 2001 zugestellte Urteil eingelegte Berufung des Klägers ging am 28. Dezember 2001 beim Bayer. Landessozialgericht ein. Zur Begründung der Berufung hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers vorgetragen, das eingetragene Geburtsdatum des Klägers sei falsch. Hierzu habe der Kläger im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens vor dem Gericht in A. genügend Beweise erbracht. Die Entscheidung des Gerichtes in A. sei zwar für den deutschen Rentenversicherungsträger nicht bindend. Die vorgetragenen und erhobenen Beweise bestätigten aber, dass das Geburtsdatum 1944 falsch und das Geburtsdatum 1934 richtig sei. Für die Richtigkeit der Behauptung des Klägers spreche vor allem, dass seine Ehefrau im Jahre 1934 geboren sei. Nach der Eintragung im Personenstandsregister hätte der Kläger im Alter von zwölf Jahren am 12. Oktober 1956 eine Frau geheiratet, die damals bereits 22 Jahre alt gewesen sei. Damit sei der Kläger damals noch nicht einmal ehemündig gewesen. Auch die Staatsanwaltschaft habe im Verfahren in A. vorgetragen, dass die Eintragung versehentlich auf 1944 erfolgt sei. Dass ein Versehen vorliege, ergebe sich auch daraus, dass der Kläger am gleichen Tag mit zwei weiteren Brüdern beim Geburtenregister angemeldet worden sei. Es sei seinerzeit in der Türkei wohl nicht üblich gewesen, jede Geburt sofort und zeitnah in das Geburtsregister eintragen zu lassen. Der Kläger habe angeboten, durch ein Gutachten eine Altersfeststellung vornehmen zu lassen. § 33a SGB I sei verfassungswidrig, da er zu eng gefasst sei und nicht den Beweis des Gegenteils zulasse, dass tatsächlich ein anderes Alters vorliege. Diese Vorschrift lasse es auch nicht zu, dass dann - wenn etwa ein späteres Geburtsdatum zurückdatiert werde - dieses nicht korrigiert werden könne. Die einzige Ausnahme sei das angeführte Schreibversehen. Der Ausschluss von sämtlichen Berichtigungsgründen, bis auf Schreibfehler oder ältere Dokumente, sei zu eng gefasst. Bei Erreichen der Altersgrenze bestehe ein Anspruch auf Regelaltersrente. Maßgeblich sei das Erreichen eines bestimmten tatsächlichen Lebensalters. Durch die Fassung des § 33a SGB I sei es dem Kläger verwehrt, anders als durch den Nachweis eines Schreibfehlers das Erreichen der Altersgrenze nachzuweisen.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 20.11.2001 sowie der Bescheide vom 30.11.1992 und 05.05.1999 in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 03.11.1993 und 06.07.1999 zu verpflichten, dem Kläger eine neue Versicherungsnummer unter Zugrundelegung des Geburtsdatums 1934 zu erteilen und ihm aufgrund des Antrags vom 22.03.1999 die Regelaltersrente zu gewähren; hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Berufungsbegründung weise keine neuen Gesichtspunkte auf, die zu einer Änderung gegenüber der bisherigen Beurteilung führen könnten. Ein offensichtlicher Schreibfehler des Geburtsdatums sei nach den Unterlagen nicht ersichtlich. Auch aus einer Urkunde, deren Original vor dem Zeitpunkt der Angabe des Geburtsdatums gegenüber einem Sozialleistungsträger ausgestellt worden sei, ergebe sich kein anderes Geburtsdatum. Nach der zutreffenden Auffassung des Sozialgerichts beweise auch der Hinweis auf das Datum der Eheschließung nicht die Richtigkeit des hier behaupteten Geburtsdatums. Gemäß der Bestimmung des § 33a SGB I sei es unerheblich, ob das erstmalig angegebene Geburtsdatum fraglich erscheine. Nach der Rechtsprechung des BSG komme den Gesichtspunkten der Verwaltungspraktikabilität der an sich neutralen Regelung des § 33a SGB I der Vorrang gegenüber den Interessen des Klägers zu. Der Gesetzgeber habe somit die unbedingte Anknüpfung an das wahre Geburtsdatum aufgegeben. Es beständen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass § 33a SGB I verfassungswidrig sein könnte. Insoweit werde auf die Rechtsprechung des BSG hingewiesen, wonach diese Vorschrift weder gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht bzw. das Recht auf informationelle Selbstbestimmung im Sinne des Art.2 Abs.1 i.V.m. Art.1 Abs.1 Grundgesetz noch gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art.3 Abs.1 Grundgesetz noch gegen Art.14 Abs.1 Grundgesetz verstoße. Allein aus der Verpflichtung, mit einer Versicherungsnummer leben zu müssen, die das Geburtsdatum der ersten Angabe wiedergebe, könne kein Verstoß gegen Verfassungsrecht ersichtlich sein.

Dem Senat liegen die Verwaltungsakten der Beklagten, die Klageakten des SG Augsburg (Az.: S 9 U 400/95, S 3 RJ 835/00 und S 3 RJ 357/99) sowie die Berufungsakte (Az.: L 5 RJ 731/01) vor. Auf deren Inhalt, insbesondere den der vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten, wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte sowie statthafte Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch unbegründet.

Das Sozialgericht hat mit dem angefochtenen Urteil vom 20. November 2001 zu Recht die Klagen gegen den Bescheid der Beklagten vom 30. November 1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. November 1993 und den Bescheid vom 5. Mai 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Juli 1999 abgewiesen, da der Kläger weder einen Anspruch auf Änderung der Versicherungsnummer noch einen Anspruch auf Gewährung der Regelaltersrente ab dem 1. Februar 1999 hat. Dabei ist die Begründung in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils sowohl im Lösungsweg als auch inhaltlich zutreffend, so dass gemäß § 153 Abs.2 SGG in dem Urteil von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden kann. Das Sozialgericht hat sich mit dem Vorbringen des Klägers auseinander gesetzt und der Kläger trägt zur Begründung seiner Berufung keine wesentlich neuen Gesichtspunkt vor, die noch nicht hinreichend gewürdigt worden sind.

Ergänzend hierzu ist erneut darauf hinzuweisen, dass nach der Entscheidung des BSG vom 5. April 2001 (SozR 3-1200 § 33a Nr.4) bei der gerichtlichen Entscheidung über eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage das zum Zeitpunkt der letzten instanzlichen Entscheidung geltende Recht maßgebend ist. Die Verpflichtung der Beklagten, eine neue Versicherungsnummer zu erteilen, ist notwendig in die Zukunft gerichtet. Für die Vergangenheit kann eine Versicherungsnummer nicht vergeben werden. Zutreffend hat das Sozialgericht deshalb die mit Wirkung vom 1. Juli 2000 in Kraft getretene Verordnung über die Versicherungsnummer, die Kontoführung und den Versicherungsverlauf in der gesetzlichen Rentenversicherung (Versicherungsnummernverordnung - VNrV), die zum 30. März 2001 geändert wurde, sowie die am 1. Januar 1998 in Kraft getretene Vorschrift des § 33a SGB I zugrunde gelegt. Nach § 147 Abs.2 SGB VI setzt sich die Versicherungsnummer einer Person aus der Bereichsnummer des die Versicherungsnummer vergebenden Trägers der Rentenversicherung, dem Geburtsdatum, dem Anfangsbuchstaben des Geburtsnamens, der Seriennummer, die auch eine Aussage über das Geschlecht einer Person enthalten darf, und der Prüfziffer zusammen. § 152 Nr.3 SGB VI ermächtigt den Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere über die Zusammensetzung der Versicherungsnummer sowie über ihre Änderung zu bestimmen. Auf dieser Ermächtigungsgrundlage beruht die Versicherungsnummernverordnung. Für die zwischen den Beteiligten streitige Vergabe einer neuen Versicherungsnummer wegen Unrichtigkeit des in der bisherigen Versicherungsnummer eingetragenen Geburtsdatums ist § 3 Abs.1 VNrV einschlägig. Ob eine Versicherungsnummer im Sinne des § 3 Abs.1 Satz 2 VNrV unrichtig ist, bestimmt sich nach § 33a SGB I, der mit Art.2 des Ersten Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (Erstes SGB III Änderungsgesetz) vom 16. Dezember 1997 eingefügt wurde. Nach dieser Vorschrift ist, soweit Rechte oder Pflichten davon abhängig sind, dass eine bestimmte Altersgrenze erreicht oder nicht überschritten ist, das Geburtsdatum maßgebend, das sich aus der ersten Angabe des Berechtigten oder Verpflichteten oder seiner Angehörigen gegenüber einem Sozialleistungsträger oder, soweit es sich um eine Angabe im Rahmen des dritten oder sechsten Abschnittes des Vierten Buches Sozialgesetzbuch handelt, gegenüber dem Arbeitgeber ergibt. Von einem nach Abs.1 maßgebenden Geburtsdatum darf gemäß Abs.2 nur abgewichen werden, wenn der zuständige Leistungsträger feststellt, dass ein Schreibfehler vorliegt, oder sich aus einer Urkunde, deren Original vor dem Zeitpunkt der Angabe nach Abs.1 ausgestellt worden ist, ein anderes Geburtsdatum ergibt. Die Absätze 1 und 2 gelten gemäß Abs.3 auch für Geburtsdaten, die Bestandteil der Versicherungsnummer oder eines anderen in den Sozialleistungsbereichen des Sozialgesetzbuches (SGB) verwendeten Kennzeichen sind, entsprechend.

Unstreitig hat der Kläger gegenüber der Beklagten vor Juni 1992 als Geburtsdatum stets den 1944 angegeben. Dies ergibt sich aus den Akten der Beklagten. Der Kläger hat am 28. Januar 1988 bei der Beklagten um eine Rentenauskunft gebeten. In den Unterlagen zu diesem Verfahren befindet sich eine Kopie des vom Kläger vorgelegten Passes mit dem eingetragenen Geburtsdatum 1944. Außerdem befindet sich in diesen Unterlagen ein von der AOK Memmingen vorgelegter Auszug aus dem türkischen Einwohnerbuch vom 24. April 1984, in dem ebenfalls als Geburtsdatum des Klägers der 1944 angegeben ist. Auch in den vom Kläger zunächst vorgelegten Unterlagen zu seinem Rentenantrag vom 21. Oktober 1991, einem erneuten Auszug aus dem türkischen Einwohnerbuch vom 17. Dezember 1991, einem türkischen Versicherungsausweis und dem vom Kläger unterschriebenen Rentenantrag, ergibt sich das Geburtsdatum 1944. Von einem Schreibfehler kann deshalb bei der Festlegung der Versicherungsnummer 18.010144.0389 nicht die Rede sein. Die vom Kläger selbst bzw. über die AOK Memmingen bzw. seinen Arbeitgeber frühestens seit Juni 1992 vorgelegten neuen Urkunden, aus denen sich ein Geburtsdatum 1934 ergibt, stammen im Original alle nach einem Zeitpunkt der früheren Angaben des Klägers über sein Geburtsdatum gegenüber der Beklagten. Das Urteil des 6. Rechtsgerichts erster Instanz in A. stammt vom 24. Februar 1992. Die vom Kläger vorgelegte Familienstandsbescheinigung des Standesamtes in M. im Kreis S. in der Provinz A. stammt vom 17. Oktober 1992 und enthält den Vermerk, dass der Kläger sein Geburtsdatum durch einen Beschluss der 6. Kammer des Gerichts in A. hat ändern lassen, der am 10. April 1992 rechtskräftig wurde. Damit handelt es sich eindeutig nicht um eine Urkunde, deren Original vor dem Zeitpunkt der Angabe nach § 33a Abs.1 SGB I ausgestellt worden ist. Der Kläger hat deshalb keinen Anspruch auf Änderung der Versicherungsnummer gemäß § 152 Nr.3 SGB VI i.V.m. § 3 Abs.1 der Versicherungsnummernverordnung und § 33a Abs.3 SGB I. Er hat auch keinen Anspruch auf eine Regelaltersrente gemäß § 35 SGB VI, da er das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Hierfür ist nach § 33a Abs.1 SGB I das Geburtsdatum maßgeblich, das sich aus der ersten Angabe des Klägers gegenüber der Beklagten ergibt.

Der Senat sieht in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes keine grundsätzlichen Bedenken verfassungsrechtlicher oder europarechtlicher Art gegen die Vorschrift des § 33a SGB I (s. BSG-Urteil vom 5. April 2001 a.a.O. mit weiteren Hinweisen).

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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