Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
15
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 10 SB 1263/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 SB 66/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 28. Oktober 1999 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der gehörlosen Klägerin die Merkzeichen "H", "B" und "G" nach dem Schwerbehindertengesetz (SchwbG) mit Recht entzogen wurden.
Bei der am 1976 geborenen Klägerin wurde erstmals mit Bescheid vom 13.11.1980 eine "angeborene, an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit mit Sprachstörungen" mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 100 v.H. festgestellt. Die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen "B", "G", "H" und "RF" wurden zuerkannt.
Im Rahmen von Nachprüfungen von Amts wegen wurde ermittelt, dass die Klägerin zunächst in der Taubstummenschule in München, dann in einer Spezialschule in Salzburg und schließlich im Berufsbildungswerk für Sprach- und Hörbehinderte in Nürnberg ausgebildet wurde. Anfang Mai 1997 teilte sie mit, sie befinde sich nicht mehr im Berufsbildungswerk, ihre Ausbildung sei abgeschlossen.
In einem Anhörungsschreiben vom 13.05.1997 teilte der Beklagte der Klägerin daraufhin mit, dass beabsichtigt sei, nach § 48 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) das Merkzeichen "H" zu entziehen, da sie nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nach Abschluss ihrer Ausbildung nicht mehr als hilflos angesehen werden könne. Ein entsprechender Entziehungsbescheid erging am 25.06.1997.
Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch, da sie trotz Beendigung ihrer Ausbildung weiterhin hilflos sei. Der Beklagte veranlasste eine versorgungsärztliche Untersuchung der Klägerin durch den HNO-Arzt Dr.E ... Dieser stellte in seinem Gutachten vom 14.01.1998 fest, die Klägerin sei gehörlos geboren worden, habe bis vor ca. einem Jahr Hörgeräte beidseits getragen, dies aber inzwischen aufgegeben. Die Berufsausbildung zur hauswirtschaftlich-technischen Helferin sei seit Juli 1995 abgeschlossen. Neben einer beidseitigen Gehörlosigkeit bestehe eine ausgeprägte audiogene Sprachstörung mit nur schwerst verständlicher Sprache. Dr.E. hielt die Voraussetzungen des Merkzeichens "H" nach Ende der Berufsausbildung nicht mehr für gegeben und vertrat darüber hinaus die Auffassung, der Klägerin stünden auch die Merkzeichen "B" und "G" nicht mehr zu. Der Beklagte versandte daraufhin ein weiteres Anhörungsschreiben vom 08.05.1998, aus dem hervorging, dass beabsichtigt sei, den Bescheid vom 25.06.1997 nach § 45 SGB X zurückzunehmen, da dieser zum Zeitpunkt seines Erlasses insoweit rechtswidrig gewesen sei, als er nicht auch die Merkzeichen "G" und "B" entzogen habe. Mit Schreiben vom 20.05.1998 wandte der Vater der Klägerin ein, dass sich die Behinderung seiner Tochter in den letzten Jahren eher verschlechtert als gebessert habe. Mit Bescheid vom 28.07.1998 nahm der Beklagte den Bescheid vom 25.06.1997 mit Wirkung für die Zukunft insoweit zurück, als darin die Merkzeichen "B " und "G" weiter zuerkannt worden waren. In der Rechtsbehelfsbelehrung wurde darauf hingewiesen, dass der Bescheid vom 28.07.1998 Gegenstand des anhängigen Vorverfahrens (§ 86 Abs.1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) sei. Anschließend erging am 23.09.1998 ein Widerspruchsbescheid, mit dem der Widerspruch gegen den Bescheid vom 25.06.1997 zurückgewiesen und in den Gründen der Bescheid vom 28.07.1998 als zutreffend bezeichnet wurde.
Hiergegen hat die Klägerin Anfechtungsklage zum Sozialgericht München erhoben. Sie könne infolge ihrer Schwerhörigkeit nach wie vor nicht für sich selbst sorgen, sei Analphabetin und nicht in der Lage, Verkehrszeichen, Briefe oder ähnliches zu lesen. Sie brauche für jede einzelne Tätigkeit Anweisungen und sei absolut unselbständig, benötige ständig einen Dolmetscher und eine Hilfsperson. Zum Beleg hat die Klägerin ein Attest des HNO-Arztes Dr.F. vom 02.09.1998 vorgelegt.
Nach Beiziehung eines Befundberichts von Dr.F. hat das Sozialgericht den HNO-Arzt Dr.K. zum gerichtlichen Sachverständigen ernannt. In seinem Gutachten vom 21.04.1999, das auf einer Untersuchung der Klägerin in Anwesenheit der Mutter der Klägerin beruhte, hat der Sachverständige im Rahmen der Berufsanamnese u.a. festgehalten, dass die Klägerin seit 1995 in der Chiemgau-Klinik als Zimmermädchen tätig sei. 1995 habe sie auch mit Hilfe der Mutter, die den theoretischen Unterricht mitbesucht habe, die Führerscheinprüfung abgelegt. Jetzt fahre sie gewohnte übliche Strecken ohne fremde Hilfe. Zur Frage, ob Störungen der Orientierungsfähigkeit vorlägen, hat der Sachverständige auf die 1995 erworbene Fahrerlaubnis hingewiesen. Es erscheine der Klägerin durchaus zumutbar, bekannte Wegstrecken im Ortsverkehr ohne fremde Hilfe zurückzulegen. Es sei jedoch glaubhaft, dass sie Schwierigkeiten habe, sobald sie sich verlaufe, da eine lautsprachliche Verständigung nicht möglich sei. Ob eine zusätzliche geistige Behinderung vorliege, müsse durch ein neurologisch- psychiatrisches Gutachten geklärt werden. Zur Frage der Notwendigkeit ständiger Begleitung und des Vorliegens der Voraussetzungen des Merkzeichends "G" könne ohne dieses Zusatzgutachten nicht Stellung genommen werden. Da bei Taubheit Hilflosigkeit nur bis zur Beendigung der Ausbildung anzunehmen sei, liege Hilflosigkeit nicht mehr vor.
Das Sozialgericht hat daraufhin ein weiteres Gutachten (09.08. 1999) von dem Nervenarzt Dr.K. eingeholt, in dem der Sachverständige die Voraussetzungen für das Vorliegen der Merkzeichen "G", "B" und "H" verneint hat. Aufgrund der Untersuchung der Klägerin im Beisein ihrer Mutter hat der Sachverständige nicht bestätigt, dass die Klägerin Analphabetin sei. Von der intellektuellen Ausstattung her bestehe allenfalls eine leichte Lernbehinderung, sicherlich nicht eine geistige Behinderung. Letztere sei mit dem Erwerb des Führerscheins nicht in Übereinstimmung zu bringen. Die Klägerin habe die praktische Führerscheinprüfung im ersten Anlauf geschafft, die theoretische Prüfung im zweiten Anlauf. Sie fahre jeden Tag allein mit dem Auto, das ein Automatikgetriebe habe, die 20 km von S. bis nach M. zu ihrer Arbeitsstätte. Sie wohne zu Hause, in ihrer Freizeit nehme sie an Veranstaltungen des Gehörlosenvereins in Traunstein teil, wo sie einmal pro Woche beim Sport mitmache.
Das Sozialgericht hat daraufhin mit Urteil vom 28.10.1999 die Klage abgewiesen und sich dabei vor allem auf das Gutachten von Dr.K. und die Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz von 1996 (AP) gestützt.
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung zum Landessozialgericht eingelegt und vorgetragen, es handele sich um einen Ausnahmefall im Sinne der einschlägigen BSG-Rechtsprechung, weil bei ihr zusätzlich zur Gehörlosigkeit eine Minderbegabung vorliege. Sie benötige zur Verständigung stets einen Gebärdendolmetscher oder bei Problemen am Arbeitsplatz ihre Mutter bzw. eine Arbeitstherapeutin. Schriftliche Texte verstehe sie häufig nicht. Sie habe die Führerscheinprüfung nur deshalb bestanden, weil sie alleine mit der Mutter und dem Prüfer die theroretische Prüfung habe machen dürfen.
Auf Aufforderung des Senats hat die Klägerin Zeugnisse der Schulen vorgelegt, die sie in den Jahren 1983 bis 1995 besucht hat. Ein Zeugnis des Landwirtschaftsamts F. vom 13.07.1995 über die Abschlussprüfung im Ausbildungsberuf "hauswirtschaftstechnische Helferin" bescheinigt das Gesamtergebnis ausreichend (3,62). Auch sind Schreiben der Chiemgau Klinik an die Klägerin übersandt worden, aus denen hervorgeht, dass die Klägerin verschiedentlich nicht einwandfrei die Patientenzimmer gereinigt habe. Der Senat hat darüber hinaus die Reha-Akte des Arbeitsamts Traunstein beigezogen und Auskünfte von den von der Klägerin besuchten Schulen darüber eingeholt, ob die Klägerin ein Mindestmaß an Verständigungsmöglichkeiten, insbesondere das Schreiben und Lesen, erlernt habe.
Zum Ergebnis dieser Ermittlungen hat der Beklagte Stellung genommen und die Auffassung vertreten, dass die vom BSG im Urteil vom 12.11.1996 verlangten Voraussetzungen für eine ausnahmsweise weiter bestehende Hilflosigkeit nach Abschluss der Berufsausbildung nicht vorlägen.
Von Klägerseite ist hiergegen eingewandt worden, dass die Hilfsbedürftigkeit eigentlich erst jetzt im Berufsleben, bei Behördengängen und bei der Verständigung in der Öffentlichkeit so richtig ins Bewusstsein trete.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 28.10.1999 und die Bescheide vom 25.06.1997 und 28.07.1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 23.09.1998 aufzuheben bzw. teilweise aufzuheben.
Der Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 28.10.1999 zurückzuweisen.
Ergänzend zum Sachverhalt wird auf die Schwerbehindertenakte des Beklagten, die Reha-Akte des Arbeitsamts Traunstein sowie die Akte des vorangegangenen Streitverfahrens vor dem Sozialgericht München sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten und den übrigen Inhalt der Berufungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht (§§ 143, 151 SGG) eingelegte Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.
Das Sozialgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen und die angefochtenen Bescheide des Beklagten, durch die der Klägerin die Merkzeichen "H" sowie "G" und "B" entzogen wurden, bestätigt. Der Klägerin steht das Merkzeichen "H" ab Bekanntgabe des Bescheides vom 25.06.1997 am 04.10.1997 nicht mehr zu; auch die Merkzeichen "G" und "B" wurden mit Wirkung ab Bekanntgabe des Rücknahmebescheides vom 28.07.1998, d.h. ab 3. August 1998, rechtmäßig entzogen.
Nach § 48 Abs.1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Bei den Feststellungsbescheiden nach dem SchwbG handelt es sich um Verwaltungsakte mit Dauerwirkung (BSG SozR 3-1300, § 48 Nr.57); dies gilt auch für die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung von Nachteilsausgleichen bzw. Merkzeichen (BSG SozR 1300 § 48 Nr.13).
Gegenüber dem Bescheid vom 13.11.1980, mit dem bei der Klägerin wegen einer angeborenen, an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit mit Sprachstörungen ein GdB von 100 sowie die Merkzeichen "G", "B", "H", "RF" festgestellt wurden, ist insofern eine wesentliche Änderung eingetreten, als die hörsprachgeschädigte Klägerin inzwischen nicht nur die Gehörlosenschule, sondern auch eine Berufsausbildung zur hauswirtschaftstechnischen Helferin im Juli 1995 erfolgreich abgeschlossen hat. Ab diesem Zeitpunkt steht nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 12.11.1996, SozR 3-3870 § 4 Nr.14) der Nachteilsausgleich H regelmäßig nicht mehr zu, weil die Klägerin nicht mehr als hilflos im Sinne des Einkommensteuerrechts (§ 33 b Abs.3 Satz 3, Abs.6 Satz 2 EStG in der seit dem 01.01.1995 geltenden Fassung des Pflegeversicherungsgesetzes vom 26.05.1994 - BGBl I S.1014) anzusehen ist. Danach ist eine Person an sich nur dann hilflos, wenn sie für eine Reihe von häufig und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen zur Sicherung ihrer persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tages fremder Hilfe dauernd bedarf. Das BSG hat jedoch anerkannt, dass ausnahmsweise Hilflosigkeit bei einer gehörlos geborenen oder vor Spracherwerb ertaubten Person auch dann gegeben sein kann, wenn sie nur bei einer Verrichtung des täglichen Lebens, nämlich der erforderlichen Kommunikation, fremder Hilfe bedarf. Voraussetzung ist jedoch nach der obengenannten Entscheidung des BSG, dass der Hilfebedarf die gesamte Lebensführung prägt. Von einem solchen schwerwiegenden Kommunikationsdefizit kann jedoch - so das BSG - regelmäßig nur bis zum Ablauf einer ersten Berufsausbildung, d.h. während der Lebensspanne, in der das Lernen und der Kenntnis- und Fertigkeitserwerb zu den zentralen Verrichtungen des täglichen Lebens gehören, ausgegangen werden. Die Klägerin hat diesen Zeitraum hinter sich gebracht und ist nach Abschluss der Berufsausbildung seit September 1995 in der Chiemgauklinik in M. als Zimmermädchen beschäftigt.
Die Klägerin gehört auch nicht zu den Gehörlosen, bei denen die Kommunikationsstörung ausnahmsweise eine lebenslange Hilflosigkeit bedingt. Dies kommt nach der obengenannten Rechtsprechung des BSG nur dann in Betracht, wenn der Gehörlose wegen Minderbegabung, einer geistigen Behinderung oder einer zusätzlichen Gesundheitsstörung nicht in der Lage ist, das Mindestmaß an Verständigungsmöglichkeiten mit der hörenden Umwelt zu erlernen, das bei einem erfolgreichen Besuch einer Gehörlosenschule vermittelt wird.
Aus den vom Senat beigezogenen Zeugnissen und den Auskünften der von der Klägerin besuchten Schulen in München, Salzburg und Nürnberg ergibt sich, dass eine derart schwerwiegende Kommunikationsbeeinträchtigung nicht vorliegt. Die Klägerin hat vielmehr das Schreiben und Lesen durchaus erlernt, wenn auch wegen ihrer Hörbehinderung das sinnerfassende Lesen längerer Texte ebenso wie das Schreiben von Briefen ihr Schwierigkeiten bereitet. Auch der vom Sozialgericht gehörte Sachverständige Dr.K. kam in seinem nervenärztlichen Gutachten vom 09.08.1999 zutreffend zu dem Ergebnis, dass bei der Klägerin allenfalls eine leichte Lernbehinderung, sicherlich keine geistige Behinderung vorliege. Letztere wäre auch - worauf der Sachverständige mit Recht hingewiesen hat - mit dem Erwerb des Führerscheins nicht vereinbar. Auch eine Minderbegabung kann nach den Ausführungen des Dr.K. , der die Kommunikationsprobleme der Klägerin allein auf deren Gehörlosikeit und die damit verbundene mangelnde Entwicklung des Sprachvermögens zurückführt, ausgeschlossen werden. Diese Beurteilung wird bestätigt durch eine psychologische Untersuchung der Klägerin durch das Arbeitsamt Traunstein im April 1992. Diese ergab, dass das intellektuelle Niveau der Klägerin als mindestens gut durchschnittlich einzuschätzen sei. Sie besuchte damals einen polytechnischen Lehrgang in Salzburg und erreichte im Abschlusszeugnis überwiegend die Note "sehr gut" und vereinzelt "gut" in den verschiedenen Fächern. Berichte des Diplom-Sozialpädagogen E. vom Berufsbildungswerk Nürnberg vom 09.02.1993 und 12.05.1993, in denen ausgeführt wird, die schulischen Ergebnisse der Klägerin seien in dieser Zeit sehr schwankend gewesen, in allen Lernfächern habe sie nur mangelhafte Ergebnisse erzielt, da sie wenig anstrengungsbereit gewesen sei und schnell und flüchtig gearbeitet habe, erlauben nach Auffassung des Senats nicht den Schluss, bei der Klägerin bestehe eine Minderbegabung, die mangels Kommunikationsfähigkeit zu dauernder Hilflosigkeit führe; vielmehr bestehen demnach bei der Klägerin vor allem Probleme hinsichtlich Leistungsbereitschaft und Ausdauer, nicht so sehr im Bereich der Intelligenz.
Der Senat ist zwar überzeugt, dass die Klägerin auch jetzt noch vielfach der Unterstützung durch eine geeignete Person bedarf, um sich verständlich machen zu können; dennoch ist nach den obengenannten Grundsätzen das Kommunikationsdefizit der Klägerin nicht so schwerwiegend, dass sie deshalb als hilflos im Sinne des Einkommensteuerrechts angesehen werden könnte.
Nach § 45 SGB X darf ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der ein Recht bestätigt hat, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden, sofern nicht das Vertrauen des Begünstigten auf den Bestand des Verwaltungsakts im Vergleich mit dem öffentlichen Interesse an der Rücknahme höherwertig einzuschätzen ist.
Nach Auffassung des Senats war der Neufeststellungsbescheid vom 25.06.1997 zum Zeitpunkt seines Erlasses nicht teilweise rechtswidrig, weil er das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen "B" und "G" nur fortschrieb, ohne hierüber eine neue Feststellung zu treffen. Nach den AP lagen jedoch nach Nrn.30 Abs.5 und 32 Abs.3 bei der Klägerin damals auch die Voraussetzungen für eine erhebliche Gehbehinderung und die Notwendigkeit ständiger Begleitung nicht mehr vor, da diese Einschränkungen bei Gehörlosen in der Regel nur bis zum 16. Lebensjahr bzw. bis zur Beendigung der Gehörlosenschule und bei Hörstörungen im Erwachsenenalter nur in Kombination mit erheblichen Störungen der Ausgleichsfunktion, z.B. einer Sehbehinderung oder geistigen Behinderung anzunehmen sind.
Somit wären - neben dem Merkzeichen "H" - auch die Merkzeichen "G" und "B" nach § 48 SGB X nach entsprechender Anhörung der Klägerin zu entziehen gewesen.
Nach der Rechtsprechung des BSG (SozR 3-1300 § 48 Nr.25) ist ein irrtümlich nach § 45 SGB X zurückgenommener Bescheid, der nicht von Anfang an rechtswidrig war, gemäß § 43 SGB X in einen Bescheid nach § 48 SGB X umzudeuten, wenn hierfür die Voraussetzungen vorlagen. Diese waren - wie bereits ausgeführt wurde - gegeben. Dass die Klägerin bei ihrer Anhörung nach § 24 SGB X hinsichtlich der Entziehung der Merkzeichen "G" und "B" nicht auf § 48, sondern (nur) auf § 45 SGB X hingewiesen wurde, ist unschädlich, da in jedem Fall nur eine Entziehung der Merkzeichen mit Wirkung für die Zukunft in Betracht kommt und die Rechtsfolgen für die Klägerin aufgrund des umgedeuteten Entziehungsbescheids vom 28.07.1998 nicht ungünstiger sind als die des ursprünglichen, auf § 45 SGB X gestützten.
Als Gehörloser steht der Klägerin allerdings nach § 59 Abs.1 Satz 1 SchwbG ein Anspruch auf unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Personenverkehr bzw. die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Kraftfahrzeugsteuerermäßigung zu. Die Entziehung des Merkzeichens "G" hat daher für die Klägerin nur relativ geringe Bedeutung.
Auch ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin nach dem am 01.07.2001 in Kraft getretenen Art.56 Nr.5 des SGB IX (BGBl.I S.1046) die Eintragung des neu geschaffenen Merkzeichens "Gl" für Gehörlose in ihren Schwerbehindertenausweis beanspruchen kann.
Aus diesen Gründen war die Berufung der Klägerin zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der gehörlosen Klägerin die Merkzeichen "H", "B" und "G" nach dem Schwerbehindertengesetz (SchwbG) mit Recht entzogen wurden.
Bei der am 1976 geborenen Klägerin wurde erstmals mit Bescheid vom 13.11.1980 eine "angeborene, an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit mit Sprachstörungen" mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 100 v.H. festgestellt. Die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen "B", "G", "H" und "RF" wurden zuerkannt.
Im Rahmen von Nachprüfungen von Amts wegen wurde ermittelt, dass die Klägerin zunächst in der Taubstummenschule in München, dann in einer Spezialschule in Salzburg und schließlich im Berufsbildungswerk für Sprach- und Hörbehinderte in Nürnberg ausgebildet wurde. Anfang Mai 1997 teilte sie mit, sie befinde sich nicht mehr im Berufsbildungswerk, ihre Ausbildung sei abgeschlossen.
In einem Anhörungsschreiben vom 13.05.1997 teilte der Beklagte der Klägerin daraufhin mit, dass beabsichtigt sei, nach § 48 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) das Merkzeichen "H" zu entziehen, da sie nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nach Abschluss ihrer Ausbildung nicht mehr als hilflos angesehen werden könne. Ein entsprechender Entziehungsbescheid erging am 25.06.1997.
Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch, da sie trotz Beendigung ihrer Ausbildung weiterhin hilflos sei. Der Beklagte veranlasste eine versorgungsärztliche Untersuchung der Klägerin durch den HNO-Arzt Dr.E ... Dieser stellte in seinem Gutachten vom 14.01.1998 fest, die Klägerin sei gehörlos geboren worden, habe bis vor ca. einem Jahr Hörgeräte beidseits getragen, dies aber inzwischen aufgegeben. Die Berufsausbildung zur hauswirtschaftlich-technischen Helferin sei seit Juli 1995 abgeschlossen. Neben einer beidseitigen Gehörlosigkeit bestehe eine ausgeprägte audiogene Sprachstörung mit nur schwerst verständlicher Sprache. Dr.E. hielt die Voraussetzungen des Merkzeichens "H" nach Ende der Berufsausbildung nicht mehr für gegeben und vertrat darüber hinaus die Auffassung, der Klägerin stünden auch die Merkzeichen "B" und "G" nicht mehr zu. Der Beklagte versandte daraufhin ein weiteres Anhörungsschreiben vom 08.05.1998, aus dem hervorging, dass beabsichtigt sei, den Bescheid vom 25.06.1997 nach § 45 SGB X zurückzunehmen, da dieser zum Zeitpunkt seines Erlasses insoweit rechtswidrig gewesen sei, als er nicht auch die Merkzeichen "G" und "B" entzogen habe. Mit Schreiben vom 20.05.1998 wandte der Vater der Klägerin ein, dass sich die Behinderung seiner Tochter in den letzten Jahren eher verschlechtert als gebessert habe. Mit Bescheid vom 28.07.1998 nahm der Beklagte den Bescheid vom 25.06.1997 mit Wirkung für die Zukunft insoweit zurück, als darin die Merkzeichen "B " und "G" weiter zuerkannt worden waren. In der Rechtsbehelfsbelehrung wurde darauf hingewiesen, dass der Bescheid vom 28.07.1998 Gegenstand des anhängigen Vorverfahrens (§ 86 Abs.1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) sei. Anschließend erging am 23.09.1998 ein Widerspruchsbescheid, mit dem der Widerspruch gegen den Bescheid vom 25.06.1997 zurückgewiesen und in den Gründen der Bescheid vom 28.07.1998 als zutreffend bezeichnet wurde.
Hiergegen hat die Klägerin Anfechtungsklage zum Sozialgericht München erhoben. Sie könne infolge ihrer Schwerhörigkeit nach wie vor nicht für sich selbst sorgen, sei Analphabetin und nicht in der Lage, Verkehrszeichen, Briefe oder ähnliches zu lesen. Sie brauche für jede einzelne Tätigkeit Anweisungen und sei absolut unselbständig, benötige ständig einen Dolmetscher und eine Hilfsperson. Zum Beleg hat die Klägerin ein Attest des HNO-Arztes Dr.F. vom 02.09.1998 vorgelegt.
Nach Beiziehung eines Befundberichts von Dr.F. hat das Sozialgericht den HNO-Arzt Dr.K. zum gerichtlichen Sachverständigen ernannt. In seinem Gutachten vom 21.04.1999, das auf einer Untersuchung der Klägerin in Anwesenheit der Mutter der Klägerin beruhte, hat der Sachverständige im Rahmen der Berufsanamnese u.a. festgehalten, dass die Klägerin seit 1995 in der Chiemgau-Klinik als Zimmermädchen tätig sei. 1995 habe sie auch mit Hilfe der Mutter, die den theoretischen Unterricht mitbesucht habe, die Führerscheinprüfung abgelegt. Jetzt fahre sie gewohnte übliche Strecken ohne fremde Hilfe. Zur Frage, ob Störungen der Orientierungsfähigkeit vorlägen, hat der Sachverständige auf die 1995 erworbene Fahrerlaubnis hingewiesen. Es erscheine der Klägerin durchaus zumutbar, bekannte Wegstrecken im Ortsverkehr ohne fremde Hilfe zurückzulegen. Es sei jedoch glaubhaft, dass sie Schwierigkeiten habe, sobald sie sich verlaufe, da eine lautsprachliche Verständigung nicht möglich sei. Ob eine zusätzliche geistige Behinderung vorliege, müsse durch ein neurologisch- psychiatrisches Gutachten geklärt werden. Zur Frage der Notwendigkeit ständiger Begleitung und des Vorliegens der Voraussetzungen des Merkzeichends "G" könne ohne dieses Zusatzgutachten nicht Stellung genommen werden. Da bei Taubheit Hilflosigkeit nur bis zur Beendigung der Ausbildung anzunehmen sei, liege Hilflosigkeit nicht mehr vor.
Das Sozialgericht hat daraufhin ein weiteres Gutachten (09.08. 1999) von dem Nervenarzt Dr.K. eingeholt, in dem der Sachverständige die Voraussetzungen für das Vorliegen der Merkzeichen "G", "B" und "H" verneint hat. Aufgrund der Untersuchung der Klägerin im Beisein ihrer Mutter hat der Sachverständige nicht bestätigt, dass die Klägerin Analphabetin sei. Von der intellektuellen Ausstattung her bestehe allenfalls eine leichte Lernbehinderung, sicherlich nicht eine geistige Behinderung. Letztere sei mit dem Erwerb des Führerscheins nicht in Übereinstimmung zu bringen. Die Klägerin habe die praktische Führerscheinprüfung im ersten Anlauf geschafft, die theoretische Prüfung im zweiten Anlauf. Sie fahre jeden Tag allein mit dem Auto, das ein Automatikgetriebe habe, die 20 km von S. bis nach M. zu ihrer Arbeitsstätte. Sie wohne zu Hause, in ihrer Freizeit nehme sie an Veranstaltungen des Gehörlosenvereins in Traunstein teil, wo sie einmal pro Woche beim Sport mitmache.
Das Sozialgericht hat daraufhin mit Urteil vom 28.10.1999 die Klage abgewiesen und sich dabei vor allem auf das Gutachten von Dr.K. und die Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz von 1996 (AP) gestützt.
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung zum Landessozialgericht eingelegt und vorgetragen, es handele sich um einen Ausnahmefall im Sinne der einschlägigen BSG-Rechtsprechung, weil bei ihr zusätzlich zur Gehörlosigkeit eine Minderbegabung vorliege. Sie benötige zur Verständigung stets einen Gebärdendolmetscher oder bei Problemen am Arbeitsplatz ihre Mutter bzw. eine Arbeitstherapeutin. Schriftliche Texte verstehe sie häufig nicht. Sie habe die Führerscheinprüfung nur deshalb bestanden, weil sie alleine mit der Mutter und dem Prüfer die theroretische Prüfung habe machen dürfen.
Auf Aufforderung des Senats hat die Klägerin Zeugnisse der Schulen vorgelegt, die sie in den Jahren 1983 bis 1995 besucht hat. Ein Zeugnis des Landwirtschaftsamts F. vom 13.07.1995 über die Abschlussprüfung im Ausbildungsberuf "hauswirtschaftstechnische Helferin" bescheinigt das Gesamtergebnis ausreichend (3,62). Auch sind Schreiben der Chiemgau Klinik an die Klägerin übersandt worden, aus denen hervorgeht, dass die Klägerin verschiedentlich nicht einwandfrei die Patientenzimmer gereinigt habe. Der Senat hat darüber hinaus die Reha-Akte des Arbeitsamts Traunstein beigezogen und Auskünfte von den von der Klägerin besuchten Schulen darüber eingeholt, ob die Klägerin ein Mindestmaß an Verständigungsmöglichkeiten, insbesondere das Schreiben und Lesen, erlernt habe.
Zum Ergebnis dieser Ermittlungen hat der Beklagte Stellung genommen und die Auffassung vertreten, dass die vom BSG im Urteil vom 12.11.1996 verlangten Voraussetzungen für eine ausnahmsweise weiter bestehende Hilflosigkeit nach Abschluss der Berufsausbildung nicht vorlägen.
Von Klägerseite ist hiergegen eingewandt worden, dass die Hilfsbedürftigkeit eigentlich erst jetzt im Berufsleben, bei Behördengängen und bei der Verständigung in der Öffentlichkeit so richtig ins Bewusstsein trete.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 28.10.1999 und die Bescheide vom 25.06.1997 und 28.07.1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 23.09.1998 aufzuheben bzw. teilweise aufzuheben.
Der Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 28.10.1999 zurückzuweisen.
Ergänzend zum Sachverhalt wird auf die Schwerbehindertenakte des Beklagten, die Reha-Akte des Arbeitsamts Traunstein sowie die Akte des vorangegangenen Streitverfahrens vor dem Sozialgericht München sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten und den übrigen Inhalt der Berufungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht (§§ 143, 151 SGG) eingelegte Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.
Das Sozialgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen und die angefochtenen Bescheide des Beklagten, durch die der Klägerin die Merkzeichen "H" sowie "G" und "B" entzogen wurden, bestätigt. Der Klägerin steht das Merkzeichen "H" ab Bekanntgabe des Bescheides vom 25.06.1997 am 04.10.1997 nicht mehr zu; auch die Merkzeichen "G" und "B" wurden mit Wirkung ab Bekanntgabe des Rücknahmebescheides vom 28.07.1998, d.h. ab 3. August 1998, rechtmäßig entzogen.
Nach § 48 Abs.1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Bei den Feststellungsbescheiden nach dem SchwbG handelt es sich um Verwaltungsakte mit Dauerwirkung (BSG SozR 3-1300, § 48 Nr.57); dies gilt auch für die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung von Nachteilsausgleichen bzw. Merkzeichen (BSG SozR 1300 § 48 Nr.13).
Gegenüber dem Bescheid vom 13.11.1980, mit dem bei der Klägerin wegen einer angeborenen, an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit mit Sprachstörungen ein GdB von 100 sowie die Merkzeichen "G", "B", "H", "RF" festgestellt wurden, ist insofern eine wesentliche Änderung eingetreten, als die hörsprachgeschädigte Klägerin inzwischen nicht nur die Gehörlosenschule, sondern auch eine Berufsausbildung zur hauswirtschaftstechnischen Helferin im Juli 1995 erfolgreich abgeschlossen hat. Ab diesem Zeitpunkt steht nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 12.11.1996, SozR 3-3870 § 4 Nr.14) der Nachteilsausgleich H regelmäßig nicht mehr zu, weil die Klägerin nicht mehr als hilflos im Sinne des Einkommensteuerrechts (§ 33 b Abs.3 Satz 3, Abs.6 Satz 2 EStG in der seit dem 01.01.1995 geltenden Fassung des Pflegeversicherungsgesetzes vom 26.05.1994 - BGBl I S.1014) anzusehen ist. Danach ist eine Person an sich nur dann hilflos, wenn sie für eine Reihe von häufig und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen zur Sicherung ihrer persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tages fremder Hilfe dauernd bedarf. Das BSG hat jedoch anerkannt, dass ausnahmsweise Hilflosigkeit bei einer gehörlos geborenen oder vor Spracherwerb ertaubten Person auch dann gegeben sein kann, wenn sie nur bei einer Verrichtung des täglichen Lebens, nämlich der erforderlichen Kommunikation, fremder Hilfe bedarf. Voraussetzung ist jedoch nach der obengenannten Entscheidung des BSG, dass der Hilfebedarf die gesamte Lebensführung prägt. Von einem solchen schwerwiegenden Kommunikationsdefizit kann jedoch - so das BSG - regelmäßig nur bis zum Ablauf einer ersten Berufsausbildung, d.h. während der Lebensspanne, in der das Lernen und der Kenntnis- und Fertigkeitserwerb zu den zentralen Verrichtungen des täglichen Lebens gehören, ausgegangen werden. Die Klägerin hat diesen Zeitraum hinter sich gebracht und ist nach Abschluss der Berufsausbildung seit September 1995 in der Chiemgauklinik in M. als Zimmermädchen beschäftigt.
Die Klägerin gehört auch nicht zu den Gehörlosen, bei denen die Kommunikationsstörung ausnahmsweise eine lebenslange Hilflosigkeit bedingt. Dies kommt nach der obengenannten Rechtsprechung des BSG nur dann in Betracht, wenn der Gehörlose wegen Minderbegabung, einer geistigen Behinderung oder einer zusätzlichen Gesundheitsstörung nicht in der Lage ist, das Mindestmaß an Verständigungsmöglichkeiten mit der hörenden Umwelt zu erlernen, das bei einem erfolgreichen Besuch einer Gehörlosenschule vermittelt wird.
Aus den vom Senat beigezogenen Zeugnissen und den Auskünften der von der Klägerin besuchten Schulen in München, Salzburg und Nürnberg ergibt sich, dass eine derart schwerwiegende Kommunikationsbeeinträchtigung nicht vorliegt. Die Klägerin hat vielmehr das Schreiben und Lesen durchaus erlernt, wenn auch wegen ihrer Hörbehinderung das sinnerfassende Lesen längerer Texte ebenso wie das Schreiben von Briefen ihr Schwierigkeiten bereitet. Auch der vom Sozialgericht gehörte Sachverständige Dr.K. kam in seinem nervenärztlichen Gutachten vom 09.08.1999 zutreffend zu dem Ergebnis, dass bei der Klägerin allenfalls eine leichte Lernbehinderung, sicherlich keine geistige Behinderung vorliege. Letztere wäre auch - worauf der Sachverständige mit Recht hingewiesen hat - mit dem Erwerb des Führerscheins nicht vereinbar. Auch eine Minderbegabung kann nach den Ausführungen des Dr.K. , der die Kommunikationsprobleme der Klägerin allein auf deren Gehörlosikeit und die damit verbundene mangelnde Entwicklung des Sprachvermögens zurückführt, ausgeschlossen werden. Diese Beurteilung wird bestätigt durch eine psychologische Untersuchung der Klägerin durch das Arbeitsamt Traunstein im April 1992. Diese ergab, dass das intellektuelle Niveau der Klägerin als mindestens gut durchschnittlich einzuschätzen sei. Sie besuchte damals einen polytechnischen Lehrgang in Salzburg und erreichte im Abschlusszeugnis überwiegend die Note "sehr gut" und vereinzelt "gut" in den verschiedenen Fächern. Berichte des Diplom-Sozialpädagogen E. vom Berufsbildungswerk Nürnberg vom 09.02.1993 und 12.05.1993, in denen ausgeführt wird, die schulischen Ergebnisse der Klägerin seien in dieser Zeit sehr schwankend gewesen, in allen Lernfächern habe sie nur mangelhafte Ergebnisse erzielt, da sie wenig anstrengungsbereit gewesen sei und schnell und flüchtig gearbeitet habe, erlauben nach Auffassung des Senats nicht den Schluss, bei der Klägerin bestehe eine Minderbegabung, die mangels Kommunikationsfähigkeit zu dauernder Hilflosigkeit führe; vielmehr bestehen demnach bei der Klägerin vor allem Probleme hinsichtlich Leistungsbereitschaft und Ausdauer, nicht so sehr im Bereich der Intelligenz.
Der Senat ist zwar überzeugt, dass die Klägerin auch jetzt noch vielfach der Unterstützung durch eine geeignete Person bedarf, um sich verständlich machen zu können; dennoch ist nach den obengenannten Grundsätzen das Kommunikationsdefizit der Klägerin nicht so schwerwiegend, dass sie deshalb als hilflos im Sinne des Einkommensteuerrechts angesehen werden könnte.
Nach § 45 SGB X darf ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der ein Recht bestätigt hat, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden, sofern nicht das Vertrauen des Begünstigten auf den Bestand des Verwaltungsakts im Vergleich mit dem öffentlichen Interesse an der Rücknahme höherwertig einzuschätzen ist.
Nach Auffassung des Senats war der Neufeststellungsbescheid vom 25.06.1997 zum Zeitpunkt seines Erlasses nicht teilweise rechtswidrig, weil er das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen "B" und "G" nur fortschrieb, ohne hierüber eine neue Feststellung zu treffen. Nach den AP lagen jedoch nach Nrn.30 Abs.5 und 32 Abs.3 bei der Klägerin damals auch die Voraussetzungen für eine erhebliche Gehbehinderung und die Notwendigkeit ständiger Begleitung nicht mehr vor, da diese Einschränkungen bei Gehörlosen in der Regel nur bis zum 16. Lebensjahr bzw. bis zur Beendigung der Gehörlosenschule und bei Hörstörungen im Erwachsenenalter nur in Kombination mit erheblichen Störungen der Ausgleichsfunktion, z.B. einer Sehbehinderung oder geistigen Behinderung anzunehmen sind.
Somit wären - neben dem Merkzeichen "H" - auch die Merkzeichen "G" und "B" nach § 48 SGB X nach entsprechender Anhörung der Klägerin zu entziehen gewesen.
Nach der Rechtsprechung des BSG (SozR 3-1300 § 48 Nr.25) ist ein irrtümlich nach § 45 SGB X zurückgenommener Bescheid, der nicht von Anfang an rechtswidrig war, gemäß § 43 SGB X in einen Bescheid nach § 48 SGB X umzudeuten, wenn hierfür die Voraussetzungen vorlagen. Diese waren - wie bereits ausgeführt wurde - gegeben. Dass die Klägerin bei ihrer Anhörung nach § 24 SGB X hinsichtlich der Entziehung der Merkzeichen "G" und "B" nicht auf § 48, sondern (nur) auf § 45 SGB X hingewiesen wurde, ist unschädlich, da in jedem Fall nur eine Entziehung der Merkzeichen mit Wirkung für die Zukunft in Betracht kommt und die Rechtsfolgen für die Klägerin aufgrund des umgedeuteten Entziehungsbescheids vom 28.07.1998 nicht ungünstiger sind als die des ursprünglichen, auf § 45 SGB X gestützten.
Als Gehörloser steht der Klägerin allerdings nach § 59 Abs.1 Satz 1 SchwbG ein Anspruch auf unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Personenverkehr bzw. die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Kraftfahrzeugsteuerermäßigung zu. Die Entziehung des Merkzeichens "G" hat daher für die Klägerin nur relativ geringe Bedeutung.
Auch ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin nach dem am 01.07.2001 in Kraft getretenen Art.56 Nr.5 des SGB IX (BGBl.I S.1046) die Eintragung des neu geschaffenen Merkzeichens "Gl" für Gehörlose in ihren Schwerbehindertenausweis beanspruchen kann.
Aus diesen Gründen war die Berufung der Klägerin zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
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