Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 23 U 828/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 190/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 27.04.2001 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der am 1954 geborene Kläger beantragte am 22.04.1997 die Anerkennung seines Nierenleidens als Berufskrankheit. Bis zum Dezember 1994, als er erstmals eine Ermüdung verspürt habe, sei er immer gesund gewesen. Am 05.03.1995 sei er zusammengebrochen. Das schwere Nierenleiden sei eine Berufskrankheit, die er sich durch die Tätigkeit bei der Staatlichen Molkerei W. GmbH & Co KG zugezogen habe. Ohne Schutzkleidung habe er als Lagerarbeiter abwechselnd in gekühlten und heißen Räumen arbeiten müssen. Erst nachdem seine Krankheit festgestellt worden sei, sei Schutzbekleidung angeschafft worden.
Der Kläger übersandte ein Attest des Internisten und Nephrologen Dr.H. , der bestätigte, dass eine feingeweblich gesicherte membranöse Glomerulonephritis vorliege. Obwohl bisher kein Zusammenhang zwischen klimatischen Einflüssen und dieser Erkrankung nachgewiesen sei, könne den extremen Temperaturschwankungen, denen der Kläger während seiner Tätigkeit durch den ständigen Wechsel zwischen Abpackbereich und Kühllager ausgesetzt gewesen sei, nicht mit letzter Sicherheit ein auslösendes Moment im Sinn der Ursache abgesprochen werden. Beigezogen sind weitere Atteste von Dr.H. sowie Berichte des Kreiskrankenhauses F. über stationäre Behandlungen vom 15.03. bis 02.05.1995, 25.10. bis 23.11.1995 und 19.12. bis 21.12.1995.
Laut Anzeige des Arbeitgebers war der Kläger seit 01.07.1992 als Molkereiarbeiter in der Käserei beschäftigt. Seine Tätigkeit bestand in der Mitarbeit bei der Käseabpackung und Erledigung von Transportarbeiten.
Die Gewerbeärztin Dr.H. führte in der Stellungnahme vom 28.04.1998 aus, ein Zusammenhang zwischen den Beschwerden und der beruflichen Tätigkeit sei nicht wahrscheinlich. Die Belastung in der Kühlkammer habe nach Aussagen des Betriebes etwa 30 Minuten pro Tag betragen. Kälteschutzkleidung sei dabei gestellt worden.
Mit Bescheid vom 19.05.1998 lehnte die Beklagte eine Entschädigung ab. Zur Zeit lägen keine neuen gesicherten Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft vor, die den Kausalzusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit und der angegebenen Erkrankung wahrscheinlich machten (§ 9 Abs.2 SGB VII).
Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.09.1998 zurück. Eine Anerkennung als Berufskrankheit setze voraus, dass die Erkrankung in der Berufskrankheitenliste aufgeführt sei, dies sei bei der vom Kläger angegebenen Nierenerkrankung nicht der Fall. Für eine Entschädigung wie eine Berufskrankheit wegen neuer medizinischer Erkenntnisse, nach denen eine berufliche Verursachung in Betracht käme, fehlten die Voraussetzungen.
Mit der Klage vom 16.10.1998 hat der Kläger eingewandt, dass bei ihm eine Berufskrankheit in rentenberechtigendem Maße anzuerkennen sei.
Übersandt wird ein Bericht des Krankenhauses F. über die stationäre Behandlung vom 03.03.1998 bis 17.03.1998. Im Attest vom 06.03.1998 hat die praktische Ärztin Dr.R. angegeben, zur Vorbereitung der Nasen-Septum-Operation am 16.09.1994 habe sich bei der sonographischen Untersuchung der Nieren eine fragliche Vergrößerung der linken Niere gezeigt, die sich jedoch nicht habe bestätigen lassen. Bis zum 06.03.1995, als ein nephrotisches Syndrom bei membranöser Glomerulonephritis diagnostiziert worden sei, habe sich kein Anhalt für eine schwerwiegende Nierenerkrankung ergeben. Der Hals-Nasen-Ohren-Arzt Dr.K. hat am 10.11.2000 bestätigt, bei der präoperativen Untersuchung hätten sich keine pathologischen Werte ergeben, auch keine Anhaltspunkte für Nierenerkrankungen.
Der vom SG zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Internist und Nephrologe Prof.Dr.E. hat im Gutachten vom 28.12.2000 ausgeführt, für die Vermutung, dass klimatische Einflüsse wie z.B. extreme Kälteeinwirkung eine Immunerkrankung der Niere verursachen könnten, gebe es in der umfangreichen wissenschaftlichen Literatur keinen Hinweis. Auch banale Infekte, wie sie möglicherweise durch Unterkühlung begünstigt würden, kämen als Ursache einer membranösen Glomerulonephritis nicht in Betracht.
Das SG hat mit Urteil vom 27.04.2001 die Klage im Hinblick auf die überzeugenden Ausführungen von Prof.Dr.E. abgewiesen.
Mit der Berufung vom 12.06.2001 wendet der Kläger ein, das SG habe nicht in hinreichender Weise geklärt, unter welchen Bedingungen er gearbeitet habe, ob ihm Schutzkleidung zur Verfügung gestellt worden sei und wie oft er pro Schicht dem Temperaturwechsel ausgesetzt gewesen sei. Weiter wird beantragt, eine Stellungnahme von Dr.N. zu dem im Schwerbehinderten-Verfahren eingeholten fachärztlichen Gutachten beizuziehen.
Im Attest vom 29.10.1997 führt Dr.H. aus, es liege eine sich erstmals Dezember 1994 manifestierende, im März 1995 gesicherte membranöse Glomerulonephritis vor. Bei der Entstehung dieser Erkrankung spielten Autoimmunvorgänge eine Rolle, wobei über deren Ursache Ungewissheit bestehe. Den Temperaturschwankungen könne ein auslösendes Moment im Sinne der mitursächlichen Bedeutung zukommmen. Weiter übersendet der Kläger ein Attest des Internisten und Nephrologen Privatdozent Dr.M. vom 25.06.2001, der ausführt, die Argumentation des Prof.Dr.E. sei durchaus richtig, allerdings seine Stellungnahme zu infektiösen Ursachen nicht ganz akkurat. 1992 sei in einem Aufsatz über eine Assoziation zwischen interstitieller Nephritis und membranöser Glomerulonephritis berichtet worden. Es sei jedoch abhängig von den Angaben des Klägers, inwiefern dieser Zusammenhang auch auf seinen Fall zutreffe. Es müsse glaubhaft nachgewiesen werden, dass er über das Maß Infektionskrankheiten durchgemacht habe.
Auf Anfrage des Senats erklärt der Betriebsarzt Dr.V. im Schreiben vom 10.09.2001, der Kläger habe sich zu keiner Zeit bei ihm vorgestellt, geschweige denn Klage über die Bedingungen an seinem Arbeitsplatz geführt.
Der Arbeitgeber, die Staatliche Molkerei W. GmbH & Co KG, erklärt auf Anfrage in den Schreiben vom 02.11.2001 und 08.11.2001, der Kläger sei als Molkereiarbeiter beschäftigt gewesen. Seine Hauptaufgaben seien die Verrichtung von Transportarbeiten sowie die Mitarbeit bei der Käseabpackung gewesen. Ihm seien Sicherheitsschuhe und branchenübliche Arbeitskleidung zur Verfügung gestellt worden. Diese habe aus einer Latzhose und einer Arbeitsjacke bestanden. Für Arbeiten im Kältebereich habe es sogenannte Poolwäsche in Form von Parkas gegeben. Der Kläger sei nur sporadisch im Kältebereich, den Reiferäumen für Käse, tätig gewesen; er habe sich täglich insgesamt nur ca. 30 Minuten dort aufgehalten. Die Temperatur habe dort vier bis zehn Grad Celsius betragen. Im Abpackbereich, wo der Kläger überwiegend tätig gewesen sei, habe eine Temperatur von 20 bis 25 Grad Celsius geherrscht. Bei diesen Angaben handle es sich um Erinnerungswerte.
Beigezogen ist das Gutachtensheft der LVA Niederbayern-Oberpfalz mit einem Attest des Dr.N. vom 09.06.1995. Im Oktober 1981 habe der Kläger wohl eine schwere Erkrankung durchgemacht. Damals sei erstmals eine Nierenerkrankung festgestellt worden. Im Oktober 1994 im Rahmen einer OP-Vorbereitung habe sich als Zufallsbefund ein pathologischer Urinbefund ergeben. Im Dezember 1994 seien erstmalig Beinödeme aufgetreten, im März 1995 sei die Diagnose eines nephrotischen Syndroms bei membranöser Glomerulonephritis gestellt worden. Ebenso äußert sich Dr.H. im Bericht vom 09.12.1996.
Der Kläger stellt den Antrag,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 27.04.2001 und den Bescheid vom 19.05.1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.09.1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Nierenerkrankung des Klägers als Berufskrankheit, zumindest aber wie eine Berufskrankheit anzuerkennen und zu entschädigen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den wesentlichen Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten, der Schwerbehindertenakten des Versorgungsamtes München II und des Gutachtensheftes der LVA Niederbayern-Oberpfalz sowie auf die Klage- und Berufungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sachlich aber nicht begründet.
Die Entscheidung richtet sich nach den bis 31.12.1996 geltenden Vorschriften der RVO, weil der Eintritt der als Folge des Versicherungsfalls geltend gemachten Gesundheitsstörungen vor dem einen Anspruch auf Rente zu entscheiden gewesen wäre (§§ 212, 214 Abs.3 SGB VII).
Gemäß § 551 Abs.1 RVO gilt als Arbeitsunfall auch eine Berufskrankheit. Maßgeblich ist seit 01.12.1997 die Berufskrankheitenverordnung (BKV) vom 31.10.1997 (BGBl.I S.26, 23). Als Berufskrankheit kommen grundsätzlich nur solche Erkrankungen in Betracht, die von der Bundesregierung als Berufskrankheit bezeichnet und in die Berufskrankheitenordnung aufgenommen worden sind (Listenprinzip). Die Krankheit muss durch eine versicherte Tätigkeit verursacht oder wesentlich verschlimmert worden sein, d.h. die Gefährdung durch schädigende Einwirkungen muss ursächlich auf die versicherte Tätigkeit zurückzuführen sein und die Einwirkung muss die Krankheit verursacht haben (Bereiter-Hahn/ Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 9 SGB VII Rdnr.3). Alle rechtserheblichen Tatsachen müssen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen (vgl. BSGE 45, 285).
Der Kläger begehrt die Feststellung eines Nierenleidens als Berufskrankheit. Diese Erkrankung ist in der Berufskrankheitenverordnung nicht verzeichnet. Gemäß § 551 Abs.2 RVO sollen die Träger der Unfallversicherung im Einzelfall eine Krankheit, auch wenn sie nicht in der Rechtsverordnung bezeichnet ist oder die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit entschädigen, sofern nach neuen Erkenntnissen die übrigen Voraussetzungen für eine bereits in die Liste aufgenommene oder aufzunehmende Berufskrankheit nach Absatz 1 der Vorschrift erfüllt sind. Dafür ist erforderlich, dass - außer der zweifachen Kausalität zwischen der versicherten Beschäftigung und der schädigenden Einwirkung und zwischen dieser und der Erkrankung - die Krankheit nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht ist, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Die neuen Erkenntnisse müssen nach Erlass der letzten Berufskrankheitenverordnung bekannt geworden sein oder sich erst nach diesem Zeitpunkt zur Berufskrankheitsreife verdichtet haben (vgl. BSGE 52, 272).
Voraussetzungen sind also: 1. Es muss eine bestimmte Personengruppe bei ihrer Arbeit in erheblich höherem Maß als die übliche Bevölkerung bestimmten Einwirkungen ausgesetzt sein; 2. diese Einwirkungen müssen nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft geeignet sein, Krankheiten solcher Art zu verursachen; 3. diese medizinischen Erkenntnisse müssen bei der letzten Ergänzung der Anlage zur BKV noch nicht in ausreichendem Maß vorgelegen haben oder ungeprüft geblieben sein; 4. der ursächliche Zusammenhang der Krankheit mit der gefährdenden Arbeit muss im konkreten Fall hinreichend wahrscheinlich sein (vgl. BSG vom 04.08.1981, 5a/5r KNU 1/98).
Diese Voraussetzungen sind im Falle des Klägers nicht erfüllt. Nach den überzeugenden Ausführungen von Prof.Dr.E. im Gutachten vom 28.12.2000 liegen neue Erkenntnisse, die bei Erlass der Berufskrankheitenverordnung vom 31.10.1997 noch nicht vorgelegen haben oder ungeprüft geblieben sind, nicht vor. Denn, wie Prof.Dr.E. erläutert, ist die beim Kläger feingeweblich durch Nierenpunktion nachgewiesene Entzündung der Nierenkörperchen, die membranöse Glomerulonephritis, die häufigste Ursache eines sogenannten nephrotischen Syndrom beim Erwachsenen. In der Mehrzahl der Fälle, nämlich bei 75 % der Erkrankungen, findet sich keine auslösende Ursache. Sie werden als idiopathische Formen bezeichnet. Nach dem derzeitigen Wissensstand, so Prof. Dr.E. , wird vermutet, dass für die Auslösung dieser Immunkomplexerkrankung der Niere eine immungenetische Prädisposition eine wesentliche Rolle spielt. Welche auslösenden Faktoren zur Manifestation führen, ist nicht bekannt. In ca. 25 % der Fälle handelt es sich um sogenannte sekundäre Formen, die im Zusammenhang mit verschiedenen Infektionskrankheiten, systemischen Immunkrankheiten, malignen Tumoren und bestimmten Medikamenten beobachtet werden. Wie die behandelnden Ärzte ausgeführt haben, hat die umfangreiche Abklärung keinen Hinweis auf eine sekundäre Form der Glomerulonephritis ergeben. Für die Vermutung, die idiopathische membranöse Glomerulonephritis sei auf klimatische Einflüsse während der Berufstätigkeit zurückzuführen, gibt es, wie Prof.Dr.E. betont, in der umfangreichen wissenschaftlichen Literatur keinen Hinweis. Auch banale Infekte, wie sie durch Unterkühlung möglicherweise begünstigt werden könnten, kommen, so Prof.Dr.E. , als Ursache der Glomerulonephritis nicht in Betracht. Damit sind die Voraussetzungen für eine Entschädigung des Nierenleidens wie eine Berufskrankheit im Sinne des § 551 Abs.2 RVO nicht erfüllt.
Auch die vom Kläger übersandte Äußerung von PD Dr.M. im Schreiben vom 25.06.2001, dass infektiöse Ursachen entgegen der von Prof.Dr.E. geäußerten Auffassung eine Rolle spielen könnten, kann zu keiner anderen Entscheidung führen. Denn einerseits kann ein 1992 veröffentlichter Aufsatz, den Dr.M. zitiert, nicht eine neue wissenschaftliche Lehrmeinung darstellen; andererseits hat Dr.M. ausdrücklich eingeschränkt, es müsse glaubhaft nachgewiesen werden, dass der Kläger über das normale Maß hinaus Infektionserkrankungen durchgemacht habe. Hierfür ergeben sich aber aus dem Akteninhalt keinerlei Anhaltspunkte. Nach den Unterlagen der AOK war der Kläger ab dem 01.04.1993 nur einmal vom 13. bis 16.04.1993 wegen einer Sinubronchitis arbeitsunfähig erkrankt. Weitere Infektionskrankheiten sind nicht verzeichnet. Im Übrigen hat der Kläger selbst im Schreiben vom 14.02.1997 angegeben, er sei zwischen dem 01.07.1992 und dem 05.03.1995 nur zweimal krank gewesen und zwar, als er sich seinen Fuß angestoßen habe. Sonst sei er bis zum Dezember 1994, als die Müdigkeitserscheinungen begonnen hätten, immer gesund gewesen. Dem entspricht auch das Attest der praktischen Ärztin Dr.R. , nach dem der Kläger ab 14.01.1994 nur wegen Schulter-Nacken-Schmerzen, Impfungen und Verletzung am Bein in Behandlung war. Auch der Betriebsarzt Dr.V. hat im Schreiben vom 10.09.2001 darauf hingewiesen, dass sich der Kläger niemals bei ihm vorgestellt oder Klage über die Bedingungen an seinem Arbeitsplatz geführt habe. Damit sind Anhaltspunkte für häufige Erkrankungen des Klägers, die einen Einfluss auf die Entstehung des Nierenleidens, wie ihn Privatdozent Dr.M. für möglich hält, gehabt haben könnten, nicht gegeben.
Im Übrigen haben die behandelnden Ärzte Dr.H. und Dr.N. in den Berichten vom 09.06.1995 und 09.12.1995 ausgeführt, die Nierenerkrankung sei schon im Oktober 1981, also weit vor Beginn der versicherten Tätigkeit, festgestellt worden.
Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der am 1954 geborene Kläger beantragte am 22.04.1997 die Anerkennung seines Nierenleidens als Berufskrankheit. Bis zum Dezember 1994, als er erstmals eine Ermüdung verspürt habe, sei er immer gesund gewesen. Am 05.03.1995 sei er zusammengebrochen. Das schwere Nierenleiden sei eine Berufskrankheit, die er sich durch die Tätigkeit bei der Staatlichen Molkerei W. GmbH & Co KG zugezogen habe. Ohne Schutzkleidung habe er als Lagerarbeiter abwechselnd in gekühlten und heißen Räumen arbeiten müssen. Erst nachdem seine Krankheit festgestellt worden sei, sei Schutzbekleidung angeschafft worden.
Der Kläger übersandte ein Attest des Internisten und Nephrologen Dr.H. , der bestätigte, dass eine feingeweblich gesicherte membranöse Glomerulonephritis vorliege. Obwohl bisher kein Zusammenhang zwischen klimatischen Einflüssen und dieser Erkrankung nachgewiesen sei, könne den extremen Temperaturschwankungen, denen der Kläger während seiner Tätigkeit durch den ständigen Wechsel zwischen Abpackbereich und Kühllager ausgesetzt gewesen sei, nicht mit letzter Sicherheit ein auslösendes Moment im Sinn der Ursache abgesprochen werden. Beigezogen sind weitere Atteste von Dr.H. sowie Berichte des Kreiskrankenhauses F. über stationäre Behandlungen vom 15.03. bis 02.05.1995, 25.10. bis 23.11.1995 und 19.12. bis 21.12.1995.
Laut Anzeige des Arbeitgebers war der Kläger seit 01.07.1992 als Molkereiarbeiter in der Käserei beschäftigt. Seine Tätigkeit bestand in der Mitarbeit bei der Käseabpackung und Erledigung von Transportarbeiten.
Die Gewerbeärztin Dr.H. führte in der Stellungnahme vom 28.04.1998 aus, ein Zusammenhang zwischen den Beschwerden und der beruflichen Tätigkeit sei nicht wahrscheinlich. Die Belastung in der Kühlkammer habe nach Aussagen des Betriebes etwa 30 Minuten pro Tag betragen. Kälteschutzkleidung sei dabei gestellt worden.
Mit Bescheid vom 19.05.1998 lehnte die Beklagte eine Entschädigung ab. Zur Zeit lägen keine neuen gesicherten Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft vor, die den Kausalzusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit und der angegebenen Erkrankung wahrscheinlich machten (§ 9 Abs.2 SGB VII).
Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.09.1998 zurück. Eine Anerkennung als Berufskrankheit setze voraus, dass die Erkrankung in der Berufskrankheitenliste aufgeführt sei, dies sei bei der vom Kläger angegebenen Nierenerkrankung nicht der Fall. Für eine Entschädigung wie eine Berufskrankheit wegen neuer medizinischer Erkenntnisse, nach denen eine berufliche Verursachung in Betracht käme, fehlten die Voraussetzungen.
Mit der Klage vom 16.10.1998 hat der Kläger eingewandt, dass bei ihm eine Berufskrankheit in rentenberechtigendem Maße anzuerkennen sei.
Übersandt wird ein Bericht des Krankenhauses F. über die stationäre Behandlung vom 03.03.1998 bis 17.03.1998. Im Attest vom 06.03.1998 hat die praktische Ärztin Dr.R. angegeben, zur Vorbereitung der Nasen-Septum-Operation am 16.09.1994 habe sich bei der sonographischen Untersuchung der Nieren eine fragliche Vergrößerung der linken Niere gezeigt, die sich jedoch nicht habe bestätigen lassen. Bis zum 06.03.1995, als ein nephrotisches Syndrom bei membranöser Glomerulonephritis diagnostiziert worden sei, habe sich kein Anhalt für eine schwerwiegende Nierenerkrankung ergeben. Der Hals-Nasen-Ohren-Arzt Dr.K. hat am 10.11.2000 bestätigt, bei der präoperativen Untersuchung hätten sich keine pathologischen Werte ergeben, auch keine Anhaltspunkte für Nierenerkrankungen.
Der vom SG zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Internist und Nephrologe Prof.Dr.E. hat im Gutachten vom 28.12.2000 ausgeführt, für die Vermutung, dass klimatische Einflüsse wie z.B. extreme Kälteeinwirkung eine Immunerkrankung der Niere verursachen könnten, gebe es in der umfangreichen wissenschaftlichen Literatur keinen Hinweis. Auch banale Infekte, wie sie möglicherweise durch Unterkühlung begünstigt würden, kämen als Ursache einer membranösen Glomerulonephritis nicht in Betracht.
Das SG hat mit Urteil vom 27.04.2001 die Klage im Hinblick auf die überzeugenden Ausführungen von Prof.Dr.E. abgewiesen.
Mit der Berufung vom 12.06.2001 wendet der Kläger ein, das SG habe nicht in hinreichender Weise geklärt, unter welchen Bedingungen er gearbeitet habe, ob ihm Schutzkleidung zur Verfügung gestellt worden sei und wie oft er pro Schicht dem Temperaturwechsel ausgesetzt gewesen sei. Weiter wird beantragt, eine Stellungnahme von Dr.N. zu dem im Schwerbehinderten-Verfahren eingeholten fachärztlichen Gutachten beizuziehen.
Im Attest vom 29.10.1997 führt Dr.H. aus, es liege eine sich erstmals Dezember 1994 manifestierende, im März 1995 gesicherte membranöse Glomerulonephritis vor. Bei der Entstehung dieser Erkrankung spielten Autoimmunvorgänge eine Rolle, wobei über deren Ursache Ungewissheit bestehe. Den Temperaturschwankungen könne ein auslösendes Moment im Sinne der mitursächlichen Bedeutung zukommmen. Weiter übersendet der Kläger ein Attest des Internisten und Nephrologen Privatdozent Dr.M. vom 25.06.2001, der ausführt, die Argumentation des Prof.Dr.E. sei durchaus richtig, allerdings seine Stellungnahme zu infektiösen Ursachen nicht ganz akkurat. 1992 sei in einem Aufsatz über eine Assoziation zwischen interstitieller Nephritis und membranöser Glomerulonephritis berichtet worden. Es sei jedoch abhängig von den Angaben des Klägers, inwiefern dieser Zusammenhang auch auf seinen Fall zutreffe. Es müsse glaubhaft nachgewiesen werden, dass er über das Maß Infektionskrankheiten durchgemacht habe.
Auf Anfrage des Senats erklärt der Betriebsarzt Dr.V. im Schreiben vom 10.09.2001, der Kläger habe sich zu keiner Zeit bei ihm vorgestellt, geschweige denn Klage über die Bedingungen an seinem Arbeitsplatz geführt.
Der Arbeitgeber, die Staatliche Molkerei W. GmbH & Co KG, erklärt auf Anfrage in den Schreiben vom 02.11.2001 und 08.11.2001, der Kläger sei als Molkereiarbeiter beschäftigt gewesen. Seine Hauptaufgaben seien die Verrichtung von Transportarbeiten sowie die Mitarbeit bei der Käseabpackung gewesen. Ihm seien Sicherheitsschuhe und branchenübliche Arbeitskleidung zur Verfügung gestellt worden. Diese habe aus einer Latzhose und einer Arbeitsjacke bestanden. Für Arbeiten im Kältebereich habe es sogenannte Poolwäsche in Form von Parkas gegeben. Der Kläger sei nur sporadisch im Kältebereich, den Reiferäumen für Käse, tätig gewesen; er habe sich täglich insgesamt nur ca. 30 Minuten dort aufgehalten. Die Temperatur habe dort vier bis zehn Grad Celsius betragen. Im Abpackbereich, wo der Kläger überwiegend tätig gewesen sei, habe eine Temperatur von 20 bis 25 Grad Celsius geherrscht. Bei diesen Angaben handle es sich um Erinnerungswerte.
Beigezogen ist das Gutachtensheft der LVA Niederbayern-Oberpfalz mit einem Attest des Dr.N. vom 09.06.1995. Im Oktober 1981 habe der Kläger wohl eine schwere Erkrankung durchgemacht. Damals sei erstmals eine Nierenerkrankung festgestellt worden. Im Oktober 1994 im Rahmen einer OP-Vorbereitung habe sich als Zufallsbefund ein pathologischer Urinbefund ergeben. Im Dezember 1994 seien erstmalig Beinödeme aufgetreten, im März 1995 sei die Diagnose eines nephrotischen Syndroms bei membranöser Glomerulonephritis gestellt worden. Ebenso äußert sich Dr.H. im Bericht vom 09.12.1996.
Der Kläger stellt den Antrag,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 27.04.2001 und den Bescheid vom 19.05.1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.09.1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Nierenerkrankung des Klägers als Berufskrankheit, zumindest aber wie eine Berufskrankheit anzuerkennen und zu entschädigen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den wesentlichen Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten, der Schwerbehindertenakten des Versorgungsamtes München II und des Gutachtensheftes der LVA Niederbayern-Oberpfalz sowie auf die Klage- und Berufungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sachlich aber nicht begründet.
Die Entscheidung richtet sich nach den bis 31.12.1996 geltenden Vorschriften der RVO, weil der Eintritt der als Folge des Versicherungsfalls geltend gemachten Gesundheitsstörungen vor dem einen Anspruch auf Rente zu entscheiden gewesen wäre (§§ 212, 214 Abs.3 SGB VII).
Gemäß § 551 Abs.1 RVO gilt als Arbeitsunfall auch eine Berufskrankheit. Maßgeblich ist seit 01.12.1997 die Berufskrankheitenverordnung (BKV) vom 31.10.1997 (BGBl.I S.26, 23). Als Berufskrankheit kommen grundsätzlich nur solche Erkrankungen in Betracht, die von der Bundesregierung als Berufskrankheit bezeichnet und in die Berufskrankheitenordnung aufgenommen worden sind (Listenprinzip). Die Krankheit muss durch eine versicherte Tätigkeit verursacht oder wesentlich verschlimmert worden sein, d.h. die Gefährdung durch schädigende Einwirkungen muss ursächlich auf die versicherte Tätigkeit zurückzuführen sein und die Einwirkung muss die Krankheit verursacht haben (Bereiter-Hahn/ Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 9 SGB VII Rdnr.3). Alle rechtserheblichen Tatsachen müssen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen (vgl. BSGE 45, 285).
Der Kläger begehrt die Feststellung eines Nierenleidens als Berufskrankheit. Diese Erkrankung ist in der Berufskrankheitenverordnung nicht verzeichnet. Gemäß § 551 Abs.2 RVO sollen die Träger der Unfallversicherung im Einzelfall eine Krankheit, auch wenn sie nicht in der Rechtsverordnung bezeichnet ist oder die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit entschädigen, sofern nach neuen Erkenntnissen die übrigen Voraussetzungen für eine bereits in die Liste aufgenommene oder aufzunehmende Berufskrankheit nach Absatz 1 der Vorschrift erfüllt sind. Dafür ist erforderlich, dass - außer der zweifachen Kausalität zwischen der versicherten Beschäftigung und der schädigenden Einwirkung und zwischen dieser und der Erkrankung - die Krankheit nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht ist, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Die neuen Erkenntnisse müssen nach Erlass der letzten Berufskrankheitenverordnung bekannt geworden sein oder sich erst nach diesem Zeitpunkt zur Berufskrankheitsreife verdichtet haben (vgl. BSGE 52, 272).
Voraussetzungen sind also: 1. Es muss eine bestimmte Personengruppe bei ihrer Arbeit in erheblich höherem Maß als die übliche Bevölkerung bestimmten Einwirkungen ausgesetzt sein; 2. diese Einwirkungen müssen nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft geeignet sein, Krankheiten solcher Art zu verursachen; 3. diese medizinischen Erkenntnisse müssen bei der letzten Ergänzung der Anlage zur BKV noch nicht in ausreichendem Maß vorgelegen haben oder ungeprüft geblieben sein; 4. der ursächliche Zusammenhang der Krankheit mit der gefährdenden Arbeit muss im konkreten Fall hinreichend wahrscheinlich sein (vgl. BSG vom 04.08.1981, 5a/5r KNU 1/98).
Diese Voraussetzungen sind im Falle des Klägers nicht erfüllt. Nach den überzeugenden Ausführungen von Prof.Dr.E. im Gutachten vom 28.12.2000 liegen neue Erkenntnisse, die bei Erlass der Berufskrankheitenverordnung vom 31.10.1997 noch nicht vorgelegen haben oder ungeprüft geblieben sind, nicht vor. Denn, wie Prof.Dr.E. erläutert, ist die beim Kläger feingeweblich durch Nierenpunktion nachgewiesene Entzündung der Nierenkörperchen, die membranöse Glomerulonephritis, die häufigste Ursache eines sogenannten nephrotischen Syndrom beim Erwachsenen. In der Mehrzahl der Fälle, nämlich bei 75 % der Erkrankungen, findet sich keine auslösende Ursache. Sie werden als idiopathische Formen bezeichnet. Nach dem derzeitigen Wissensstand, so Prof. Dr.E. , wird vermutet, dass für die Auslösung dieser Immunkomplexerkrankung der Niere eine immungenetische Prädisposition eine wesentliche Rolle spielt. Welche auslösenden Faktoren zur Manifestation führen, ist nicht bekannt. In ca. 25 % der Fälle handelt es sich um sogenannte sekundäre Formen, die im Zusammenhang mit verschiedenen Infektionskrankheiten, systemischen Immunkrankheiten, malignen Tumoren und bestimmten Medikamenten beobachtet werden. Wie die behandelnden Ärzte ausgeführt haben, hat die umfangreiche Abklärung keinen Hinweis auf eine sekundäre Form der Glomerulonephritis ergeben. Für die Vermutung, die idiopathische membranöse Glomerulonephritis sei auf klimatische Einflüsse während der Berufstätigkeit zurückzuführen, gibt es, wie Prof.Dr.E. betont, in der umfangreichen wissenschaftlichen Literatur keinen Hinweis. Auch banale Infekte, wie sie durch Unterkühlung möglicherweise begünstigt werden könnten, kommen, so Prof.Dr.E. , als Ursache der Glomerulonephritis nicht in Betracht. Damit sind die Voraussetzungen für eine Entschädigung des Nierenleidens wie eine Berufskrankheit im Sinne des § 551 Abs.2 RVO nicht erfüllt.
Auch die vom Kläger übersandte Äußerung von PD Dr.M. im Schreiben vom 25.06.2001, dass infektiöse Ursachen entgegen der von Prof.Dr.E. geäußerten Auffassung eine Rolle spielen könnten, kann zu keiner anderen Entscheidung führen. Denn einerseits kann ein 1992 veröffentlichter Aufsatz, den Dr.M. zitiert, nicht eine neue wissenschaftliche Lehrmeinung darstellen; andererseits hat Dr.M. ausdrücklich eingeschränkt, es müsse glaubhaft nachgewiesen werden, dass der Kläger über das normale Maß hinaus Infektionserkrankungen durchgemacht habe. Hierfür ergeben sich aber aus dem Akteninhalt keinerlei Anhaltspunkte. Nach den Unterlagen der AOK war der Kläger ab dem 01.04.1993 nur einmal vom 13. bis 16.04.1993 wegen einer Sinubronchitis arbeitsunfähig erkrankt. Weitere Infektionskrankheiten sind nicht verzeichnet. Im Übrigen hat der Kläger selbst im Schreiben vom 14.02.1997 angegeben, er sei zwischen dem 01.07.1992 und dem 05.03.1995 nur zweimal krank gewesen und zwar, als er sich seinen Fuß angestoßen habe. Sonst sei er bis zum Dezember 1994, als die Müdigkeitserscheinungen begonnen hätten, immer gesund gewesen. Dem entspricht auch das Attest der praktischen Ärztin Dr.R. , nach dem der Kläger ab 14.01.1994 nur wegen Schulter-Nacken-Schmerzen, Impfungen und Verletzung am Bein in Behandlung war. Auch der Betriebsarzt Dr.V. hat im Schreiben vom 10.09.2001 darauf hingewiesen, dass sich der Kläger niemals bei ihm vorgestellt oder Klage über die Bedingungen an seinem Arbeitsplatz geführt habe. Damit sind Anhaltspunkte für häufige Erkrankungen des Klägers, die einen Einfluss auf die Entstehung des Nierenleidens, wie ihn Privatdozent Dr.M. für möglich hält, gehabt haben könnten, nicht gegeben.
Im Übrigen haben die behandelnden Ärzte Dr.H. und Dr.N. in den Berichten vom 09.06.1995 und 09.12.1995 ausgeführt, die Nierenerkrankung sei schon im Oktober 1981, also weit vor Beginn der versicherten Tätigkeit, festgestellt worden.
Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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