Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
15
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 11 SB 1066/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 SB 144/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Der Rechtsstreit über die Berufung des Klägers (L 15 SB 124/00) ist durch die Berufungsrücknahme vom 31.10.2000 in der Hauptsache erledigt.
II. Außergerichtliche Kosten im Rahmen der Fortsetzung des Verfahrens vor dem Bayerischen Landessozialgericht sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Beendigung des Berufungsverfahrens durch Berufungsrücknahme bzw. um einen höheren Grad der Behinderung (GdB) nach dem Schwerbehindertengesetz (SchwbG).
Mit seiner zum Sozialgericht München erhobenen Klage gegen den Änderungsbescheid des Beklagten vom 28.07.1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 03.09.1998 verfolgte der Kläger sein Begehren eines höheren GdB als 40 (mindestens 50) weiter. Mit Urteil vom 12.07.2000 wies das Sozialgericht die Klage, gestützt auf das von ihm eingeholte internistische, sozialmedizinische, psychotherapeutische Gutachten des Dr.H ... vom 13.02. 2000 bzw. das vorausgegangene Gutachten nach Aktenlage des Nervenarztes Dr.K ... vom 19.05.1999 ab. Gegen dieses Urteil legte der Kläger am 22.08.2000 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht ein.
Im Erörterungstermin vom 31.10.2000 übergab der Kläger einen Entlassungsschein der BfA über eine Reha-Maßnahme vom 20.06. bis 11.07.2000, aus der er als arbeitsunfähig entlassen wurde; des weiteren legte er ein Attest des Dr.P ... vom 24.10.2000 über eine Leistungseinschränkung wegen Problemen mit der linken Unterschenkelvene und psychischen Belastungen vor. In diesem Termin wurde der Kläger darauf hingewiesen, dass nicht beabsichtigt sei, ein medizinisches Gutachten von Amts wegen einzuholen; gleichzeitig wurde der Kläger auf die Möglichkeit des § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hingewiesen. Nach eingehender Erörterung des Sachverhalts erklärte der Kläger darauf- hin: "Ich habe derzeit nicht die Absicht, einen Antrag nach § 109 Abs.1 SGG zu stellen, weil es mich finanziell überfordert. Ich nehme deshalb meine Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 12.07.2000 zurück. Gleichzeitig beantrage ich gegenüber dem Beklagten unter Hinweis auf die im Termin vorgelegten Unterlagen die Neufeststellung meiner Behinderungen mit einem GdB von 50." Dieser Erörterungstermin endete um 9.25 Uhr. Um 10.17 Uhr ging bei Gericht ein "Widerruf" des Klägers per Fax ein, in dem er mitteilte: "Meine Klage ziehe ich nicht zurück. Ich berufe mich auf Artikel § 109 Gegengutachten, da ich von Anfang an Gutachten Dr.H ... nicht anerkannt habe ... Bitte teilen sie mir mit, wie ich weiterverfahren muß."
In weiteren Fax-Schreiben vom 14.11. und 22.11.2000 bekräftigte er sein Anliegen, bat um Erhöhung des GdB und legte ein ärztliches Attest des Internisten Dr.Dr.F.K ... vom 24.11.2000 über seine Venenerkrankung, Rückenschmerzen, Hypertonie und die durch Dauerbelästigungen in der häuslichen Umgebung wiederholt auftretenden Aufregungszustände, Schlaflosigkeit und Erregungszustände sowie einen psycho-vegetativen Erschöpfungszustand vor; gleichzeitig verwies er auf seine derzeitige neurologisch-psychiatrische Behandlung.
Mit Schreiben des Gerichtes vom 14.11.2000 wurde den Beteiligten mitgeteilt, das Verfahren L 15 SB 124/00 werde unter dem Az.: L 15 SB 144/00 fortgeführt.
In den weiteren im Berufungsverfahren vom Kläger vorgelegten Schriftsätzen wiederholte er im Wesentlichen sein Vorbringen bzgl. der Lärmbelästigung und bezog sich auf Atteste des Dr. Dr.F.K ...
Am Schluss der mündlichen Verhandlung erklärte der Kläger: "Ich stelle aus psychischen Gründen keinen Antrag".
Der Beklagte beantragt, festzustellen, dass der Rechtsstreit L 15 SB 124/2000 durch Rücknahme der Berufung vom 31.10.12000 erledigt ist.
Zum Verfahren wurden beigezogen die Schwerbehindertenakten des Klägers beim Beklagten sowie die Akten des Sozialgerichts München, Az.: S 26 Vs 731/97, S 11 SB 1066/98 sowie die Akten des Bayerischen Landessozialgerichts, Az.: L 15 SB 162/97.
Bezüglich des weiteren Sachverhalts in den Verfahren des Beklagten und des Sozialgerichts wird gemäß § 202 SGG und § 543 der Zivilprozessordnung (ZPO) auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die dort angeführten Beweismittel, hinsichtlich des Sachverhalts im Berufungsverfahren auf die Schriftsätze der Beteiligten und den Inhalt der Berufungsakten nach § 136 Abs.2 SGG Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Obwohl in dem Erörterungstermin vom 31.10.2000 der Kläger seine Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 12.07. 2000 zurücknahm, wodurch nach § 156 Abs.2 SGG der Verlust des Rechtsmittels bewirkt wird, führt sein "Widerruf" vom 31.10. 2000 zu einem Streit über die Wirksamkeit seiner Berufungsrücknahme und damit zur Weiterführung des Verfahrens vor dem Bayerischen Landessozialgerichts. Nachdem diese Berufungsrücknahme sich am Ende der mündlichen Verhandlung als wirksam erwies, musste der Senat feststellen, dass der Rechtsstreit über die Berufung des Klägers (L 15 SB 124/2000) durch die Berufungsrücknahme vom 31.10.2000 in der Hauptsache erledigt ist.
Grundsätzlich konnte der Kläger seine Berufung bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung zurücknehmen (§ 156 Abs.1 SGG). Diese Berufungsrücknahme ist von ihm auch wirksam erklärt worden, so dass eine Entscheidung in der Sache selbst, d.h. über die Berechtigung eines höheren GdB als 40, dem Senat nach der wirksamen Beendigung des Rechtsstreites nicht mehr möglich ist.
Eine Prozesshandlung wie die vom Kläger zu Protokoll erklärte Rücknahme der Berufung kann weder frei widerrufen noch entsprechend den bürgerlich-rechtlichen Vorschriften wegen Irrtums oder Drohung (§§ 119, 123 BGB) angefochten werden (BSG SozR Nr.3 zu § 119 BGB; BSG in SozR 1500 § 102 Nr.2 m.w.N.; BSG, 17.05.1966, 7 RAr 7/66). Auch eine Nichtigkeit der Rücknahmeerklärung könnte selbst dann nicht angenommen werden, wenn diese Erklärung aufgrund einer "Überrumpelung" durch das Gericht oder infolge einer unrichtigen Belehrung über die Prozessaussicht abgegeben worden wäre (BSG, 24.04.1980, 9 RV 16/79 m.w.N.; BSG in Breith. 1960, 744).
Dies ergibt sich aus der Rechtsnatur von Prozesshandlungen, zu denen auch die Berufungsrücknahme zählt. Diese können zwar grundsätzlich durch eine Prozesshandlung widerrufen, ergänzt, geändert oder berichtigt werden, jedoch nur solange der Rechtsstreit anhängig ist. Nicht frei widerruflich bzw. nicht frei abänderungsfähig sind jedoch Prozesshandlungen, durch die der Prozessgegner eine Rechtsstellung erlangt oder aufgrund deren er seine Rechtsstellung eingerichtet hat (z.B. auch Rücknahme; vgl. hierzu Thomas-Putzo, Zivilprozessordnung, 21. Auflage, Einleitung III Anm.21 ff. m.w.N.). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz könnte nur gelten, wenn die Beteiligten beispielsweise einen Widerrufsvorbehalt oder einen Rücknahmevorbehalt vereinbart hätten, was jedoch im vorliegenden Fall nicht gegeben ist. Eine weitere Ausnahme von diesem Grundsatz kann dann angenommen werden, wenn gleichzeitig mit der Rücknahme der Widerruf bei Gericht eingeht, was ebenfalls nicht der Fall war; der Erörterungstermin am 31.10.2000, in dem die Rücknahme der Berufung erklärte wurde, endete um 9.25 Uhr, der "Widerruf" des Klägers ging bei Gericht um 10.17 Uhr per Fax ein.
Abgesehen davon, dass der Kläger weder in seinen Schriftsätzen noch in der mündlichen Verhandlung irgendwelche Angaben über eine Irrtumsanfechtung im Sinne des § 119 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) oder über mögliche Nichtigkeitsgründe machte, sind derartige Mängel auch nicht feststellbar. Der immer gleiche Einwand des Klägers über Lärmbelästigungen und sein Vorbringen, ungerecht behandelt worden bzw. von Anfang an mit dem Gutachten des Dr.H ... nicht einverstanden gewesen zu sein, führen jedenfalls nicht zur Nichtigkeit im Sinne des § 142 Abs.1 BGB.
Allenfalls könnte eine Berufungsrücknahme entsprechend den Regeln über die Wiederaufnahmeklage widerrufen werden, falls ein gesetzlicher Restitutionsgrund (§ 179 Abs.1 SGG i.V.m. § 580 ZPO) gegeben wäre (BSG, 24.04.1980, 9 RV 16/79 m.w.N.). Einen solchen Tatbestand (insbesondere: falsche eidliche Aussage des gegnerischen Prozessbeteiligten; Urkundenfälschung; strafbares falsches Zeugnis/Gutachten; Urteilserschleichung; Amtspflichtverletzung eines Richters; Auffinden einer bisher unbekannten Urkunde) hat der Kläger aber nicht vorgetragen; auch ergeben sich diesbezüglich keine Hinweise aus den Akten. Eine strafbare Verletzung der richterlichen Amtspflichten gegenüber dem Kläger könnte im Übrigen nur dann eine Restitutionsklage und damit in diesem Fall einen Widerruf rechtfertigen, wenn der zuständige Richter wegen einer solchen Straftat rechtskräftig verurteilt worden wäre, oder wenn ein Strafverfahren aus anderen Gründen als Mangels Beweises nicht eingeleitet oder durchgeführt werden könnte (§ 580 Abs.1 Nr.5 i.V.m. § 581 ZPO). Das ist nicht der Fall. Ob ein Nichtigkeitsgrund i.S. des § 579 ZPO ebenfalls einen Widerruf rechtfertigt, kann dahingestellt bleiben. Denn die in § 579 Abs.1 ZPO aufgeführten Nichtigkeitsgründe (unvorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts; Mitwirkung eines kraft Gesetzes ausgeschlossenen oder wegen Befangenheit abgelehnten Richters; den gesetzlichen Vorschriften nicht entsprechende Vertretung einer Partei) liegen offensichtlich nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG).
II. Außergerichtliche Kosten im Rahmen der Fortsetzung des Verfahrens vor dem Bayerischen Landessozialgericht sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Beendigung des Berufungsverfahrens durch Berufungsrücknahme bzw. um einen höheren Grad der Behinderung (GdB) nach dem Schwerbehindertengesetz (SchwbG).
Mit seiner zum Sozialgericht München erhobenen Klage gegen den Änderungsbescheid des Beklagten vom 28.07.1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 03.09.1998 verfolgte der Kläger sein Begehren eines höheren GdB als 40 (mindestens 50) weiter. Mit Urteil vom 12.07.2000 wies das Sozialgericht die Klage, gestützt auf das von ihm eingeholte internistische, sozialmedizinische, psychotherapeutische Gutachten des Dr.H ... vom 13.02. 2000 bzw. das vorausgegangene Gutachten nach Aktenlage des Nervenarztes Dr.K ... vom 19.05.1999 ab. Gegen dieses Urteil legte der Kläger am 22.08.2000 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht ein.
Im Erörterungstermin vom 31.10.2000 übergab der Kläger einen Entlassungsschein der BfA über eine Reha-Maßnahme vom 20.06. bis 11.07.2000, aus der er als arbeitsunfähig entlassen wurde; des weiteren legte er ein Attest des Dr.P ... vom 24.10.2000 über eine Leistungseinschränkung wegen Problemen mit der linken Unterschenkelvene und psychischen Belastungen vor. In diesem Termin wurde der Kläger darauf hingewiesen, dass nicht beabsichtigt sei, ein medizinisches Gutachten von Amts wegen einzuholen; gleichzeitig wurde der Kläger auf die Möglichkeit des § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hingewiesen. Nach eingehender Erörterung des Sachverhalts erklärte der Kläger darauf- hin: "Ich habe derzeit nicht die Absicht, einen Antrag nach § 109 Abs.1 SGG zu stellen, weil es mich finanziell überfordert. Ich nehme deshalb meine Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 12.07.2000 zurück. Gleichzeitig beantrage ich gegenüber dem Beklagten unter Hinweis auf die im Termin vorgelegten Unterlagen die Neufeststellung meiner Behinderungen mit einem GdB von 50." Dieser Erörterungstermin endete um 9.25 Uhr. Um 10.17 Uhr ging bei Gericht ein "Widerruf" des Klägers per Fax ein, in dem er mitteilte: "Meine Klage ziehe ich nicht zurück. Ich berufe mich auf Artikel § 109 Gegengutachten, da ich von Anfang an Gutachten Dr.H ... nicht anerkannt habe ... Bitte teilen sie mir mit, wie ich weiterverfahren muß."
In weiteren Fax-Schreiben vom 14.11. und 22.11.2000 bekräftigte er sein Anliegen, bat um Erhöhung des GdB und legte ein ärztliches Attest des Internisten Dr.Dr.F.K ... vom 24.11.2000 über seine Venenerkrankung, Rückenschmerzen, Hypertonie und die durch Dauerbelästigungen in der häuslichen Umgebung wiederholt auftretenden Aufregungszustände, Schlaflosigkeit und Erregungszustände sowie einen psycho-vegetativen Erschöpfungszustand vor; gleichzeitig verwies er auf seine derzeitige neurologisch-psychiatrische Behandlung.
Mit Schreiben des Gerichtes vom 14.11.2000 wurde den Beteiligten mitgeteilt, das Verfahren L 15 SB 124/00 werde unter dem Az.: L 15 SB 144/00 fortgeführt.
In den weiteren im Berufungsverfahren vom Kläger vorgelegten Schriftsätzen wiederholte er im Wesentlichen sein Vorbringen bzgl. der Lärmbelästigung und bezog sich auf Atteste des Dr. Dr.F.K ...
Am Schluss der mündlichen Verhandlung erklärte der Kläger: "Ich stelle aus psychischen Gründen keinen Antrag".
Der Beklagte beantragt, festzustellen, dass der Rechtsstreit L 15 SB 124/2000 durch Rücknahme der Berufung vom 31.10.12000 erledigt ist.
Zum Verfahren wurden beigezogen die Schwerbehindertenakten des Klägers beim Beklagten sowie die Akten des Sozialgerichts München, Az.: S 26 Vs 731/97, S 11 SB 1066/98 sowie die Akten des Bayerischen Landessozialgerichts, Az.: L 15 SB 162/97.
Bezüglich des weiteren Sachverhalts in den Verfahren des Beklagten und des Sozialgerichts wird gemäß § 202 SGG und § 543 der Zivilprozessordnung (ZPO) auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die dort angeführten Beweismittel, hinsichtlich des Sachverhalts im Berufungsverfahren auf die Schriftsätze der Beteiligten und den Inhalt der Berufungsakten nach § 136 Abs.2 SGG Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Obwohl in dem Erörterungstermin vom 31.10.2000 der Kläger seine Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 12.07. 2000 zurücknahm, wodurch nach § 156 Abs.2 SGG der Verlust des Rechtsmittels bewirkt wird, führt sein "Widerruf" vom 31.10. 2000 zu einem Streit über die Wirksamkeit seiner Berufungsrücknahme und damit zur Weiterführung des Verfahrens vor dem Bayerischen Landessozialgerichts. Nachdem diese Berufungsrücknahme sich am Ende der mündlichen Verhandlung als wirksam erwies, musste der Senat feststellen, dass der Rechtsstreit über die Berufung des Klägers (L 15 SB 124/2000) durch die Berufungsrücknahme vom 31.10.2000 in der Hauptsache erledigt ist.
Grundsätzlich konnte der Kläger seine Berufung bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung zurücknehmen (§ 156 Abs.1 SGG). Diese Berufungsrücknahme ist von ihm auch wirksam erklärt worden, so dass eine Entscheidung in der Sache selbst, d.h. über die Berechtigung eines höheren GdB als 40, dem Senat nach der wirksamen Beendigung des Rechtsstreites nicht mehr möglich ist.
Eine Prozesshandlung wie die vom Kläger zu Protokoll erklärte Rücknahme der Berufung kann weder frei widerrufen noch entsprechend den bürgerlich-rechtlichen Vorschriften wegen Irrtums oder Drohung (§§ 119, 123 BGB) angefochten werden (BSG SozR Nr.3 zu § 119 BGB; BSG in SozR 1500 § 102 Nr.2 m.w.N.; BSG, 17.05.1966, 7 RAr 7/66). Auch eine Nichtigkeit der Rücknahmeerklärung könnte selbst dann nicht angenommen werden, wenn diese Erklärung aufgrund einer "Überrumpelung" durch das Gericht oder infolge einer unrichtigen Belehrung über die Prozessaussicht abgegeben worden wäre (BSG, 24.04.1980, 9 RV 16/79 m.w.N.; BSG in Breith. 1960, 744).
Dies ergibt sich aus der Rechtsnatur von Prozesshandlungen, zu denen auch die Berufungsrücknahme zählt. Diese können zwar grundsätzlich durch eine Prozesshandlung widerrufen, ergänzt, geändert oder berichtigt werden, jedoch nur solange der Rechtsstreit anhängig ist. Nicht frei widerruflich bzw. nicht frei abänderungsfähig sind jedoch Prozesshandlungen, durch die der Prozessgegner eine Rechtsstellung erlangt oder aufgrund deren er seine Rechtsstellung eingerichtet hat (z.B. auch Rücknahme; vgl. hierzu Thomas-Putzo, Zivilprozessordnung, 21. Auflage, Einleitung III Anm.21 ff. m.w.N.). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz könnte nur gelten, wenn die Beteiligten beispielsweise einen Widerrufsvorbehalt oder einen Rücknahmevorbehalt vereinbart hätten, was jedoch im vorliegenden Fall nicht gegeben ist. Eine weitere Ausnahme von diesem Grundsatz kann dann angenommen werden, wenn gleichzeitig mit der Rücknahme der Widerruf bei Gericht eingeht, was ebenfalls nicht der Fall war; der Erörterungstermin am 31.10.2000, in dem die Rücknahme der Berufung erklärte wurde, endete um 9.25 Uhr, der "Widerruf" des Klägers ging bei Gericht um 10.17 Uhr per Fax ein.
Abgesehen davon, dass der Kläger weder in seinen Schriftsätzen noch in der mündlichen Verhandlung irgendwelche Angaben über eine Irrtumsanfechtung im Sinne des § 119 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) oder über mögliche Nichtigkeitsgründe machte, sind derartige Mängel auch nicht feststellbar. Der immer gleiche Einwand des Klägers über Lärmbelästigungen und sein Vorbringen, ungerecht behandelt worden bzw. von Anfang an mit dem Gutachten des Dr.H ... nicht einverstanden gewesen zu sein, führen jedenfalls nicht zur Nichtigkeit im Sinne des § 142 Abs.1 BGB.
Allenfalls könnte eine Berufungsrücknahme entsprechend den Regeln über die Wiederaufnahmeklage widerrufen werden, falls ein gesetzlicher Restitutionsgrund (§ 179 Abs.1 SGG i.V.m. § 580 ZPO) gegeben wäre (BSG, 24.04.1980, 9 RV 16/79 m.w.N.). Einen solchen Tatbestand (insbesondere: falsche eidliche Aussage des gegnerischen Prozessbeteiligten; Urkundenfälschung; strafbares falsches Zeugnis/Gutachten; Urteilserschleichung; Amtspflichtverletzung eines Richters; Auffinden einer bisher unbekannten Urkunde) hat der Kläger aber nicht vorgetragen; auch ergeben sich diesbezüglich keine Hinweise aus den Akten. Eine strafbare Verletzung der richterlichen Amtspflichten gegenüber dem Kläger könnte im Übrigen nur dann eine Restitutionsklage und damit in diesem Fall einen Widerruf rechtfertigen, wenn der zuständige Richter wegen einer solchen Straftat rechtskräftig verurteilt worden wäre, oder wenn ein Strafverfahren aus anderen Gründen als Mangels Beweises nicht eingeleitet oder durchgeführt werden könnte (§ 580 Abs.1 Nr.5 i.V.m. § 581 ZPO). Das ist nicht der Fall. Ob ein Nichtigkeitsgrund i.S. des § 579 ZPO ebenfalls einen Widerruf rechtfertigt, kann dahingestellt bleiben. Denn die in § 579 Abs.1 ZPO aufgeführten Nichtigkeitsgründe (unvorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts; Mitwirkung eines kraft Gesetzes ausgeschlossenen oder wegen Befangenheit abgelehnten Richters; den gesetzlichen Vorschriften nicht entsprechende Vertretung einer Partei) liegen offensichtlich nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG).
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