L 11 KR 2864/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 7 KR 5494/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 2864/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 24.06.2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin einen Anspruch darauf hat, auf Kosten der Beklagten in einem Krankenhaus eine Straffung der Haut an ihren Oberschenkeln sowie ihrer Brüste durchführen zu lassen.

Die 1963 geborene Klägerin (zuletzt 171 cm, 70,3 kg) war als Sekretärin beschäftigt. Bei ihr wurde im Jahr 2004 ein inoperabler Tumor im Bereich des linken Nervus opticus festgestellt. Aufgrund der durchgeführten Cortisonbehandlung nahm sie ca 40 kg an Gewicht zu. Nach Beendigung der Cortisontherapie nahm sie dieses Gewicht durch Diät und Sport wieder ab. Die Haut an Brüsten, Schenkeln und Bauch blieb schlaff; Hautüberschüsse bzw Hautfalten blieben bestehen. Eine Straffung der Bauchhaut erfolgte 2008 auf Kosten der Klägerin. Die Klägerin ist aufgrund ihrer Tumorerkrankung berufsunfähig, das linke Auge ist mit einer Glasschale versorgt.

Am 11.05.2009 beantragte die Klägerin bei der Beklagten (erneut) die Kostenübernahme für eine Brust- und Oberschenkelstraffung. Die Hautlappen würden immer schlimmer. Besonders an den Schenkeln sei die Haut so schlaff, dass sie schwabbele und runter hänge. Beim Gehen und Sport störe dies sehr. Auch liege ein Missgefühl an diesen Stellen vor. Durch Training und Gymnastik könne sie dies nicht beheben. An den Innenschenkeln und am Gesäß habe sich eine starke Akne inversa gebildet die auf die Hautfalten und das schlechte Gewebe zurückzuführen sei. Ein erstes Ekzem habe sie auch schon unter der Brust gehabt. Die tägliche Einnahme von 6 x 600 Ibuprofen gegen die Schmerzen unterstütze diesen negativen Effekt an der Haut. Dasselbe gelte für die Brust, wo leere Hauttaschen sie sehr behinderten. Als BH-Größe trage sie 80 D; Größe D um die Hautlappen darin unterzubringen, zu positionieren und dann eingequetscht in einen Panzer den Tag zu verbringen. Abends habe sie rote Striemen und feuchte Hautfalten. Im Sommer sei ein täglich mehrmaliges Wechseln des BHs unabdingbar, weil dieser durch die doppelte Wärme vom Quetschen und Klima nass sei. Hautirritationen blieben auch unter der Brust nicht aus. Ihre Lebensqualität, ihr Lebensmut seien durch den ruinierten Körper massiv eingeschränkt. Sie habe dagegen angekämpft, habe wieder abgenommen, treibe viel Sport und ernähre sich gesund. Sie wolle nicht dafür bestraft werden, einen Tumor zu haben. Sie fühle sich trotz des Tumors jünger, aber "mein Körper ist nicht mehr meiner". Sie hasse es, sich im Spiegel zu sehen und zeige sich schon gar nicht einem Mann oder im Schwimmbad. Die sozialen und zwischenmenschlichen Kontakte seien zum Erliegen gekommen. Sie könne das nicht mehr lange ertragen. Der Tumor könne jederzeit wieder wachsen.

Die Universitätsklinik F. empfahl mit Arztbericht vom 27.04.2009 eine Hautstraffung an beiden Oberschenkeln und eine Bruststraffung. Der Facharzt für Psychotherapeutische Medizin und Psychiatrie R. K. bescheinigte in seinem Schreiben an die Beklagte vom 24.04.2009 der Klägerin, die sich am 23.04.2009 erstmalig vorgestellt habe, eine mittelgradige depressive Episode bei starker psychischer Belastung infolge der Tumorerkrankung und einer starken Einschränkung der Lebensqualität infolge der körperlichen Veränderungen, die als Nebenwirkungen der Tumorbehandlung aufgetreten seien. Dabei spiele die Lebenseinstellung der Klägerin insofern eine große Rolle, als diese auch schon vor der Erkrankung sehr körperbewusst und sportlich gewesen sei.

Im Auftrag der Beklagten untersuchte Dr. A. vom MDK die Klägerin und führte in seinem Gutachten vom 23.06.2009 aus, bei der Klägerin bestehe eine mittelstarke Hypertrophie, eine Ptosis Grad I ohne therapieresistenten dermatologischen Befund in der Submammärfalte, eine Akne inversa im Bereich der Leisten, eine deutliche Laxheit der Haut im Bereich der Oberschenkel und eine leichte Laxheit der Haut an den Oberarmen, jeweils ohne Funktionseinschränkung. Es bestehe eine Normvariante der Natur und kein regelwidriger Körperzustand an der Brust; dieser erfordere keine operative Behandlung. Auch im Bereich der Arme und Beine seien Funktionseinschränkungen nicht zu erkennen. Die Akne inversa im Bereich der Leisten werde dermatologisch behandelt. Es liege keine Krankheit im Sinne des SGB V vor.

Mit Bescheid vom 25.06.2009 lehnte die Beklagte die Erbringung der begehrten Hautstraffung ab. In ihrem hiergegen gerichteten Widerspruch vom 07.07.2009 führte die Klägerin ua aus, bei der Untersuchung durch den MDK habe sie zwar keine aktive Akne gehabt aber zwei, drei Beulen, die mittlerweile auch aufgebrochen seien. Sie sei froh, wenn sie einmal ein paar Tage keine aktiven Ekzeme habe, mit denen sei kaum laufen oder sitzen könne.

Mit Widerspruchsbescheid vom 05.11.2009 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch zurück. Eine Krankheit sei ein über kosmetische Defizite hinausgehender regelwidriger Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedürfe. Die Rechtsprechung des BSG habe diese Grundvoraussetzung für die krankenversicherungsrechtliche LeistungspfL. dahingehend präzisiert, dass eine Krankheit nur vorliege, wenn der Versicherte in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt werde oder wenn die anatomische Abweichung entstellend wirke. Um eine Entstellung annehmen zu können, müsse es sich objektiv um eine erhebliche Auffälligkeit handeln, die naheliegende Reaktionen der Mitmenschen wie Neugier oder Betroffenheit und damit zugleich erwarten lasse, dass die Betroffene ständig viele Blicke auf sich ziehe, zum Objekt besonderer Beachtung anderer werde und sich deshalb aus dem Leben in der Gemeinschaft zurückzuziehe und zu vereinsamen drohe, so dass die Teilnahme am Leben gefährdet sei. Um eine Auffälligkeit eines solchen Ausmaßes zu erreichen, müsse eine beachtliche Erheblichkeitsschwelle überschritten sein. Die bei der Klägerin betroffenen Körperteile würden üblicherweise durch Kleidung bedeckt. Insoweit könne bereits deswegen nicht von einer körperlichen Auffälligkeit gesprochen werden, die regelmäßig ständig viele Blicke auf sich ziehe. Soweit die Klägerin durch ihr Aussehen psychisch sehr belastet sei, sei dies ausschließlich mit den Mitteln der Psychiatrie und Psychotherapie zu behandeln. Die LeistungspfL. der Krankenkasse umfasse dann nur diese Maßnahme, nicht jedoch die Kostenübernahme für einen operativen Eingriff in einen regelgerechten Körperzustand, um auf diesem Wege eine psychische Störung zu beheben oder zu lindern.

Hiergegen hat die Klägerin am 04.12.2009 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage erhoben und ihr Begehren fortgeführt. Die Beseitigung der überschießenden bzw überhängenden Hautlappen sei notwendig. Zur Unterstützung ihres Begehrens hat sie umfangreiche ärztliche Berichte, ua der Universitätsklinik F., des Städtischen Klinikums K., von Dres. G., K., B., sowie Prof. Dr. O. sowie eine Fotodokumentation ihrer Hautfalten vorgelegt; wegen des Inhalts wird auf Blatt 30 bis 71, 80a bis 133 der SG-Akte Bezug genommen.

Das SG hat Beweis erhoben durch schriftliche Befragung der die Klägerin behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Wegen des Inhalts und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Blatt 143 bis 146 Bezug genommen. Die Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. Z. hat dem SG mit Schreiben vom 26.02.2010 mitgeteilt, die Klägerin sei seit 17.02.2006 in regelmäßigen Abständen (alle vier bis sechs Wochen) in hausärztlicher Betreuung. Auf Grund der starken, medikamentös bedingten Gewichtsschwankungen bestehe ein ausgeprägter Hautüberschuss an beiden Oberschenkeln sowie ein starkes Herabhängen beider Brüste. Eine derartig ausgeprägte Hautüberdehnung sei im Alter von Mitte 40 nicht vorübergehend und werde sich nicht ohne chirurgische Therapie zurückbilden. Da zum jetzigen Zeitpunkt nicht davon auszugehen sei, dass eine erneute Cortisontherapie notwendig werde, könne man nicht von einer rezidivierenden Problematik sprechen. Die Klägerin leide unter den Therapiefolgen ihrer Erkrankung. Eine Korrektur erscheine auch aus hausärztlicher Sicht sinnvoll und verhältnismäßig. Dr. L.-M., Dermatologin, hat dem SG mit Schreiben vom 03.03.2010 mitgeteilt, dass inguinal beidseits, anal und perianal ausgeprägte Narben (Zustand nach Abszessen) und ein aktiver geröteter Abszessknoten bestehe. Es lägen Akne inversa, Aknenarben, Wundheilungsstörung und anamnestisch ein Augentumor mit oraler Kortisontherapie vor. Eine Ptosis mammae, Mammahypertrophie oder Oberschenkel-Hautüberschüsse gehörten nicht zu ihrer Befundung und überschritten ihr Fachgebiet. Die Akne inversa sei nach Angaben der Klägerin seit 4 Jahren vorhanden, mit Abszessbildungen jeden Monat. Das entspreche einer starken Akne inversa, wozu auch die ausgeprägte Vernarbung passe.

Mit Gerichtsbescheid vom 24.06.2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Kostenübernahme für die operative Straffung von Brust und Oberschenkeln. Eine behandlungsbedürftige Krankheit liege hinsichtlich der Ptosis mammae und der Hautüberschüsse trotz der aus diesen folgenden psychischen Beeinträchtigung nicht vor. Auch habe das Gericht bei Inaugenscheinnahme im Erörterungstermin keine Entstellung der betroffenen, üblicherweise durch Kleidung bedeckten Körperteile im bekleideten Zustand feststellen können. Allein dies sei aber der Maßstab für die Indikation zur Operation einer körperlichen Anomalität ohne Krankheitswert. Für eine medizinische Indikation zur Operation der Hautüberschüsse zur Behandlung einer Hauterkrankung hätten die medizinischen Ermittlungen keine hinreichenden Befunde ergeben. Die Hauterkrankung sei weder hinreichend erheblich, um eine Indikation für die beantragte Operation begründen zu können, noch sei die Ursächlichkeit dargetan.

Gegen den ihrem Prozessbevollmächtigten am 30.06.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 08.07.2011 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) Berufung eingelegt. Das SG verkenne, dass es nicht nur darauf ankommen könne, ob die betroffenen Körperteile normalerweise bedeckt seien und dass keine medizinische Indikation zur Behandlung der Hauterkrankung gegeben sei. Vielmehr müsse berücksichtigen werden, dass sie de facto psychische Beeinträchtigungen durch die Ptosis mammae und die Hautüberschüsse habe, was ein Krankheitsbild darstelle und dieses Krankheitsbild durch die Behebung der Ursache bekämpft werden müsse. Auch seien die Ptosis mammae und die Hautüberschüsse sehr wohl selbst Krankheiten iS eines regelwidrigen Körperzustandes, die einzig und allein durch Operationen beseitigt werden könnten. Nur die Operationen könnten ihr die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben, zu dem auch der Besuch von Badeanstalten in Badekleidung gehöre, in adäquater Weise ermöglichen. Die Behandlung der Hauterkrankung sei keineswegs die einzige medizinische Indikation zur Beseitigung der Hautüberschüsse. Von Bedeutung seien auch der Tumor, das geschädigte Auge sowie ihre persönliche Situation und psychische Verfassung. Sie müsse für den Rest ihres Lebens mit einem Auge zurechtkommen, das andere Auge schmerze ständig und sei blind. Aus diesen Gründen benötige sie wenigstens ein hinnehmbares äußeres Erscheinungsbild. Ihre Ehe existiere nur noch auf dem Papier, da es ihr nicht möglich sei, ihren Körper vor jemandem zu zeigen. Es gehe ihr nicht nur darum, ins Schwimmbad gehen zu können, sie fühle sich nicht in der Lage, sich vor jemanden ausziehen, nicht einmal nur die Hose oder das Shirt in der Umkleidekabine beim Sport. Sie benötige die bei der Beklagten beantragte Hilfe um ihr Leben menschenwürdig gestalten zu können.

Mit Schriftsatz vom 18.08.2011 hat die Klägerin mitgeteilt, die anatomischen Abweichungen wirkten äußerlich entstellend. Die körperliche Anomalität habe eine solche Auffälligkeit, dass sie ständig viele Blicke auf sich ziehe, sie zum Objekt besonderer Betrachtung anderer werde, sich deshalb aus dem Leben in der Gemeinschaft bereits zurückgezogen habe und zu vereinsamen drohe. Sie könne wegen der Blicke auf sich ziehenden Hautlappen nicht in Sommerbekleidung aus dem Haus gehen, sondern müsse auch bei hochsommerlichen Temperaturen am Dekolleté und den Beinen körperlich vollständig verhüllt das Haus verlassen. Dasselbe gelte für die Teilnahme am gemeinschaftlichen Sport, wo sie sich nicht vor anderen Teilnehmern umziehen bzw angemessene Sportkleidung tragen könne. Bei ihr stehe aus medizinischer Sicht zu erwarten, dass sie mit Durchführung der begehrten Operationen auch psychisch wieder ins Gleichgewicht komme.

Mit Schriftsatz vom 04.06.2012 hat die Klägerin auf die Entscheidung des SG Chemnitz vom 01.03.2012 (S 10 KR 189/19) hingewiesen, wonach die Krankenkasse zur Fettabsaugung verpfL.et sei.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 24.06.2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 25.06.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.11.2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten für eine Brust- und Oberschenkelstraffung zu übernehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Das Vorhandensein einer anderen belastenden Erkrankung, hier det Tumor am Auge, könne nicht die fehlende Indikation für die begehrte Hautstraffungsoperationen ersetzen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 144 Abs 1 SGG statthafte Berufung ist form- und fristgerecht § 151 Abs 1 SGG eingelegt. Sie ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1, 1. Alt, Abs 4 SGG) ist der die Kostenübernahme für eine Straffung der Oberschenkel und der Brüste versagende Bescheid der Beklagten vom 25.06.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.11.2009. Dieser Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten für die operative begehrte Straffung von Oberschenkeln und Brüsten.

Nachdem die Klägerin die begehrte, in einem Krankenhaus stationär durchzuführende Behandlung noch nicht begonnen bzw beschafft hat, richtet sich ihr Begehren nicht auf Kostenerstattung iSd § 13 Abs 3 SGB V. Vielmehr macht die Klägerin in der Sache einen Sachleistungsverschaffungsanspruch geltend. Ein solcher steht ihr hinsichtlich der Straffung an Oberschenkeln und Brüsten nicht zu.

Nach § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst nach § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 5 SGB V auch die Krankenhausbehandlung.

Die Klägerin hat nach § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn diese notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Krankheit im Sinne dieser Norm ist ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht (stRspr, BSG 28.02.2008, B 1 KR 19/07 R, SozR 4-2500 § 27 Nr 14 = juris; (BSG 30.09.1999, B 8 KN 9/98 KR R, BSGE 85, 36, 38 = juris; BSG 10.02.1993, 1 RK 14/92, BSGE 72, 96, 98 = juris). Dabei kommt nicht jeder körperlichen Unregelmäßigkeit Krankheitswert zu. Eine Krankheit liegt insoweit nur dann vor, wenn der Versicherte in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder wenn die anatomische Abweichung entstellend wirkt (BSG 19.10.2004, B 1 KR 3/03 R, SozR 4-2500 § 27 Nr 3 = jurs).

Bei der Klägerin liegen im Hinblick auf die begehrte Operation eine generalisierte Cutis laxa (starke Erschlaffung der Haut) in Folge der starken Gewichtszunahme unter Cortisontherapie sowie anschließender diätischer Gewichtsreduktion (vgl Bericht der Universitätsklinik F. vom 11.03.2008, Blatt 39, 40 der SG-Akte), eine Ptosis mammae sowie Akne inversa, Aknenarben und Wundheilungsstörungen vor. Des Weiteren wird eine mittelgradige depressive Episode angegeben (vgl Attest Herr K. vom 24.04.2009). Eine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des Körpers und einzelner seiner Teile durch diese Erkrankungen besteht nicht. Die Hauterschlaffung ist auf die erhebliche Gewichtsabnahme nach Absetzen der Cortsonbehandlung zurückzuführen (Bericht der Universitätsklinik F. vom 11.03.2008, Blatt 39, 40 der SG-Akte). Die durch das Tragen des BHs auftretenden Druckstellen haben keinen Krankheitswert; derartige Druckmarken können auch bei normaler Haut beim Tragen entsprechender Kleidungsstücke auftreten.

Krankheitswert könnte der Hauterschlaffung bzw den Hautfalten iS einer generalisierten Cutis laxa und der Ptosis mammae allenfalls dann zukommen, wenn dauerhaft therapieresistente Hautreizungserscheinungen wie Pilzbefall, Sekretionen oder entzündliche Veränderungen vorlägen. Solche konnten weder vom Gutachter Dr. A. noch von den behandelnden Ärzten festgestellt werden. Zwar wurde von Dr. Z. und Dr. L.-M. von einer (starken) Akne inversa berichtet, doch konnten diese Akneherde jeweils mit herkömmlichen ambulanten Behandlungsmethoden ausreichend und erfolgreich behandelt werden. Sie erfordern für sich keine stationäre Krankenhausbehandlung zur Entfernung der Hauterschlaffung bzw der Hautfalten.

Damit könnten die bei der Klägerin vorhandenen Hauterschlaffungen bzw Hautfalten im Sinne einer körperlichen Unregelmäßigkeit nur dann eine Krankheit iSd § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V begründen, wenn die anatomische Abweichung entstellend wirken würde. Davon konnte sich der Senat aber nicht überzeugen.

Um eine solche Entstellung annehmen zu können (dazu vgl Senatsurteil vom 23.02.2010, L 11 KR 4761/09, juris) genügt nicht jede körperliche Anomalität. Vielmehr muss es sich objektiv um eine erhebliche Auffälligkeit handeln, die naheliegende Reaktionen der Mitmenschen wie Neugier oder Betroffenheit und damit zugleich erwarten lässt, dass die Betroffene ständig viele Blicke auf sich zieht, zum Objekt besonderer Beachtung anderer wird und sich deshalb aus dem Leben in der Gemeinschaft zurückzuziehen und zu vereinsamen droht, sodass die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft gefährdet ist (BSG 28.02.2008, B 1 KR 19/07 R, SozR 4-2500 § 27 Nr 14 = juris). Um eine Auffälligkeit eines solchen Ausmaßes zu erreichen, muss eine beachtliche Erheblichkeitsschwelle überschritten sein: Es genügt nicht allein ein markantes Gesicht oder generell die ungewöhnliche Ausgestaltung von Organen, etwa die Ausbildung eines sechsten Fingers an einer Hand. Vielmehr muss die körperliche Auffälligkeit in einer solchen Ausprägung vorhanden sein, dass sie sich schon bei flüchtiger Begegnung in alltäglichen Situationen quasi "im Vorbeigehen" bemerkbar macht und regelmäßig zur Fixierung des Interesses anderer auf den Betroffenen führt. Dies gilt gerade auch vor dem Hintergrund, dass die Rechtsordnung im Interesse der Eingliederung behinderter Menschen fordert, dass Nichtbehinderte ihre Wahrnehmung von Behinderung korrigieren müssen. Die Rechtsprechung hat als Beispiele für eine Entstellung zB das Fehlen natürlichen Kopfhaares bei einer Frau oder eine Wangenatrophie oder Narben im Lippenbereich angenommen oder erörtert. Dagegen hat das BSG bei der Fehlanlage eines Hodens eines männlichen Versicherten eine Entstellung nicht einmal für erörterungswürdig angesehen und eine Entstellung bei fehlender oder wenig ausgeprägter Brustanlage unter Berücksichtigung der außerordentlichen Vielfalt in Form und Größe der weiblichen Brust revisionsrechtlich abgelehnt (BSG 19.10.2004, B 1 KR 3/03 R, SozR 4-2500 § 27 Nr 3 = juris). Die Feststellung, dass im Einzelfall ein Versicherter wegen einer körperlichen Anormalität an einer Entstellung leidet, ist in erster Linie Tatfrage (zum Ganzen BSG 28.02.2008, aaO).

Ausgehend von diesen Maßstäben handelt es sich im Fall der Klägerin, wie Dr. A. vom MDK zu Recht ausgeführt hat, um eine Normvariante der Natur und keinen regelwidrigen, mithin krankhaften Körperzustand. Die Klägerin hat zwar sinngemäß ausgeführt, sie empfinde ihre Erscheinung als Entstellung und wolle sich deswegen nicht unbekleidet zeigen, was Auswirkungen auf ihr Freizeit- und sonstiges soziales, auch eheliches Verhalten habe. Auch weiche ihr Körperzustand in entblößtem Zustand optisch vom Zustand einer gleichalterigen Person ab. Doch ist für die vorliegend vorzunehmende Beurteilung einer Entstellung nicht auf den entblößten Zustand und eine im konkreten Einzelfall stattfindende eingehende Betrachtung der Klägerin durch Dritte abzustellen. Vielmehr ist von der Situation "flüchtiger Begegnung in alltäglichen Situationen quasi im Vorbeigehen" (BSG 28.02.2008, aaO) auszugehen. Auch ist für die Annahme einer Regelabweichung nicht die subjektive Betrachtungsweise des betroffenen Versicherten, sondern allein ein objektiver Maßstab entscheidend. Danach liegt eine schwere Entstellung erst dann vor, wenn sie bei Menschen, die nur selten Umgang mit Behinderten haben, üblicherweise Missempfinden, wie Erschrecken oder Abscheu oder eine anhaltende Abneigung auszulösen vermögen. Hierbei fallen regelmäßig von Kleidung verdeckte Anomalien nicht ins Gewicht. Insoweit ist es Versicherten durchaus zuzumuten Hosen und Oberkleidung mit geschlossenem Dekolleté zu tragen – und zwar auch bei schönem Wetter (Sächsisches LSG 22.03.2006, L 1 KR 15/05, juris; so auch schon Senatsurteil vom 28.07.2004, L 11 KR 896/04, juris RdNr 22). Dass der Klägerin das Tragen geeigneter Kleidung unzumutbar ist, hat sie weder vorgetragen, noch ist dies für den Senat ersichtlich. Auch ist zu berücksichtigen, dass sich die Klägerin nicht tatsächlich aus dem sozialen Leben in der Gemeinschaft zurückgezogen hat; dies wird auch durch die vielfältigen sportlichen Aktivitäten der Klägerin verdeutlicht ...

Auch mit den von Herrn K. angegebenen psychischen Beschwerden lässt sich die Notwendigkeit der Operationen nicht begründen. Denn auch wenn die psychische Erkrankung vorhanden wäre und im Zusammenhang mit der Erschlaffung der Haut stehen sollte, führte dies nicht dazu, dass deswegen ein Anspruch auf die Beseitigung der Hautfalten und Hauterschlaffungen bestünde. Insoweit können Versicherte grundsätzlich nur Maßnahmen der Krankenbehandlung in Anspruch nehmen, die unmittelbar an der eigentlichen Erkrankung ansetzen. Psychische Störungen sind danach in der Regel nur mit den Mitteln der Psychiatrie und Psychotherapie zu behandeln. Es würde zu einer mit der Vorschrift des § 27 SGB V und dem in § 12 SGB V niedergelegten Wirtschaftlichkeitsgebot unvereinbaren Ausweitung der Leistungspflicht. der GKV führen, wenn Versicherte auf Kosten der Krankenkassen operative Eingriffe vornehmen lassen könnten, um einen nicht krankhaften Körperzustand zu verändern, weil sie psychisch auf die gewünschte Veränderung fixiert sind. Eine Grenzziehung zu rein kosmetischen Operationen wäre nicht möglich (BSG 10.02.1993, 1 RK 14/92, BSGE 72, 96 ff = juris). Es muss deshalb das psychische Grundproblem angegangen und unmittelbar behandelt werden.

Auch soweit die Klägerin sinngemäß vorbringt, die Hauterschlaffung sei Folge der als Krankenbehandlung durchgeführten Cortisonbehandlung und der damit verbundenen Gewichtszunahme, begründet dies ebenfalls keinen Anspruch auf die begehrte Behandlung. Die mit einer Behandlung einhergehenden Nebenwirkungen begründen einen Anspruch auf Krankenbehandlung nur dann, wenn sie selbst eine Krankheit iSd § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V darstellen; dies hat der Senat aber verneint (dazu siehe oben).

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Dabei hat der Senat im Rahmen seines Ermessens insbesondere berücksichtigt, dass die Klägerin in beiden Instanzen ohne Erfolg geblieben ist.

Die Revision wird nicht zugelassen, da Gründe für die Zulassung nicht vorliegen (§ 160 Nr 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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