Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
18
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 5 Vs 917/93
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 18 SB 73/96
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 24.04.1996 insoweit abgeändert, als die Behinderungen der Klägerin ab 01.11.1997 mit einem Gesamt-GdB von 60 zu bewerten sind.
II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Der Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten zur Hälfte zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob bei der Klägerin ein höherer Grad der Behinde- rung (GdB) als 40 nach dem Schwerbehindertengesetz (SchwbG) festzustellen ist.
Bei der am 1955 geborenen Klägerin waren zuletzt mit (Ausführungs)-Bescheid vom 29.01.1987 mit einem GdB von 30 als Behinderungen festgestellt:
1. Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Lendenwirbel- säulensyndrom (Einzel-GdB 20) 2. Chronische Bronchitis (Einzel-GdB 10) 3. Sehbehinderung am linken Auge mit Teillähmung des linken Oberlides und psychoreaktiven Auswirkungen (Einzel-GdB 20) 4. Hypotone Kreislaufregulationsstörung (Einzel-GdB 10).
Einen Antrag der Klägerin vom 08.02.1993 auf Neufeststellung lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 02.06.1993 ab. Mit ihrem Widerspruch vom 18.06.1993 begehrte die Klägerin die Anerkennung einer frühgeburtlichen Hirnleistungsschwäche. Nach Durchführung einer chirurgischen Begutachtung (Gutachten Dr.G. vom 15.07.1993) wies der Beklagte den Widerspruch mit Bescheid vom 16.09.1993 zurück.
Gegen diese Bescheide hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht (SG) Bayreuth erhoben. Das SG hat Sachverständigengutachten eingeholt (nervenärztliche Gutachten des Prof.Dr.B.N. vom 07.04.1995 und des Dr.R.Z. vom 03.05.1994; klinisch-psychologisches Nebengutachten des Dipl.Psychologen Dr.H.G.H. vom 09.03.1995; Gutachten des Prof.Dr.H.S. vom 27.06.1995; augenfachärztliches Gutachten des Prof. Dr.A.K. vom 15.01.1996) und den Beklagten mit Urteil vom 26.04.1996 verpflichtet, als weitere Behinderung eine leichte frühkindliche Hirnschädigung festzustellen und den Gesamt-GdB ab 01.04.1995 mit 40 zu bewerten. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen.
Hiergegen hat die Klägerin Berufung eingelegt und die Fest- stellung eines höheren GdB begehrt. Sie hat darauf hingewiesen, dass das Gesundheitsamt Ebern ihr bereits 1969 eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 70 vH zugebilligt habe und sie auch einen entsprechenden Schwerbeschädigtenausweis besessen habe. Der Senat hat Befunde der Klägerin von den behandelnden Ärzten und die Archivunterlagen des Landratsamtes Hassberge - Gesundheitsamt - aus den Jahren 1969/70 beigezogen und von dem Lt. Arzt der Klinik für Psychiatrie am Klinikum Nürnberg, Dr.Dr.G.N. , ein Gutachten vom 03.12.1998, einschließlich eines klinisch-psychologischen Nebengutachtens des Dr.C.G. vom 04.11.1997,eingeholt. Dr.Dr.G.N. hat vorgeschlagen, bei der Klägerin als weitere Behinderung "seelische Störung" mit einem Einzel-GdB von 40 aufzunehmen und den Gesamt-GdB ab November 1997 mit 50 zu bewerten. Er hat seine Einschätzung damit begründet, dass sich bei der Klägerin nunmehr eine Einengung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit auf den Rechtsstreit bzw. die laufenden Rechtsstreitigkeiten gefunden habe, die schon grenzwertig paranoide Züge aufweise.
Der Beklagte hat Stellungnahmen der Chirurgin Dr.B.B. vom 19.07.1999, der Nervenärztin Dr.S. vom 23.12.1998/ 26.07.1999 und der Internistin Dr.M.L. vom 22.09.1998 eingeholt und sich mit einem Vergleichsangebot vom 05.03.1999 bereit erklärt, ab 01.11.1997(Verschlimmerung) als Behinderungen mit einem GdB von 50 festzustellen: 1. Leichte frühkindliche Hirnschädigung mit kognitiven Störun- gen und Persönlichkeitsstörung 2. Endgradig behinderte Beugefähigkeit des unteren Wirbelsäulen-Abschnittes bei stärkerer Seitbiegung der Brustwirbelsäule und Lendenwirbelsäule 3. Sehbehinderung am linken Auge nach Brillenkorrektur 4. Hypotone Kreislaufregulationsstörungen 5. Rezidivierende Bronchitis.
Die Klägerin hat das Vergleichsangebot nicht angenommen und mit Schreiben vom 20.03.1999 mitgeteilt, sie wolle vorrangig ihre Behinderungen in den Fachbereichen der Orthopädie, Lungenheil- kunde, Augenheilkunde, der Inneren Medizin und der Urologie an- erkannt haben. Daraufhin hat der Senat ein Gutachten von dem Orthopäden Dr.V.F. vom 26.10.1999 eingeholt. Dieser hat - nach Anfertigung von Röntgenaufnahmen - auf seinem Fachgebiet bei der Klägerin mittelgradige, mit einem Einzel-GdB von 20 einzuschätzende Behinderungen festgestellt und den Gesamt-GdB - wie Dr.Dr.G.N. - mit 50 eingeschätzt.
Der vom Senat anschließend gehörte Prof.Dr.J.W. hat im internistisch-kardiologischen Gutachten vom 14.08.2000 die Behinderungen auf internistischem Gebiet im Wesentlichen als unverändert angesehen und den Gesamt-GdB lediglich mit 40 eingestuft. Der Beklagte hat an seinem Vergleichsangebot vom 05.03.1999 mit Schreiben vom 06.10.2000 festgehalten.
Einen Antrag der Klägerin vom 17.07.2001, den Neurologen und Psychiater Dr.W.K. gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu hören, hat der Senat wegen Verspätung mit Beschluss vom 16.10.2001 abgelehnt.
Mit Schreiben vom 17.08.2001 hat die Klägerin 21 amtierende und ehemalige Richter des SG Bayreuth und des Bayer. Landessozial- gerichts (LSG) wegen Befangenheit abgelehnt, darunter auch die derzeitigen Mitglieder des 18.Senats des LSG, die Vorsitzende Richterin Dr.Salzer und den Richter Rubenbauer. Zur Begründung hat sie unter anderem vorgetragen, die Richter hätten das Recht gebeugt, es seien bisher nur berufsrichterliche Willkürakte und Hohnurteile bzw -beschlüsse ergangen. Die "bayer. Sozial-Berufsrichter seien doch tatsächlich offenkundig beweisbar stets nur die indirekten Hitler von heute", die die "bayer. Behinderten vorsätzlich rechts-, sitten- und erheblich verfassungswidrig" diskriminierten. In der "freien Wirtschaft" hätten der "LSG-Präsident ... einschließlich seiner untergeordneten Richter ... eine fristlose Kündigung ihres Arbeitsvertrages" erhalten "sowie einen amtlichen Betreuer".
Die Klägerin beantragt, den Beklagten unter Abänderung des Urteils des SG Bayreuth vom 24.04.1996 und des Bescheides vom 02.06.1993 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16.09.1993 zu verur- teilen, für ihre Behinderungen einen Gesamt-GdB von mindestens 60 ab ihrem Antrag vom 08.02.1993 (also ab 01.01.1989) festzustellen.
Der Bevollmächtigte des Beklagten beantragt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Bayreuth vom 24.04.1996 zurückzuweisen.
Ergänzend zum Sachverhalt wird auf die Schwerbehinderten-Akte des Beklagten, die Archivakten des SG Bayreuth S 3 RA 145/96, S 3 RA 154/96 und S 10/5/Vs 851/85, die Archivakte des LSG L 11 B 280/96.Vs und die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist zulässig und teilweise begründet.
Der Senat ist in der Besetzung mit der Vorsitzenden Richterin Dr.Salzer und dem Richter Rubenbauer ordnungsgemäß besetzt, ob- wohl die Klägerin einen Antrag auf Ablehnung dieser Richter we- gen Befangenheit gestellt und der Senat hierüber nicht ent- schieden hat. Der Antrag der Klägerin ist nämlich offensicht- lich missbräuchlich. Eine förmliche Entscheidung des Senats hierüber war deshalb nicht nötig, der Antrag konnte unberück- sichtigt bleiben (Meyer-Ladewig, Komm zum SGG, 6.Auflage, § 60 Rdnr.10e mwN).
Die Klägerin leidet an einer Persönlichkeitsstörung mit erheb- licher querulatorischer Tendenz. Sie bezieht wegen dieses Lei- dens Erwerbsunfähigkeitsrente von der Bundesversicherungsan- stalt für Angestellte. Die beleidigenden und höchst unsachli- chen Äußerungen der Klägerin in ihrem Antrag auf Richterableh- nung wie auch die Tatsache, dass sie offensichtlich alle Rich- ter der bayer. Sozialgerichtsbarkeit, die bisher mit ihren zahlreichen Streitsachen befasst waren, als befangen ablehnt, zeigen, dass sie das Ablehnungsrecht missbraucht (vgl auch BVerfGE 11, 348; 2, 229). Ein Antrag, der wegen seines beleidi- genden oder herausfordernden Inhalts nicht den Mindestanforde- rungen entspricht, die an jede Eingabe bei einem Gericht oder einer Behörde zu stellen sind, ist unzulässig und sachlich nicht zu bearbeiten (OLG Hamm NJW 1976, 978; OLG Karlsruhe, NJW 1973, 1658).
Die Behinderungen der Klägerin sind ab 01.11.1997 mit einem GdB von 60 zu bewerten. Soweit die Klägerin die Feststellung eines höheren GdB bereits ab 01.01.1989 begehrt, ist die Berufung unbegründet.
Die Klägerin macht mit ihrem Antrag vom 08.02.1993 geltend, dass bereits die Erstfeststellung ihrer Behinderungen nach dem SchwbG durch den Beklagten mit dem Ausführungsbescheid vom 29.01.1987 rechtswidrig gewesen sei, weil bei ihr vor der Geltung des SchwbG (also vor dem 01.05.1974) vom Gesundheitsamt Behinderungen mit einer (damals) MdE von 70 vH anerkannt gewesen seien. Sie begehrt deshalb ab 01.01.1989 die Feststellung eines GdB von wenigstens 60.
Hiermit kann die Klägerin nicht durchdringen. Die Sonderregelungen des § 44 Abs. 1 und Abs. 4 Sozialgesetzbuch - 10. Buch - (SGB X), die zur Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte auch für die Vergangenheit verpflichten, beschränken sich nämlich auf Verwaltungsakte, die ausschließlich über die Gewährung von Sozialleistungen entscheiden. Die Feststellungen nach dem SchwbG sind auch iVm der Rücknahme eines rechtswidrigen Bescheides zugunsten des Betroffenen grundsätzlich nur für die Zukunft zu treffen (BSG SozR 3 - 1300 § 44 Nr. 3). Darüber hinaus stellt eine (in den Archivunterlagen des Landratsamtes Ebern nicht enthaltene) Bescheinigung des Gesundheitsamtes keine Feststellung des GdB nach dem SchwbG dar (BSG Urteil vom 19.08.1981 Az 9 RVs 5/81). Ein Ausweis über die Schwerbehinderteneigenschaft wäre der Klägerin bei Inkrafttreten des SchwbG am 01.05.1974 nur dann auszustellen gewesen, wenn eine solche Feststellung bereits in einem Rentenbescheid, in einer entsprechenden Verwaltungs- oder Gerichtsentscheidung getroffen gewesen wäre. Nur eine Entscheidung dieser Art erübrigt gem. § 4 Abs. 2 SchwbG (früher § 3 Abs. 2) eine neue Feststellung durch die Versorgungsverwaltung nach Abs. 1. Ebensowenig rechnet ein von der Fürsorgestelle ausgestellter Schwerbehindertenausweis zu den Entscheidungen iSd § 4 Abs. 2 SchwbG (BSG Urteil vom 08.08.1984 Az 9a RVs 3/83).
Es ist jedoch eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen iSd § 48 SGB X eingetreten. Gemäß § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung dann aufzuheben, wenn in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass des Verwaltungsaktes vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Eine wesentliche Änderung kann auch in der Feststellung weiterer Behinderungen liegen. Für die Feststellung weiterer Behinderungen nach dem SchwbG ist dabei erforderlich, dass die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden Funktionsbeeinträchtigung vorliegt, die auf einem regelwidrigen, körperlichen, geistigen oder seelischen Zustand beruht (§ 3 Abs 1 Satz 1 SchwbG).
In den Verhältnissen, die für die Feststellung der Behinderun- gen mit einem GdB von 30 im Bescheid vom 29.01.1987 maßgeblich waren, ist eine wesentliche Verschlimmerung eingetreten. Das SG hat die Behinderungen der Klägerin ab 01.04.1995 zu Recht mit einem Gesamt-GdB von 40 bewertet. Ab 01.11.1997 ist eine weitere Verschlimmerung des Gesundheitszustandes nachgewiesen, so dass ab diesem Zeitpunkt die Annahme eines Gesamt-GdB von 60 gerechtfertigt ist. Die Richtigkeit dieser Bewertung ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus den von ihm eingeholten Sachverständigengutachten. Das Ausmaß dieser Verschlimmerung rechtfertigt aber nicht die Feststellung eines höheren Gesamt-GdB als 60.
Der Sachverständige Dr.Dr.G.N. hat die Behinderungen der Klägerin auf psychiatrischem Fachgebiet zu Recht mit einem Einzel-GdB von 40 eingeschätzt. Bei der Klägerin fanden sich Hinweise auf ein leichtes hirnorganisches Psychosyndrom und eine Einengung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit auf den Rechtsstreit bzw die laufenden Rechtsstreitigkeiten, die grenzwertig paranoide Züge aufwies. Der Sachverständige nahm bei der Klägerin eine stärker behindernde Störung mit einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit an. Für diese Behinderung hat er den Bewertungsrahmen der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz 1996 (AHP), die hierfür einen GdB von 30-40 vorsehen, ausgeschöpft (vgl Rdnr 26.3 S 60). Die Annahme eines Einzel-GdB von 40 für das psychische Leiden der Klägerin ist ab dem Zeitpunkt der testpsychologischen Untersuchung durch den Dipl.Psychologen Dr.C.G. (November 1997) gerechtfertigt. Nach seinen Feststellungen war zum Zeitpunkt dieser Untersuchung eine tendenzielle Verstärkung der hirnorganisch bedingten Wesensänderung und der Beeinträchtigung der kognitiven Leistungsfähigkeit zu erkennen. Schwere Persönlichkeitsstörungen, die einen Einzel-GdB von 50 und mehr rechtfertigen, konnte Dr.Dr.G.N. bei der Klägerin aber nicht feststellen.
Die Behinderungen der Klägerin auf orthopädischem Fachgebiet hat der Sachverständige Dr.V.F. zu Recht lediglich mit ei- nem Einzel-GdB von 20 bewertet. Er hat nämlich eine wesentliche Änderung gegenüber den im Vergleichsbescheid vom 29.01.1987 ge- nannten Behinderungen nicht feststellen können. Es bestehen lediglich mittelgradige Funktionsstörungen der Wirbelsäule und die Skoliose der Klägerin ist mit einem Winkel von 30 Grad als leichtgradig einzustufen.
Die Behinderungen der Klägerin auf internistischem Gebiet haben sich gegenüber den Verhältnissen von 1987 insofern wesentlich geändert, als die chronische Bronchitis nunmehr als chronisch-obstruktiv anzusehen und von dem Sachverständigen Prof. Dr.J.W. mit einem Einzel-GdB von 20 statt 10 bewertet wird. Die Hypertonie mit einem Einzel-GdB von 10 und die Augenerkrankung mit einem solchen von 20 haben hingegen keine Veränderung erfahren.
Der Gesamt-GdB ist nunmehr mit 60 einzuschätzen. Zwar führen leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 oder 20 bedingen, grundsätzlich nicht zu einer wesentlichen Zunahme des Ausmaßes der Behinderung (vgl AHP Rdnr 19 Abs 1 und 4). Vorliegend bestehen aber keine Bedenken, aus Einzel-GdB-Werten von 40 und dreimal 20 einen Gesamt-GdB von 60 zu bilden. Der Senat ist nach dem gesamten Erscheinungsbild der Behinderungen davon überzeugt, dass die Behinderung auf psychiatrischem Gebiet sich besonders nachteilig auf die übrigen Behinderungen auswirkt (vgl. AHP Rdnr. 19 Abs. 3).
Nach alledem war die Berufung der Klägerin nur begründet, soweit sie die Anerkennung eines GdB von 60 begehrte. Sie war unbegründet, soweit sie einen höheren GdB als 60 begehrte und den Zeitpunkt der Erhöhung vor dem 01.11.1997 festgestellt haben wollte.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn 1 und 2 SGG).
II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Der Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten zur Hälfte zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob bei der Klägerin ein höherer Grad der Behinde- rung (GdB) als 40 nach dem Schwerbehindertengesetz (SchwbG) festzustellen ist.
Bei der am 1955 geborenen Klägerin waren zuletzt mit (Ausführungs)-Bescheid vom 29.01.1987 mit einem GdB von 30 als Behinderungen festgestellt:
1. Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Lendenwirbel- säulensyndrom (Einzel-GdB 20) 2. Chronische Bronchitis (Einzel-GdB 10) 3. Sehbehinderung am linken Auge mit Teillähmung des linken Oberlides und psychoreaktiven Auswirkungen (Einzel-GdB 20) 4. Hypotone Kreislaufregulationsstörung (Einzel-GdB 10).
Einen Antrag der Klägerin vom 08.02.1993 auf Neufeststellung lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 02.06.1993 ab. Mit ihrem Widerspruch vom 18.06.1993 begehrte die Klägerin die Anerkennung einer frühgeburtlichen Hirnleistungsschwäche. Nach Durchführung einer chirurgischen Begutachtung (Gutachten Dr.G. vom 15.07.1993) wies der Beklagte den Widerspruch mit Bescheid vom 16.09.1993 zurück.
Gegen diese Bescheide hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht (SG) Bayreuth erhoben. Das SG hat Sachverständigengutachten eingeholt (nervenärztliche Gutachten des Prof.Dr.B.N. vom 07.04.1995 und des Dr.R.Z. vom 03.05.1994; klinisch-psychologisches Nebengutachten des Dipl.Psychologen Dr.H.G.H. vom 09.03.1995; Gutachten des Prof.Dr.H.S. vom 27.06.1995; augenfachärztliches Gutachten des Prof. Dr.A.K. vom 15.01.1996) und den Beklagten mit Urteil vom 26.04.1996 verpflichtet, als weitere Behinderung eine leichte frühkindliche Hirnschädigung festzustellen und den Gesamt-GdB ab 01.04.1995 mit 40 zu bewerten. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen.
Hiergegen hat die Klägerin Berufung eingelegt und die Fest- stellung eines höheren GdB begehrt. Sie hat darauf hingewiesen, dass das Gesundheitsamt Ebern ihr bereits 1969 eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 70 vH zugebilligt habe und sie auch einen entsprechenden Schwerbeschädigtenausweis besessen habe. Der Senat hat Befunde der Klägerin von den behandelnden Ärzten und die Archivunterlagen des Landratsamtes Hassberge - Gesundheitsamt - aus den Jahren 1969/70 beigezogen und von dem Lt. Arzt der Klinik für Psychiatrie am Klinikum Nürnberg, Dr.Dr.G.N. , ein Gutachten vom 03.12.1998, einschließlich eines klinisch-psychologischen Nebengutachtens des Dr.C.G. vom 04.11.1997,eingeholt. Dr.Dr.G.N. hat vorgeschlagen, bei der Klägerin als weitere Behinderung "seelische Störung" mit einem Einzel-GdB von 40 aufzunehmen und den Gesamt-GdB ab November 1997 mit 50 zu bewerten. Er hat seine Einschätzung damit begründet, dass sich bei der Klägerin nunmehr eine Einengung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit auf den Rechtsstreit bzw. die laufenden Rechtsstreitigkeiten gefunden habe, die schon grenzwertig paranoide Züge aufweise.
Der Beklagte hat Stellungnahmen der Chirurgin Dr.B.B. vom 19.07.1999, der Nervenärztin Dr.S. vom 23.12.1998/ 26.07.1999 und der Internistin Dr.M.L. vom 22.09.1998 eingeholt und sich mit einem Vergleichsangebot vom 05.03.1999 bereit erklärt, ab 01.11.1997(Verschlimmerung) als Behinderungen mit einem GdB von 50 festzustellen: 1. Leichte frühkindliche Hirnschädigung mit kognitiven Störun- gen und Persönlichkeitsstörung 2. Endgradig behinderte Beugefähigkeit des unteren Wirbelsäulen-Abschnittes bei stärkerer Seitbiegung der Brustwirbelsäule und Lendenwirbelsäule 3. Sehbehinderung am linken Auge nach Brillenkorrektur 4. Hypotone Kreislaufregulationsstörungen 5. Rezidivierende Bronchitis.
Die Klägerin hat das Vergleichsangebot nicht angenommen und mit Schreiben vom 20.03.1999 mitgeteilt, sie wolle vorrangig ihre Behinderungen in den Fachbereichen der Orthopädie, Lungenheil- kunde, Augenheilkunde, der Inneren Medizin und der Urologie an- erkannt haben. Daraufhin hat der Senat ein Gutachten von dem Orthopäden Dr.V.F. vom 26.10.1999 eingeholt. Dieser hat - nach Anfertigung von Röntgenaufnahmen - auf seinem Fachgebiet bei der Klägerin mittelgradige, mit einem Einzel-GdB von 20 einzuschätzende Behinderungen festgestellt und den Gesamt-GdB - wie Dr.Dr.G.N. - mit 50 eingeschätzt.
Der vom Senat anschließend gehörte Prof.Dr.J.W. hat im internistisch-kardiologischen Gutachten vom 14.08.2000 die Behinderungen auf internistischem Gebiet im Wesentlichen als unverändert angesehen und den Gesamt-GdB lediglich mit 40 eingestuft. Der Beklagte hat an seinem Vergleichsangebot vom 05.03.1999 mit Schreiben vom 06.10.2000 festgehalten.
Einen Antrag der Klägerin vom 17.07.2001, den Neurologen und Psychiater Dr.W.K. gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu hören, hat der Senat wegen Verspätung mit Beschluss vom 16.10.2001 abgelehnt.
Mit Schreiben vom 17.08.2001 hat die Klägerin 21 amtierende und ehemalige Richter des SG Bayreuth und des Bayer. Landessozial- gerichts (LSG) wegen Befangenheit abgelehnt, darunter auch die derzeitigen Mitglieder des 18.Senats des LSG, die Vorsitzende Richterin Dr.Salzer und den Richter Rubenbauer. Zur Begründung hat sie unter anderem vorgetragen, die Richter hätten das Recht gebeugt, es seien bisher nur berufsrichterliche Willkürakte und Hohnurteile bzw -beschlüsse ergangen. Die "bayer. Sozial-Berufsrichter seien doch tatsächlich offenkundig beweisbar stets nur die indirekten Hitler von heute", die die "bayer. Behinderten vorsätzlich rechts-, sitten- und erheblich verfassungswidrig" diskriminierten. In der "freien Wirtschaft" hätten der "LSG-Präsident ... einschließlich seiner untergeordneten Richter ... eine fristlose Kündigung ihres Arbeitsvertrages" erhalten "sowie einen amtlichen Betreuer".
Die Klägerin beantragt, den Beklagten unter Abänderung des Urteils des SG Bayreuth vom 24.04.1996 und des Bescheides vom 02.06.1993 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16.09.1993 zu verur- teilen, für ihre Behinderungen einen Gesamt-GdB von mindestens 60 ab ihrem Antrag vom 08.02.1993 (also ab 01.01.1989) festzustellen.
Der Bevollmächtigte des Beklagten beantragt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Bayreuth vom 24.04.1996 zurückzuweisen.
Ergänzend zum Sachverhalt wird auf die Schwerbehinderten-Akte des Beklagten, die Archivakten des SG Bayreuth S 3 RA 145/96, S 3 RA 154/96 und S 10/5/Vs 851/85, die Archivakte des LSG L 11 B 280/96.Vs und die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist zulässig und teilweise begründet.
Der Senat ist in der Besetzung mit der Vorsitzenden Richterin Dr.Salzer und dem Richter Rubenbauer ordnungsgemäß besetzt, ob- wohl die Klägerin einen Antrag auf Ablehnung dieser Richter we- gen Befangenheit gestellt und der Senat hierüber nicht ent- schieden hat. Der Antrag der Klägerin ist nämlich offensicht- lich missbräuchlich. Eine förmliche Entscheidung des Senats hierüber war deshalb nicht nötig, der Antrag konnte unberück- sichtigt bleiben (Meyer-Ladewig, Komm zum SGG, 6.Auflage, § 60 Rdnr.10e mwN).
Die Klägerin leidet an einer Persönlichkeitsstörung mit erheb- licher querulatorischer Tendenz. Sie bezieht wegen dieses Lei- dens Erwerbsunfähigkeitsrente von der Bundesversicherungsan- stalt für Angestellte. Die beleidigenden und höchst unsachli- chen Äußerungen der Klägerin in ihrem Antrag auf Richterableh- nung wie auch die Tatsache, dass sie offensichtlich alle Rich- ter der bayer. Sozialgerichtsbarkeit, die bisher mit ihren zahlreichen Streitsachen befasst waren, als befangen ablehnt, zeigen, dass sie das Ablehnungsrecht missbraucht (vgl auch BVerfGE 11, 348; 2, 229). Ein Antrag, der wegen seines beleidi- genden oder herausfordernden Inhalts nicht den Mindestanforde- rungen entspricht, die an jede Eingabe bei einem Gericht oder einer Behörde zu stellen sind, ist unzulässig und sachlich nicht zu bearbeiten (OLG Hamm NJW 1976, 978; OLG Karlsruhe, NJW 1973, 1658).
Die Behinderungen der Klägerin sind ab 01.11.1997 mit einem GdB von 60 zu bewerten. Soweit die Klägerin die Feststellung eines höheren GdB bereits ab 01.01.1989 begehrt, ist die Berufung unbegründet.
Die Klägerin macht mit ihrem Antrag vom 08.02.1993 geltend, dass bereits die Erstfeststellung ihrer Behinderungen nach dem SchwbG durch den Beklagten mit dem Ausführungsbescheid vom 29.01.1987 rechtswidrig gewesen sei, weil bei ihr vor der Geltung des SchwbG (also vor dem 01.05.1974) vom Gesundheitsamt Behinderungen mit einer (damals) MdE von 70 vH anerkannt gewesen seien. Sie begehrt deshalb ab 01.01.1989 die Feststellung eines GdB von wenigstens 60.
Hiermit kann die Klägerin nicht durchdringen. Die Sonderregelungen des § 44 Abs. 1 und Abs. 4 Sozialgesetzbuch - 10. Buch - (SGB X), die zur Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte auch für die Vergangenheit verpflichten, beschränken sich nämlich auf Verwaltungsakte, die ausschließlich über die Gewährung von Sozialleistungen entscheiden. Die Feststellungen nach dem SchwbG sind auch iVm der Rücknahme eines rechtswidrigen Bescheides zugunsten des Betroffenen grundsätzlich nur für die Zukunft zu treffen (BSG SozR 3 - 1300 § 44 Nr. 3). Darüber hinaus stellt eine (in den Archivunterlagen des Landratsamtes Ebern nicht enthaltene) Bescheinigung des Gesundheitsamtes keine Feststellung des GdB nach dem SchwbG dar (BSG Urteil vom 19.08.1981 Az 9 RVs 5/81). Ein Ausweis über die Schwerbehinderteneigenschaft wäre der Klägerin bei Inkrafttreten des SchwbG am 01.05.1974 nur dann auszustellen gewesen, wenn eine solche Feststellung bereits in einem Rentenbescheid, in einer entsprechenden Verwaltungs- oder Gerichtsentscheidung getroffen gewesen wäre. Nur eine Entscheidung dieser Art erübrigt gem. § 4 Abs. 2 SchwbG (früher § 3 Abs. 2) eine neue Feststellung durch die Versorgungsverwaltung nach Abs. 1. Ebensowenig rechnet ein von der Fürsorgestelle ausgestellter Schwerbehindertenausweis zu den Entscheidungen iSd § 4 Abs. 2 SchwbG (BSG Urteil vom 08.08.1984 Az 9a RVs 3/83).
Es ist jedoch eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen iSd § 48 SGB X eingetreten. Gemäß § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung dann aufzuheben, wenn in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass des Verwaltungsaktes vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Eine wesentliche Änderung kann auch in der Feststellung weiterer Behinderungen liegen. Für die Feststellung weiterer Behinderungen nach dem SchwbG ist dabei erforderlich, dass die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden Funktionsbeeinträchtigung vorliegt, die auf einem regelwidrigen, körperlichen, geistigen oder seelischen Zustand beruht (§ 3 Abs 1 Satz 1 SchwbG).
In den Verhältnissen, die für die Feststellung der Behinderun- gen mit einem GdB von 30 im Bescheid vom 29.01.1987 maßgeblich waren, ist eine wesentliche Verschlimmerung eingetreten. Das SG hat die Behinderungen der Klägerin ab 01.04.1995 zu Recht mit einem Gesamt-GdB von 40 bewertet. Ab 01.11.1997 ist eine weitere Verschlimmerung des Gesundheitszustandes nachgewiesen, so dass ab diesem Zeitpunkt die Annahme eines Gesamt-GdB von 60 gerechtfertigt ist. Die Richtigkeit dieser Bewertung ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus den von ihm eingeholten Sachverständigengutachten. Das Ausmaß dieser Verschlimmerung rechtfertigt aber nicht die Feststellung eines höheren Gesamt-GdB als 60.
Der Sachverständige Dr.Dr.G.N. hat die Behinderungen der Klägerin auf psychiatrischem Fachgebiet zu Recht mit einem Einzel-GdB von 40 eingeschätzt. Bei der Klägerin fanden sich Hinweise auf ein leichtes hirnorganisches Psychosyndrom und eine Einengung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit auf den Rechtsstreit bzw die laufenden Rechtsstreitigkeiten, die grenzwertig paranoide Züge aufwies. Der Sachverständige nahm bei der Klägerin eine stärker behindernde Störung mit einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit an. Für diese Behinderung hat er den Bewertungsrahmen der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz 1996 (AHP), die hierfür einen GdB von 30-40 vorsehen, ausgeschöpft (vgl Rdnr 26.3 S 60). Die Annahme eines Einzel-GdB von 40 für das psychische Leiden der Klägerin ist ab dem Zeitpunkt der testpsychologischen Untersuchung durch den Dipl.Psychologen Dr.C.G. (November 1997) gerechtfertigt. Nach seinen Feststellungen war zum Zeitpunkt dieser Untersuchung eine tendenzielle Verstärkung der hirnorganisch bedingten Wesensänderung und der Beeinträchtigung der kognitiven Leistungsfähigkeit zu erkennen. Schwere Persönlichkeitsstörungen, die einen Einzel-GdB von 50 und mehr rechtfertigen, konnte Dr.Dr.G.N. bei der Klägerin aber nicht feststellen.
Die Behinderungen der Klägerin auf orthopädischem Fachgebiet hat der Sachverständige Dr.V.F. zu Recht lediglich mit ei- nem Einzel-GdB von 20 bewertet. Er hat nämlich eine wesentliche Änderung gegenüber den im Vergleichsbescheid vom 29.01.1987 ge- nannten Behinderungen nicht feststellen können. Es bestehen lediglich mittelgradige Funktionsstörungen der Wirbelsäule und die Skoliose der Klägerin ist mit einem Winkel von 30 Grad als leichtgradig einzustufen.
Die Behinderungen der Klägerin auf internistischem Gebiet haben sich gegenüber den Verhältnissen von 1987 insofern wesentlich geändert, als die chronische Bronchitis nunmehr als chronisch-obstruktiv anzusehen und von dem Sachverständigen Prof. Dr.J.W. mit einem Einzel-GdB von 20 statt 10 bewertet wird. Die Hypertonie mit einem Einzel-GdB von 10 und die Augenerkrankung mit einem solchen von 20 haben hingegen keine Veränderung erfahren.
Der Gesamt-GdB ist nunmehr mit 60 einzuschätzen. Zwar führen leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 oder 20 bedingen, grundsätzlich nicht zu einer wesentlichen Zunahme des Ausmaßes der Behinderung (vgl AHP Rdnr 19 Abs 1 und 4). Vorliegend bestehen aber keine Bedenken, aus Einzel-GdB-Werten von 40 und dreimal 20 einen Gesamt-GdB von 60 zu bilden. Der Senat ist nach dem gesamten Erscheinungsbild der Behinderungen davon überzeugt, dass die Behinderung auf psychiatrischem Gebiet sich besonders nachteilig auf die übrigen Behinderungen auswirkt (vgl. AHP Rdnr. 19 Abs. 3).
Nach alledem war die Berufung der Klägerin nur begründet, soweit sie die Anerkennung eines GdB von 60 begehrte. Sie war unbegründet, soweit sie einen höheren GdB als 60 begehrte und den Zeitpunkt der Erhöhung vor dem 01.11.1997 festgestellt haben wollte.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn 1 und 2 SGG).
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