Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 10 U 5083/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 184/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 24.03.2000 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die am 1950 geborene Klägerin ist selbständige Landwirtin. Am 29.08.1988 erlitt sie nach dem Tränken eines Kalbes im Kuhstall dadurch einen Unfall, dass sie ausrutschte und zu Fall kam. Der Durchgangsarzt Dr.S. stellte im Bericht vom 30.08.1988 eine distale Fraktur des rechten Unterschenkels im Tibiabereich und zusätzlich den Ausbruch kleinerer Knochenfragmente fest. Es bestehe eine deutliche Kontraktion und Dislokation. Im linken Knie und proximalen Unterschenkel fänden sich kein Frakturnachweis, keine degenerativen arthrotischen Veränderungen. Die Klägerin wurde sodann vom 29.08.1988 bis 25.10.1988 im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in R. stationär behandelt. Im Bericht am 03.11.1988 führte Oberarzt Dr.H. aus, es bestehe eine dislozierte Unterschenkelfraktur rechts und als Nebendiagnosen Schürfwunden des rechten distalen Unterschenkels, Verdacht auf postthrombotisches Syndrom am rechten Bein sowie eine Pleurapneumonie. Vom 05.03.1989 bis 28.04.1989 war die Klägerin erneut in stationärer Behandlung. Diesbezüglich berichtete Privatdozent Dr.N. am 08.05.1989, es liege eine Tibiapseudarthrose rechts nach Unterschenkelfraktur vor. Es sei eine Pseudarthrosenresektion, Plattenosteosynthese und Spondylosaplastik vorgenommen worden. Die Beklagte holte Berichte des Privatdozenten Dr.N. vom 31.05.1989, 12.07.1989, 25.08.1989, vom 28.09.1989 und vom 04.12.1989 ein. In letzterem Bericht stellt Dr.N. eine Tibiapseudarthrose des rechten Unterschenkels mit Osteosynthese und Spondylosaplastik versorgt fest. Eine Vollbelastung des rechten Beines werde problemlos vertragen. Die Gehhilfe werde nicht mehr benutzt. Es liege eine schmerzlose Belastung und Bewegung im rechten Bein vor. Die Röntgenaufnahmen des rechten Unterschenkels und Sprunggelenks zeigten knöchernen Durchbau der Fraktur im achsgerechten Fragmentstand. Die Lage des Osteosynthesematerials sei unverändert. Die Behandlung werde ab 04.12.1989 beendet. Die MdE liege unter 20 v.H. Am 08.05.1990 erstattete Prof.Dr.N. (Dr.K.) ein Gutachten, in welchem als Unfallfolgen festgestellt werden: Knöchern verheilter osteosynthetisch versorgter Bruch des Schienbeins mit Knochenanlagerung mit Fehlstellung des Schienbeins und Bewegungseinschränkung im oberen Sprunggelenk. Im röntgenologischen Zusatzgutachten wird ausgeführt, dass eine verzögerte Knochenbruchheilung stattgefunden habe. Die Fraktur sei dann im weiteren Verlauf komplikationslos knöchern fest in weitgehend achsgerechter Stellung fest konsolidiert. Es liege noch das Osteosynthesematerial ohne Anhalt für Bruch oder Lockerung. Entzündliche ossäre Veränderungen bestünden nicht. Es liege eine in mäßiger Fehlstellung verheilte Fibulafraktur ohne erkennbare arthrotische Veränderungen im oberen Sprunggelenk und Kniegelenk vor. Es bestehe noch eine Inaktivitätsosteoporose distal des Frakturbereichs. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit bemaß Prof.Dr.N. ab 04.12.1989 bis 29.08.1990 mit 20 v.H. Es sei nach Ablauf des zweiten Unfalljahres bzw. nach Materialentfernung mit einer MdE von unter 20 v.H. zu rechnen. Mit Bescheid vom 18.06.1990 gewährte die Beklagte eine Gesamtvergütung von 1.581,30 DM, der sie eine MdE in Höhe von 20 v.H. vom 04.12.1989 bis 31.08.1990 zugrunde legte. Unfallfremd liege bei der Klägerin eine neurologische Erkrankung mit Gleichgewichtsstörung und Veränderung des Gangbildes vor. Hierzu hatte Prof.Dr.N. ausgeführt, aufgrund einer unfallunabhängigen neurologischen Störung, die bei der Klägerin nach eigener Aussage seit Geburt bestehe, sei die Klägerin nicht in der Lage, einen Einbeinstand sowie Zehenspitzengang und Fersengang durchzuführen. Weiter zog die Beklagte Nachschauberichte des Prof.Dr.N. vom 18.04.1991 und 13.01.1992 bei. In letzterem Bericht bemaß Prof.Dr.N. die MdE mit unter 20 v.H. nach erfolgter Materialentfernung bei vollständig knöcherner Durchbauung der Fraktur. Einen Ausführlichen Entlassbericht erstattete Prof.Dr.N. am 23.01.1992 und einen weiteren Bericht am 16.03.1992, in welchem die MdE mit 20 v.H. eingeschätzt wurde. Es bestehe eine deutliche Umfangsvermehrung des rechten Beines gegenüber links, jedoch keine floriden Entzündungszeichen. Die Klägerin zeige ein insgesamt ataktisches Gangbild, auch in der Feinmotorik der Finger seien gewisse ataktische Störungen zu beobachten. Zur MdE nahm der Beratungsarzt der Beklagten Dr.K. am 31.03.1992 Stellung und vertrat die Auffassung, dass nach Ende der Arbeitsunfähigkeit keine MdE von 20 v.H. vorliege, da keine wesentlichen Komplikationen und keine Funktionsänderung feststellbar seien. Vom 15.05.1997 bis 23.06.1997 war die Klägerin nach dem Entlassbericht des Prof.Dr.N. wegen einer Osteomyelitis des rechten Unterschenkels nach kompletter Unterschenkelfraktur 1988, Zustand nach Ausbildung einer Pseudarthrose und Revisionsoperation 1989 und Zustand nach Weichteilrevision bei Infekt 1997 in Behandlung. Klinisch habe sich eine reizlose Fistel im distalen Drittel des rechten Unterschenkels gefunden. Röntgenologisch habe sich im Bereich der distalen Tibia ein deutlicher Sequester gezeigt. Nach Vorbereitung sei am 21.05.1997 eine Sequesterotomie und Weichteildebridement durchgeführt worden. Der Weichteildefekt über der distalen Tibia habe mittels eines Schwenklappens gedeckt werden können. Der Schwenklappen sei postoperativ gut eingeheilt, es sei jedoch im Bereich des Lappens und der Entnahmestelle zur Ausbildung einer ausgeprägten Lymphfistel gekommen. Im weiteren Verlauf sei die Fistel langsam rückläufig gewesen. Vom 28.07.1997 bis 09.09.1997 befand sich die Klägerin erneut in stationärer Behandlung im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in R ... Prof. Dr.N. berichtete am 17.09.1997, dass sich die Klägerin am 16.09.1997 nach dem letzten stationären Aufenthalt vorgestellt habe und dass das rechte Sprunggelenk im Seitenvergleich noch deutlich geschwollen, der distale Unterschenkel nach wie vor besonders im Bereich des Schwenklappens ventral verdickt sei. Die Beweglichkeit im oberen Sprunggelenk mit Extension und Flexion sei deutlich eingeschränkt. Die MdE liege über 20 v.H. Auch im Bericht vom 07.10.1997 stellte Prof.Dr.N. eine chronische Osteitis der rechten Tibia, Zustand nach Schwenklappen mit erneuter Wunddehiszenz bei chronischer Lymphfistelung fest. Es zeige sich noch eine deutliche Schwellung am rechten Unterschenkel und Sprunggelenk im Vergleich zur Gegenseite, jedoch keine Entzündungszeichen. Die MdE schätzte er erneut mit über 20 v.H. ein. Die AOK machte mit Schreiben vom 27.10.1997 bei der Beklagten geltend, die Klägerin sei im März, Juni und Juli bis September wegen einer nicht näher bezeichneten Osteomyelitis in stationärer Behandlung gewesen. Am 24.09.1997 erstattete Prof.Dr.N. einen ausführlichen Bericht über die Behandlung vom 28.07. bis 08.09.1997. Die Klägerin sei verabredungsgemäß erneut zur Schwenklappenplastik in die stationäre Behandlung gekommen. Insgesamt sei der Fuß bei chronischer Lymphfistel deutlich umfangsvermehrt. Durchblutung, Sensibilität und Motorik des Fußes seien ungestört. Das Gangbild der Klägerin sei bei bekannter cerebellärer Ataxie kleinschrittig und unsicher. Die Beklagte holte ein Gutachten des Orthopäden Dr.H. vom 15.12.1997 ein, in welchem der Gutachter u.a. ein deutliches Lipidödem beider Oberschenkel feststellt. Der rechte Unterschenkel sei umfangsvermehrt. Zirkulär erscheine der distale Unterschenkel rechts überwärmt. Haut und Unterhautfettgewebe seien gespannt und nur wenig verschieblich. Ein Stauchschmerz bestehe nicht. Es liege klinisch kein Hinweis für eine Pseudarthrose vor. Röntgenologisch zeigten sich sowohl Schien- als auch Wadenbein primär achsengerecht unter leichter Verkürzung. Das Wadenbein sei in Höhe des ehemaligen Bruchs verplumpt. Vereinzelt kämen Sekundärverknöcherungen in den Weichteilen zur Darstellung. Das rechte Bein sei um ca. 1,5 cm verkürzt. Es sei im Vergleich zum Gutachten vom 12.01.1990 eine Verschlimmerung durch die Osteomyelitis eingetreten. Sie sei mit beginnender Behandlungsbedürftigkeit ab 14.03.1997 anzunehmen. Die MdE betrage ab Verschlimmerung 20 v.H. Hierzu nahm der beratende Arzt der Beklagten, der Orthopäde Dr.D. am 17.03.1998 Stellung und vertrat die Auffassung, dass zum Zeitpunkt der Gutachtenserstattung (15.12.1997) keine Anzeichen einer aktiven Knocheneiterung mehr bestanden. So sei eine unfallbedingte MdE von 20 v.H. für den Zeitraum vom 14.03.1997 bis 15.12.1997 anzunehmen. Ab dem 16.12.1997 betrage die MdE 10 v.H. Mit Bescheid vom 04.05.1998 erkannte die Beklagte an, dass es durch die Knochenmarksentzündung am rechten Unterschenkel zu einer vorübergehenden Verschlimmerung gekommen sei. Diese bestehe bis 15.12.1997. Es werde deshalb mit Wirkung vom 13.10.1997 bis 15.12.1997 eine einmalige Rente nach einer MdE von 20 v.H. festgesetzt. Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Sie trug vor, ihr Bein sei durch die Operationen um insgesamt 4 cm kürzer. Sie habe Schmerzen beim Gehen. Durch die Beinverkürzung habe sie auch Probleme mit der Wirbelsäule bekommen und habe deshalb ihre landwirtschaftlichen Flächen verpachten und die Tierhaltung aufgeben müssen. Hierzu holte die Beklagte eine Stellungnahme des Chirurgen Dr.W. vom 31.07.1998 nach Aktenlage ein, der ausführte, nach den erfolgten chirurgischen Interventionen habe die Osteomyelitis soweit therapiert werden können, dass sie nun wieder entsprechend den Definitionen als ruhend zu bezeichnen sei. Ab genanntem Nachweis Dezember 1997 sei dann an der unteren Extremität wieder allein die funktionell aufgrund der Unfallfolgen bestehende Einschränkung mit der MdE zu bewerten. Es sei von einer Unterschenkelverkürzung rechts von etwa 1,5 cm aufgrund der Untersuchungen, einschließlich Röntgen, auszugehen. Überdies lägen eine Umfangvermehrung am rechten Unterschenkel und über der Außenknöchelregion sowie die Narbenbildung und im benachbarten Bereich noch eine geringfügige Einschränkung der Beweglichkeit im oberen Sprunggelenk vor. Diese Unfallfolgen begründeten eine MdE von 10 v.H. Mit Widerspruchsbescheid vom 23.09.1998 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und bezog sich auf das Gutachten des Dr.H. und die Stellungnahmen des Dr.D. und Dr.W ... Dagegen erhob die Klägerin Klage. In einer Stellungnahme vom 21.12.1998 führte der Chirurg Dr.W. aus, das Gangbild der Klägerin sei praktisch allein durch die neurologische und unfallunabhängige Grunderkrankung bestimmt. Die wesentliche Unfallfolge, nämlich die endgradige Einschränkung der Beweglichkeit im oberen Sprunggelenk würde eher bei einem ansonsten vollkommen gesunden Individuum das Gangbild etwas alterieren und stören durch die leichte Abrollstörung. Auch die Unterschenkelschwellung rechtfertige keine höhere MdE. Weiter zog das Sozialgericht einen Zwischenbericht des Prof.Dr.N. vom 25.08.1999 bei, der ausführte, dass sich die Klägerin am 16.08.1999 mit einer Rötung und Überwärmung im Bereich des rechten distalen Unterschenkels vorgestellt habe. Die Untersuchung habe eine mehr als handtellergroße rötliche livide Verfärbung ventralseits im Bereich des distalen Unterschenkels rechts ergeben. Lokaler Druckschmerz sei nicht auslösbar gewesen. Im weiteren Verlauf seien keinerlei Erhöhungen der Entzündungswerte sowie Rückgang der lokalen klinischen Infektzeichen aufgetreten. Weiterhin seien keine systemischen Infektzeichen feststellbar gewesen. Sie hätten sich daher zur Weiterführung der konservativen Therapie entschlossen. Bei der heutigen Untersuchung finde sich der Lokalbefund weiter rückläufig. Das Sozialgericht holte ein Gutachten des Chirurgen Dr.S. vom 14.03.2000 ein, der ausführte, die Klägerin habe sich vor einem Jahr eine Unterschenkelfraktur links zugezogen, die operiert worden sei. Als Folgen des in Frage stehenden Unfalls seien große Narben am körperfernen Unterschenkel rechts zu erkennen. Die Beweglichkeit im oberen Sprunggelenk sei eingeschränkt, es bestehe eine Beinverkürzung bei mehrmaliger Messung von etwa 2 cm rechts. Da im August 1999 erneut eine Entzündung aufgetreten sei, könne man die Knochenentzündung von da an nicht mehr als ruhend bezeichnen. Es sei immer wieder mit einem Rezidiv zu rechnen. In Anbetracht der Befunde empfehle er deshalb, eine dauernde Verschlimmerung ab 01.08.1999 anzunehmen, wobei eine MdE von 20 v.H. noch ausreichend sei.
Hierzu legte die Beklagte eine Stellungnahme des Dr.D. vom 20.03.2000 vor, in welcher dieser ausführt, nach seiner Meinung bestehe ab 01.08.1999 weiterhin eine MdE von 10 v.H. Es bestehe derzeit kein florider osteomyelitischer Entzündungszustand. Auch im August 1999 sei keine Knochenbeteiligung nachgewiesen worden. Es sei nur eine örtliche, wahrscheinlich nur oberflächlich vorhandene Entzündung beschrieben worden. Nachdem auch die Beinverkürzung wesentlich geringer sei, als von der Klageseite angegeben, halte er eine MdE von 10 v.H. für befundgerecht. Die Beklagte legte dazu einen Bericht des Prof.Dr.N. vom 08.02.2000 vor, in welchem ausgeführt wird, es liege bei der Klägerin eine chronische Osteitis vor, die zur Zeit nicht behandlungsbedürftig sei. Seines Erachtens liege die MdE sicher um 20 v.H. Mit Urteil vom 24.03.2000 änderte das Sozialgericht den Bescheid der Beklagten vom 04.05.1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.09.1998 dahin, dass der Klägerin Rente nach einer MdE von 20 v.H. über den 15.12.1997 hinaus gewährt werde. Das Gericht sei zur Überzeugung gelangt, dass es sich bei den Erkrankungen im Jahr 1997 nicht jeweils um zwei isolierte Geschehen gehandelt habe. Beweisend dafür sei das erneute Rezidiv im Jahre 1999, dessen Bedeutung vom beratenden Arzt der Beklagten heruntergespielt werde. In dem von der Beklagten nicht unverzüglich dem Gericht vorgelegten Zwischenbericht vom 08.02.2000 zutreffend von einer chronischen Osteitis berichtet.
Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Der Empfehlung Dr.S. , wonach eine dauernde Verschlimmerung ab 01.08.1999 mit einer MdE von 20 v.H. anzunehmen sei, müsse widersprochen werden, da Dr.S. seine Annahme darauf stütze, dass immer wieder mit einem Rezidiv zu rechnen sei. Nach Schoenberger/Mehrtens, Valentin, 6. Auflage, S.450, Nr.8.1.3.3.5 dürfe die Möglichkeit eines Rezidivs nicht in die Bewertung der MdE mit einfließen. Auch Dr.D. befürworte in seiner Stellungnahme vom 20.03.2000 eine MdE von 10 v.H. Der Senat hat einen Bericht des Allgemeinarztes P. W. vom 25.05.2000 beigezogen, worin u.a. berichtet wird, dass die Klägerin am 17.03.1999 eine Unterschenkelfraktur links erlitt und überdies ein Zustand nach kompletter Unterschenkelfraktur rechts mit Osteitis bestehe. Weiterhin liege eine hereditäre spino-cerebelläre Ataxie mit spastischer Paraparese und ataktischem Gangbild vor. Beigelegt wurde ein Bericht des Chirurgen Dr.F. vom 21.09.1999, in welchem eine inaktive Osteitis des rechten Unterschenkels konstatiert wird. Beigefügt sind ferner die bereits bekannten Berichte aus dem Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in R ... Weiter wurde beigefügt ein Bericht des Chefarztes des Klinikums P. , Dr.R. , an den Chefarzt des Bezirksklinikums R. Prof.Dr.B. vom 04.06.1998, worin die Diagnose: Hereditäre spino-cerebelläre Ataxie mit spastischer Paraparese und ataktischem Gangbild gestellt wird. Weiter hat der Senat einen Bericht des Dr.S. (Orthopäde) vom 28.06.2000 beigezogen, bei dem die Klägerin zuletzt am 18.05.1999 in Behandlung war und der ausführt, die Klägerin trage orthopädische Schuhe zum Beinlängenausgleich rechts ca. 4,5 cm. Weiter hat der Senat einen Bericht des Prof.Dr.N. vom 27.09.2000 beigezogen und die Orthopädin u. Chirurgin Dr.E. mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Nach einem Hinweis der Sachverständigen mit Schreiben vom 03.05.2001 hat der Senat Berichte des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder vom 10.04.2001, 16.05.2001, 18.10.2000, 25.03.1999 sowie weitere Röntgenaufnahmen beigezogen und der Sachverständigen übersandt. Die Sachverständige stellt in ihrem Gutachten, datiert vom 30.04.2001, eingegangen beim BayLSG am 17.09.2001, einen unter Fehlstellung knöchern fest verheilten Bruch des rechten Unterschenkels, unfallbedingte chronische Osteitis, osteosynthetisch versorgten Bruch des linken Unterschenkels und hereditäre spino-cerebelläre Ataxie mit spastischer Paraparese und ataktischem Gangbild bei der Klägerin fest. Bis zum 17.01.1992 werde über keine Infektzeichen im Frakturbereich berichtet. Wegen der Umfangsvermehrung des rechten Beins werde im Bericht vom 13.03.1992 erstmals der Verdacht auf ein postthrombotisches Syndrom geäußert. Über eine Untersuchung im März 1997 lägen keine Unterlagen vor. Während des stationären Aufenthalts im Mai/Juni 1997 sei wegen einer Osteomyelitis im Frakturbereich eine Sequesterotomie und Schwenklappenplastik und Mesh graft-Deckung am Unterschenkel durchgeführt worden. Eine erneute stationäre Behandlung wegen einer chronischen Osteitis der rechten Tibia sei vom 28.07. bis 09.09.1997 erforderlich gewesen. Die Behandlung sei im Oktober 1997 abgeschlossen worden. Bei Dr.H. im Dezember 1997 seien klinisch keine Hinweise auf eine floride Osteomyelitis vorhanden gewesen. Zwischenzeitlich sei es im März 2001 zu einer Schwellung, Rötung und Überwärmung im ehemaligen Frakturbereich gekommen. Die Klägerin sei deshalb ambulant im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder R. mit Antibiotikum und Rivanol behandelt worden. Im Rahmen der stationären Behandlung März/April 2001 habe eine tiefe Beinvenenthrombose rechts sonographisch ausgeschlossen werden können. Während des gesamten Behandlungsverlaufs der Unterschenkelfraktur rechts habe auch eine Krankheit auf neurologischem Fachgebiet zunehmende Progredienz gezeigt, wobei es sich um eine hereditäre spino-cerebelläre Ataxie mit spastischer Paraparese und ataktischem Gangbild handele. Insbesondere aus dem Bericht der Klinik Passauer Wolf gehe hervor, dass eine Paraspastik beider Beine, aber auch eine Gefühlsminderung am rechten Unterschenkel mit aufgehobenem Lagesinn zumindest ab diesem Zeitpunkt bestanden habe. Ab diesem Zeitpunkt (Mai 1998) könne man annehmen, dass aufgrund der neurologischen Erbkrankheit keine Schmerzen aufgrund der Folgen der Unterschenkelfraktur rechts verspürt worden seien. Aufgrund dieser Erkrankung sei die Klägerin nicht mehr in der Lage gewesen, weite Strecken zurückzulegen. Nach eigenem Bekunden sei die Klägerin seit der Weber-C-Fraktur am linken Unterschenkel fast ausschließlich auf den Rollstuhl angewiesen. Bei diesem Verlauf habe die Verstärkung der neurologischen Grunderkrankung zu einer Linderung der Unfallfolgen am rechten Unterschenkel beigetragen. In den letzten Jahren sei es zu keinem Aufbrechen eines Abszesses, aber auch nicht zur Reduktion des Allgemeinzustands durch entzündliche Veränderungen, wie z.B. einer Pneumonie bei einem Schub Osteitis gekommen. Eine Thrombose der tiefen Beinvenen habe aufgrund der dopplersonographischen Untersuchung vom März 2001 ebenfalls ausgeschlossen werden können. Die Beinverkürzung betrage zwischen 1,5 und 2 cm rechts im Vergleich zu links. Die MdE sei ab 16.12.1997 auf Dauer mit 10 v.H. zu bemessen. Zu diesem Gutachten haben sich die Beteiligten schriftlich nicht geäußert.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 24.03.2000 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Der Senat hat die Akten der Beklagten und des Sozialgerichts Regensburg beigezogen. Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig (§ 143 SGG ff.) und auch sachlich begründet. Die Klägerin hat über den 15.12.1997 hinaus keinen Anspruch auf Gewährung von Verletztenrente aus Anlass des Unfalls vom 29.08.1988. Die Entscheidung richtet sich nach den Vorschriften der RVO (§ 212, 214 Abs.3 SGB VII). Gemäß § 581 RVO setzt der Anspruch auf Verletztenrente voraus, dass die Erwerbsfähigkeit wegen der Unfallfolgen um wenigstens ein Fünftel gemindert ist (§ 581 Abs.1 RVO). Diese Voraussetzung ist bei der Klägerin ab 15.12.1997 nicht mehr erfüllt gewesen. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeit auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (vgl. BSG SozR 2200, § 581, Nrn.22, 28). Die Beurteilung, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch Unfallfolgen beeinträchtigt sind, liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet. Ärztliche Meinungsäußerungen hierzu haben keine verbindliche Wirkung, sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Bei der Bewertung der MdE sind auch die von der Rechtsprechung und dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten allgemeinen Erfahrungssätze zu beachten, die zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend sind, aber Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis bilden (vgl. BSG SozR 2200, § 581 Nr.23). Wie sich aus dem Gutachten des Dr.H. vom 15.12.1997 ergibt, lag röntgenologisch bei der Klägerin ein achsengerecht, unter Verkürzung von Waden- und Schienbein ausgeheilter Unterschenkelbruch ohne gegenwärtig sichere Zeichen eines floriden Geschehens nach eingetretener Osteomyelitis vor. Klinisch funktionell bestand im Seitenvergleich eine geringgradige Einschränkung der Beweglichkeit im oberen Sprunggelenk, Umfangsvermehrung am rechten Unterschenkel sowie über der Außenknöchelregion und eine Verkürzung des rechten Beins um ca. 1,5 cm. Dieser Befund entspricht, wie sich vor allem aus dem Gutachten der Sachverständigen Dr.E. ergibt, einer Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 10 v.H. Auch Prof.Dr.N. hatte noch im Bericht vom 13.01.1992 nach der Materialentfernung bei vollständig knöcherner Durchbauung der Fraktur, reizlosen Wundverhältnissen, intakter Motorik und Sensibilität sowie allerdings freier Beweglichkeit im rechten Knie- und Sprunggelenk eine MdE von unter 20 v.H. angenommen. Eine MdE in dieser Höhe hatte er bereits im Gutachten vom 08.05.1990 für die Zeit nach Entfernung des Materials prognostiziert, obgleich damals noch eine Bewegungseinschränkung im oberen Sprunggelenk vorlag. Diese Einschätzung der MdE deckt sich mit der des Orthopäden Dr.D. in der Stellugnanhme vom 17.03.1998, der ausführt, dass nur im Zeitraum, in welchem eine aktive Knocheneiterung vorlag, eine unfallbedingte MdE von 20 v.H. gerechtfertigt war und dass für den Zeitraum, ab dem keine Anzeichen einer solchen Knocheneiterung mehr bestanden, die MdE mit 10 v.H. zu bemessen ist. Auch aus dem Gutachten des Chirurgen Dr.S. vom 14.03.2000 ergibt sich, dass die MdE ohne die Knochenmarksentzündung mit 10 v.H. zu bemessen ist. Nur weil im August 1999 eine Entzündung aufgetreten ist und deshalb nach Auffassung des Arztes die Knochenentzündung von da an nicht mehr als ruhend bezeichnet werden könne und immer wieder mit einem Rezidiv zu rechnen sei, nimmt der Sachverständige eine MdE von 20 v.H. an. Zu Recht weist aber die Sachverständige Dr.E. darauf hin, dass es in den letzten Jahren zu keinem Aufbrechen eines Abszesses und auch nicht zur Reduktion des Allgemeinzustandes durch entzündliche Veränderungen gekommen ist. Im August 1999 kam es nach dem Bericht des Prof.Dr.N. lediglich zu Schwellung und Überwärmung im Bereich des distalen Unterschenkels mit einer mehr als handtellergroßen rötlich lividen Verfärbung ventralseits. Eine Knochenbeteiligung bestand nicht. Zu einer erneuten Ausbreitung der Entzündungszeichen kam es Ende März 2001, woraufhin die Klägerin stationär im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder R. aufgenommen wurde und dort unter Antibiotikagabe nach dem Bericht des Prof.Dr.N. vom 16.05.2001 sich die Weichteilsituation am rechten Unterschenkel bei der Wiedervorstellung der Klägerin am 09.05.2001 beruhigt hatte. Wie die Gutachterin Dr.E. ausführt, kann eine MdE von 20 v.H. nur für den Zeitraum der Entzündungsschübe gewährt werden. Diese Beurteilung deckt sich mit der in der gesetzlichen Unfallversicherung zur Begutachtung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten entwickelten Literatur. So führen Schoenberger-Mehrtens-Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 6. Auflage auf S.450 aus, dass die Möglichkeit eines Rezidivs einer Osteomyelitis nicht in die Bewertung der MdE einfließen darf. Vielmehr ist nach dieser Literatur erst nach Aufflackern mit schwerer Gebrauchsbeeinträchtigung die MdE neu festzustellen. Eine Osteomyelitis, wie sie bei der Klägerin vom März bis Oktober 1997 behandelt werden musste, ist indessen seit der Begutachtung durch Dr.H. im Dezember 1997 nicht mehr aufgetreten. Die unfallbedingte MdE ist deshalb mit 10 v.H. angemessen eingestuft. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG).
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die am 1950 geborene Klägerin ist selbständige Landwirtin. Am 29.08.1988 erlitt sie nach dem Tränken eines Kalbes im Kuhstall dadurch einen Unfall, dass sie ausrutschte und zu Fall kam. Der Durchgangsarzt Dr.S. stellte im Bericht vom 30.08.1988 eine distale Fraktur des rechten Unterschenkels im Tibiabereich und zusätzlich den Ausbruch kleinerer Knochenfragmente fest. Es bestehe eine deutliche Kontraktion und Dislokation. Im linken Knie und proximalen Unterschenkel fänden sich kein Frakturnachweis, keine degenerativen arthrotischen Veränderungen. Die Klägerin wurde sodann vom 29.08.1988 bis 25.10.1988 im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in R. stationär behandelt. Im Bericht am 03.11.1988 führte Oberarzt Dr.H. aus, es bestehe eine dislozierte Unterschenkelfraktur rechts und als Nebendiagnosen Schürfwunden des rechten distalen Unterschenkels, Verdacht auf postthrombotisches Syndrom am rechten Bein sowie eine Pleurapneumonie. Vom 05.03.1989 bis 28.04.1989 war die Klägerin erneut in stationärer Behandlung. Diesbezüglich berichtete Privatdozent Dr.N. am 08.05.1989, es liege eine Tibiapseudarthrose rechts nach Unterschenkelfraktur vor. Es sei eine Pseudarthrosenresektion, Plattenosteosynthese und Spondylosaplastik vorgenommen worden. Die Beklagte holte Berichte des Privatdozenten Dr.N. vom 31.05.1989, 12.07.1989, 25.08.1989, vom 28.09.1989 und vom 04.12.1989 ein. In letzterem Bericht stellt Dr.N. eine Tibiapseudarthrose des rechten Unterschenkels mit Osteosynthese und Spondylosaplastik versorgt fest. Eine Vollbelastung des rechten Beines werde problemlos vertragen. Die Gehhilfe werde nicht mehr benutzt. Es liege eine schmerzlose Belastung und Bewegung im rechten Bein vor. Die Röntgenaufnahmen des rechten Unterschenkels und Sprunggelenks zeigten knöchernen Durchbau der Fraktur im achsgerechten Fragmentstand. Die Lage des Osteosynthesematerials sei unverändert. Die Behandlung werde ab 04.12.1989 beendet. Die MdE liege unter 20 v.H. Am 08.05.1990 erstattete Prof.Dr.N. (Dr.K.) ein Gutachten, in welchem als Unfallfolgen festgestellt werden: Knöchern verheilter osteosynthetisch versorgter Bruch des Schienbeins mit Knochenanlagerung mit Fehlstellung des Schienbeins und Bewegungseinschränkung im oberen Sprunggelenk. Im röntgenologischen Zusatzgutachten wird ausgeführt, dass eine verzögerte Knochenbruchheilung stattgefunden habe. Die Fraktur sei dann im weiteren Verlauf komplikationslos knöchern fest in weitgehend achsgerechter Stellung fest konsolidiert. Es liege noch das Osteosynthesematerial ohne Anhalt für Bruch oder Lockerung. Entzündliche ossäre Veränderungen bestünden nicht. Es liege eine in mäßiger Fehlstellung verheilte Fibulafraktur ohne erkennbare arthrotische Veränderungen im oberen Sprunggelenk und Kniegelenk vor. Es bestehe noch eine Inaktivitätsosteoporose distal des Frakturbereichs. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit bemaß Prof.Dr.N. ab 04.12.1989 bis 29.08.1990 mit 20 v.H. Es sei nach Ablauf des zweiten Unfalljahres bzw. nach Materialentfernung mit einer MdE von unter 20 v.H. zu rechnen. Mit Bescheid vom 18.06.1990 gewährte die Beklagte eine Gesamtvergütung von 1.581,30 DM, der sie eine MdE in Höhe von 20 v.H. vom 04.12.1989 bis 31.08.1990 zugrunde legte. Unfallfremd liege bei der Klägerin eine neurologische Erkrankung mit Gleichgewichtsstörung und Veränderung des Gangbildes vor. Hierzu hatte Prof.Dr.N. ausgeführt, aufgrund einer unfallunabhängigen neurologischen Störung, die bei der Klägerin nach eigener Aussage seit Geburt bestehe, sei die Klägerin nicht in der Lage, einen Einbeinstand sowie Zehenspitzengang und Fersengang durchzuführen. Weiter zog die Beklagte Nachschauberichte des Prof.Dr.N. vom 18.04.1991 und 13.01.1992 bei. In letzterem Bericht bemaß Prof.Dr.N. die MdE mit unter 20 v.H. nach erfolgter Materialentfernung bei vollständig knöcherner Durchbauung der Fraktur. Einen Ausführlichen Entlassbericht erstattete Prof.Dr.N. am 23.01.1992 und einen weiteren Bericht am 16.03.1992, in welchem die MdE mit 20 v.H. eingeschätzt wurde. Es bestehe eine deutliche Umfangsvermehrung des rechten Beines gegenüber links, jedoch keine floriden Entzündungszeichen. Die Klägerin zeige ein insgesamt ataktisches Gangbild, auch in der Feinmotorik der Finger seien gewisse ataktische Störungen zu beobachten. Zur MdE nahm der Beratungsarzt der Beklagten Dr.K. am 31.03.1992 Stellung und vertrat die Auffassung, dass nach Ende der Arbeitsunfähigkeit keine MdE von 20 v.H. vorliege, da keine wesentlichen Komplikationen und keine Funktionsänderung feststellbar seien. Vom 15.05.1997 bis 23.06.1997 war die Klägerin nach dem Entlassbericht des Prof.Dr.N. wegen einer Osteomyelitis des rechten Unterschenkels nach kompletter Unterschenkelfraktur 1988, Zustand nach Ausbildung einer Pseudarthrose und Revisionsoperation 1989 und Zustand nach Weichteilrevision bei Infekt 1997 in Behandlung. Klinisch habe sich eine reizlose Fistel im distalen Drittel des rechten Unterschenkels gefunden. Röntgenologisch habe sich im Bereich der distalen Tibia ein deutlicher Sequester gezeigt. Nach Vorbereitung sei am 21.05.1997 eine Sequesterotomie und Weichteildebridement durchgeführt worden. Der Weichteildefekt über der distalen Tibia habe mittels eines Schwenklappens gedeckt werden können. Der Schwenklappen sei postoperativ gut eingeheilt, es sei jedoch im Bereich des Lappens und der Entnahmestelle zur Ausbildung einer ausgeprägten Lymphfistel gekommen. Im weiteren Verlauf sei die Fistel langsam rückläufig gewesen. Vom 28.07.1997 bis 09.09.1997 befand sich die Klägerin erneut in stationärer Behandlung im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in R ... Prof. Dr.N. berichtete am 17.09.1997, dass sich die Klägerin am 16.09.1997 nach dem letzten stationären Aufenthalt vorgestellt habe und dass das rechte Sprunggelenk im Seitenvergleich noch deutlich geschwollen, der distale Unterschenkel nach wie vor besonders im Bereich des Schwenklappens ventral verdickt sei. Die Beweglichkeit im oberen Sprunggelenk mit Extension und Flexion sei deutlich eingeschränkt. Die MdE liege über 20 v.H. Auch im Bericht vom 07.10.1997 stellte Prof.Dr.N. eine chronische Osteitis der rechten Tibia, Zustand nach Schwenklappen mit erneuter Wunddehiszenz bei chronischer Lymphfistelung fest. Es zeige sich noch eine deutliche Schwellung am rechten Unterschenkel und Sprunggelenk im Vergleich zur Gegenseite, jedoch keine Entzündungszeichen. Die MdE schätzte er erneut mit über 20 v.H. ein. Die AOK machte mit Schreiben vom 27.10.1997 bei der Beklagten geltend, die Klägerin sei im März, Juni und Juli bis September wegen einer nicht näher bezeichneten Osteomyelitis in stationärer Behandlung gewesen. Am 24.09.1997 erstattete Prof.Dr.N. einen ausführlichen Bericht über die Behandlung vom 28.07. bis 08.09.1997. Die Klägerin sei verabredungsgemäß erneut zur Schwenklappenplastik in die stationäre Behandlung gekommen. Insgesamt sei der Fuß bei chronischer Lymphfistel deutlich umfangsvermehrt. Durchblutung, Sensibilität und Motorik des Fußes seien ungestört. Das Gangbild der Klägerin sei bei bekannter cerebellärer Ataxie kleinschrittig und unsicher. Die Beklagte holte ein Gutachten des Orthopäden Dr.H. vom 15.12.1997 ein, in welchem der Gutachter u.a. ein deutliches Lipidödem beider Oberschenkel feststellt. Der rechte Unterschenkel sei umfangsvermehrt. Zirkulär erscheine der distale Unterschenkel rechts überwärmt. Haut und Unterhautfettgewebe seien gespannt und nur wenig verschieblich. Ein Stauchschmerz bestehe nicht. Es liege klinisch kein Hinweis für eine Pseudarthrose vor. Röntgenologisch zeigten sich sowohl Schien- als auch Wadenbein primär achsengerecht unter leichter Verkürzung. Das Wadenbein sei in Höhe des ehemaligen Bruchs verplumpt. Vereinzelt kämen Sekundärverknöcherungen in den Weichteilen zur Darstellung. Das rechte Bein sei um ca. 1,5 cm verkürzt. Es sei im Vergleich zum Gutachten vom 12.01.1990 eine Verschlimmerung durch die Osteomyelitis eingetreten. Sie sei mit beginnender Behandlungsbedürftigkeit ab 14.03.1997 anzunehmen. Die MdE betrage ab Verschlimmerung 20 v.H. Hierzu nahm der beratende Arzt der Beklagten, der Orthopäde Dr.D. am 17.03.1998 Stellung und vertrat die Auffassung, dass zum Zeitpunkt der Gutachtenserstattung (15.12.1997) keine Anzeichen einer aktiven Knocheneiterung mehr bestanden. So sei eine unfallbedingte MdE von 20 v.H. für den Zeitraum vom 14.03.1997 bis 15.12.1997 anzunehmen. Ab dem 16.12.1997 betrage die MdE 10 v.H. Mit Bescheid vom 04.05.1998 erkannte die Beklagte an, dass es durch die Knochenmarksentzündung am rechten Unterschenkel zu einer vorübergehenden Verschlimmerung gekommen sei. Diese bestehe bis 15.12.1997. Es werde deshalb mit Wirkung vom 13.10.1997 bis 15.12.1997 eine einmalige Rente nach einer MdE von 20 v.H. festgesetzt. Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Sie trug vor, ihr Bein sei durch die Operationen um insgesamt 4 cm kürzer. Sie habe Schmerzen beim Gehen. Durch die Beinverkürzung habe sie auch Probleme mit der Wirbelsäule bekommen und habe deshalb ihre landwirtschaftlichen Flächen verpachten und die Tierhaltung aufgeben müssen. Hierzu holte die Beklagte eine Stellungnahme des Chirurgen Dr.W. vom 31.07.1998 nach Aktenlage ein, der ausführte, nach den erfolgten chirurgischen Interventionen habe die Osteomyelitis soweit therapiert werden können, dass sie nun wieder entsprechend den Definitionen als ruhend zu bezeichnen sei. Ab genanntem Nachweis Dezember 1997 sei dann an der unteren Extremität wieder allein die funktionell aufgrund der Unfallfolgen bestehende Einschränkung mit der MdE zu bewerten. Es sei von einer Unterschenkelverkürzung rechts von etwa 1,5 cm aufgrund der Untersuchungen, einschließlich Röntgen, auszugehen. Überdies lägen eine Umfangvermehrung am rechten Unterschenkel und über der Außenknöchelregion sowie die Narbenbildung und im benachbarten Bereich noch eine geringfügige Einschränkung der Beweglichkeit im oberen Sprunggelenk vor. Diese Unfallfolgen begründeten eine MdE von 10 v.H. Mit Widerspruchsbescheid vom 23.09.1998 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und bezog sich auf das Gutachten des Dr.H. und die Stellungnahmen des Dr.D. und Dr.W ... Dagegen erhob die Klägerin Klage. In einer Stellungnahme vom 21.12.1998 führte der Chirurg Dr.W. aus, das Gangbild der Klägerin sei praktisch allein durch die neurologische und unfallunabhängige Grunderkrankung bestimmt. Die wesentliche Unfallfolge, nämlich die endgradige Einschränkung der Beweglichkeit im oberen Sprunggelenk würde eher bei einem ansonsten vollkommen gesunden Individuum das Gangbild etwas alterieren und stören durch die leichte Abrollstörung. Auch die Unterschenkelschwellung rechtfertige keine höhere MdE. Weiter zog das Sozialgericht einen Zwischenbericht des Prof.Dr.N. vom 25.08.1999 bei, der ausführte, dass sich die Klägerin am 16.08.1999 mit einer Rötung und Überwärmung im Bereich des rechten distalen Unterschenkels vorgestellt habe. Die Untersuchung habe eine mehr als handtellergroße rötliche livide Verfärbung ventralseits im Bereich des distalen Unterschenkels rechts ergeben. Lokaler Druckschmerz sei nicht auslösbar gewesen. Im weiteren Verlauf seien keinerlei Erhöhungen der Entzündungswerte sowie Rückgang der lokalen klinischen Infektzeichen aufgetreten. Weiterhin seien keine systemischen Infektzeichen feststellbar gewesen. Sie hätten sich daher zur Weiterführung der konservativen Therapie entschlossen. Bei der heutigen Untersuchung finde sich der Lokalbefund weiter rückläufig. Das Sozialgericht holte ein Gutachten des Chirurgen Dr.S. vom 14.03.2000 ein, der ausführte, die Klägerin habe sich vor einem Jahr eine Unterschenkelfraktur links zugezogen, die operiert worden sei. Als Folgen des in Frage stehenden Unfalls seien große Narben am körperfernen Unterschenkel rechts zu erkennen. Die Beweglichkeit im oberen Sprunggelenk sei eingeschränkt, es bestehe eine Beinverkürzung bei mehrmaliger Messung von etwa 2 cm rechts. Da im August 1999 erneut eine Entzündung aufgetreten sei, könne man die Knochenentzündung von da an nicht mehr als ruhend bezeichnen. Es sei immer wieder mit einem Rezidiv zu rechnen. In Anbetracht der Befunde empfehle er deshalb, eine dauernde Verschlimmerung ab 01.08.1999 anzunehmen, wobei eine MdE von 20 v.H. noch ausreichend sei.
Hierzu legte die Beklagte eine Stellungnahme des Dr.D. vom 20.03.2000 vor, in welcher dieser ausführt, nach seiner Meinung bestehe ab 01.08.1999 weiterhin eine MdE von 10 v.H. Es bestehe derzeit kein florider osteomyelitischer Entzündungszustand. Auch im August 1999 sei keine Knochenbeteiligung nachgewiesen worden. Es sei nur eine örtliche, wahrscheinlich nur oberflächlich vorhandene Entzündung beschrieben worden. Nachdem auch die Beinverkürzung wesentlich geringer sei, als von der Klageseite angegeben, halte er eine MdE von 10 v.H. für befundgerecht. Die Beklagte legte dazu einen Bericht des Prof.Dr.N. vom 08.02.2000 vor, in welchem ausgeführt wird, es liege bei der Klägerin eine chronische Osteitis vor, die zur Zeit nicht behandlungsbedürftig sei. Seines Erachtens liege die MdE sicher um 20 v.H. Mit Urteil vom 24.03.2000 änderte das Sozialgericht den Bescheid der Beklagten vom 04.05.1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.09.1998 dahin, dass der Klägerin Rente nach einer MdE von 20 v.H. über den 15.12.1997 hinaus gewährt werde. Das Gericht sei zur Überzeugung gelangt, dass es sich bei den Erkrankungen im Jahr 1997 nicht jeweils um zwei isolierte Geschehen gehandelt habe. Beweisend dafür sei das erneute Rezidiv im Jahre 1999, dessen Bedeutung vom beratenden Arzt der Beklagten heruntergespielt werde. In dem von der Beklagten nicht unverzüglich dem Gericht vorgelegten Zwischenbericht vom 08.02.2000 zutreffend von einer chronischen Osteitis berichtet.
Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Der Empfehlung Dr.S. , wonach eine dauernde Verschlimmerung ab 01.08.1999 mit einer MdE von 20 v.H. anzunehmen sei, müsse widersprochen werden, da Dr.S. seine Annahme darauf stütze, dass immer wieder mit einem Rezidiv zu rechnen sei. Nach Schoenberger/Mehrtens, Valentin, 6. Auflage, S.450, Nr.8.1.3.3.5 dürfe die Möglichkeit eines Rezidivs nicht in die Bewertung der MdE mit einfließen. Auch Dr.D. befürworte in seiner Stellungnahme vom 20.03.2000 eine MdE von 10 v.H. Der Senat hat einen Bericht des Allgemeinarztes P. W. vom 25.05.2000 beigezogen, worin u.a. berichtet wird, dass die Klägerin am 17.03.1999 eine Unterschenkelfraktur links erlitt und überdies ein Zustand nach kompletter Unterschenkelfraktur rechts mit Osteitis bestehe. Weiterhin liege eine hereditäre spino-cerebelläre Ataxie mit spastischer Paraparese und ataktischem Gangbild vor. Beigelegt wurde ein Bericht des Chirurgen Dr.F. vom 21.09.1999, in welchem eine inaktive Osteitis des rechten Unterschenkels konstatiert wird. Beigefügt sind ferner die bereits bekannten Berichte aus dem Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in R ... Weiter wurde beigefügt ein Bericht des Chefarztes des Klinikums P. , Dr.R. , an den Chefarzt des Bezirksklinikums R. Prof.Dr.B. vom 04.06.1998, worin die Diagnose: Hereditäre spino-cerebelläre Ataxie mit spastischer Paraparese und ataktischem Gangbild gestellt wird. Weiter hat der Senat einen Bericht des Dr.S. (Orthopäde) vom 28.06.2000 beigezogen, bei dem die Klägerin zuletzt am 18.05.1999 in Behandlung war und der ausführt, die Klägerin trage orthopädische Schuhe zum Beinlängenausgleich rechts ca. 4,5 cm. Weiter hat der Senat einen Bericht des Prof.Dr.N. vom 27.09.2000 beigezogen und die Orthopädin u. Chirurgin Dr.E. mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Nach einem Hinweis der Sachverständigen mit Schreiben vom 03.05.2001 hat der Senat Berichte des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder vom 10.04.2001, 16.05.2001, 18.10.2000, 25.03.1999 sowie weitere Röntgenaufnahmen beigezogen und der Sachverständigen übersandt. Die Sachverständige stellt in ihrem Gutachten, datiert vom 30.04.2001, eingegangen beim BayLSG am 17.09.2001, einen unter Fehlstellung knöchern fest verheilten Bruch des rechten Unterschenkels, unfallbedingte chronische Osteitis, osteosynthetisch versorgten Bruch des linken Unterschenkels und hereditäre spino-cerebelläre Ataxie mit spastischer Paraparese und ataktischem Gangbild bei der Klägerin fest. Bis zum 17.01.1992 werde über keine Infektzeichen im Frakturbereich berichtet. Wegen der Umfangsvermehrung des rechten Beins werde im Bericht vom 13.03.1992 erstmals der Verdacht auf ein postthrombotisches Syndrom geäußert. Über eine Untersuchung im März 1997 lägen keine Unterlagen vor. Während des stationären Aufenthalts im Mai/Juni 1997 sei wegen einer Osteomyelitis im Frakturbereich eine Sequesterotomie und Schwenklappenplastik und Mesh graft-Deckung am Unterschenkel durchgeführt worden. Eine erneute stationäre Behandlung wegen einer chronischen Osteitis der rechten Tibia sei vom 28.07. bis 09.09.1997 erforderlich gewesen. Die Behandlung sei im Oktober 1997 abgeschlossen worden. Bei Dr.H. im Dezember 1997 seien klinisch keine Hinweise auf eine floride Osteomyelitis vorhanden gewesen. Zwischenzeitlich sei es im März 2001 zu einer Schwellung, Rötung und Überwärmung im ehemaligen Frakturbereich gekommen. Die Klägerin sei deshalb ambulant im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder R. mit Antibiotikum und Rivanol behandelt worden. Im Rahmen der stationären Behandlung März/April 2001 habe eine tiefe Beinvenenthrombose rechts sonographisch ausgeschlossen werden können. Während des gesamten Behandlungsverlaufs der Unterschenkelfraktur rechts habe auch eine Krankheit auf neurologischem Fachgebiet zunehmende Progredienz gezeigt, wobei es sich um eine hereditäre spino-cerebelläre Ataxie mit spastischer Paraparese und ataktischem Gangbild handele. Insbesondere aus dem Bericht der Klinik Passauer Wolf gehe hervor, dass eine Paraspastik beider Beine, aber auch eine Gefühlsminderung am rechten Unterschenkel mit aufgehobenem Lagesinn zumindest ab diesem Zeitpunkt bestanden habe. Ab diesem Zeitpunkt (Mai 1998) könne man annehmen, dass aufgrund der neurologischen Erbkrankheit keine Schmerzen aufgrund der Folgen der Unterschenkelfraktur rechts verspürt worden seien. Aufgrund dieser Erkrankung sei die Klägerin nicht mehr in der Lage gewesen, weite Strecken zurückzulegen. Nach eigenem Bekunden sei die Klägerin seit der Weber-C-Fraktur am linken Unterschenkel fast ausschließlich auf den Rollstuhl angewiesen. Bei diesem Verlauf habe die Verstärkung der neurologischen Grunderkrankung zu einer Linderung der Unfallfolgen am rechten Unterschenkel beigetragen. In den letzten Jahren sei es zu keinem Aufbrechen eines Abszesses, aber auch nicht zur Reduktion des Allgemeinzustands durch entzündliche Veränderungen, wie z.B. einer Pneumonie bei einem Schub Osteitis gekommen. Eine Thrombose der tiefen Beinvenen habe aufgrund der dopplersonographischen Untersuchung vom März 2001 ebenfalls ausgeschlossen werden können. Die Beinverkürzung betrage zwischen 1,5 und 2 cm rechts im Vergleich zu links. Die MdE sei ab 16.12.1997 auf Dauer mit 10 v.H. zu bemessen. Zu diesem Gutachten haben sich die Beteiligten schriftlich nicht geäußert.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 24.03.2000 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Der Senat hat die Akten der Beklagten und des Sozialgerichts Regensburg beigezogen. Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig (§ 143 SGG ff.) und auch sachlich begründet. Die Klägerin hat über den 15.12.1997 hinaus keinen Anspruch auf Gewährung von Verletztenrente aus Anlass des Unfalls vom 29.08.1988. Die Entscheidung richtet sich nach den Vorschriften der RVO (§ 212, 214 Abs.3 SGB VII). Gemäß § 581 RVO setzt der Anspruch auf Verletztenrente voraus, dass die Erwerbsfähigkeit wegen der Unfallfolgen um wenigstens ein Fünftel gemindert ist (§ 581 Abs.1 RVO). Diese Voraussetzung ist bei der Klägerin ab 15.12.1997 nicht mehr erfüllt gewesen. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeit auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (vgl. BSG SozR 2200, § 581, Nrn.22, 28). Die Beurteilung, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch Unfallfolgen beeinträchtigt sind, liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet. Ärztliche Meinungsäußerungen hierzu haben keine verbindliche Wirkung, sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Bei der Bewertung der MdE sind auch die von der Rechtsprechung und dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten allgemeinen Erfahrungssätze zu beachten, die zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend sind, aber Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis bilden (vgl. BSG SozR 2200, § 581 Nr.23). Wie sich aus dem Gutachten des Dr.H. vom 15.12.1997 ergibt, lag röntgenologisch bei der Klägerin ein achsengerecht, unter Verkürzung von Waden- und Schienbein ausgeheilter Unterschenkelbruch ohne gegenwärtig sichere Zeichen eines floriden Geschehens nach eingetretener Osteomyelitis vor. Klinisch funktionell bestand im Seitenvergleich eine geringgradige Einschränkung der Beweglichkeit im oberen Sprunggelenk, Umfangsvermehrung am rechten Unterschenkel sowie über der Außenknöchelregion und eine Verkürzung des rechten Beins um ca. 1,5 cm. Dieser Befund entspricht, wie sich vor allem aus dem Gutachten der Sachverständigen Dr.E. ergibt, einer Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 10 v.H. Auch Prof.Dr.N. hatte noch im Bericht vom 13.01.1992 nach der Materialentfernung bei vollständig knöcherner Durchbauung der Fraktur, reizlosen Wundverhältnissen, intakter Motorik und Sensibilität sowie allerdings freier Beweglichkeit im rechten Knie- und Sprunggelenk eine MdE von unter 20 v.H. angenommen. Eine MdE in dieser Höhe hatte er bereits im Gutachten vom 08.05.1990 für die Zeit nach Entfernung des Materials prognostiziert, obgleich damals noch eine Bewegungseinschränkung im oberen Sprunggelenk vorlag. Diese Einschätzung der MdE deckt sich mit der des Orthopäden Dr.D. in der Stellugnanhme vom 17.03.1998, der ausführt, dass nur im Zeitraum, in welchem eine aktive Knocheneiterung vorlag, eine unfallbedingte MdE von 20 v.H. gerechtfertigt war und dass für den Zeitraum, ab dem keine Anzeichen einer solchen Knocheneiterung mehr bestanden, die MdE mit 10 v.H. zu bemessen ist. Auch aus dem Gutachten des Chirurgen Dr.S. vom 14.03.2000 ergibt sich, dass die MdE ohne die Knochenmarksentzündung mit 10 v.H. zu bemessen ist. Nur weil im August 1999 eine Entzündung aufgetreten ist und deshalb nach Auffassung des Arztes die Knochenentzündung von da an nicht mehr als ruhend bezeichnet werden könne und immer wieder mit einem Rezidiv zu rechnen sei, nimmt der Sachverständige eine MdE von 20 v.H. an. Zu Recht weist aber die Sachverständige Dr.E. darauf hin, dass es in den letzten Jahren zu keinem Aufbrechen eines Abszesses und auch nicht zur Reduktion des Allgemeinzustandes durch entzündliche Veränderungen gekommen ist. Im August 1999 kam es nach dem Bericht des Prof.Dr.N. lediglich zu Schwellung und Überwärmung im Bereich des distalen Unterschenkels mit einer mehr als handtellergroßen rötlich lividen Verfärbung ventralseits. Eine Knochenbeteiligung bestand nicht. Zu einer erneuten Ausbreitung der Entzündungszeichen kam es Ende März 2001, woraufhin die Klägerin stationär im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder R. aufgenommen wurde und dort unter Antibiotikagabe nach dem Bericht des Prof.Dr.N. vom 16.05.2001 sich die Weichteilsituation am rechten Unterschenkel bei der Wiedervorstellung der Klägerin am 09.05.2001 beruhigt hatte. Wie die Gutachterin Dr.E. ausführt, kann eine MdE von 20 v.H. nur für den Zeitraum der Entzündungsschübe gewährt werden. Diese Beurteilung deckt sich mit der in der gesetzlichen Unfallversicherung zur Begutachtung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten entwickelten Literatur. So führen Schoenberger-Mehrtens-Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 6. Auflage auf S.450 aus, dass die Möglichkeit eines Rezidivs einer Osteomyelitis nicht in die Bewertung der MdE einfließen darf. Vielmehr ist nach dieser Literatur erst nach Aufflackern mit schwerer Gebrauchsbeeinträchtigung die MdE neu festzustellen. Eine Osteomyelitis, wie sie bei der Klägerin vom März bis Oktober 1997 behandelt werden musste, ist indessen seit der Begutachtung durch Dr.H. im Dezember 1997 nicht mehr aufgetreten. Die unfallbedingte MdE ist deshalb mit 10 v.H. angemessen eingestuft. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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