Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 2 U 228/92
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 105/93
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Nachlässe wie Zuschläge auf Beiträge müssen nicht gestaffelt sein, sondern ein einheitlicher Satz genügt. Sie können als Vomhundertsatz des Beitrags berechnet werden, eine einfache Gestaltung des Ausgleichsverfahrens genügt. Der Gesetzgeber hat die Grenzwerte für Nachlässe dem Ermessen der berufsgenossenschaftlichen Selbstverwaltung überlassen. Bei den Spannen des Ausgleichsverfahrens sind auch andere die Unfallversicherung bestimmende Faktoren, wie Unfallverhütungsvorschriften, wirtschftliche und personelle Veränderungen, Schulungen etc. von Bedeutung.
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 18.02.1993 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Mit den Beitragsbescheiden für das Jahr 1990 vom 22.04.1991 forderte die Beklagte von der Klägerin bzgl. ihrer Niederlassungen München, Farchant und Dirlewang die Beiträge und gewährte gleichzeitig für die Niederlassung Dirlewang einen Beitragsnachlaß in Höhe von 7 %, für die Niederlassung München einen Beitragsnachlaß in Höhe von 6 %, während die Niederlassung Farchant keinen Beitragsnachlaß erhielt.
Mit Widersprüchen vom 23.05.1991 wandte sich die Klägerin gegen die Bescheide hinsichtlich der Nachlaßberechnung. Die Satzungsbestimmung enthielte keine oder nur sehr geringe Anreize für die Mitgliedsunternehmen, Maßnahmen zur Verminderung von Arbeitsunfällen voranzutreiben. Das Nachlaßverfahren der Beklagten weiche deutlich vom Nachlaß/ Zuschlagsystem der BG Chemie ab. Deren Bonus/Malus-System mit einer Spreizung bis zu 40 % sei offenbar durchführbar, ohne daß hierdurch dem Prinzip der Solidarhaftung der Boden entzogen würde. Zum anderen dokumentierten die deutlichen Erfolge in der Unfallverhütung, daß dieses System dem Zweck des § 725 Abs.2 RVO, Anreize zur Förderung der Arbeitssicherheit zu bieten, besonders gerecht werde. Außerdem werde das zweite Ziel dieser Vorschrift erreicht, die Durchsetzung stärkerer Beitragsgerechtigkeit für solche Unternehmen, die die Unfallverhütung betrieben. Das von der Beklagten verwendete Nachlaßsystem sei wegen der geringfügigen Auswirkungen nicht geeignet, die beiden Zielsetzungen des § 725 Abs.2 RVO zu erfüllen. Die Satzungsbestimmungen seien unverhältnismäßig. Es sei nicht ersichtlich, daß es branchenbedingte Besonderheiten gäbe, die verhindern würden, ein dem der BG Chemie vergleichbares System einzuführen.
Mit den Widerspruchsbescheiden vom 26.05.1992 wandte die Beklagte ein, auch bei einer Beschränkung auf 7 % falle der Nachlaß durchaus wirtschaftlich ins Gewicht. Struktureller Unterschied zwischen den Mitgliedsbetrieben der BG Chemie und denen der Beklagten sei, daß der Hauptanteil der Mitglieder der BG Chemie Großbetriebe seien. Hier könnten meßbare Erfolge im Arbeits- und Gesundheitsschutz allein durch den Einsatz von Führungsinstrumenten erreicht werden. Im Zuständigkeitsbereich der Beklagten seien sinkende Unfallzahlen nicht überwiegend auf die Art und Weise des Beitragsnachlaßverfahrens zurückzuführen, sondern auf verschiedene Faktoren. Der Gesetzgeber halte in § 548 RVO die Berufsgenossenschaften an, die Unfallverhütung mit allen geeigneten Mitteln zu betreiben. Daraus lasse sich keine Pflicht zur Einführung bestimmter Nachlaßverfahren begründen.
Mit der Klage vom 29.06.1992 hat sich die Klägerin gegen die Beitragsbescheide in Gestalt der Widerspruchsbescheide bzgl. ihrer Niederlassungen in München, Dirlewang und Farchant gewandt und ausgeführt, die Beklagte ziehe die Grenzen ihrer Satzungsautonomie zu weit. Die Nachlaßregelungen würden Sinn und Zweck des § 725 Abs.2 RVO nicht genügend entsprechen. Zwar sei auch die Klägerin der Auffassung, daß das Bonus-Malus-System der BG Chemie nicht unverändert eingeführt werden sollte. Jedenfalls habe die BG Chemie aber den praktischen Nachweis erbracht, daß durch dieses System der gewünschte Erfolg herbeigeführt werden könne. Es gelte einen finanziellen Anreiz dafür zu schaffen, Unfälle zu vermeiden und finanzielle Nachteile anzudrohen für den Fall, daß dies nicht geschehe. Bestätigt werde die Rechtsansicht der Klägerin durch einen Aufsatz, in dem von Hoyningen-Huehne/Compensis (Sozialgerichtsbarkeit 1992, Seite 145 ff.) festgestellt hätten, es sei den Gerichten möglich, die Einhaltung der gesetzlichen Grenzen der Satzungsautonomie zu überprüfen.
Mit Urteil vom 18.03.1993 hat das SG ausgeführt, § 27 der Satzung verstoße nicht gegen § 725 Abs.2 RVO. Er halte sich im Rahmen des von dieser Vorschrift eingeräumten Gestaltungsspielraums. Der Gesetzgeber habe der Selbstverwaltung gerade deswegen eine breite Palette von Regelungsmöglichkeiten eingeräumt, weil er nicht in der Lage sei, ein allgemein gültiges Verfahren, das den vielfältigen unterschiedlichen Gegebenheiten Rechnung tragen würde, zu postulieren. Im Rahmen des § 725 Abs.2 RVO seien Vorschriften, die den Zuschlag/Nachlaß von der Eigenunfallbelastung im Verhältnis zur Durchschnittsbelastung aller Unternehmen abhängig machten, unbedenklich. Aus dem Zweck des § 725 Abs.2 RVO, finanzielle Anreize zur Unfallverhütung zu bewirken, könne nicht undifferenziert abgeleitet werden, daß allen Berufsgenossenschaften eine prozentual zu bestimmende Mindestentlastung vorgegeben sei. Die Beklagte habe zutreffend auf ihre tief gegliederten Gefahrklassen hingewiesen. Weiter sei zutreffend auf die andersartige Mitgliederstruktur im Vergleich zur BG Chemie hingewiesen worden. In kleinen Baubetrieben könnte bereits ein einzelner Unfall die Eigenbelastungsziffer so ungünstig verändern, daß ein Nachlaß nicht mehr in Frage komme. Demgegenüber beeinflußten einzelne Unfälle bei einem Großunternehmen die Eigenbelastungsziffer kaum. Höhere Nachlässe kämen also einseitig dem kleineren Teil der Mitglieder, den großen Unternehmen, zugute. Zudem sei die Unfallgefahr im Bereich der Beklagten mit vielen Kleinbetrieben und wechselnden Einsatzorten viel höher als in der Chemiebranche mit vorwiegend Großbetrieben. Daraus resultiere für den Bereich Chemie ein weit niedrigerer Mitgliedsbeitrag, bei dem die Spreizung der Nachlässe sehr viel weiter sein müsse, um zu wirtschaftlich sichtbaren Nachlässen zu kommen. Der von der Beklagten eingeräumte Maximalnachlaß von 7 % sei aus der Mitgliederstruktur der Beklagten sachlich begründet. Es liege auch kein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vor. Das angewandte Mittel sei zur Zweckerreichung geeignet und erforderlich. Mittel und Zweck stünden in einem angemessenen Verhältnis.
Mit der Berufung vom 02.04.1993 wendet die Klägerin ein, das Ziel der Unfallvermeidung könne nur durch Zuschläge oder Nachlässe erreicht werden, die wirtschaftlich ins Gewicht fielen. Bei Berücksichtigung der Gefahrklassen würden zu Unrecht die Kriterien nach § 725 Abs.1 RVO mit denen des § 725 Abs.2 RVO vermischt. Die Tatsache, daß sich ein höherer Beitragsnachlaß bei dem, der mehr Beitrag zahle, in absoluten Zahlen bemerkbarer mache, als bei dem, der weniger zahle, dürfe nicht dazu führen, die gesetzgeberische Forderung unzureichend zu berücksichtigen.
Die Beklagte erwidert hierzu mit Schreiben vom 28.10.1993, 1990 seien 14,95 Millionen DM an Nachlässen gewährt worden. Von dieser Summe seien rund 350.000 DM auf die 23 Unternehmen mit mehr als 1000 Beschäftigten entfallen. Die Festlegung der Grenzwerte für Nachlässe sei dem Ermessen der Selbstverwaltungsorgane überlassen. Den 7 %-igen Nachlaß erreichten bei Unternehmen mit 500 bis 999 Beschäftigten ca. 40 %, bei Unternehmen mit mehr als tausend Beschäftigten genau 30 %. Fast 77 % der Unternehmen mit mehr als tausend Beschäftigten erhielten einen Nachlaß, nur 23 % erhielten diesen nicht. Die Beklagte habe Versicherungsleistungen in Höhe von 306 Millionen DM erbracht. Für Unfallverhütung seien 14 Millionen DM ausgegeben worden.
Die Beklagte verpflichtete sich im Termin am 05.05.1999 für den Fall, daß der angefochtene Beitragsbescheid durch rechtskräftiges Urteil aufgehoben werde, auch die bis zur Rechtskraft des Urteils ergangenen Nachfolgebescheide entsprechend zu ändern.
Die Klägerin stellt den Antrag, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 18.02.1993 und die Beitragsbescheide für das Jahr 1990 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 26.05.1992 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den wesentlichen Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sachlich aber nicht begründet.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Nachlaßberechnung in den Beitragsbescheiden für 1990 und die folgenden Jahre rechtmäßig ist.
Dies hat das SG zu Recht bejaht.
In der gesetzlichen Unfallversicherung werden die Mittel für die Aufgaben der Berufsgenossenschaften durch die Beiträge der Unternehmer aufgebracht (§ 723 Abs.1 RVO). Dabei gilt das Umlageprinzip der nachträglichen Bedarfsdeckung (§§ 724 Abs.1, 740 RVO). Der anfallende Bedarf von Mitteln für das abgelaufene Geschäftsjahr wird nach dem festgestellten Verteilungsmaßstab auf den vorhandenen Bestand an beitragspflichtigen Unternehmen umgelegt. Zum Gesamtbedarf gehören alle Kosten, die den Berufs- genossenschaften durch die Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben erwachsen. Die Höhe des Beitrags, mit dem der einzelne Unternehmer an dem Umlagesoll zu beteiligen ist, richtet sich in der Regel nach dem Entgelt der Versicherten und dem Grad der Unfallgefahr im Unternehmen (§§ 725 Abs.1, 726, 727, 730 RVO; Ausnahmen § 728 RVO). (BSG vom 18.10.1984, 2 RU 31/83 = SozR 2200 § 725 RVO Nr.10).
Darüber hinaus haben die Berufsgenossenschaften gemäß § 725 Abs.2 RVO das Recht und die Pflicht, unter Berücksichtigung der anzuzeigenden Arbeitsunfälle Zuschläge aufzuerlegen oder Nachlässe zu bewilligen. Die Höhe der Zuschläge und Nachlässe richtet sich nach der Zahl, der Schwere oder den Kosten der Arbeitsunfälle oder nach mehreren dieser Merkmale. Anstelle von Nachlässen oder zusätzlich zu den Nachlässen können nach der Wirksamkeit der Unfallverhütung gestaffelte Prämien gewährt werden. Das Nähere bestimmt die Satzung. (§ 725 Abs.2 Sätze 3, 4 und 5 RVO). Mit dem Beitragsausgleichsverfahren innerhalb der Unternehmerschaft soll ein finanzieller Ausgleich für die erwünschte Intensivierung der Unfallverhütung in den einzelnen Unternehmen geschaffen werden (BSG vom 09.12.1993, 2 RU 44/92; vom 28.08.1990, 2 RU 5/90).
Wortlaut sowie Sinn und Zweck des § 725 Abs.2 RVO in der seit dem 1. Januar 1976 geltenden Fassung (Bundesgesetzblatt I 1976 1373) weisen darauf hin, daß es sich hier um ein Beitragsausgleichsverfahren handelt. Es verfolgt den Zweck, die Unfallverhütungsarbeit in den Unternehmen zu verstärken und die nivellierende Wirkung der Gefahrklassen bei der Berechnung der Beiträge abzuschwächen. Die Gefahrklassenberechnung für einzelne Gewerbezweige entspricht zwar dem Versicherungsprinzip, führt jedoch dazu, daß jedes Unternehmen nach der als Durchschnittswert berechneten Gefahrklasse zum Beitrag herangezogen wird. Erfolge der betriebsbezogenen Unfallverhütungsarbeit werden nicht im einzelnen sichtbar. Dies kann durch die Gewährung von Nachlässen bzw. die Auferlegung von Zuschlägen ausgeglichen werden. Allerdings müssen sich Nachlässe und Zuschläge in Grenzen halten, damit das Versicherungsprinzip nicht gefährdet wird, denn dies widerspräche dem Grundgedanken der gesetzlichen Unfallversicherung (Schulz, Das Beitragsausgleichsverfahren der gewerblichen Berufsgenossenschaften BG 1983, 432).
Maßgebend für die hier streitige, als Verwaltungsakt (Bescheid vom 17.05.1991 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.01. 1992) anfechtbare Nachlaßgewährung ist die Satzung der Beklagten mit der in § 26 getroffenen Regelung.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG ist die Satzung ihrer Rechtsnatur nach autonomes Recht des betreffenden Unfallversicherungsträgers. Sie bildet kraft Gesetzes eine der von der Selbstverwaltung beschlossenen Rechtsgrundlagen, aufgrund deren die Verwaltung des Versicherungsträgers die diesem als Mitglieder angehörenden Unternehmer zur Beitragsleistung heranzieht. Im Rahmen der dem Versicherungsträger gesetzlich verliehenen Autonomie wird die Satzung von dem zuständigen Organ der Selbstverwaltung mit Rechtswirksamkeit für die in der Berufsgenossenschaft zusammengeschlossenen Unternehmer erlassen (BSGE 54 232; BSG vom 12.12.1985, 2 RU 11/84; BSGE 27, 237; BSG vom 18.10.1984, SozR 2200 § 725 RVO Nr.10).
Der Gesetzgeber hat in § 725 Abs.2 RVO nur den Rahmen für das Beitragsausgleichsverfahren gegeben. Die Gestaltung ist den Vertreterversammlungen der Berufsgenossenschaften unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben durch Satzungsregelung überlassen. Dabei hat der Gesetzgeber der Selbstverwaltung einen möglichst weitgehenden Gestaltungsspielraum eingeräumt (BSG vom 02.05.1979, SozR 2200 725 RVO Nr.5).
Da die Satzung objektives Recht ist (BSGE 27, 237), ist sie durch die Gerichte auf ihre Rechtsgültigkeit nachzuprüfen. Dabei erstreckt sich die richterliche Nachprüfung insbesondere darauf, ob der vom Gesetzgeber vorgegebene Zweck erfüllt wird und keine Normen höherrangigen Rechts verletzt werden (BSGE 27, 237). Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit sind befugt und verpflichtet, die Übereinstimmung der Satzung mit diesen Vorgaben des Gesetzgebers zu überprüfen.
Nützlichkeits- und Zweckmäßigkeitserwägungen spielen dabei aber keine Rolle (BSG vom 21.08.1992, 2 RU 54790). Denn da die Satzung der Berufsgenossenschaften ihrer Rechtsnatur nach autonomes Recht ist, unterliegt sie im Sozialgerichtsverfahren nicht der Nachprüfung auf ihre Zweckmäßigkeit, sondern nur der Prüfung, ob die Grenze der Regelungshoheit überschritten ist (BSG vom 18.10.1984, SozR 2200 § 725 RVO Rdnr.10; vom 12.12.1985, 2 RU 70/84 = NZA 1986 S.623). Das Gericht hat nicht zu prüfen, ob der Satzungsgeber die zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Regelung getroffen hat. Maßgebend ist, ob sachgerechte, plausible Gründe für die autonome Rechtsetzung anzuführen sind (BSG vom 09.12.1993, 2 RU 32/92, Breithaupt 1994 S.644).
Unter Berücksichtigung dieser eingeschränkten Überprüfungsbefugnis ist der Senat der Auffassung, daß die Satzung bzgl. der Nachlaßregelung nicht zu beanstanden ist.
Die Bestimmung verstößt nicht gegen tragende bzw. höherrangige Grundsätze des Unfallversicherungsrechts. Sie ist insbesondere mit der Ermächtigungsnorm des § 725 Abs.2 RVO vereinbar. Die Auswahl der Methode des Beitragsausgleichsverfahrens und ihre konkrete Ausgestaltung ist im Rahmen der satzungsgemäßen Gestaltungsfreiheit der Versicherungsträger an der gesetzlichen Zielsetzung zu orientieren (Lauterbach, Unfallversicherung § 725 RVO Nr.14b). Das von der Beklagten gewählte Nachlaßverfahren wird am häufigsten praktiziert (Kasseler Kommentar § 725 RVO Rdnr.9). Am gebräuchlichsten ist die Berechnung über den Vergleich der Eigenbelastung des einzelnen Unternehmens mit der Durchschnittsbelastung aller (Kass.Komm. a.a.O.).
Nachlässe wie auch Zuschläge müssen nicht gestaffelt sein, sondern ein einheitlicher Satz genügt. Sie können als Vomhundertsatz des Beitrages berechnet werden, auch wenn dadurch bei gleichen Eigenbelastungen unterschiedlich hohe Beträge infolge verschiedener Gefahrenklassen oder Entgelte entstehen (vgl. BSG SozR 2200 § 725 Nr.10 = BSG vom 18.10.1984; KassKomm § 725 RVO Rdnr.14). Das Ausgleichsverfahren kann einfach gestaltet werden, tiefe Gliederung der Berechnungsmerkmale und Ausgleichsbeträge sind nicht erforderlich. Dies ist gerechtfertigt durch die Bedürfnisse einer Massenverwaltung (BSG vom 18.10.1984 = SozR 2200 § 725 Nr.10).
Zu den Ausführungen von von Hoyningen-Huene und Compensis (SGB 1992, 145) die die Klägerin zur Begründung ihrer Einwendungen heranzieht, ist darauf hinzuweisen, daß der Gesetzgeber die quantitative Festlegung der Grenzwerte für Nachlässe dem Ermessen der berufsgenossenschaftlichen Selbstverwaltung überlassen hat, da diese Frage nur unter Beachtung der individuellen Strukturen der einzelnen Berufsgenossenschaft sachgerecht gelöst werden kann. Grundsätzlich liegen die Höchstgrenzen dort, wo das Prinzip der Solidarhaftung gestört wird und die untersten Grenzen bei Werten, die für die Unternehmer keine Belastung durch einen nicht gewährten Nachlaß bedeuten. Beitragsausgleichsverfahren mit großen Spannen sind entgegen der Ansicht von von Hoyningen-Huene/Compensis dem Zweck des § 725 Abs.2 RVO nicht am ehesten dienlich, da auch die anderen die Unfallentwicklung bestimmenden Faktoren, wie Unfallverhütungsvorschriften, wirtschaftliche und personelle Veränderungen, Schulungen, ins Gewicht fallen. Es steht daher nicht fest, daß Beitragsausgleichsverfahren mit größeren Beitragsunterschieden dem § 725 Abs.2 RVO am ehesten gerecht werden. Ein rigoroses Beitragsausgleichssystem würde der Unfallverhütung eher schaden als nützen. Außerdem würde ein solches Verfahren nicht mit dem Versicherungsprinzip in Einklang stehen, denn es ist gerade Zweck einer Versicherung, die zufälligen Einzelschwankungen in Schadenshäufigkeit und Schadensumfang über den Durchschnittsbeitrag auszugleichen. Zudem bewirkt das Beitragsausgleichsverfahren nur eine sekundäre Beitragsabstufung, die in Ergänzung zur primären Beitragsabstufung über die Gefahrklassen zur Anwendung kommt (vgl. Schulz SGB 1992, 539).
Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Mit den Beitragsbescheiden für das Jahr 1990 vom 22.04.1991 forderte die Beklagte von der Klägerin bzgl. ihrer Niederlassungen München, Farchant und Dirlewang die Beiträge und gewährte gleichzeitig für die Niederlassung Dirlewang einen Beitragsnachlaß in Höhe von 7 %, für die Niederlassung München einen Beitragsnachlaß in Höhe von 6 %, während die Niederlassung Farchant keinen Beitragsnachlaß erhielt.
Mit Widersprüchen vom 23.05.1991 wandte sich die Klägerin gegen die Bescheide hinsichtlich der Nachlaßberechnung. Die Satzungsbestimmung enthielte keine oder nur sehr geringe Anreize für die Mitgliedsunternehmen, Maßnahmen zur Verminderung von Arbeitsunfällen voranzutreiben. Das Nachlaßverfahren der Beklagten weiche deutlich vom Nachlaß/ Zuschlagsystem der BG Chemie ab. Deren Bonus/Malus-System mit einer Spreizung bis zu 40 % sei offenbar durchführbar, ohne daß hierdurch dem Prinzip der Solidarhaftung der Boden entzogen würde. Zum anderen dokumentierten die deutlichen Erfolge in der Unfallverhütung, daß dieses System dem Zweck des § 725 Abs.2 RVO, Anreize zur Förderung der Arbeitssicherheit zu bieten, besonders gerecht werde. Außerdem werde das zweite Ziel dieser Vorschrift erreicht, die Durchsetzung stärkerer Beitragsgerechtigkeit für solche Unternehmen, die die Unfallverhütung betrieben. Das von der Beklagten verwendete Nachlaßsystem sei wegen der geringfügigen Auswirkungen nicht geeignet, die beiden Zielsetzungen des § 725 Abs.2 RVO zu erfüllen. Die Satzungsbestimmungen seien unverhältnismäßig. Es sei nicht ersichtlich, daß es branchenbedingte Besonderheiten gäbe, die verhindern würden, ein dem der BG Chemie vergleichbares System einzuführen.
Mit den Widerspruchsbescheiden vom 26.05.1992 wandte die Beklagte ein, auch bei einer Beschränkung auf 7 % falle der Nachlaß durchaus wirtschaftlich ins Gewicht. Struktureller Unterschied zwischen den Mitgliedsbetrieben der BG Chemie und denen der Beklagten sei, daß der Hauptanteil der Mitglieder der BG Chemie Großbetriebe seien. Hier könnten meßbare Erfolge im Arbeits- und Gesundheitsschutz allein durch den Einsatz von Führungsinstrumenten erreicht werden. Im Zuständigkeitsbereich der Beklagten seien sinkende Unfallzahlen nicht überwiegend auf die Art und Weise des Beitragsnachlaßverfahrens zurückzuführen, sondern auf verschiedene Faktoren. Der Gesetzgeber halte in § 548 RVO die Berufsgenossenschaften an, die Unfallverhütung mit allen geeigneten Mitteln zu betreiben. Daraus lasse sich keine Pflicht zur Einführung bestimmter Nachlaßverfahren begründen.
Mit der Klage vom 29.06.1992 hat sich die Klägerin gegen die Beitragsbescheide in Gestalt der Widerspruchsbescheide bzgl. ihrer Niederlassungen in München, Dirlewang und Farchant gewandt und ausgeführt, die Beklagte ziehe die Grenzen ihrer Satzungsautonomie zu weit. Die Nachlaßregelungen würden Sinn und Zweck des § 725 Abs.2 RVO nicht genügend entsprechen. Zwar sei auch die Klägerin der Auffassung, daß das Bonus-Malus-System der BG Chemie nicht unverändert eingeführt werden sollte. Jedenfalls habe die BG Chemie aber den praktischen Nachweis erbracht, daß durch dieses System der gewünschte Erfolg herbeigeführt werden könne. Es gelte einen finanziellen Anreiz dafür zu schaffen, Unfälle zu vermeiden und finanzielle Nachteile anzudrohen für den Fall, daß dies nicht geschehe. Bestätigt werde die Rechtsansicht der Klägerin durch einen Aufsatz, in dem von Hoyningen-Huehne/Compensis (Sozialgerichtsbarkeit 1992, Seite 145 ff.) festgestellt hätten, es sei den Gerichten möglich, die Einhaltung der gesetzlichen Grenzen der Satzungsautonomie zu überprüfen.
Mit Urteil vom 18.03.1993 hat das SG ausgeführt, § 27 der Satzung verstoße nicht gegen § 725 Abs.2 RVO. Er halte sich im Rahmen des von dieser Vorschrift eingeräumten Gestaltungsspielraums. Der Gesetzgeber habe der Selbstverwaltung gerade deswegen eine breite Palette von Regelungsmöglichkeiten eingeräumt, weil er nicht in der Lage sei, ein allgemein gültiges Verfahren, das den vielfältigen unterschiedlichen Gegebenheiten Rechnung tragen würde, zu postulieren. Im Rahmen des § 725 Abs.2 RVO seien Vorschriften, die den Zuschlag/Nachlaß von der Eigenunfallbelastung im Verhältnis zur Durchschnittsbelastung aller Unternehmen abhängig machten, unbedenklich. Aus dem Zweck des § 725 Abs.2 RVO, finanzielle Anreize zur Unfallverhütung zu bewirken, könne nicht undifferenziert abgeleitet werden, daß allen Berufsgenossenschaften eine prozentual zu bestimmende Mindestentlastung vorgegeben sei. Die Beklagte habe zutreffend auf ihre tief gegliederten Gefahrklassen hingewiesen. Weiter sei zutreffend auf die andersartige Mitgliederstruktur im Vergleich zur BG Chemie hingewiesen worden. In kleinen Baubetrieben könnte bereits ein einzelner Unfall die Eigenbelastungsziffer so ungünstig verändern, daß ein Nachlaß nicht mehr in Frage komme. Demgegenüber beeinflußten einzelne Unfälle bei einem Großunternehmen die Eigenbelastungsziffer kaum. Höhere Nachlässe kämen also einseitig dem kleineren Teil der Mitglieder, den großen Unternehmen, zugute. Zudem sei die Unfallgefahr im Bereich der Beklagten mit vielen Kleinbetrieben und wechselnden Einsatzorten viel höher als in der Chemiebranche mit vorwiegend Großbetrieben. Daraus resultiere für den Bereich Chemie ein weit niedrigerer Mitgliedsbeitrag, bei dem die Spreizung der Nachlässe sehr viel weiter sein müsse, um zu wirtschaftlich sichtbaren Nachlässen zu kommen. Der von der Beklagten eingeräumte Maximalnachlaß von 7 % sei aus der Mitgliederstruktur der Beklagten sachlich begründet. Es liege auch kein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vor. Das angewandte Mittel sei zur Zweckerreichung geeignet und erforderlich. Mittel und Zweck stünden in einem angemessenen Verhältnis.
Mit der Berufung vom 02.04.1993 wendet die Klägerin ein, das Ziel der Unfallvermeidung könne nur durch Zuschläge oder Nachlässe erreicht werden, die wirtschaftlich ins Gewicht fielen. Bei Berücksichtigung der Gefahrklassen würden zu Unrecht die Kriterien nach § 725 Abs.1 RVO mit denen des § 725 Abs.2 RVO vermischt. Die Tatsache, daß sich ein höherer Beitragsnachlaß bei dem, der mehr Beitrag zahle, in absoluten Zahlen bemerkbarer mache, als bei dem, der weniger zahle, dürfe nicht dazu führen, die gesetzgeberische Forderung unzureichend zu berücksichtigen.
Die Beklagte erwidert hierzu mit Schreiben vom 28.10.1993, 1990 seien 14,95 Millionen DM an Nachlässen gewährt worden. Von dieser Summe seien rund 350.000 DM auf die 23 Unternehmen mit mehr als 1000 Beschäftigten entfallen. Die Festlegung der Grenzwerte für Nachlässe sei dem Ermessen der Selbstverwaltungsorgane überlassen. Den 7 %-igen Nachlaß erreichten bei Unternehmen mit 500 bis 999 Beschäftigten ca. 40 %, bei Unternehmen mit mehr als tausend Beschäftigten genau 30 %. Fast 77 % der Unternehmen mit mehr als tausend Beschäftigten erhielten einen Nachlaß, nur 23 % erhielten diesen nicht. Die Beklagte habe Versicherungsleistungen in Höhe von 306 Millionen DM erbracht. Für Unfallverhütung seien 14 Millionen DM ausgegeben worden.
Die Beklagte verpflichtete sich im Termin am 05.05.1999 für den Fall, daß der angefochtene Beitragsbescheid durch rechtskräftiges Urteil aufgehoben werde, auch die bis zur Rechtskraft des Urteils ergangenen Nachfolgebescheide entsprechend zu ändern.
Die Klägerin stellt den Antrag, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 18.02.1993 und die Beitragsbescheide für das Jahr 1990 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 26.05.1992 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den wesentlichen Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sachlich aber nicht begründet.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Nachlaßberechnung in den Beitragsbescheiden für 1990 und die folgenden Jahre rechtmäßig ist.
Dies hat das SG zu Recht bejaht.
In der gesetzlichen Unfallversicherung werden die Mittel für die Aufgaben der Berufsgenossenschaften durch die Beiträge der Unternehmer aufgebracht (§ 723 Abs.1 RVO). Dabei gilt das Umlageprinzip der nachträglichen Bedarfsdeckung (§§ 724 Abs.1, 740 RVO). Der anfallende Bedarf von Mitteln für das abgelaufene Geschäftsjahr wird nach dem festgestellten Verteilungsmaßstab auf den vorhandenen Bestand an beitragspflichtigen Unternehmen umgelegt. Zum Gesamtbedarf gehören alle Kosten, die den Berufs- genossenschaften durch die Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben erwachsen. Die Höhe des Beitrags, mit dem der einzelne Unternehmer an dem Umlagesoll zu beteiligen ist, richtet sich in der Regel nach dem Entgelt der Versicherten und dem Grad der Unfallgefahr im Unternehmen (§§ 725 Abs.1, 726, 727, 730 RVO; Ausnahmen § 728 RVO). (BSG vom 18.10.1984, 2 RU 31/83 = SozR 2200 § 725 RVO Nr.10).
Darüber hinaus haben die Berufsgenossenschaften gemäß § 725 Abs.2 RVO das Recht und die Pflicht, unter Berücksichtigung der anzuzeigenden Arbeitsunfälle Zuschläge aufzuerlegen oder Nachlässe zu bewilligen. Die Höhe der Zuschläge und Nachlässe richtet sich nach der Zahl, der Schwere oder den Kosten der Arbeitsunfälle oder nach mehreren dieser Merkmale. Anstelle von Nachlässen oder zusätzlich zu den Nachlässen können nach der Wirksamkeit der Unfallverhütung gestaffelte Prämien gewährt werden. Das Nähere bestimmt die Satzung. (§ 725 Abs.2 Sätze 3, 4 und 5 RVO). Mit dem Beitragsausgleichsverfahren innerhalb der Unternehmerschaft soll ein finanzieller Ausgleich für die erwünschte Intensivierung der Unfallverhütung in den einzelnen Unternehmen geschaffen werden (BSG vom 09.12.1993, 2 RU 44/92; vom 28.08.1990, 2 RU 5/90).
Wortlaut sowie Sinn und Zweck des § 725 Abs.2 RVO in der seit dem 1. Januar 1976 geltenden Fassung (Bundesgesetzblatt I 1976 1373) weisen darauf hin, daß es sich hier um ein Beitragsausgleichsverfahren handelt. Es verfolgt den Zweck, die Unfallverhütungsarbeit in den Unternehmen zu verstärken und die nivellierende Wirkung der Gefahrklassen bei der Berechnung der Beiträge abzuschwächen. Die Gefahrklassenberechnung für einzelne Gewerbezweige entspricht zwar dem Versicherungsprinzip, führt jedoch dazu, daß jedes Unternehmen nach der als Durchschnittswert berechneten Gefahrklasse zum Beitrag herangezogen wird. Erfolge der betriebsbezogenen Unfallverhütungsarbeit werden nicht im einzelnen sichtbar. Dies kann durch die Gewährung von Nachlässen bzw. die Auferlegung von Zuschlägen ausgeglichen werden. Allerdings müssen sich Nachlässe und Zuschläge in Grenzen halten, damit das Versicherungsprinzip nicht gefährdet wird, denn dies widerspräche dem Grundgedanken der gesetzlichen Unfallversicherung (Schulz, Das Beitragsausgleichsverfahren der gewerblichen Berufsgenossenschaften BG 1983, 432).
Maßgebend für die hier streitige, als Verwaltungsakt (Bescheid vom 17.05.1991 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.01. 1992) anfechtbare Nachlaßgewährung ist die Satzung der Beklagten mit der in § 26 getroffenen Regelung.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG ist die Satzung ihrer Rechtsnatur nach autonomes Recht des betreffenden Unfallversicherungsträgers. Sie bildet kraft Gesetzes eine der von der Selbstverwaltung beschlossenen Rechtsgrundlagen, aufgrund deren die Verwaltung des Versicherungsträgers die diesem als Mitglieder angehörenden Unternehmer zur Beitragsleistung heranzieht. Im Rahmen der dem Versicherungsträger gesetzlich verliehenen Autonomie wird die Satzung von dem zuständigen Organ der Selbstverwaltung mit Rechtswirksamkeit für die in der Berufsgenossenschaft zusammengeschlossenen Unternehmer erlassen (BSGE 54 232; BSG vom 12.12.1985, 2 RU 11/84; BSGE 27, 237; BSG vom 18.10.1984, SozR 2200 § 725 RVO Nr.10).
Der Gesetzgeber hat in § 725 Abs.2 RVO nur den Rahmen für das Beitragsausgleichsverfahren gegeben. Die Gestaltung ist den Vertreterversammlungen der Berufsgenossenschaften unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben durch Satzungsregelung überlassen. Dabei hat der Gesetzgeber der Selbstverwaltung einen möglichst weitgehenden Gestaltungsspielraum eingeräumt (BSG vom 02.05.1979, SozR 2200 725 RVO Nr.5).
Da die Satzung objektives Recht ist (BSGE 27, 237), ist sie durch die Gerichte auf ihre Rechtsgültigkeit nachzuprüfen. Dabei erstreckt sich die richterliche Nachprüfung insbesondere darauf, ob der vom Gesetzgeber vorgegebene Zweck erfüllt wird und keine Normen höherrangigen Rechts verletzt werden (BSGE 27, 237). Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit sind befugt und verpflichtet, die Übereinstimmung der Satzung mit diesen Vorgaben des Gesetzgebers zu überprüfen.
Nützlichkeits- und Zweckmäßigkeitserwägungen spielen dabei aber keine Rolle (BSG vom 21.08.1992, 2 RU 54790). Denn da die Satzung der Berufsgenossenschaften ihrer Rechtsnatur nach autonomes Recht ist, unterliegt sie im Sozialgerichtsverfahren nicht der Nachprüfung auf ihre Zweckmäßigkeit, sondern nur der Prüfung, ob die Grenze der Regelungshoheit überschritten ist (BSG vom 18.10.1984, SozR 2200 § 725 RVO Rdnr.10; vom 12.12.1985, 2 RU 70/84 = NZA 1986 S.623). Das Gericht hat nicht zu prüfen, ob der Satzungsgeber die zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Regelung getroffen hat. Maßgebend ist, ob sachgerechte, plausible Gründe für die autonome Rechtsetzung anzuführen sind (BSG vom 09.12.1993, 2 RU 32/92, Breithaupt 1994 S.644).
Unter Berücksichtigung dieser eingeschränkten Überprüfungsbefugnis ist der Senat der Auffassung, daß die Satzung bzgl. der Nachlaßregelung nicht zu beanstanden ist.
Die Bestimmung verstößt nicht gegen tragende bzw. höherrangige Grundsätze des Unfallversicherungsrechts. Sie ist insbesondere mit der Ermächtigungsnorm des § 725 Abs.2 RVO vereinbar. Die Auswahl der Methode des Beitragsausgleichsverfahrens und ihre konkrete Ausgestaltung ist im Rahmen der satzungsgemäßen Gestaltungsfreiheit der Versicherungsträger an der gesetzlichen Zielsetzung zu orientieren (Lauterbach, Unfallversicherung § 725 RVO Nr.14b). Das von der Beklagten gewählte Nachlaßverfahren wird am häufigsten praktiziert (Kasseler Kommentar § 725 RVO Rdnr.9). Am gebräuchlichsten ist die Berechnung über den Vergleich der Eigenbelastung des einzelnen Unternehmens mit der Durchschnittsbelastung aller (Kass.Komm. a.a.O.).
Nachlässe wie auch Zuschläge müssen nicht gestaffelt sein, sondern ein einheitlicher Satz genügt. Sie können als Vomhundertsatz des Beitrages berechnet werden, auch wenn dadurch bei gleichen Eigenbelastungen unterschiedlich hohe Beträge infolge verschiedener Gefahrenklassen oder Entgelte entstehen (vgl. BSG SozR 2200 § 725 Nr.10 = BSG vom 18.10.1984; KassKomm § 725 RVO Rdnr.14). Das Ausgleichsverfahren kann einfach gestaltet werden, tiefe Gliederung der Berechnungsmerkmale und Ausgleichsbeträge sind nicht erforderlich. Dies ist gerechtfertigt durch die Bedürfnisse einer Massenverwaltung (BSG vom 18.10.1984 = SozR 2200 § 725 Nr.10).
Zu den Ausführungen von von Hoyningen-Huene und Compensis (SGB 1992, 145) die die Klägerin zur Begründung ihrer Einwendungen heranzieht, ist darauf hinzuweisen, daß der Gesetzgeber die quantitative Festlegung der Grenzwerte für Nachlässe dem Ermessen der berufsgenossenschaftlichen Selbstverwaltung überlassen hat, da diese Frage nur unter Beachtung der individuellen Strukturen der einzelnen Berufsgenossenschaft sachgerecht gelöst werden kann. Grundsätzlich liegen die Höchstgrenzen dort, wo das Prinzip der Solidarhaftung gestört wird und die untersten Grenzen bei Werten, die für die Unternehmer keine Belastung durch einen nicht gewährten Nachlaß bedeuten. Beitragsausgleichsverfahren mit großen Spannen sind entgegen der Ansicht von von Hoyningen-Huene/Compensis dem Zweck des § 725 Abs.2 RVO nicht am ehesten dienlich, da auch die anderen die Unfallentwicklung bestimmenden Faktoren, wie Unfallverhütungsvorschriften, wirtschaftliche und personelle Veränderungen, Schulungen, ins Gewicht fallen. Es steht daher nicht fest, daß Beitragsausgleichsverfahren mit größeren Beitragsunterschieden dem § 725 Abs.2 RVO am ehesten gerecht werden. Ein rigoroses Beitragsausgleichssystem würde der Unfallverhütung eher schaden als nützen. Außerdem würde ein solches Verfahren nicht mit dem Versicherungsprinzip in Einklang stehen, denn es ist gerade Zweck einer Versicherung, die zufälligen Einzelschwankungen in Schadenshäufigkeit und Schadensumfang über den Durchschnittsbeitrag auszugleichen. Zudem bewirkt das Beitragsausgleichsverfahren nur eine sekundäre Beitragsabstufung, die in Ergänzung zur primären Beitragsabstufung über die Gefahrklassen zur Anwendung kommt (vgl. Schulz SGB 1992, 539).
Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
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