Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
27
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 17 R 8896/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 27 R 309/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 5. März 2010 aufgehoben sowie der Bescheid der Beklagten vom 11. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Oktober 2007 insofern aufgehoben, als dort eine Neuberechnung der Rente für den Zeitraum vom 1. April 2001 bis zum 30. November 2006 vorgenommen und eine Erstattung von 37.449,13 Euro geltend gemacht worden ist. Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin des gesamten Verfahrens zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid der Beklagten wegen der nachträglichen Anrechnung von Einkommen auf eine Hinterbliebenenrente.
Die 1949 geborene und in der Hstraße in B wohnende Klägerin beantragte am 28. Dezember 2000 bei der Beklagten die Gewährung einer großen Witwenrente nach ihrem am 10. Dezember 2000 verstorbenen Ehemann H-J R, der bis zu seinem Tod eine Altersrente von der Beklagten bezogen hatte und Mitglied in der Krankenversicherung der Rentner war. In der Anlage zum Antrag auf Hinterbliebenenrente "Angaben zum Einkommen der Witwe [ ]" kreuzte die Klägerin unter dem 25. Dezember 2000 bei der Frage nach dem Bezug von Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen, vergleichbarem Einkommen, kurzfristigem und dauerhaftem Erwerbsersatz-einkommen ebenso "Nein" an wie bei der Frage nach dem Bezug dieser Einkommensarten im letzten Kalenderjahr. Mit ihrer Unterschrift versicherte die Klägerin, dass sämtliche Angaben nach bestem Wissen gemacht worden seien, und verpflichtete sich, Änderungen bezüglich der Höhe des eigenen Einkommens sowie die Zahlung bzw. Beantragung der erfragten Einkünfte unverzüglich bekanntzugeben. Die Beklagte bewilligte der Klägerin daraufhin ohne Anrechnung von Einkommen mit Bescheid vom 31. Januar 2001 ab dem 1. Januar 2001 eine große Witwenrente, die sich nach Ablauf des Sterbevierteljahres ab April 2001 auf monatlich 1.432,47 DM abzüglich Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von insgesamt 113,87 DM belief. Unter dem Punkt "Mitteilungspflichten" enthielt der Rentenbescheid den Hinweis, dass Erwerbseinkommen und Erwerbsersatzeinkommen Einfluss auf die Rentenhöhe haben können und daher die gesetzliche Verpflichtung bestehe, der Beklagten den Bezug, das Hinzutreten oder die Veränderung von Erwerbseinkommen in Form von Arbeitsentgelt, Einkommen aus selbständiger Tätigkeit sowie vergleichbarem Einkommen oder von Erwerbsersatzeinkommen unverzüglich mitzuteilen. Weiter heißt es: "Die Meldung von Veränderungen erübrigt sich bei Einkommen aus einer in der Bundesrepublik Deutschland ausgeübten versi-cherten Beschäftigung oder Tätigkeit oder bei Renten aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung. Der Bezug eines bisher noch nicht mitgeteilten Einkommens oder der spätere Hinzutritt von Einkommen ist immer mitzuteilen." Schließlich wird unter dem Punkt "Hinweise" ausgeführt, dass bei Zusammentreffen einer Witwenrente mit Erwerbs- oder Erwerbsersatzeinkommen auf die Rente Einkommen in Höhe von 40 Prozent des Betrages anzurechnen sei, um den das monatliche Einkommen einen dynamischen Freibetrag übersteige.
Mit Bescheiden vom 16. März 2001 und 11. Februar 2002 berechnete die Beklagte die Witwenrente wegen Änderungen des Kranken- und Pflegversicherungsverhältnisses ab dem 1. Januar 2001 und ab dem 1. Januar 2002 neu. Die monatliche Rente belief sich danach in der Zeit von Januar bis Juni 2001 auf 1.432,47 DM sowie von Juli bis Dezember 2001 auf 1.462,46 DM (Rentenanpassung zum 1. Juli 2001 um 2,11 %), ohne dass jeweils ein Abzug von Versicherungsbeiträgen vorgenommen wurde, sowie ab Januar 2002 auf 747,74 Euro, ab Juli 2002 auf 769,00 Euro (Rentenanpassung um 2,89 %), ab Juli 2003 auf 778,06 Euro (Rentenanpassung um 1,19 %) – jeweils abzüglich Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen. Diesen Änderungen lagen Meldungen im maschinellen-Krankenversicherung-der-Rentner-Meldeverfahren zugrunde, die von der Sachbearbeitung der Beklagten aufgrund der Meldung, dass eine maschinelle Neuberechnung nicht möglich sei bzw. der Eingang einer Rückäußerung zu überwachen sei, bearbeitet wurden. Am 6. März 2001 erhielt die Beklagte die Meldung, dass ab dem 1. Januar 2001 Zeiten der freiwilligen Krankversicherung ohne Anspruch auf Beitragszuschuss vorlägen. Daraufhin erfolgte durch die Beklagte die Neuberechnung der Witwenrente ohne Abzug von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen. Am 11. Februar 2002 erhielt die Beklagte die Meldung, dass zum 1. Januar 2002 ein Zugang zur Krankenversicherung der Rentner stattgefunden habe, woraufhin sie erneut eine Neuberechnung vornahm.
Nachdem die Krankenversicherung der Klägerin der Beklagten den Beginn eines freiwilligen Krankenversicherungsverhältnisses zum 26. März 2006 am 16. Juni 2006 mitgeteilt und auf Nachfrage der Beklagten ergänzt hatte, dass die Klägerin zu diesem Zeitpunkt eine selbständige Tätigkeit aufgenommen habe, forderte die Beklagte die Klägerin zur Abgabe einer verbindlichen Erklärung über das im Jahr 2005 erzielte Arbeitseinkommen bzw. bei fehlendem Einkommen im Jahr 2005 über das voraussichtliche Einkommen des Jahres 2006 auf. Die Klägerin erklärte daraufhin unter Vorlage von Einkommensnachweisen gegenüber der Auskunfts- und Beratungsstelle der Beklagten, seit Beginn der Witwenrente bis zum 31. Dezember 2005 rentenversicherungspflichtig als Pharmareferentin beschäftigt gewesen zu sein und dabei im Jahr 2000 Arbeitseinkommen in Höhe von 82.053,00 DM, im Jahr 2001 in Höhe von 82.525,00 DM, im Jahr 2002 in Höhe von 40.991,00 Euro, im Jahr 2003 in Höhe von 52.812,00 Euro, im Jahr 2004 in Höhe von 48.451,00 Euro und im Jahr 2005 in Höhe von 50.532,00 Euro erzielt zu haben. Anschließend habe wegen der Arbeitsaufgabe ab dem 1. Januar 2006 eine Sperrzeit des Arbeitsamtes sowie seit dem 26. März 2006 bis zum 31. Mai 2006 der Bezug von Arbeitslosengeld in Höhe von 45,40 Euro kalendertäglich vorgelegen. Seit dem 1. Juni 2006 sei sie selbständig als Pharmareferentin mit einem monatlichen Einkommen vor Steuern in Höhe von etwa 1.500,00 Euro tätig und erhalte dafür in der Zeit vom 1. Juni 2006 bis zum 30. November 2006 zusätzlich ein Überbrückungsgeld zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit in Höhe von 2.315,20 Euro im Monat.
Mit Schreiben vom 31. August 2006 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass für die Zeit vom 1. April 2001 bis zum 31. Dezember 2005 sowie vom 26. März 2006 bis zum 30. Juni 2006 die Kürzung der Witwenrente und für die Zeit ab dem 1. Juli 2006 deren Zahlungseinstellung wegen Einkommensanrechnung beabsichtigt sei. In der Zeit von April 2001 bis Oktober 2006 sei eine Überzahlung in Höhe von 36.774,68 Euro eingetreten, deren Rückforderung beabsichtigt sei. Die Klägerin trug daraufhin vor, von der Witwenrente Altschulden zurückgezahlt und ihren Lebensunterhalt während der Zeit ihrer Arbeitslosigkeit bestritten zu haben. Sie habe nicht erkannt, dass die Fragen nach dem Einkommen im Antragsvordruck auf ihr Einkommen bezogen gewesen seien. Vielmehr sei sie davon ausgegangen, es werde nach dem Einkommen ihres verstorbenen Ehemannes gefragt. Da das Überbrückungsgeld Ende November 2006 auslaufe, sehe sie auch aktuell keine Möglichkeit zur Rückzahlung, da die Selbständigkeit mit hohen laufenden Kosten verbunden sei.
Mit Bescheid vom 11. Oktober 2006 nahm die Beklagte den Rentenbescheid vom "31. Januar 2005" in der Fassung der Bescheide vom 16. März 2001 und 11. Februar 2002 hinsichtlich der Rentenhöhe ab dem 1. April 2001 nach § 45 SGB X zurück, berechnete die der Klägerin bewilligte große Witwenrente ab dem 1. Januar 2001 neu und forderte für die Zeit vom 1. Januar 2001 bis zum 30. November 2006 eine Überzahlung in Höhe von 37.449,13 Euro zurück. Die von der Klägerin im Rahmen der Anhörung vorgebrachten Gründe seien bei der Vertrauensschutzprüfung sowie bei der Ausübung des Ermessens berücksichtigt worden, jedoch nicht geeignet, von der Bescheidrücknahme abzusehen. Auf Vertrauen könne sich die Klägerin nicht berufen, da sie aufgrund der in dem Rentenbescheid enthaltenen Informationen Kenntnis darüber gehabt habe, dass sich eine Einkommenserzielung auf die Rentenhöhe auswirken kann. Zudem habe die Klägerin bei der Beantragung der Rente den Bezug von Einkommen unzutreffend verneint. Besondere Gründe, die eine Rücknahme des Bescheides im Rahmen des Ermes-sens ausschließen würden, seien nach Aktenlage nicht ersichtlich. Den gegen den Bescheid vom 11. Oktober 2006 von der Klägerin eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30. Oktober 2007 zurück.
Die Klägerin hat am 29. November 2007 Klage vor dem Sozialgericht Berlin erhoben, mit der sie zunächst die Aufhebung des Bescheides vom 11. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Oktober 2007 begehrte. Dabei hat sie vorgetragen, aus heutiger Sicht das fehlerhafte Ausfüllen der Antragsvordrucke der Beklagten nicht mehr nachvollziehen zu können. Es sei nicht beabsichtigt gewesen, den Bezug eigenen Einkommens zu verschleiern. Vielmehr habe sie sich kurze Zeit nach dem Versterben ihres Ehemannes in der Weihnachtszeit bemüht, alle Fragen der Beklagten wahrheitsgemäß zu beantworten. Eine gewisse Überforde-rung mit der Bürokratie dürfte in der angespannten Situation verständlich und nachvollziehbar sein. So habe sie auch aufgrund einer Unkonzentriertheit das Datum der Eheschließung falsch sowie statt der eigenen Versicherungsnummer an der dafür vorgesehenen Stelle die Versicherungsnummer ihres Ehemannes angegeben. Wäre der zuständigen Mitarbeiterin der Beklagten nicht nur das falsche Hochzeitsdatum, sondern auch dieser Fehler aufgefallen, wäre es nicht zu der Überzahlung gekommen, da der Arbeitgeber der Klägerin alle Rentenversicherungsbeiträge ordnungsgemäß an die Beklagte abgeführt habe. Erst im Rahmen des Widerspruchsverfahrens sei ihr bekannt geworden, dass eigenes Einkommen auf eine Hinterbliebenenrente angerechnet wird. Sie habe die Mittel im Vertrauen auf den Bestand des Rentenbescheides verbraucht.
Nachdem die Klägerin Einkommens- und Gewerbesteuerbescheide für die Jahre 2006 (Einkünfte aus Gewerbebetrieb: 7.651,00 Euro; aus nichtselbständiger Arbeit: 12.906,00 Euro) und 2007 (Einkünfte aus Gewerbebetrieb: 38.436,00 Euro) vorgelegt hatte, berechnete die Beklagte mit Bescheid vom 23. Juni 2009 die große Witwenrente der Klägerin ab dem 1. Dezember 2006 neu. Danach beträgt die monatliche Rente ab dem 1. August 2009 einschließlich eines Zuschlages zum Krankenversicherungsbeitrag 321,43 Euro. Für die Zeit vom 1. Dezember 2006 bis zum 31. Juli 2009 ergab sich eine Nachzahlung in Höhe von 19.189,38 Euro, die an die Klägerin ausgezahlt wurde. Die Klägerin beantragte daraufhin, den Bescheid des Beklagten vom 11. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Oktober 2007 insofern aufzuheben, als dort eine Neuberechnung der Rente für den Zeitraum vom 1. Januar 2001 bis zum 30. November 2006 vorgenommen und eine Erstattung von 37.449,13 Euro geltend gemacht worden ist.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 5. März 2010 – dem Klägerbevollmächtigten zugestellt am 18. März 2010 – abgewiesen und der Beklagten ein Drittel der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin auferlegt. Der Bescheid der Beklagten vom 11. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Oktober 2007 sei rechtmäßig. Der Bescheid sei insbesondere bestimmt genug. Aus der maßgeblichen Empfängerperspektive sei unzweifelhaft zu erkennen, dass es sich bei der Bezeichnung Bescheid vom "31. Januar 2005" um einen offensichtlichen Schreibfehler handele und ersichtlich der Bescheid vom 31. Januar 2001 gemeint sei. Im Übrigen lägen die Voraussetzungen für eine Rücknahme nach § 45 SGB X für die Zeit vom 1. April 2001 bis zum 31. Dezember 2005 vor. Der Bescheid vom 31. Januar 2001 in der Fassung der Bescheide vom 16. März 2001 und 11. Februar 2002 sei bezogen auf die Rentenhöhe von Anfang an teilweise bei seinem Erlass rechtwidrig gewesen, weil die Klägerin im Zeitraum vom 1. Januar 2001 bis zum 31. Dezember 2005 Einkommen aus einer abhängigen Beschäftigung erzielt habe. Dieses sei nach § 97 Absatz 1 SGB VI i.V.m. § 18 a Absatz 1 Nr. 1 SGB IV auf die Witwenrente anzurechnen gewesen. Eine sich zu Ungunsten der Klägerin auswirkende Berechnung der Beklagten sei weder geltend gemacht worden noch sonst ersichtlich. Die Frist von einem Jahr nach § 45 Absatz 4 Satz 2 SGB X habe die Beklagte, die frühestens im Juli 2006 Kenntnis von der Höhe des erzielten Einkommens hatte, ein-gehalten. Auch die Frist von zehn Jahren im Sinne von § 45 Absatz 3 Satz 3 SGB X sei eingehalten. Diese Frist sei maßgeblich, weil die Klägerin sich nicht auf Vertrauen berufen könne. Die Klägerin habe jedenfalls grob fahrlässig unter dem 25. Dezember 2000 eine objektiv unrichtige Erklärung abgegeben, indem sie die Frage nach dem Bezug von Arbeitsentgelt verneinte. Der Antragsvordruck der Beklagten sei klar und eindeutig formuliert gewesen. Es gäbe keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Klägerin aufgrund ihrer Persönlichkeitsstruktur oder ihrem Bildungsstand nicht dazu in der Lage gewesen sei, diese jedem einleuchtende Frage nach dem Einkommen der Witwe zu verstehen. Angesichts der Eindeutigkeit der Angaben in dem Vordruck könne die Bezugnahme der Klägerin auf die Weihnachtszeit keine andere Entscheidung rechtfertigen, zumal es der Klägerin zumutbar gewesen sei, den Vordruck zu einem späteren Zeitpunkt oder unter Zuhilfenahme der Auskunfts- und Beratungsstellen der Beklagten auszufüllen. Die Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, routinemäßig einen Abgleich mit dem Versicherungskonto der Klägerin vorzunehmen. Das Vertrauen der Klägerin in den Bestand des teilweise aufgehobenen Verwaltungsaktes sei auch nicht gemäß § 45 Absatz 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X schutzwürdig. Die Beklagte habe schließlich das ihr nach § 45 Absatz 1 SGB X obliegende Ermessen ausgeübt, ohne dass Ermessensfehler ersichtlich seien. Die finanzielle Lage der Klägerin, die sich bei Erlass des angefochtenen Bescheides gerade selbständig gemacht hatte, musste nicht an dieser Stelle besonders berücksichtigt werden, sondern hätte im Rahmen der Vollstreckung Berücksichtigung finden können. Darüber hinaus lägen auch die Voraussetzungen für eine teilweise Rücknahme für die Zeit ab dem 26. März 2006 nach § 48 Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 und 3 SGB X vor. Das ab dem 26. März 2006 von der Klägerin bezogene Arbeitslosengeld stelle ebenso wie das ab dem 1. Juni 2006 erhaltene Überbrückungsgeld und erzielte Einkommen aus selbständiger Tätigkeit auf die Witwenrente nach § 97 Absatz 1 SGB VI i.V.m. § 18 a Absatz 1 Nr. 1 und 2 SGB IV anzurechnendes Einkommen dar. Auch diesbezüglich sei eine sich letztlich zu Ungunsten der Klägerin auswirkende Berechnung weder geltend gemacht worden noch sonst ersichtlich. Die Klägerin sei der Verpflichtung zur Mitteilung der Einkommensänderungen jedenfalls grob fahrlässig nicht nachgekommen. Schließlich sei der angefochtene Bescheid auch im Hinblick auf die geltend gemachte Erstattung nach § 50 SGB X rechtmäßig. Angesichts des Teilerfolges der Klägerin für die Zeit ab dem 1. Dezember 2006 sei die Belastung der Beklagten mit einem Drittel der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin angemessen.
Mit der am 13. April 2010 gegen die Entscheidung des Sozialgerichts eingelegten Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter und trägt vor, die Beklagte habe bereits seit Januar 2001 Kenntnis von der Höhe des erzielten Einkommens gehabt. Zudem habe sie nicht grob fahrlässig falsche Angaben gemacht. Der Vordruck der Beklagten sei keinesfalls eindeutig, sondern vielmehr geradezu fehlerhaft gefasst. So werde Einkommen von fünf verschiedenen Personengruppen erfragt und folgend unter Verwendung des Begriffs des Versicherten der Zahlungszeitpunkt der Hinterbliebenenrente erläutert. Anschließend werde nach den Angaben zur Person des Versicherten das Arbeitsentgelt abgefragt, allerdings entgegen dem Ausfüllhinweis nicht bezogen auf den Zeitpunkt vor Beginn, sondern nur ab Beginn der Rente. Darüber hinaus läge auch ein Fehler auf Seiten der Beklagten vor, die es unterlassen habe, jeweils zur Bestimmung der Rentenhöhe ab dem 1. Juli eines jeden Kalenderjahres beim Arbeitgeber nach dem im letzten Kalenderjahr erzielten Einkommen zu fragen. Da das Vertrauen der Klägerin danach insgesamt als schutzwürdig anzusehen sei, hätte der Beklagte den Bewilligungsbescheid nicht aufheben dürfen. Darüber hinaus sei die Ermessensausübung jedenfalls im Hin-blick auf die Höhe der Erstattungsforderung – die zudem unzutreffend berechnet worden sei – fehlerhaft.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 5. März 2010 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 11. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Oktober 2007 hinsichtlich der Aufhebung und Erstattungsforderung aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und verweist ergänzend darauf, dass die Klägerin spätestens nach Erhalt des Rentenbescheides verpflichtet gewesen wäre, den Bezug von Arbeitsentgelt mitzuteilen. Die Entgeltmeldung im Versicherungskonto der Klägerin führe nicht automatisch, sondern erst nach einer vorgenommenen Verknüpfung dazu, dass die Entgelte auch dem Versicherungskonto des Verstorbenen gemeldet werden. Die Verknüpfung erfolge nur bei einer Bejahung der Frage nach dem Bezug von Arbeitsentgelt. Schließlich entbinde die von § 18 e SGB IV vorgesehene Möglichkeit der Ermittlung des Arbeitsentgeltes des letzten Kalenderjahres beim Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht von seiner Verpflichtung nach § 60 SGB I, Einkommensänderungen mitzuteilen.
Dem Senat haben die Verwaltungsvorgänge der Beklagten vorgelegen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze, das Protokoll und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere statthaft gemäß § 144 Absatz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), und auch in der Sache begründet.
Die Klägerin hat einen Anspruch auf Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils sowie des angegriffenen Bescheides. Der Bescheid der Beklagten vom 11. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Oktober 2007 ist im noch angefochtenen Umfang rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die Beklagte nach § 45 SGB X den Bescheid vom 31. Januar 2001 den offensichtlichen Schreibfehler in Form der Bezeichnung "2005" kann die Beklagte nach § 38 Satz 1 SGB X jederzeit berichtigen in der Fassung der Bescheide vom 16. März 2001 und 11. Februar 2002 hinsichtlich der Rentenhöhe teilweise zurückgenommen und von der Klägerin 37.449,13 Euro zurückgefordert.
Nach § 45 Absatz 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Eine Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit kommt nach § 45 Absatz 4 Satz 1 SGB X nur in Betracht, wenn ein Fall von Absatz 2 Satz 3 der Vorschrift vorliegt. § 45 Absatz 2 Satz 3 SGB X bestimmt, dass sich der Begünstigte auf Vertrauen nicht berufen kann, soweit er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Beste-chung erwirkt hat, der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder in Folge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Diese Voraussetzungen sind hier zwar für die Zeit vom 1. April 2001 bis zum 31. Dezember 2005 erfüllt.
Der Witwenrentenbescheid vom 31. Januar 2001 in der Fassung der Bescheide vom 16. März 2001 und 11. Februar 2002 war bezogen auf die Zeit vom 1. April 2001 bis zum 31. Dezember 2005 hinsichtlich der Rentenhöhe schon bei Erlass rechtswidrig und ist nicht erst durch eine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 48 SGB X später rechtwidrig geworden. Für die Anwendung des § 48 SGB X genügt es nicht, dass der Witwerrentenbescheid zunächst für die Dauer des Sterbevierteljahres rechtmäßig war und dass der von der streitigen Rücknahme betroffene Zeitraum zeitlich nach dem Erlass des Bewilligungsbescheides liegt (vgl. dazu BSG, Urteil vom 27. Juli 1989 – 11/7 RAr 115/87, Rn.13 bei Juris). Bei Erlass des Bewilli-gungsbescheides bestand aufgrund des ungekündigten Beschäftigungsverhältnisses, in dem die Klägerin stand, und der Höhe des von ihr daraus erzielten Arbeitsentgeltes, das die Jahresar-beitsentgeltgrenze überschritt, kein Anspruch auf einen Zahlbetrag aus der Hinterbliebenenrente. Einkommen von Berechtigten, das mit einer Witwenrente zusammentrifft, ist nach § 97 Ab-satz 1 Satz 1 und 2 SGB VI nach Ablauf des Sterbevierteljahres anzurechnen. Dabei sind nach § 114 Absatz 1 SGB IV bei Renten wegen Todes als Einkommen Erwerbseinkommen und Leistungen, die auf Grund oder in entsprechender Anwendung öffentlich-rechtlicher Vorschriften erbracht werden, um Erwerbseinkommen zu ersetzen (Erwerbsersatzeinkommen), mit Ausnahme von Zusatzleistungen, zu berücksichtigen, wenn der versicherte Ehegatte vor dem 1. Januar 2002 verstorben ist oder die Ehe vor diesem Tag geschlossen wurde und mindestens ein Ehegatte vor dem 2. Januar 1962 geboren ist. Gemäß § 114 Absatz 5 SGB IV ist das monatliche Arbeitsentgelt – also die Einnahmen aus einem Arbeitsverhältnis (§ 14 Absatz 1 Satz 1 i.V.m. § 7 Absatz 1 Satz 1 SGB IV) – bis zum 30. Juni 2002 um 35 vom Hundert zu kürzen, wenn am 31. Dezember 2001 Anspruch auf eine Rente wegen Todes bestand. Anrechenbar ist bei Witwenrenten nach § 97 Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI i.V.m. § 228 a Absatz 3 SGB VI das Einkommen, das monatlich das 26,4fache des aktuellen Rentenwertes (Ost) übersteigt. Von dem danach verbleibenden anrechenbaren Einkommen werden nach § 97 Absatz 2 Satz 3 SGB VI 40 vom Hundert angerechnet. Danach hätte das von der Klägerin in der Zeit vom 1. April 2001 bis zum 31. Dezember 2005 erzielte Arbeitsentgelt auf die Witwenrente angerechnet werden müssen.
Die dargelegte Rechtswidrigkeit des Bescheides der Beklagten vom 31. Januar 2001 in der Fassung der Bescheide vom 16. März 2001 und 11. Februar 2002 beruht auch darauf, dass die Klägerin den Bezug von Einkommen gegenüber der Beklagten verneint und dabei angesichts der Eindeutigkeit des Antragsvordruckes der Beklagten und gemessen an ihren individuellen Fähigkeiten und Kenntnissen grob fahrlässig gehandelt hat, da sie die erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich großem Maße verletzt und unbeachtet gelassen hat, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Die von der Klägerin in diesem Zusammenhang aufgezählten, aus ihrer Sicht bestehenden Unübersichtlichkeiten wirken insgesamt konstruiert und werden der tatsächlichen optischen Gliederung des Vordrucks und den darin enthaltenen Fragen nicht gerecht.
Die Anwendung von § 45 Absatz 1 SGB X sieht jedoch auf der Rechtsfolgenseite Ermessen vor. Der Bescheid der Beklagten vom 11. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbe-scheides vom 30. Oktober 2007 leidet insoweit an einem Ermessensausfall, als die Beklagte annimmt, es könne im Rahmen des Ermessens nur ausnahmsweise von einer Rücknahme von Bewilligungsbescheiden abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen für eine Rücknahme vorlägen. Dies wird der von § 45 Absatz 1 SGB X geforderten Ermessensentscheidung nicht gerecht. Der angefochtene Bescheid lässt nicht erkennen, dass sich die Beklagte überhaupt be-wusst war, auch bei fehlendem Vertrauensschutz auf Seiten des Rentenempfängers einen Ermessensspielraum zu haben. Selbst bei Bösgläubigkeit des Betroffenen ist eine Ermessensbetätigung im Rahmen von § 45 SGB X nicht von vornherein ausgeschlossen. Andernfalls bedürfte es keiner einschränkenden Spezialregelungen wie etwa § 330 Absatz 2 SGB III, wonach im Fall der Bösgläubigkeit eine gebundene Rücknahmeentscheidung für die Vergangenheit vorzu-nehmen ist. Es ist auch nicht anzunehmen, dass die Beklagte vorliegend von einer Ermessens-reduzierung auf Null ausgegangen ist, da etwaige Gründe für die Annahme einer solchen Er-messensreduzierung durch die Beklagte in dem Rücknahmebescheid nicht dargelegt sind. Darüber hinaus liegt ein Ermessensfehler auch insoweit vor, als die Beklagte bei der Ermessensausübung ein Mitverschulden ihrerseits an der rechtswidrigen Leistungsgewährung hätte berücksichtigen müssen. Zwar bestand für die Beklagte mangels Kenntnis eines Arbeitsverhältnisses der Klägerin entgegen deren Vortrag gerade keine Möglichkeit zur Ermittlung der Höhe des Arbeitsentgeltes beim Arbeitgeber der Klägerin entsprechend § 18 e SGB IV. Jedoch erhielt die Beklagte bereits im März 2001 zeitnah nach Erlass des Witwenrentenbescheides eine Meldung über eine Änderung des Krankenverhältnisses der Klägerin, aufgrund derer es ihr durch Nachfrage bei der Klägerin nach dem Grund für diese Änderung möglich gewesen wäre, die anschließend noch über Jahre andauernde Überzahlung der Rente zu verhindern. Die Nachfrage bei der Klägerin wäre aus Sicht der Beklagten angezeigt gewesen, weil Änderungen des Krankenversicherungsverhältnisses bei einem Hinterbliebenenrentenbezieher, der seinen Rentenanspruch aus der Versicherung eines anderen ableitet, der selbst Mitglied in der Kran-kenversicherung der Rentner war, und damit nach § 5 Absatz 2 Satz 2 SGB V in der im März 2001 geltenden Fassung ebenfalls versicherungspflichtig in der Krankenversicherung der Rentner ist, zumindest klärungsbedürftig erscheinen, da sie auf anderweitiges Einkommen hindeuten (vgl. § 6 Absatz 2 Satz 1 in Verbindung mit Absatz 1 Nr. 1 SGB V in der im März 2001 geltenden Fassung).
Soweit die Klägerin in der Zeit vom 26. März 2006 bis zum 31. Mai 2006 Arbeitslosengeld bezogen sowie in der Zeit vom 1. Juni 2006 bis zum 30. November 2006 Überbrückungsgeld erhalten und Arbeitseinkommen erzielt hat, liegt gegenüber dem Zeitpunkt des Erlasses des Witwenrentenbescheides eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen nach § 48 Absatz 1 SGB X vor, so dass der angefochtene Bescheid insoweit im Sinne einer Aufhe-bung nach § 48 Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 und 3 SGB X umgedeutet werden könnte. Nach dieser Vorschrift soll ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist (Nr. 2) oder nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde (Nr.3), wobei als Zeitpunkt der Ände-rung der Verhältnisse in Fällen, in denen Einkommen auf einen zurückliegenden Zeitraum aufgrund der besonderen Teile dieses Gesetzbuchs anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraums ist (Satz 3). Danach ist die Aufhebung mit Wirkung für die Vergangenheit nur einem eingeschränkten Ermessen unterworfen mit der Folge, dass im Regelfall eine rückwirkende Aufhebung erfolgen muss. Allerdings kann die Beklagte in atypischen Fällen nach ihrem Ermessen davon abweichen (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2010 – B 13 R 77/09 R, Rn. 57 m.w.N. bei Juris). Vorliegend ist ein solcher Ausnahmefall gegeben, ohne dass die Beklagte dies be-achtet und dementsprechend nach den vorstehenden Ausführungen auch in diesem Zusammenhang nur eine ermessensfehlerhafte Entscheidung getroffen hat.
Die Frage, ob ein atypischer Fall vorliegt, ist selbst nicht im Wege der Ermessensausübung zu klären, sondern vielmehr als Rechtsvoraussetzung von den Gerichten zu überprüfen (vgl. BSG, a.a.O.). Für die Frage, ob eine zur Ermessensausübung zwingende Atypik des Geschehensablaufes vorliegt, kommt es auf die Umstände des Einzelfalles an. Diese müssen Merkmale auf-weisen, die signifikant vom (typischen) Regelfall abweichen, in dem die Rechtswidrigkeit eines ursprünglich richtigen Verwaltungsaktes ebenfalls durch nachträgliche Veränderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen eingetreten ist. Dabei ist das Verhalten des Leistungsträgers im Geschehensablauf in die Betrachtung ebenso einzubeziehen wie die Prüfung, ob die mit der Aufhebung verbundene Pflicht zur Erstattung der zu Unrecht erhaltenen Leistungen nach Lage des Falles eine Härte bedeutet, die den Leistungsbezieher in untypischer Weise stärker belastet als den hierdurch im Normalfall Betroffenen (BSG, a.a.O., Rn. 58 m.w.N.). In diesem Zusammenhang ist zunächst wiederum die fehlerhafte Sachbehandlung der Meldung vom März 2001 über die Änderung des Krankenversicherungsverhältnisses der Klägerin durch die Beklagte zu berücksichtigen, die sich auch insoweit weiter auswirkt. Die gebotene Nachfrage nach dem Grund für die Änderung bei der Klägerin hätte deren Erwerbstätigkeit und in deren Folge auch den Verlust des Arbeitsvertrages sowie die daran geknüpften Auswirkungen zu Tage gefördert. Da die Klägerin im Jahre 2006 ohne weiteres ihre gesamten Einkünfte seit dem Jahr 2000 unter Vorlage entsprechender Nachweise dargelegt hat, hätte auch eine frühere Nachfrage aller Voraussicht nach eine entsprechende Mitwirkung auf Seiten der Klägerin bewirkt. Zum anderen hätte durch die Beklagte Beachtung finden müssen, dass die Klägerin sich in der Phase der Vorbereitung der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit befand, die mit erhöhten Ausgaben verbunden war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Absatz 1 SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe gemäß § 160 Absatz 2 SGG nicht gegeben sind.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid der Beklagten wegen der nachträglichen Anrechnung von Einkommen auf eine Hinterbliebenenrente.
Die 1949 geborene und in der Hstraße in B wohnende Klägerin beantragte am 28. Dezember 2000 bei der Beklagten die Gewährung einer großen Witwenrente nach ihrem am 10. Dezember 2000 verstorbenen Ehemann H-J R, der bis zu seinem Tod eine Altersrente von der Beklagten bezogen hatte und Mitglied in der Krankenversicherung der Rentner war. In der Anlage zum Antrag auf Hinterbliebenenrente "Angaben zum Einkommen der Witwe [ ]" kreuzte die Klägerin unter dem 25. Dezember 2000 bei der Frage nach dem Bezug von Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen, vergleichbarem Einkommen, kurzfristigem und dauerhaftem Erwerbsersatz-einkommen ebenso "Nein" an wie bei der Frage nach dem Bezug dieser Einkommensarten im letzten Kalenderjahr. Mit ihrer Unterschrift versicherte die Klägerin, dass sämtliche Angaben nach bestem Wissen gemacht worden seien, und verpflichtete sich, Änderungen bezüglich der Höhe des eigenen Einkommens sowie die Zahlung bzw. Beantragung der erfragten Einkünfte unverzüglich bekanntzugeben. Die Beklagte bewilligte der Klägerin daraufhin ohne Anrechnung von Einkommen mit Bescheid vom 31. Januar 2001 ab dem 1. Januar 2001 eine große Witwenrente, die sich nach Ablauf des Sterbevierteljahres ab April 2001 auf monatlich 1.432,47 DM abzüglich Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von insgesamt 113,87 DM belief. Unter dem Punkt "Mitteilungspflichten" enthielt der Rentenbescheid den Hinweis, dass Erwerbseinkommen und Erwerbsersatzeinkommen Einfluss auf die Rentenhöhe haben können und daher die gesetzliche Verpflichtung bestehe, der Beklagten den Bezug, das Hinzutreten oder die Veränderung von Erwerbseinkommen in Form von Arbeitsentgelt, Einkommen aus selbständiger Tätigkeit sowie vergleichbarem Einkommen oder von Erwerbsersatzeinkommen unverzüglich mitzuteilen. Weiter heißt es: "Die Meldung von Veränderungen erübrigt sich bei Einkommen aus einer in der Bundesrepublik Deutschland ausgeübten versi-cherten Beschäftigung oder Tätigkeit oder bei Renten aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung. Der Bezug eines bisher noch nicht mitgeteilten Einkommens oder der spätere Hinzutritt von Einkommen ist immer mitzuteilen." Schließlich wird unter dem Punkt "Hinweise" ausgeführt, dass bei Zusammentreffen einer Witwenrente mit Erwerbs- oder Erwerbsersatzeinkommen auf die Rente Einkommen in Höhe von 40 Prozent des Betrages anzurechnen sei, um den das monatliche Einkommen einen dynamischen Freibetrag übersteige.
Mit Bescheiden vom 16. März 2001 und 11. Februar 2002 berechnete die Beklagte die Witwenrente wegen Änderungen des Kranken- und Pflegversicherungsverhältnisses ab dem 1. Januar 2001 und ab dem 1. Januar 2002 neu. Die monatliche Rente belief sich danach in der Zeit von Januar bis Juni 2001 auf 1.432,47 DM sowie von Juli bis Dezember 2001 auf 1.462,46 DM (Rentenanpassung zum 1. Juli 2001 um 2,11 %), ohne dass jeweils ein Abzug von Versicherungsbeiträgen vorgenommen wurde, sowie ab Januar 2002 auf 747,74 Euro, ab Juli 2002 auf 769,00 Euro (Rentenanpassung um 2,89 %), ab Juli 2003 auf 778,06 Euro (Rentenanpassung um 1,19 %) – jeweils abzüglich Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen. Diesen Änderungen lagen Meldungen im maschinellen-Krankenversicherung-der-Rentner-Meldeverfahren zugrunde, die von der Sachbearbeitung der Beklagten aufgrund der Meldung, dass eine maschinelle Neuberechnung nicht möglich sei bzw. der Eingang einer Rückäußerung zu überwachen sei, bearbeitet wurden. Am 6. März 2001 erhielt die Beklagte die Meldung, dass ab dem 1. Januar 2001 Zeiten der freiwilligen Krankversicherung ohne Anspruch auf Beitragszuschuss vorlägen. Daraufhin erfolgte durch die Beklagte die Neuberechnung der Witwenrente ohne Abzug von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen. Am 11. Februar 2002 erhielt die Beklagte die Meldung, dass zum 1. Januar 2002 ein Zugang zur Krankenversicherung der Rentner stattgefunden habe, woraufhin sie erneut eine Neuberechnung vornahm.
Nachdem die Krankenversicherung der Klägerin der Beklagten den Beginn eines freiwilligen Krankenversicherungsverhältnisses zum 26. März 2006 am 16. Juni 2006 mitgeteilt und auf Nachfrage der Beklagten ergänzt hatte, dass die Klägerin zu diesem Zeitpunkt eine selbständige Tätigkeit aufgenommen habe, forderte die Beklagte die Klägerin zur Abgabe einer verbindlichen Erklärung über das im Jahr 2005 erzielte Arbeitseinkommen bzw. bei fehlendem Einkommen im Jahr 2005 über das voraussichtliche Einkommen des Jahres 2006 auf. Die Klägerin erklärte daraufhin unter Vorlage von Einkommensnachweisen gegenüber der Auskunfts- und Beratungsstelle der Beklagten, seit Beginn der Witwenrente bis zum 31. Dezember 2005 rentenversicherungspflichtig als Pharmareferentin beschäftigt gewesen zu sein und dabei im Jahr 2000 Arbeitseinkommen in Höhe von 82.053,00 DM, im Jahr 2001 in Höhe von 82.525,00 DM, im Jahr 2002 in Höhe von 40.991,00 Euro, im Jahr 2003 in Höhe von 52.812,00 Euro, im Jahr 2004 in Höhe von 48.451,00 Euro und im Jahr 2005 in Höhe von 50.532,00 Euro erzielt zu haben. Anschließend habe wegen der Arbeitsaufgabe ab dem 1. Januar 2006 eine Sperrzeit des Arbeitsamtes sowie seit dem 26. März 2006 bis zum 31. Mai 2006 der Bezug von Arbeitslosengeld in Höhe von 45,40 Euro kalendertäglich vorgelegen. Seit dem 1. Juni 2006 sei sie selbständig als Pharmareferentin mit einem monatlichen Einkommen vor Steuern in Höhe von etwa 1.500,00 Euro tätig und erhalte dafür in der Zeit vom 1. Juni 2006 bis zum 30. November 2006 zusätzlich ein Überbrückungsgeld zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit in Höhe von 2.315,20 Euro im Monat.
Mit Schreiben vom 31. August 2006 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass für die Zeit vom 1. April 2001 bis zum 31. Dezember 2005 sowie vom 26. März 2006 bis zum 30. Juni 2006 die Kürzung der Witwenrente und für die Zeit ab dem 1. Juli 2006 deren Zahlungseinstellung wegen Einkommensanrechnung beabsichtigt sei. In der Zeit von April 2001 bis Oktober 2006 sei eine Überzahlung in Höhe von 36.774,68 Euro eingetreten, deren Rückforderung beabsichtigt sei. Die Klägerin trug daraufhin vor, von der Witwenrente Altschulden zurückgezahlt und ihren Lebensunterhalt während der Zeit ihrer Arbeitslosigkeit bestritten zu haben. Sie habe nicht erkannt, dass die Fragen nach dem Einkommen im Antragsvordruck auf ihr Einkommen bezogen gewesen seien. Vielmehr sei sie davon ausgegangen, es werde nach dem Einkommen ihres verstorbenen Ehemannes gefragt. Da das Überbrückungsgeld Ende November 2006 auslaufe, sehe sie auch aktuell keine Möglichkeit zur Rückzahlung, da die Selbständigkeit mit hohen laufenden Kosten verbunden sei.
Mit Bescheid vom 11. Oktober 2006 nahm die Beklagte den Rentenbescheid vom "31. Januar 2005" in der Fassung der Bescheide vom 16. März 2001 und 11. Februar 2002 hinsichtlich der Rentenhöhe ab dem 1. April 2001 nach § 45 SGB X zurück, berechnete die der Klägerin bewilligte große Witwenrente ab dem 1. Januar 2001 neu und forderte für die Zeit vom 1. Januar 2001 bis zum 30. November 2006 eine Überzahlung in Höhe von 37.449,13 Euro zurück. Die von der Klägerin im Rahmen der Anhörung vorgebrachten Gründe seien bei der Vertrauensschutzprüfung sowie bei der Ausübung des Ermessens berücksichtigt worden, jedoch nicht geeignet, von der Bescheidrücknahme abzusehen. Auf Vertrauen könne sich die Klägerin nicht berufen, da sie aufgrund der in dem Rentenbescheid enthaltenen Informationen Kenntnis darüber gehabt habe, dass sich eine Einkommenserzielung auf die Rentenhöhe auswirken kann. Zudem habe die Klägerin bei der Beantragung der Rente den Bezug von Einkommen unzutreffend verneint. Besondere Gründe, die eine Rücknahme des Bescheides im Rahmen des Ermes-sens ausschließen würden, seien nach Aktenlage nicht ersichtlich. Den gegen den Bescheid vom 11. Oktober 2006 von der Klägerin eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30. Oktober 2007 zurück.
Die Klägerin hat am 29. November 2007 Klage vor dem Sozialgericht Berlin erhoben, mit der sie zunächst die Aufhebung des Bescheides vom 11. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Oktober 2007 begehrte. Dabei hat sie vorgetragen, aus heutiger Sicht das fehlerhafte Ausfüllen der Antragsvordrucke der Beklagten nicht mehr nachvollziehen zu können. Es sei nicht beabsichtigt gewesen, den Bezug eigenen Einkommens zu verschleiern. Vielmehr habe sie sich kurze Zeit nach dem Versterben ihres Ehemannes in der Weihnachtszeit bemüht, alle Fragen der Beklagten wahrheitsgemäß zu beantworten. Eine gewisse Überforde-rung mit der Bürokratie dürfte in der angespannten Situation verständlich und nachvollziehbar sein. So habe sie auch aufgrund einer Unkonzentriertheit das Datum der Eheschließung falsch sowie statt der eigenen Versicherungsnummer an der dafür vorgesehenen Stelle die Versicherungsnummer ihres Ehemannes angegeben. Wäre der zuständigen Mitarbeiterin der Beklagten nicht nur das falsche Hochzeitsdatum, sondern auch dieser Fehler aufgefallen, wäre es nicht zu der Überzahlung gekommen, da der Arbeitgeber der Klägerin alle Rentenversicherungsbeiträge ordnungsgemäß an die Beklagte abgeführt habe. Erst im Rahmen des Widerspruchsverfahrens sei ihr bekannt geworden, dass eigenes Einkommen auf eine Hinterbliebenenrente angerechnet wird. Sie habe die Mittel im Vertrauen auf den Bestand des Rentenbescheides verbraucht.
Nachdem die Klägerin Einkommens- und Gewerbesteuerbescheide für die Jahre 2006 (Einkünfte aus Gewerbebetrieb: 7.651,00 Euro; aus nichtselbständiger Arbeit: 12.906,00 Euro) und 2007 (Einkünfte aus Gewerbebetrieb: 38.436,00 Euro) vorgelegt hatte, berechnete die Beklagte mit Bescheid vom 23. Juni 2009 die große Witwenrente der Klägerin ab dem 1. Dezember 2006 neu. Danach beträgt die monatliche Rente ab dem 1. August 2009 einschließlich eines Zuschlages zum Krankenversicherungsbeitrag 321,43 Euro. Für die Zeit vom 1. Dezember 2006 bis zum 31. Juli 2009 ergab sich eine Nachzahlung in Höhe von 19.189,38 Euro, die an die Klägerin ausgezahlt wurde. Die Klägerin beantragte daraufhin, den Bescheid des Beklagten vom 11. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Oktober 2007 insofern aufzuheben, als dort eine Neuberechnung der Rente für den Zeitraum vom 1. Januar 2001 bis zum 30. November 2006 vorgenommen und eine Erstattung von 37.449,13 Euro geltend gemacht worden ist.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 5. März 2010 – dem Klägerbevollmächtigten zugestellt am 18. März 2010 – abgewiesen und der Beklagten ein Drittel der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin auferlegt. Der Bescheid der Beklagten vom 11. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Oktober 2007 sei rechtmäßig. Der Bescheid sei insbesondere bestimmt genug. Aus der maßgeblichen Empfängerperspektive sei unzweifelhaft zu erkennen, dass es sich bei der Bezeichnung Bescheid vom "31. Januar 2005" um einen offensichtlichen Schreibfehler handele und ersichtlich der Bescheid vom 31. Januar 2001 gemeint sei. Im Übrigen lägen die Voraussetzungen für eine Rücknahme nach § 45 SGB X für die Zeit vom 1. April 2001 bis zum 31. Dezember 2005 vor. Der Bescheid vom 31. Januar 2001 in der Fassung der Bescheide vom 16. März 2001 und 11. Februar 2002 sei bezogen auf die Rentenhöhe von Anfang an teilweise bei seinem Erlass rechtwidrig gewesen, weil die Klägerin im Zeitraum vom 1. Januar 2001 bis zum 31. Dezember 2005 Einkommen aus einer abhängigen Beschäftigung erzielt habe. Dieses sei nach § 97 Absatz 1 SGB VI i.V.m. § 18 a Absatz 1 Nr. 1 SGB IV auf die Witwenrente anzurechnen gewesen. Eine sich zu Ungunsten der Klägerin auswirkende Berechnung der Beklagten sei weder geltend gemacht worden noch sonst ersichtlich. Die Frist von einem Jahr nach § 45 Absatz 4 Satz 2 SGB X habe die Beklagte, die frühestens im Juli 2006 Kenntnis von der Höhe des erzielten Einkommens hatte, ein-gehalten. Auch die Frist von zehn Jahren im Sinne von § 45 Absatz 3 Satz 3 SGB X sei eingehalten. Diese Frist sei maßgeblich, weil die Klägerin sich nicht auf Vertrauen berufen könne. Die Klägerin habe jedenfalls grob fahrlässig unter dem 25. Dezember 2000 eine objektiv unrichtige Erklärung abgegeben, indem sie die Frage nach dem Bezug von Arbeitsentgelt verneinte. Der Antragsvordruck der Beklagten sei klar und eindeutig formuliert gewesen. Es gäbe keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Klägerin aufgrund ihrer Persönlichkeitsstruktur oder ihrem Bildungsstand nicht dazu in der Lage gewesen sei, diese jedem einleuchtende Frage nach dem Einkommen der Witwe zu verstehen. Angesichts der Eindeutigkeit der Angaben in dem Vordruck könne die Bezugnahme der Klägerin auf die Weihnachtszeit keine andere Entscheidung rechtfertigen, zumal es der Klägerin zumutbar gewesen sei, den Vordruck zu einem späteren Zeitpunkt oder unter Zuhilfenahme der Auskunfts- und Beratungsstellen der Beklagten auszufüllen. Die Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, routinemäßig einen Abgleich mit dem Versicherungskonto der Klägerin vorzunehmen. Das Vertrauen der Klägerin in den Bestand des teilweise aufgehobenen Verwaltungsaktes sei auch nicht gemäß § 45 Absatz 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X schutzwürdig. Die Beklagte habe schließlich das ihr nach § 45 Absatz 1 SGB X obliegende Ermessen ausgeübt, ohne dass Ermessensfehler ersichtlich seien. Die finanzielle Lage der Klägerin, die sich bei Erlass des angefochtenen Bescheides gerade selbständig gemacht hatte, musste nicht an dieser Stelle besonders berücksichtigt werden, sondern hätte im Rahmen der Vollstreckung Berücksichtigung finden können. Darüber hinaus lägen auch die Voraussetzungen für eine teilweise Rücknahme für die Zeit ab dem 26. März 2006 nach § 48 Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 und 3 SGB X vor. Das ab dem 26. März 2006 von der Klägerin bezogene Arbeitslosengeld stelle ebenso wie das ab dem 1. Juni 2006 erhaltene Überbrückungsgeld und erzielte Einkommen aus selbständiger Tätigkeit auf die Witwenrente nach § 97 Absatz 1 SGB VI i.V.m. § 18 a Absatz 1 Nr. 1 und 2 SGB IV anzurechnendes Einkommen dar. Auch diesbezüglich sei eine sich letztlich zu Ungunsten der Klägerin auswirkende Berechnung weder geltend gemacht worden noch sonst ersichtlich. Die Klägerin sei der Verpflichtung zur Mitteilung der Einkommensänderungen jedenfalls grob fahrlässig nicht nachgekommen. Schließlich sei der angefochtene Bescheid auch im Hinblick auf die geltend gemachte Erstattung nach § 50 SGB X rechtmäßig. Angesichts des Teilerfolges der Klägerin für die Zeit ab dem 1. Dezember 2006 sei die Belastung der Beklagten mit einem Drittel der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin angemessen.
Mit der am 13. April 2010 gegen die Entscheidung des Sozialgerichts eingelegten Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter und trägt vor, die Beklagte habe bereits seit Januar 2001 Kenntnis von der Höhe des erzielten Einkommens gehabt. Zudem habe sie nicht grob fahrlässig falsche Angaben gemacht. Der Vordruck der Beklagten sei keinesfalls eindeutig, sondern vielmehr geradezu fehlerhaft gefasst. So werde Einkommen von fünf verschiedenen Personengruppen erfragt und folgend unter Verwendung des Begriffs des Versicherten der Zahlungszeitpunkt der Hinterbliebenenrente erläutert. Anschließend werde nach den Angaben zur Person des Versicherten das Arbeitsentgelt abgefragt, allerdings entgegen dem Ausfüllhinweis nicht bezogen auf den Zeitpunkt vor Beginn, sondern nur ab Beginn der Rente. Darüber hinaus läge auch ein Fehler auf Seiten der Beklagten vor, die es unterlassen habe, jeweils zur Bestimmung der Rentenhöhe ab dem 1. Juli eines jeden Kalenderjahres beim Arbeitgeber nach dem im letzten Kalenderjahr erzielten Einkommen zu fragen. Da das Vertrauen der Klägerin danach insgesamt als schutzwürdig anzusehen sei, hätte der Beklagte den Bewilligungsbescheid nicht aufheben dürfen. Darüber hinaus sei die Ermessensausübung jedenfalls im Hin-blick auf die Höhe der Erstattungsforderung – die zudem unzutreffend berechnet worden sei – fehlerhaft.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 5. März 2010 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 11. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Oktober 2007 hinsichtlich der Aufhebung und Erstattungsforderung aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und verweist ergänzend darauf, dass die Klägerin spätestens nach Erhalt des Rentenbescheides verpflichtet gewesen wäre, den Bezug von Arbeitsentgelt mitzuteilen. Die Entgeltmeldung im Versicherungskonto der Klägerin führe nicht automatisch, sondern erst nach einer vorgenommenen Verknüpfung dazu, dass die Entgelte auch dem Versicherungskonto des Verstorbenen gemeldet werden. Die Verknüpfung erfolge nur bei einer Bejahung der Frage nach dem Bezug von Arbeitsentgelt. Schließlich entbinde die von § 18 e SGB IV vorgesehene Möglichkeit der Ermittlung des Arbeitsentgeltes des letzten Kalenderjahres beim Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht von seiner Verpflichtung nach § 60 SGB I, Einkommensänderungen mitzuteilen.
Dem Senat haben die Verwaltungsvorgänge der Beklagten vorgelegen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze, das Protokoll und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere statthaft gemäß § 144 Absatz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), und auch in der Sache begründet.
Die Klägerin hat einen Anspruch auf Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils sowie des angegriffenen Bescheides. Der Bescheid der Beklagten vom 11. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Oktober 2007 ist im noch angefochtenen Umfang rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die Beklagte nach § 45 SGB X den Bescheid vom 31. Januar 2001 den offensichtlichen Schreibfehler in Form der Bezeichnung "2005" kann die Beklagte nach § 38 Satz 1 SGB X jederzeit berichtigen in der Fassung der Bescheide vom 16. März 2001 und 11. Februar 2002 hinsichtlich der Rentenhöhe teilweise zurückgenommen und von der Klägerin 37.449,13 Euro zurückgefordert.
Nach § 45 Absatz 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Eine Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit kommt nach § 45 Absatz 4 Satz 1 SGB X nur in Betracht, wenn ein Fall von Absatz 2 Satz 3 der Vorschrift vorliegt. § 45 Absatz 2 Satz 3 SGB X bestimmt, dass sich der Begünstigte auf Vertrauen nicht berufen kann, soweit er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Beste-chung erwirkt hat, der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder in Folge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Diese Voraussetzungen sind hier zwar für die Zeit vom 1. April 2001 bis zum 31. Dezember 2005 erfüllt.
Der Witwenrentenbescheid vom 31. Januar 2001 in der Fassung der Bescheide vom 16. März 2001 und 11. Februar 2002 war bezogen auf die Zeit vom 1. April 2001 bis zum 31. Dezember 2005 hinsichtlich der Rentenhöhe schon bei Erlass rechtswidrig und ist nicht erst durch eine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 48 SGB X später rechtwidrig geworden. Für die Anwendung des § 48 SGB X genügt es nicht, dass der Witwerrentenbescheid zunächst für die Dauer des Sterbevierteljahres rechtmäßig war und dass der von der streitigen Rücknahme betroffene Zeitraum zeitlich nach dem Erlass des Bewilligungsbescheides liegt (vgl. dazu BSG, Urteil vom 27. Juli 1989 – 11/7 RAr 115/87, Rn.13 bei Juris). Bei Erlass des Bewilli-gungsbescheides bestand aufgrund des ungekündigten Beschäftigungsverhältnisses, in dem die Klägerin stand, und der Höhe des von ihr daraus erzielten Arbeitsentgeltes, das die Jahresar-beitsentgeltgrenze überschritt, kein Anspruch auf einen Zahlbetrag aus der Hinterbliebenenrente. Einkommen von Berechtigten, das mit einer Witwenrente zusammentrifft, ist nach § 97 Ab-satz 1 Satz 1 und 2 SGB VI nach Ablauf des Sterbevierteljahres anzurechnen. Dabei sind nach § 114 Absatz 1 SGB IV bei Renten wegen Todes als Einkommen Erwerbseinkommen und Leistungen, die auf Grund oder in entsprechender Anwendung öffentlich-rechtlicher Vorschriften erbracht werden, um Erwerbseinkommen zu ersetzen (Erwerbsersatzeinkommen), mit Ausnahme von Zusatzleistungen, zu berücksichtigen, wenn der versicherte Ehegatte vor dem 1. Januar 2002 verstorben ist oder die Ehe vor diesem Tag geschlossen wurde und mindestens ein Ehegatte vor dem 2. Januar 1962 geboren ist. Gemäß § 114 Absatz 5 SGB IV ist das monatliche Arbeitsentgelt – also die Einnahmen aus einem Arbeitsverhältnis (§ 14 Absatz 1 Satz 1 i.V.m. § 7 Absatz 1 Satz 1 SGB IV) – bis zum 30. Juni 2002 um 35 vom Hundert zu kürzen, wenn am 31. Dezember 2001 Anspruch auf eine Rente wegen Todes bestand. Anrechenbar ist bei Witwenrenten nach § 97 Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI i.V.m. § 228 a Absatz 3 SGB VI das Einkommen, das monatlich das 26,4fache des aktuellen Rentenwertes (Ost) übersteigt. Von dem danach verbleibenden anrechenbaren Einkommen werden nach § 97 Absatz 2 Satz 3 SGB VI 40 vom Hundert angerechnet. Danach hätte das von der Klägerin in der Zeit vom 1. April 2001 bis zum 31. Dezember 2005 erzielte Arbeitsentgelt auf die Witwenrente angerechnet werden müssen.
Die dargelegte Rechtswidrigkeit des Bescheides der Beklagten vom 31. Januar 2001 in der Fassung der Bescheide vom 16. März 2001 und 11. Februar 2002 beruht auch darauf, dass die Klägerin den Bezug von Einkommen gegenüber der Beklagten verneint und dabei angesichts der Eindeutigkeit des Antragsvordruckes der Beklagten und gemessen an ihren individuellen Fähigkeiten und Kenntnissen grob fahrlässig gehandelt hat, da sie die erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich großem Maße verletzt und unbeachtet gelassen hat, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Die von der Klägerin in diesem Zusammenhang aufgezählten, aus ihrer Sicht bestehenden Unübersichtlichkeiten wirken insgesamt konstruiert und werden der tatsächlichen optischen Gliederung des Vordrucks und den darin enthaltenen Fragen nicht gerecht.
Die Anwendung von § 45 Absatz 1 SGB X sieht jedoch auf der Rechtsfolgenseite Ermessen vor. Der Bescheid der Beklagten vom 11. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbe-scheides vom 30. Oktober 2007 leidet insoweit an einem Ermessensausfall, als die Beklagte annimmt, es könne im Rahmen des Ermessens nur ausnahmsweise von einer Rücknahme von Bewilligungsbescheiden abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen für eine Rücknahme vorlägen. Dies wird der von § 45 Absatz 1 SGB X geforderten Ermessensentscheidung nicht gerecht. Der angefochtene Bescheid lässt nicht erkennen, dass sich die Beklagte überhaupt be-wusst war, auch bei fehlendem Vertrauensschutz auf Seiten des Rentenempfängers einen Ermessensspielraum zu haben. Selbst bei Bösgläubigkeit des Betroffenen ist eine Ermessensbetätigung im Rahmen von § 45 SGB X nicht von vornherein ausgeschlossen. Andernfalls bedürfte es keiner einschränkenden Spezialregelungen wie etwa § 330 Absatz 2 SGB III, wonach im Fall der Bösgläubigkeit eine gebundene Rücknahmeentscheidung für die Vergangenheit vorzu-nehmen ist. Es ist auch nicht anzunehmen, dass die Beklagte vorliegend von einer Ermessens-reduzierung auf Null ausgegangen ist, da etwaige Gründe für die Annahme einer solchen Er-messensreduzierung durch die Beklagte in dem Rücknahmebescheid nicht dargelegt sind. Darüber hinaus liegt ein Ermessensfehler auch insoweit vor, als die Beklagte bei der Ermessensausübung ein Mitverschulden ihrerseits an der rechtswidrigen Leistungsgewährung hätte berücksichtigen müssen. Zwar bestand für die Beklagte mangels Kenntnis eines Arbeitsverhältnisses der Klägerin entgegen deren Vortrag gerade keine Möglichkeit zur Ermittlung der Höhe des Arbeitsentgeltes beim Arbeitgeber der Klägerin entsprechend § 18 e SGB IV. Jedoch erhielt die Beklagte bereits im März 2001 zeitnah nach Erlass des Witwenrentenbescheides eine Meldung über eine Änderung des Krankenverhältnisses der Klägerin, aufgrund derer es ihr durch Nachfrage bei der Klägerin nach dem Grund für diese Änderung möglich gewesen wäre, die anschließend noch über Jahre andauernde Überzahlung der Rente zu verhindern. Die Nachfrage bei der Klägerin wäre aus Sicht der Beklagten angezeigt gewesen, weil Änderungen des Krankenversicherungsverhältnisses bei einem Hinterbliebenenrentenbezieher, der seinen Rentenanspruch aus der Versicherung eines anderen ableitet, der selbst Mitglied in der Kran-kenversicherung der Rentner war, und damit nach § 5 Absatz 2 Satz 2 SGB V in der im März 2001 geltenden Fassung ebenfalls versicherungspflichtig in der Krankenversicherung der Rentner ist, zumindest klärungsbedürftig erscheinen, da sie auf anderweitiges Einkommen hindeuten (vgl. § 6 Absatz 2 Satz 1 in Verbindung mit Absatz 1 Nr. 1 SGB V in der im März 2001 geltenden Fassung).
Soweit die Klägerin in der Zeit vom 26. März 2006 bis zum 31. Mai 2006 Arbeitslosengeld bezogen sowie in der Zeit vom 1. Juni 2006 bis zum 30. November 2006 Überbrückungsgeld erhalten und Arbeitseinkommen erzielt hat, liegt gegenüber dem Zeitpunkt des Erlasses des Witwenrentenbescheides eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen nach § 48 Absatz 1 SGB X vor, so dass der angefochtene Bescheid insoweit im Sinne einer Aufhe-bung nach § 48 Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 und 3 SGB X umgedeutet werden könnte. Nach dieser Vorschrift soll ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist (Nr. 2) oder nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde (Nr.3), wobei als Zeitpunkt der Ände-rung der Verhältnisse in Fällen, in denen Einkommen auf einen zurückliegenden Zeitraum aufgrund der besonderen Teile dieses Gesetzbuchs anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraums ist (Satz 3). Danach ist die Aufhebung mit Wirkung für die Vergangenheit nur einem eingeschränkten Ermessen unterworfen mit der Folge, dass im Regelfall eine rückwirkende Aufhebung erfolgen muss. Allerdings kann die Beklagte in atypischen Fällen nach ihrem Ermessen davon abweichen (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2010 – B 13 R 77/09 R, Rn. 57 m.w.N. bei Juris). Vorliegend ist ein solcher Ausnahmefall gegeben, ohne dass die Beklagte dies be-achtet und dementsprechend nach den vorstehenden Ausführungen auch in diesem Zusammenhang nur eine ermessensfehlerhafte Entscheidung getroffen hat.
Die Frage, ob ein atypischer Fall vorliegt, ist selbst nicht im Wege der Ermessensausübung zu klären, sondern vielmehr als Rechtsvoraussetzung von den Gerichten zu überprüfen (vgl. BSG, a.a.O.). Für die Frage, ob eine zur Ermessensausübung zwingende Atypik des Geschehensablaufes vorliegt, kommt es auf die Umstände des Einzelfalles an. Diese müssen Merkmale auf-weisen, die signifikant vom (typischen) Regelfall abweichen, in dem die Rechtswidrigkeit eines ursprünglich richtigen Verwaltungsaktes ebenfalls durch nachträgliche Veränderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen eingetreten ist. Dabei ist das Verhalten des Leistungsträgers im Geschehensablauf in die Betrachtung ebenso einzubeziehen wie die Prüfung, ob die mit der Aufhebung verbundene Pflicht zur Erstattung der zu Unrecht erhaltenen Leistungen nach Lage des Falles eine Härte bedeutet, die den Leistungsbezieher in untypischer Weise stärker belastet als den hierdurch im Normalfall Betroffenen (BSG, a.a.O., Rn. 58 m.w.N.). In diesem Zusammenhang ist zunächst wiederum die fehlerhafte Sachbehandlung der Meldung vom März 2001 über die Änderung des Krankenversicherungsverhältnisses der Klägerin durch die Beklagte zu berücksichtigen, die sich auch insoweit weiter auswirkt. Die gebotene Nachfrage nach dem Grund für die Änderung bei der Klägerin hätte deren Erwerbstätigkeit und in deren Folge auch den Verlust des Arbeitsvertrages sowie die daran geknüpften Auswirkungen zu Tage gefördert. Da die Klägerin im Jahre 2006 ohne weiteres ihre gesamten Einkünfte seit dem Jahr 2000 unter Vorlage entsprechender Nachweise dargelegt hat, hätte auch eine frühere Nachfrage aller Voraussicht nach eine entsprechende Mitwirkung auf Seiten der Klägerin bewirkt. Zum anderen hätte durch die Beklagte Beachtung finden müssen, dass die Klägerin sich in der Phase der Vorbereitung der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit befand, die mit erhöhten Ausgaben verbunden war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Absatz 1 SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe gemäß § 160 Absatz 2 SGG nicht gegeben sind.
Rechtskraft
Aus
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