L 1 KR 66/10

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 34 KR 8/10
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 1 KR 66/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt im Überprüfungsverfahren nach § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) die Erstattung von Aufwendungen für das Arzneimittel KREON 25000, das er wegen einer Pankreasinsuffizienz einnimmt.

Der am XXXXX 1938 geborene Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Nachdem bei ihm im Mai 2007 ein Magenkarzinom diagnostiziert und anschließend der Magen entfernt worden war, nahm er an einer Rehabilitationsmaßnahme im Reha-Zentrum M. – Abteilung Gastroenterologie – teil. Im Entlassungsbericht (vom 17.7.2007) wurden ein Magenkarzinom pT2b N0 M0, der Zustand nach Gastrektomie, eine koronare Herzkrankheit bei Zustand nach Vorderwandinfarkt im Jahr 1988, der Zustand nach Prostatektomie bei Karzinom im Jahr 1998 und eine Harn- und Stuhlinkontinenz nach einer Operation wegen Spinalkanalstenose diagnostiziert. Weiter heißt es, der Kläger habe nach der Operation 11 kg an Körpergewicht verloren, bei Aufnahme hätten eine allgemeine körperliche Schwäche und deutliche Leistungsminderung bei Appetitlosigkeit und wiederkehrenden Brechreizen bestanden. Zum Zeitpunkt der Entlassung habe sich die körperliche Leistungsfähigkeit gebessert, der Kläger habe bei gutem Appetit 2,5 kg Gewicht zugenommen. Als weiterführende Diagnostik und Therapie nach Entlassung wurde genannt: Regelmäßige onkologische Nachuntersuchungen, parenterale Vitamin B 12-Substitution, kardiologische Betreuung, alters- und beschwerdeadaptierter Sport, Umsetzung der in der Rehabilitationsmaßnahme erlernten Ernährungsempfehlungen sowie eine sonographische Verlaufskontrolle wegen inhomogener Raumforderung am unteren Milzpol. Unter Entlassungsmedikation wurde aufgezählt: ASS, Ramipril, Beloc Zok, Metoclopramid, Cytobion subcutan (einmalig am 7.6.2007).

Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 22. April 2008 (eingegangen bei der Beklagten am Folgetag) unter Vorlage zweier Apothekenquittungen vom 31. März 2008 und 14. April 2008 die Erstattung von Kosten i.H.v. damals 157,61 Euro für die Beschaffung des Arzneimittels KREON 25000. Er führte aus, das Medikament habe er selbst beschafft, nachdem der behandelnde Arzt Dr. U. ihm mitgeteilt habe, dass er es nicht zu Lasten der Krankenkasse verordnen dürfe. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 30. April 2008 ab: Eine nachträgliche Kostenerstattung scheide aus, da der Kläger zuvor keinen Leistungsantrag gestellt habe. Weiterhin sei das Medikament nicht verschreibungspflichtig, weswegen der Kläger damit zu Lasten der Krankenkasse nur im Falle einer schwerwiegenden Erkrankung versorgt werden könne. Für Pankreasenzyme sei dies nach der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Arzneimittel-Richtlinie, AM-RL) im Fall einer chronischen exokrinen Pankreasinsuffizienz oder im Fall von Mukoviszidose gegeben. Ob diese Voraussetzungen vorlägen, könne nur der behandelnde Vertragsarzt beurteilen. Träfen die genannten Voraussetzungen nach dessen Einschätzung zu, so könne eine Verordnung zu Lasten der Kasse erfolgen. Zur Begründung seines am 21. Mai 2008 erhobenen Widerspruchs führte der Kläger aus, der behandelnde Arzt habe ihm wiederholt bestätigt, dass er das Medikament nicht verordnen dürfe.

In der Zeit vom 5. August 2008 bis 2. September 2008 nahm der Kläger an einer stationären Rehabilitationsmaßnahme in der Reha-Klinik N. teil. Der Entlassungsbericht (vom 2.9.2008) nennt als Diagnosen ein Magenkarzinom bei Zustand nach Gastrektomie im Mai 2007, den Zustand nach radikaler Prostatektomie bei Karzinom im Jahr 1998, eine koronare Herzkrankheit sowie den Zustand nach einer Operation wegen Spinalkanalstenose. Die Medikation mit KREON 25000 wird in den Rubriken "Aktuelle medikamentöse Therapie" und "Medikation bei Entlassung" aufgeführt. In der Rubrik "Fähigkeitsstörungen" ist von dem Erfordernis vieler kleiner Mahlzeiten aufgrund der Gastrektomie die Rede. Als ernährungsabhängige Beschwerde vermerkt der Bericht "Leichtes Aufstoßen, der Stuhlgang ist regelmäßig und unauffällig in Farbe und Konsistenz, Blähungen, wenig Appetit." Als Rehabilitationsergebnis wurde u.a. festgehalten, dass sich die ernährungsabhängigen Beschwerden unter Wechsel des KREON-Präparates von Kapseln auf Granulat und einer parallelen intensiven ernährungstherapeutischen Betreuung und Beratung deutlich zurückgebildet hätten.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 7. August 2008 zurück: Ein Kostenerstattungsanspruch scheide schon deswegen aus, weil der Kläger das Medikament bereits vor Antragstellung selbst beschafft habe. Aber auch bei rechtzeitiger Antragstellung sei eine Kostenübernahme nicht möglich gewesen, da das Medikament in den Arzneimittelrichtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nicht als Therapiestandard bei schwerwiegender Erkrankung genannt werde.

Nachdem der Kläger sich in einem weiteren Schreiben vom 11. September 2008 an den Vorstand der Beklagten gewandt hatte, teilte ihm die Beklagte mit Schreiben vom 22. September 2008 mit, sie sei nach erneuter Prüfung zum dem Ergebnis gelangt, dass eine Ausnahmeindikation vorliegen könne. Der Kläger möge sich deswegen noch einmal an den behandelnden Arzt wenden, denn nach § 15 Abs. 1 des Arzt-/Ersatzkassen-Vertrages (Bundesmantelvertrag - Ärzte/Ersatzkassen, EKV) liege die Verantwortung für die Verordnung allein beim Vertragsarzt. Eine Genehmigung durch die Ersatzkasse sei nicht möglich. Zur Sache selbst könne sie sich aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht näher äußern; eine Prüfung des angefochtenen Bescheides obliege dem Sozialgericht. Am 29. September 2008 erhob der Kläger sodann Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 7. August 2008 (Az. S 34 KR 1149/08).

Während dieses Klageverfahrens ergab eine erneute Untersuchung durch Dr. U. im April 2009, dass beim Kläger eine chronische exokrine Pankreasinsuffizienz vorlag. Anschließend verordnete er KREON 25000 zulasten der Beklagten, die den Kläger damit versorgte.

Das Klageverfahren S 34 KR 1149/08 erklärten die Beteiligten im Dezember 2009 für erledigt, nachdem die Beklagte auf einen richterlichen Hinweis hin die verfristete Klage als Überprüfungsantrag gewertet und mit Bescheid vom 9. November 2009 (abschlägig) beschieden hatte. Den hiergegen am 17. November 2009 erhobenen Widerspruch wies sie mit Bescheid vom 14. Dezember 2009 zurück.

Die am 28. Dezember 2009 hiergegen erhobene Klage wies das Sozialgericht durch Urteil vom 4. Juni 2010 (dem Kläger zugestellt am 24. Juli 2010) ab: Eine Kostenerstattung für ohne ärztliche Verordnung angeschaffte Medikamente sei nicht möglich. Eine solche Verordnung könne nicht in einer vom Kläger behaupteten mündlichen Empfehlung des behandelnden Arztes liegen, vielmehr sei zumindest ein Privatrezept erforderlich gewesen.

Der Kläger hat am 19. August 2010 Berufung eingelegt und bezieht sich zur Begründung auf § 13 Abs. 3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V). Obwohl die Voraussetzungen der Versorgung mit dem Arzneimittel KREON 25000 bereits von Anfang an vorgelegen hätten, sei er gezwungen gewesen, es auf eigene Kosten zu beschaffen. Es sei ihm nicht zumutbar gewesen, eine Zusage der Beklagten abzuwarten, denn das Arzneimittel sei für ihn lebensnotwendig gewesen. Er, der Kläger, habe sich auf die Fachkenntnis des behandelnden Arztes und der Beklagten verlassen. Die Beklagte habe ihm gegenüber jedoch eine Auffassung vertreten, von der sie später (mit Schreiben vom 22.9.2009) selbst wieder abgerückt sei. Der behandelnde Arzt habe die Verordnung des Medikaments mit der Begründung verweigert, er dürfe es nicht verordnen. Da angesichts fortschreitenden Gewichtsverlustes ein medizinischer Notfall vorgelegen und der Kläger sich außerdem noch vor der ersten Beschaffung des Medikaments telefonisch an die Beklagte gewandt habe, liege ein Fall des Systemversagens vor. Weiterhin habe bereits die Reha-Klinik N. (in der sich der Kläger von August bis September 2008 aufgehalten hatte) eine Verschreibung von KREON 25000 vorgegeben. Schließlich ergebe sich ein Anspruch auf Versorgung mit KREON 25000 in Fällen wie dem vorliegenden nunmehr auch aus der insoweit geänderten AM-RL.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 4. Juni 2010 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 9. November 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Dezember 2009 zu verurteilen, den Bescheid vom 30. April 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. August 2008 zurückzunehmen und an den Kläger 962,75 Euro zzgl. Zinsen zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält das angefochtene Urteil des Sozialgerichts für richtig und führt aus, der Kläger habe vor Beschaffung des Medikaments keinen Leistungsantrag gestellt und somit den vorgeschriebenen Beschaffungsweg nicht eingehalten. Die vom Kläger angesprochene Änderung der AM-RL sei erst nach dem Zeitraum erfolgt, um den es im vorliegenden Fall gehe.

Der Senat hat eine Auskunft von Dr. U. nebst Krankenunterlagen eingeholt. Er hat am 27. September 2012 über die Berufung mündlich verhandelt. Auf das Sitzungsprotokoll wird verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Prozessakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat zu Recht einen Anspruch des Klägers auf Rücknahme des Bescheides vom 30. April 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 7. August 2008 und auf Erstattung der geltend gemachten Kosten verneint.

Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Ist ein Verwaltungsakt hiernach zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile des Sozialgesetzbuches nach Maßgabe von § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X nachträglich erbracht. Hierunter fällt auch die Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 SGB V.

Die Beklagte ist bei Erlass des Bescheides vom 30. April 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 7. August 2008 nicht von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich später als unrichtig erwiesen hat. Ein Anspruch auf Kostenerstattung reicht nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch (vgl. nur BSG, Urteil vom 6.3.2012, B 1 KR 24/10 R; BSG, Urteil vom 26.9.2006, B 1 KR 3/06 R). Einen solchen Sachleistungsanspruch hatte der Kläger nicht. Ein Anspruch auf Versorgung mit dem Arzneimittel KREON 25000 setzte nach § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V i.V.m. § 34 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB V und § 12 Abs. 5 AM-RL i.V.m. Nr. 36 der der Anlage I zum Abschnitt F der Arzneimittel-Richtlinie (Gesetzliche Verordnungsausschlüsse in der Arzneimittelversorgung und zugelassene Ausnahmen; Zugelassene Ausnahmen zum gesetzlichen Verordnungsausschluss nach § 34 Abs. 1 Satz 2 SGB V, OTC-Übersicht) in der bis zum 11. August 2012 geltenden Fassung das Bestehen einer chronischen, exokrinen Pankreasinsuffizienz oder einer Mukoviszidose voraus. Hierfür liegen keine hinreichenden medizinischen Anhaltspunkte vor: Bei Entlassung des Klägers aus dem Reha-Zentrums M. (Juli 2007) wurde ausweislich des Entlassungsberichts weder eine Pankreasinsuffizienz diagnostiziert, noch nennt der Bericht andernorts Hinweise auf eine Erkrankung oder Fehlfunktion der Bauchspeicheldrüse. In der Entlassungsmedikation werden Arzneimittel zur Behandlung der koronaren Herzkrankheit, ein Antiemetikum sowie ein Vitamin B 12-Präparat genannt, jedoch kein Präparat mit Pankreasenzymen. Im Entlassungsbericht der Reha-Klinik N. (September 2008) wird KREON 25000 in der Entlassungsmedikation genannt, jedoch wird auch hier die Diagnose einer Pankreasinsuffizienz nicht gestellt (auch nicht in Form einer Verdachtsdiagnose oder eines Vorschlags an den weiterbehandelnden Arzt). Somit kann an diesem Punkt dahinstehen, ob seitens der Klinik tatsächlich eine entsprechende Empfehlung erfolgt ist und ob dies einem Privatrezept gleichzustellen wäre. Erstmals ärztlich diagnostiziert wurde eine chronische, exokrine Pankreasinsuffizienz im April 2009 (d.h. zehn Monate nach Erlass des Widerspruchsbescheides) durch den behandelnden Arzt Dr. U., der KREON 25000 auf diese Diagnose hin erstmals zulasten der Beklagte verordnet hat. Diese Versorgung ist im vorliegenden Fall nicht streitig. Aus diesen medizinischen Unterlagen ergibt sich auch kein Hinweis auf eine funktionelle Pankreasinsuffizienz nach Gastrektomie bei Vorliegen einer Steatorrhoe im Sinne von Nr. 36 der OTC-Übersicht in der seit dem 12. August 2012 geltenden Fassung. Im Entlassungsbericht aus August 2008 wurde im Hinblick auf ernährungsabhängige Beschwerden ausdrücklich vermerkt, der Stuhlgang sei regelmäßig und unauffällig in Farbe und Konsistenz. Somit kann dahinstehen, ob die im August 2012 in Kraft getretene Neuregelung im Rahmen eines Verfahrens nach § 44 SGB X auch für die Zeit vor Inkrafttreten Wirkung entfalten könnte.

Die Beklagte hat auch nicht etwa – wie in § 44 Abs. 1 Satz 1 erste Alternative SGB X vorausgesetzt – das Recht unrichtig angewandt. Dies käme zunächst dann in Betracht, wenn die Entscheidung des GBA, die Verschreibungsfähigkeit von Pankreasenzymen auf bestimmte Erkrankungen zu beschränken, mit höherrangigem Recht nicht vereinbar wäre. Der seit dem 1. Januar 2004 geltende Ausschluss nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung verstößt weder gegen das Grundgesetz (GG) noch gegen Europarecht (BSG, Urteil vom 6.11.2008, B 1 KR 6/08 R). Es ist auch nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber den GBA beauftragt hat, in Richtlinien (§ 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V) festzulegen, welche nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel, die bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten, zur Anwendung bei diesen Erkrankungen mit Begründung vom Vertragsarzt ausnahmsweise verordnet werden können (auch hierzu BSG, Urteil vom 6.11.2008, B 1 KR 6/08 R). Es steht den Gerichten jedoch zu, die vom GBA erlassenen, im Rang unterhalb des einfachen Gesetzesrechts stehenden normativen Regelungen formell und auch inhaltlich in der Weise zu prüfen, wie wenn der Bundesgesetzgeber derartige Regelungen in Form einer untergesetzlichen Norm selbst erlassen hätte, wenn und soweit hierzu auf Grund hinreichend substantiierten Beteiligtenvorbringens konkreter Anlass besteht (BSG, Urteil vom 7.11.2006, B 1 KR 24/06 R; BSG, Urteil vom 26.9.2006, B 1 KR 3/06 R).

Der Senat sieht im vorliegenden Fall keinen Anlass zu durchgreifenden Zweifeln gegen die zuletzt vom GBA getroffene Regelung. Die durch den Beschluss des GBA vom 21. Juni 2012 getroffene Neuregelung geht zurück auf ein im November 2010 bei der der Geschäftsstelle des GBA eingegangenes Schreiben einer Fachgesellschaft, in dem u.a. die Ergänzung der OTC-Übersicht um die Gastrektomie angeregt wurde. In dem (durch Beschluss vom 6.2.2012 eingeleiteten) Stellungnahmeverfahren hat der GBA ausgeführt, als Folge einer Gastrektomie könne es – bedingt durch funktionelle Störung der exokrinen Pankreasfunktion – zu schwerer Steatorrhoe kommen. Dieser Zustand könne unter spezifischen Voraussetzungen funktionell der chronisch, exokrinen Pankreasinsuffizienz gleichgestellt werden und sei daher einer schwerwiegenden Erkrankung im Sinne des § 12 Abs. 3 AM-RL vergleichbar. In diesen Fällen entspreche der Einsatz von Pankreasenzymen dem allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse und gelte als Therapiestandard. Den Tragenden Gründen des Beschlusses vom 21. Juni 2012 ist zu entnehmen, dass im Stellungnahmeverfahren keine Stellungnahmen eingegangen sind. Dies lässt den Schluss zu, dass von Seiten der in § 92 Abs. 3a SGB V genannten Gruppen, die den einschlägigen medizinischen Sachverstand wiedergeben sollen, keine noch weitergehende Ausdehnung der Regelung für angezeigt erachtet worden ist.

Schließlich hat der Senat erhebliche Zweifel der in § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X vorausgesetzten ursächlichen Beziehung zwischen den in der Vorschrift genannten Fehlern und der Verweigerung einer Kostenerstattung. Ursächlich für die Verweigerung der Kostenübernahme war keine rechtliche oder medizinische Prüfung durch die Beklagte, die mit Bescheid vom 30. April 2008 nicht die Versorgung bzw. Kostenübernahme abgelehnt, sondern den Kläger lediglich auf den vorgegebenen Beschaffungsweg verwiesen hat. Vielmehr scheiterte die Kostenübernahme daran, das KREON 25000 seinerzeit noch nicht vertragsärztlich verordnet worden war. Erst diese Verordnung begründet einen Leistungsanspruch des Versicherten (BSG, Urteil vom 19.11.1996, 1 RK 15/96; aus neuerer Zeit BSG, Urteil vom 17.12.2009, B 3 KR 13/08 R). Bei Zweifeln an der Verordnungsfähigkeit eines Medikaments im Einzelfall kann der Arzt dem Versicherten ein Privatrezept ausstellen (§ 15 Abs. 10 EKV) oder sich unmittelbar an die Krankenkasse wenden (hierzu LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15.2.2012, L 9 KR 292/10). Im vorliegenden Fall ist allerdings nicht erkennbar, dass der behandelnde Arzt Dr. U. die Verordnung oder auch das Ausstellen eines Privatrezepts zu Unrecht verweigert hätte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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