L 4 KR 4788/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 12 KR 7014/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 4788/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 31. August 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Beklagte zur Erstattung der Kosten in Höhe von Euro 2.995,00 für eine Optifast-Behandlung des Klägers verpflichtet ist.

Der am 1967 geborene Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Er ist seit 1998 in Höhe des linken Kniegelenkes unterschenkelamputiert. In der Folge waren mehrmals Stumpfrevisionen erforderlich. In diesem Zusammenhang kam es auch zu Anpassungsproblemen der Prothese. Die Prothese konnte zeitweilig nicht getragen werden. Im Jahr 2010 erfolgte schließlich eine Oberschenkelamputation links. Erst seit Mai 2011 ist der Kläger nach seinen Angaben wieder in der Lage, zeitweise mit der Prothese zu gehen. Ausweislich der arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchung, die am 25. März 2004 von der Betriebsärztin Dr. T.-K., Württembergische Bau-Berufsgenossenschaft, durchgeführt wurde, wog der Kläger bei einer Körpergröße von 170 cm 105 kg. Der Ruhe-Blutdruck wurde mit 150/100 mmHg gemessen. Eine Gewichtsreduktion wurde empfohlen. Im Jahr 2006 betrug das Gewicht des Klägers nach seinen Angaben 114 kg.

Im Juli 2006 beantragte der Kläger mündlich bei der Beklagten die Übernahme der Kosten für ein Optifast-Diätprogramm. Das Optifast-52-Programm ist nach dem zwischen dem Kläger und dem Optifast Zentrum in S. am 18. Juli 2006 abgeschlossenen Behandlungsvertrag ein 52 wöchiges Programm, das in drei Phasen durchgeführt wird. Es besteht aus der Fastenphase (12-wöchiges modifiziertes Fasten mit wöchentlicher Vorstellung beim Arzt und dem Besuch von Gruppensitzungen), der Umstellungsphase (sechswöchige Umstellung von der Ernährung durch die Optifast-Nahrung auf normale Kost mit verminderten Vorstellungen beim Arzt sowie wöchentlichen Gruppensitzungen und Bewegungstherapie) und der Stabilisierungs- und Intensivierungsphase (innerhalb von 33 Wochen soll das erreichte Gewicht stabilisiert werden mit fortgesetzten wöchentlichen Besuchen von Gruppensitzungen und verminderter medizinischer Betreuung und Bewegungstherapie). Der Kläger legte der Beklagten das Schreiben der Bezirksdirektion Main-Tauber-Kreis der Beklagten vom 27. Juli 2006 vor, wonach diese sich Bezug nehmend auf die Handhabung der AOK Bayern bereit erklärt hatte, die Kosten des Abnehmprogramms Optifast zu übernehmen.

Mit Bescheid vom 11. Juli 2006 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme ab. Optifast sei keine vertragliche Leistung. An den Kosten könne sie, die Beklagte, sich daher nicht beteiligen. Wenn der Kläger an ihrem, der Beklagten, Gesundheitsprogramm interessiert sei - oder an einer kostenfreien Ernährungsberatung - hätte sie die passenden Informationen für ihn.

Nach einer am 07. Juli 2006 erfolgten Eingangsuntersuchung schlossen der Kläger und das Optifast Zentrum S. am 18. Juli 2006 einen Behandlungsvertrag über die Teilnahme des Klägers am Optifast-Programm über eine Behandlungsdauer von zwölf Monaten bei Gesamtkosten von Euro 2.995,00. Die Behandlung erfolgte von 18. Juli 2006 bis 11. Juli 2007. Entsprechend der in der Rechnung vom 25. Juli 2006 getroffenen Zahlungsvereinbarung entrichtete der Kläger den Rechnungsbetrag in zwölf monatlichen Raten. Ausweislich der Bescheinigung des Prof. Dr. B., Leiter des Lehrstuhls für Ernährungsmedizin/Prävention an der Universität H. und Ärztlicher Leiter des Optifast Zentrums S., vom 24. Juli 2007 nahm der Kläger im Verlauf des Programms insgesamt 35,6 kg ab und wog zuletzt 78,1 kg. Durch die drastische Gewichtsabnahme habe der Kläger Probleme mit seiner Unterschenkelprothese bekommen. Bis August 2010 nahm der Kläger nach seinen Angaben wieder etwa 20 kg zu.

Gegen die Ablehnung der Kostenübernahme erhob der Kläger am 04. August 2006 Widerspruch. Er trug unter Vorlage eines Attestes des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. T. vom 28. Juni 2006, wonach er, der Kläger, für das Optifast-Programm geeignet sei, und der Evidenzbasierten Leitlinie Prävention und Therapie der Adipositas Version 2005 vor, dass die begehrte Kostenübernahme sich ausschließlich auf die in dem 52-wöchigen Programm geleisteten medizinischen, verhaltens-, bewegungs- und ernährungstherapeutischen Dienstleistungen beziehe. In der Leitlinie sei u.a. auch das Optifast 52-Programm aufgeführt. Im Übrigen gebe es bereits eine beträchtliche Anzahl von Kostenübernahmen von Seiten der Beklagten und in anderen Bundesländern, weshalb er um erneute Prüfung unter Berücksichtigung des Gleichstellungsgesetzes bitte. In diesem Zusammenhang berief sich der Kläger auf weitere vorgelegte - Kostenzusagen der Bezirksdirektionen der Beklagten Heilbronn und Hohenlohekreis.

Mit Widerspruchsbescheid vom 11. September 2006 wies der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss den Widerspruch zurück. Das Optifast 52-Programm sei nicht Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung. Der Spitzenverband des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDS) sei in einem Grundsatzgutachten vom Mai 2006 zu dem Ergebnis gekommen, dass aus dem Optifast-Konzept kein erfolgversprechender Ansatz zur Sicherstellung einer kurzfristigen oder gar langfristigen Wirkung einer Teilnahme an dem Schulungsprogramm ausreichend belegbar sei. Es bestehe daher keine Möglichkeit, die Kosten für die beantragte Leistung zu übernehmen.

Der Kläger erhob am 20. September 2006 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG). Er trug vor, er habe an einer Adipositas permagna mit einem Body-Mass-Index (BMI) von mehr als 40 gelitten. Adipositas sei eine chronische Krankheit mit eingeschränkter Lebensqualität und hohem Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko, die eine langfristige Betreuung erfordere. Auch das Bundessozialgericht (BSG) habe klargestellt, dass bei starkem Übergewicht (im Allgemeinen ab einem BMI )= 30) eine Behandlung mit dem Ziel der Gewichtsreduktion erforderlich sei, weil andernfalls ein erhöhtes Risiko für das Auftreten von Begleit- und Folgeerkrankungen wie Stoffwechselkrankheiten, Herz- und Kreislauf-, Atemwegs- und gastrointestinalen Erkrankungen, Krankheiten des Bewegungsapparats und bösartigen Neubildungen bestehe. Grundlage jedes Gewichtsmanagements solle ein Basisprogramm sein, das die Komponenten Ernährungs-, Bewegungs- und Verhaltenstherapie umfasse. Diese Voraussetzungen erfülle das Optifast-Programm. Die Beklagte fordere zur Vermeidung einer operativen Behandlung der Adipositas Bemühungen, die belegten, dass eine Gewichtsreduktion ohne Operation nicht möglich sei. Nehme man die Stellungnahmen des MDS ernst, dann gebe es hierfür kein effizient basiertes Verfahren. Optifast biete dieses Verfahren, wie anhand des vorgelegten Materials klargestellt werde. Wenn Optifast nicht anerkannt würde, dann existiere überhaupt kein effizient basiertes Abnahmeprogramm. In der Konsequenz bedeute dies, dass die Beklagte für keinerlei Maßnahme zur Behandlung der Adipositas, insbesondere auch der chirurgischen Maßnahmen aufkommen müsse. Dies widerspreche der Rechtsprechung des BSG. Sofern die Beklagte keine geeigneten Maßnahmen zur Verfügung stelle, die die Realisierung der nach der Rechtsprechung des BSG erforderlichen Durchführung multimodaler, interdisziplinärer Schulungsprogramme gewährleiste, sei sie eintrittspflichtig. Das Optifast 52-Programm finde auch unter ärztlicher Betreuung statt. Dementsprechend seien auch Kostenübernahmeerklärungen abgegeben worden. Unter Hinweis auf die Ernährungsberatung könne die Beklagte seinen Anspruch nicht ablehnen. Die Beklagte habe es unterlassen, ihm einen konkreten Weg aufzuzeigen, der zu den gesetzlich möglichen Leistungen führe. Auch müssten seine individuellen Besonderheiten durch die Beinamputation berücksichtigt werden. Hierdurch ergäben sich spezielle Probleme mit der Prothesenversorgung, weshalb in medizinischer Hinsicht eine schnelle Gewichtsabnahme erforderlich sei. Ergänzend verwies der Kläger auf eine - vorgelegte - Stellungnahme des Prof. Dr. B. zum Gutachten-Entwurf des MDS vom März 2007 vom 08. Mai 2007. In dieser Stellungnahme führt Prof. Dr. B. u.a. aus, dass nahezu alle Gewichtsreduktionsprogramme, die in Deutschland derzeit durchgeführt würden, die Effektivität hinsichtlich Gewichtsreduktion nicht zufriedenstellend erbracht hätten. Allerdings habe das Optifast-Programm mehr Datenmaterial aufzuweisen, als alle anderen Programme, weil es ein im universitären Rahmen entwickeltes Programm sei und weil es seit seiner Markteinführung durch die Herstellerfirma kontinuierlich die wichtigen Kenndaten aller Teilnehmer in anonymisierter Form zentral sammele und auswerte.

Die Beklagte trat der Klage unter Verweis auf die im weiteren Verlauf des Verfahrens vorgelegte Grundsatzstellungnahme des MDS vom Mai 2006, wonach zusammenfassend festzustellen sei, dass aus dem vorliegenden Konzept kein erfolgversprechender Ansatz zur Sicherstellung einer kurzfristigen oder gar langfristigen Wirkung einer Teilnahme an dem Schulungsprogramm Optifast 52 ausreichend belegbar sei und daher aus sozialmedizinsicher Sicht eine Regelanwendung (z.B. im Rahmen einer Kostenübernahme oder -beteiligung) nicht empfohlen werden könne, entgegen. Adipositas sei zweifelsfrei eine behandlungsbedürftige Krankheit, insbesondere bei einem hohen BMI. Es könne aber nicht ihre, der Beklagten, Aufgabe sein, ein Behandlungskonzept mit den Komponenten Ernährungs-, Bewegungs- und Verhaltenstherapie für dieses komplexe Krankheitsbild aufzustellen. Hier sei der behandelnde Arzt in der Verantwortung. Ein von ihr zu vertretendes Informationsdefizit gegenüber dem Kläger sei nicht festzustellen. Nicht nachvollziehbar für sie, die Beklagte, sei, auf welcher rechtlichen Grundlage andere, einzelne Bezirksdirektionen in Baden-Württemberg eine anteilige Kostenzusage erteilt hätten. Ergänzend trug die Beklagte vor, dass der MDS mit Stand April und Mai (richtig: März) 2007 - vorgelegte - Nachbewertungen vorgenommen, die wiederum zu einer negativen Bewertung geführt hätten.

Mit Urteil vom 31. August 2010 wies das SG die Klage ab. Dem Kläger stehe der geltend gemachte Anspruch auf Erstattung seiner Aufwendungen für das Optifast-Programm in Höhe von Euro 2.995,00 nicht zu. Eine Behandlung im Optifast-Programm gehöre nicht zu den Leistungen, die die gesetzliche Krankenkasse im Falle des Klägers hätte erbringen müssen. Den Ausführungen des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg in seinem Urteil vom 22. Februar 2007 (L 24 KR 247/06 in Juris) folgend hätten beim Kläger keine Umstände vorgelegen, die seine Adipositas als Krankheit im Sinne des Krankenversicherungsrechts hätte erscheinen lassen. Das BSG habe in seinem Urteil vom 19. Februar 2003 (B 1 KR 1/02 in Juris) ausgeführt, eine erhebliche Adipositas permagna könne zu einem Anspruch auf Behandlung durch die Krankenkasse führen. Es habe jedoch einschränkend hinzugefügt, dies gelte nur, wenn die Adipositas bereits zu Folgeerkrankungen geführt habe oder solche konkret drohten und wenn - daher - die Adipositas selbst eine ärztliche Behandlung erfordere. Bei dem Kläger lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass er an solchen Krankheiten gelitten habe, die typischerweise Folgeerkrankungen einer Adipositas seien und dass diese Krankheiten gegebenenfalls konkret auch eine Folge seines Übergewichts seien. Hierbei sei insbesondere zu berücksichtigen, dass dem Kläger die Therapie nicht ärztlich verordnet worden sei, sondern Dr. T. auf einem Rezeptvordruck vom 28. Juni 2006 lediglich mitgeteilt habe, der Kläger sei für das Optifast-Programm geeignet. Nicht einmal die Diagnose Adipositas selbst sei bei dem Kläger ärztlich gestellt worden. Auch in der Bescheinigung des Optifast Zentrums vom 24. Juli 2007 seien Folgeerkrankungen der Adipositas nicht erwähnt worden. Ferner habe das vom Kläger absolvierte Optifast-Programm allein zur Beseitigung des ernährungsbedingten Übergewichts gedient. Auch ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch liege nicht vor. Zum einen habe die Beklagte im Bescheid vom 11. Juli 2006 auf eine Ernährungsberatung hingewiesen und zum anderen könne im Rahmen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nur eine Leistung verlangt werden, die der Träger rechtmäßigerweise auch erbringen dürfe. Da das Optifast-Programm im Falle des Klägers nicht zum Leistungskatalog gehöre, könne auch im Wege des Herstellungsanspruchs keine Kostenerstattung verlangt werden.

Gegen das am 29. September 2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 12. Oktober 2010 Berufung eingelegt. Fehlerhaft komme das SG zu dem Ergebnis, dass bei ihm kein krankheitsbedürftiger Zustand vorliege. Bei 170 cm und einem Gewicht von 114 kg komme man unter Berücksichtigung des amputierten Beines zu einem der BMI-Bemessung zugrunde liegenden Körpergewicht von 122 kg. Dies führe zu einem BMI von 42. Weil die Adipositas permagna zu Weichteilinfektionen führen könne, die auch den intramedullären Stiel betreffen könnten, bestehe schon wegen der Amputation ein besonderer Krankheitswert. Das BSG fordere im Urteil vom 19. Februar 2003 (B 1 KR 1/02 a.a.O.) auch nicht, dass Folgeerkrankungen bereits eingetreten seien. Infolge der Amputation sollte ein Übergewicht vermieden werden. Eine Gewichtsabnahme habe hier so rasch wie möglich erfolgen sollen, da sonst im Behandlungsverlauf Adaptionsprobleme hätten auftreten könnten. Im Rahmen eines kontinuierlichen Abnahmeprozesses, wie es die üblichen diätischen Maßnahmen vorsehen würden, müsse die Behandlung des Stumpfes oder die Prothesenänderung permanent erfolgen. Dies führe dazu, dass er in dauerhafter Behandlung wäre und dementsprechend längerfristig seine Prothese nicht angemessen nutzen könne. Bei einem schnelleren und zielgerichteten Abnahmeprozess wie mit dem Optifast-Programm erfolge demgegenüber eine einmalige Anpassung des Schaftes nach erfolgter Abnahme. Dieses Vorgehen sei nicht nur wirtschaftlicher, sondern es sichere auch den Behandlungserfolg, da bei entsprechend langwierigen Schaftveränderungen das begleitende Bewegungsprogramm auch nicht mehr durchgeführt werden könne. Zu Unrecht habe das SG auch ein Beratungsverschulden der Beklagten verneint. Liege eine Erkrankung vor, sei nicht ausgeschlossen, dass das Optifast-Programm erbracht werden könne. Zu berücksichtigen wäre, ob angesichts der Amputation tatsächlich die von der Beklagten genannten Programme geeignet seien, die notwendige rasche Gewichtsreduktion herbeizuführen. Bewegungstherapien seien bei ihm aufgrund seiner Behinderung ausgeschlossen. Selbst wenn eine Erkrankung verneint werde, ergebe sich eine Anspruchsgrundlage aus § 14 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX), wenn die Beklagte eine medizinische Rehabilitation nach § 43 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) ablehnen sollte. Hier liege eine Gefährdung der Erwerbsminderung vor, da sich infolge des Übergewichts und der Amputation Probleme ergäben. Das Vorgehen der Beklagten entbehre jeglicher Rechtsgrundlage. Weder der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) noch der MDS seien befugt, über die gesetzlichen Leistungsvoraussetzungen der §§ 20 und 43 SGB V zu bestimmen. Es fehle hierzu an einer gesetzlichen Befugnisnorm. Der Kläger hat ein ärztliches Attest des Dr. T. vom 19. April 2011 (aufgrund der Beinamputation bedürfe es bei gewöhnlichen diätetischen Maßnahmen, wie sie von der Beklagten vorgeschlagen würden, einer ständigen fachärztlichen sowie diätetischen Betreuung und Überwachung, da hierdurch Änderungen am Stumpf erfolgten, die zur Anpassung der Prothesen führten, um schwerwiegende Krankheitsfolgen wie Entzündungen am Stumpf zu vermeiden. Dies könne durch einen Hausarzt nicht erfolgen. Diätetische Maßnahmen sollten auch so schnell wie möglich erfolgen, damit entsprechende Änderungen der Prothese so gering wie möglich gehalten würden), die S3-Leitlinie: Chirurgie der Adipositas der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie/Chirurgische Arbeitsgemeinschaft für Adipositastherapie in Zusammenarbeit mit der Deutschen Adipositas-Gesellschaft, Deutschen Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie und Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin, Stand Juni 2010, die den Stand des Wissens aus kontrollierten Studien und von Experten über die effektive und angemessene chirurgische Versorgung adipöser Patienten zum Zeitpunkt der Drucklegung widergibt, sowie einen Aufsatz des Dr. Thomas Ellrott in der Zeitschrift Ernährung und Medizin 2007, S. 69 ff. über Formula-Diäten in der Adipositastherapie vorgelegt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 31. August 2010 sowie den Bescheid vom 11. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. September 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm die Kosten des Optifast 52-Programms in Höhe von Euro 2.995,00 zu erstatten, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Medizinische Ermittlungen, die außerhalb des gesetzlichen Leistungskatalogs stünden, seien obsolet. Auf welcher rechtlichen Grundlage andere Bezirksdirektionen oder andere Krankenkassen eine Kostenübernahme bzw. -beteiligung am Optifast-Programm ausgesprochen hätten, könne sie nicht beurteilen. Sie halte dies für rechtswidrig. Eine Verpflichtung könne daraus deshalb nicht erwachsen. Bei der Teilnahme des Klägers an dem Optifast-Programm des Optifast Zentrums S. habe es sich um keine Krankenbehandlung gehandelt, weil der Adipositas als solcher kein Krankheitswert im Sinne des SGB V zukomme und Begleit- und Folgeerkrankungen einer Adipositas bei dem Kläger nicht bestanden hätten und nicht bestünden. Bei der Teilnahme des Klägers an dem Optifast-Programm habe es sich lediglich um eine diätetische Maßnahme zur Gewichtsminderung gehandelt. Sie, die Beklagte, biete allen ihren Versicherten eine individuelle Beratung im Bereich Ernährung und Bewegung an (vgl. S. 4 und 5 des Programmhefts ?Gesundheitsangebote? ab Januar 2006 mit Angabe der Telefonnummern und E-Mail-Anschriften der Ernährungsberaterinnen und Sportfachkräfte). Sie sei sich ihrer Verpflichtung bewusst, im Einzelfall einen konkreten Behandlungsweg aufzuzeigen. Sie habe auch im Ablehnungsbescheid vom 11. Juli 2006 auf ihr Gesundheitsprogramm und auf eine persönliche Ernährungsberatung hingewiesen. Dies habe der Kläger auch bestätigt. Sie gehe aber davon aus, dass der Kläger bereits zum oder vor dem Zeitpunkt der Ablehnung eine endgültige Entscheidung zur Teilnahme am Optifast-Programm getroffen habe. Deshalb sei trotz schriftlichen Angebots - auch keine Kontaktaufnahme mehr erfolgt. Frühzeitig seien auch schon ärztliche Hinweise zur Gewichtsreduktion erfolgt (hierzu im Folgenden). Die Tatsache, dass der Kläger mit einer Beinprothese versorgt sei, ändere nichts mit Blick auf die Kostenübernahme der Diätmaßnahme. Prothesenträger hätten bei jeder Gewichtsänderung zwangsläufig Probleme mit dem Sitz des Schaftes, weil sich auch der Amputationsstumpf verändere. Für diese Schaftänderungen sei sie, die Beklagte, leistungspflichtig. Orthopädische Arbeiten an einem Schaft würden von einem Orthopädietechniker bzw. Bandagisten innerhalb kürzester Zeit angefertigt und seien für den Kläger zumutbar. Offen sei auch, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Kläger an der Bewegungstherapie im Rahmen des einjährigen Optifast-Programms teilgenommen habe. Aufgrund der Bewegungseinschränkung infolge der Beinamputation sei ein Auslassen dieses Programmteils als wahrscheinlich anzunehmen. Abgesehen davon nehme der Kläger seit mehr als zehn Jahren Maßnahmen der physikalischen Therapie, u.a. Massagen und Krankengymnastik, zu ihren, der Beklagten, Lasten in Anspruch. Massagen und Krankengymnastik seien als ihre Leistung auch während der Zeit der Teilnahme an dem Optifast-Programm fort- und durchgeführt worden. Damit sei von einer Reduktion des Optifast-Programms auf ein Gewichtsminderungsprogramm, eine Formuladiät mit begleitendem Verhaltenstraining, auszugehen. Von einem multimodalen Konzept mit den drei gleichwertigen Säulen der Ernährung, der Bewegung und des Verhaltenstrainings könne dann nicht mehr die Rede sein. Dieses multimodale Konzept mit seinen drei Säulen habe jedoch der Studie zugrunde gelegen, die in der vorgelegten S3-Leitlinie Chirurgie der Adipositas mit knappen Worten beschrieben worden sei. Die Beklagte hat eine Aufstellung der dem Kläger zwischen 1998 und 2009 gewährten Sachleistungen und einen Auszug ihrer Broschüre zu Gesundheitsangeboten beigefügt.

Der Senat hat Dr. T. als sachverständigen Zeugen gehört. Dieser hat am 09. Februar 2011 unter Bezugnahme auf beigefügte Arztbriefe aus den Jahren 1992 bis 2011 (u.a. Arztbrief des Internisten Dr. Tü. vom 22. April 2004: athletisch-adipöser Patient in gutem Allgemeinzustand, Blutdruck habe bei wiederholter Messung unter 120/80 mmHg betragen, wichtig sei die Prävention eines metabolischen Syndroms durch Ernährungsberatung und Gewichtsabnahme) mitgeteilt, dass er den Kläger seit Juni 1984 behandele. Ob der Kläger vor Juli 2006 hinsichtlich der Adipositas bereits Therapien durchgeführt habe, sei ihm nicht bekannt. Aufgrund der Beinamputation sei der Kläger seit Jahren sehr stark übergewichtig. Gewichtsmaße lägen ihm nicht vor.

Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat Prof. Dr. B. das Gutachten vom 30. April 2012 erstattet. Prof. Dr. B. hat in seinem Gutachten ausgeführt, dass beim Kläger am 18. Juli 2006 eine Adipositas Grad III, eine Prothesenversorgung des linken Unterschenkels und Peronäusläsion rechter Fuß, eine chronische Refluxösophagitis Stadium II, der Verdacht auf eine labile arterielle Hypertonie, der Verdacht auf ein metabolisches Syndrom, ein Zustand nach Hodentumor 1999 sowie ein Zustand nach Claviculafraktur und Tossy-III als Folge eines Sturzes am 08. Mai 1998 vorgelegen habe. Sein Körpergewicht habe bei einer Körpergröße von 170 cm 114,2 kg betragen. Unter Berücksichtigung des amputierten Beines habe ein BMI von 41,85 kg/m² vorgelegen. Am 11. Juli 2007 habe das Körpergewicht des Klägers 78,1 kg betragen. Eine weitere Gewichtserhebung nach Abschluss des Optifast-Programms sei nicht dokumentiert. Eindeutige Folgeerkrankungen hätten beim Kläger nicht vorgelegen. Allerdings hätten Anzeichen einer Steatohepatitis vorgelegen und außerdem habe der Kläger die Kriterien eines metabolischen Syndroms erfüllt. Von der Bewegungstherapie im Optifast-Zentrum sei der Kläger nicht ausgeschlossen gewesen. Bewegungen, die er aufgrund seiner Amputation nicht habe durchführen können, seien von ihm nicht mitgemacht bzw. für ihn angepasst durchgeführt worden. Nach einer Gewichtsreduktion von 25,8 kg habe der Kläger über Druckstellen am Amputationsstumpf geklagt, was eine aktive Teilnahme an den Bewegungseinheiten nicht weiter möglich gemacht habe. Zur Behandlung einer Adipositas Grad III kämen zum einen eine konservative Behandlung des Patienten als multimodale Therapie, zum anderen die bariatrische Chirurgie in Betracht. 2006 habe es in Deutschland zwei evaluierte multimodale Programme, das Optifast 52-Programm und das M.O.B.I.L.I.S.-Programm gegeben. Die durchschnittliche relative Gewichtsreduktion, die während der Teilnahme am M.O.B.I.L.I.S.-Programm von Männern erzielt werde, liege bei 5,9 v.H., dies hätte beim Kläger 6,7 kg entsprochen. Außerdem sei das M.O.B.I.L.I.S.-Programm stark bewegungsbetont und somit für den Kläger nicht durchführbar gewesen. Die durchschnittliche relative Gewichtsreduktion, die während der Teilnahme am Optifast-Programm von Männern erzielt werde, liege bei 19 v.H. Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte sei für den Kläger außer Optifast kaum ein anderes Programm in Betracht gekommen. Nicht ausgeschlossen werden könne, dass es neben diesen Programmen weitere regionale Programme gebe, die ihm, dem Sachverständigen, nicht bekannt seien oder die unzureichend evaluiert seien.

Hierzu hat sich die Beklagte unter Vorlage des sozialmedizinischen Gutachtens des Dr. Ta., MDK, vom 24. Mai 2012 geäußert. Dieser hat beim Kläger ebenfalls eine Adipositas Grad III diagnostiziert. Das Optifast 52-Programm sei bisher jedoch keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung. Das Optifast-Programm könne als neue Behandlungsmethode angesehen werden, weil es neben einem Schulungsprogramm und einer ärztlichen Beratung auch den Einsatz einer speziellen Ernährungstherapie mit Formuladiät beinhalte. Daraus ergebe sich, dass die Prüfung der Behandlungsmethode gemäß § 135 SGB V durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) zu erfolgen habe. Bisher sei das Optifast-Programm vom GBA aber nicht bewertet worden. Eine Teilnahme von Versicherten an einem ambulanten Gewichtsreduktionsprogramm könne (neben Leistungen zur primären Prävention nach § 20 SGB V) im Rahmen ergänzender Leistungen zur Rehabilitation gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 2 SGB V erfolgen. Hierin werde u.a. gefordert, dass entsprechende Schulungsprogramme wirksam und effizient seien. Für einen Wirksamkeitsnachweis sei gemäß den Kriterien der evidenzbasierten Medizin eine randomisierte kontrollierte klinische Studie auf der Basis der CONSORT-Stellungnahme mit einer ausreichenden Fallzahl, Intention-to-treat-Analyse und einer für die Beurteilung der klinischen Relevanz der Ergebnisse nötigen Nachbeobachtungszeit (mindestens drei bis fünf Jahre) erforderlich. Zu dem hier zu prüfenden Adipositas-Schulungsprogramm Optifast 52 hätten Studien nach den oben genannten Kriterien der evidenzbasierten Medizin nicht gefunden werden können. Zudem habe sich die sozialmedizinische Expertengruppe 3 des MDS zuletzt im April 2007 negativ zum Optifast 52-Programm geäußert. Ein Seltenheitsfall, der eine Verminderung der Anforderungen an die Evidenz seiner Behandlungsmethode zulasse, liege im vorliegenden Fall nicht vor. Für eine Kostenerstattung durch die gesetzliche Krankenversicherung unter Beachtung der Sozialrechtsprechung und verfassungsrechtlicher Vorgaben (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 06. Dezember 2005 - 1 BvR 347/98 - SozR 4-2500 § 27 Nr. 5) seien die hierfür kumulativ zu erfüllenden drei Kriterien offensichtlich nicht erfüllt. Eine konservative interdisziplinäre Behandlung zur Gewichtsabnahme wäre möglich gewesen.

Der Kläger hat sich hierzu dahin geäußert, dass fraglich sei, ob es möglich sei, dass der Abnahmeprozess rein im ambulanten Rahmen gesteuert werden könne, wie oft es zu Prothesenanpassungen kommen müsse, wenn der Abnahmeprozess langsamer durchgeführt werde, ob es richtig sei, dass bei den Bewegungstherapien die Anpassungsschwierigkeiten an den Stumpf miteinzubeziehen seien und die von der Beklagten und dem MDK bekannten Abnahmeprogramme nicht evidenzbasiert seien.

Zur weiteren Darstellung des Sacherhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Akte des SG S 8 KR 6983/06 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 11. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. September 2006 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für das von ihm absolvierte Optifast-Programm in Höhe von Euro 2.995,00.

1. Da der Kläger nicht nach § 13 Abs. 2 SGB V anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung gewählt hatte, kommt als Anspruchsgrundlage für die Erstattung der Aufwendungen des Klägers für das bereits durchgeführte Optifast-Programm mit Kosten in Höhe von Euro 2.995,00 nur § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V in Betracht. Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistungen nicht rechtzeitig erbringen (Alternative 1) oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch dem Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden (Alternative 2), sind nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Diese Regelung setzt voraus, dass die Beklagte dem Kläger das Optifast-Programm als Sach- oder Dienstleistung schuldete und sie dies nicht, nicht rechtzeitig oder nicht vollständig erfüllt bzw. rechtzeitig zu erfüllen abgelehnt hat. Nach ständiger Rechtsprechung reicht der Anspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V jedoch nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch des Versicherten gegen seine Krankenkasse. Er setzt daher im Regelfall voraus, dass die selbstbeschaffte Leistung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkasse allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V) zu erbringen haben (ständige Rechtsprechung des BSG; vgl. z.B. BSG, Urteil vom 24. September 1996 - 1 RK 33/95 - SozR 3 2500 § 13 Nr. 11; Urteil vom 14. Dezember 2006 - B 1 KR 8/06 R - SozR 4-2500 § 13 Nr. 12; Urteil vom 26. September 2006 - B 1 KR 3/06 R - SozR 4-2500 § 27 Nr. 10 m.w.N.). Der Anspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V kann daher die Grenzen des Leistungssystems nicht erweitern, sondern setzt einen Leistungsanspruch voraus. Dies hat das BSG unabhängig davon entschieden, auf welche Grundlage ein Sachleistungsanspruch gestützt wurde.

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

2. Zwar fehlt es hier nicht an dem für § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V in beiden Alternativen notwendigen Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten der Beklagten und den Aufwendungen des Klägers (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 07. Oktober 2010 - B 3 KR 5/10 R - in juris). Denn der Kläger hat erst nachdem die Beklagte mit Bescheid vom 11. Juli 2006 die Übernahme der Kosten für das Optifast-Programm abgelehnt hat, am 18. Juli 2006 mit dem Optifast Zentrum den Vertrag über die Behandlung im Optifast Zentrum abgeschlossen und hat die Behandlung auch erst am 18. Juli 2006 begonnen. Dies ergibt sich aus dem vorgelegten Behandlungsvertrag vom 18. Juli 2006. Eine andere Beurteilung erfordert nicht, dass am 07. Juli 2006 eine Eingangsuntersuchung erfolgte. Denn erst mit Abschluss des Vertrages am 18. Juli 2006 lag ein unbedingtes Verpflichtungsgeschäft (vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 - B 3 KR 20/08 R - SozR 4-2500 § 36 Nr. 2) zwischen dem Kläger und dem Optifast Zentrum als Leistungserbringer in Bezug auf das Optifast-Programm vor.

3. Bei der Behandlung handelte es sich jedoch nicht um eine im Sinne des § 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alternative SGB V erforderliche unaufschiebbare Leistung. Der Kläger litt und leidet - worauf das SG zu Recht hingewiesen hat - an einer chronischen Beeinträchtigung durch das erhebliche Übergewicht. Ein akuter Krankheitszustand, der ein sofortiges Einschreiten erforderlich gemacht hätte, lag deshalb nicht vor. Die Behandlung hätte auch noch später beginnen können.

4. Die Beklagte hat den Anspruch auch nicht zu Unrecht abgelehnt. Denn die vom Kläger selbst beschaffte Behandlung in Form des Optifast-Programms gehörte nicht zu den Leistungen, die die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben. Die Beklagte war nicht verpflichtet, dem Kläger diese Sachleistung zu erbringen, weder als Krankenbehandlung noch als ergänzende Leistung.

a) Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB V ärztliche Behandlung durch zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung berechtigte Behandler (§ 76 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Berechtigte Behandler sind nach § 76 Abs. 1 Satz 1 SGB V die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Ärzte, die medizinischen Versorgungszentren, die ermächtigten Ärzte, die ermächtigten oder nach § 116b SGB V an der ambulanten Versorgung teilnehmenden Einrichtungen, die Zahnkliniken der Krankenkasse, die Eigeneinrichtungen der Krankenkassen nach § 140 Abs. 2 Satz 2 SGB V, die nach § 72a Abs. 3 SGB V vertraglich zur ärztlichen Behandlung verpflichteten Ärzte und Zahnärzte, die zum ambulanten Operieren zugelassenen Krankenhäuser sowie die Einrichtungen nach § 75 Abs. 9 SGB V. Andere Ärzte dürfen nach § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V nur in Notfällen in Anspruch genommen werden.

Dem vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Erstattung der Kosten als Krankenbehandlung dürfte schon entgegenstehen, dass Prof. Dr. B., der Ärztliche Leiter des Optifast-Zentrums S., - wie aus der beigezogenen Akte des SG S 8 KR 6983/06 hervorgeht - über keine Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung verfügte. Dass es sich bei dem Zentrum selbst um einen zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung berechtigten Behandler im Sinne des § 76 Abs.1 Satz 1 SGB V handelt, ist nicht erkennbar. Dies kann jedoch offen bleiben, da ein Sachleistungsanspruch des Klägers nicht bestand.

Der Kläger litt zwar im Juli 2007 aufgrund der bei ihm vorliegenden Adipositas Grad III mit einem BMI von mehr als 30 an einer Krankheit im krankenversicherungsrechtlichen Sinne. Der Adipositas als solcher kommt Krankheitswert zu. Einigkeit besteht in der Medizin darüber, dass bei starkem Übergewicht (im Allgemeinen ab einem BMI von 30) eine Behandlung mit dem Ziel der Gewichtsreduktion erforderlich ist, weil andernfalls ein erhöhtes Risiko für das Auftreten von Begleit- und Folgeerkrankungen wie Stoffwechselkrankheiten, Herz- und Kreislauferkrankungen, Atemwegserkrankungen, gastrointestinalen Erkrankungen, Krankheiten des Bewegungsapparates und bösartigen Neubildungen besteht (vgl. Nrn. 1 und 2.1 der von der Deutschen Adipositas-Gesellschaft, der Deutschen Diabetes-Gesellschaft, der Deutschen Gesellschaft für Ernährung und der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin herausgegebenen "Evidenzbasierte Leitlinie Prävention und Therapie der Adipositas" (Version 2005)). Erfordert die Adipositas eine ärztliche Behandlung, so belegt dies zugleich die Regelwidrigkeit des bestehenden Zustandes und damit das Vorliegen einer Krankheit im krankenversicherungsrechtlichen Sinne. Die Adipositas und sonstige Überernährung ist auch im Kapitel IV, Gruppen E65 bis E68 der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme 10. Revision aufgeführt. Dass beim Kläger Folgeerkrankungen der Adipositas im Juli 2006 noch nicht vorlagen, ändert daran nichts. Entgegen der Auffassung des SG und der Beklagten lässt sich dem Urteil des BSG vom 19. Februar 2003 (a.a.O.) nicht entnehmen, dass dies Voraussetzung für die Annahme einer Krankheit im versicherungsrechtlichen Sinne sei.

Der Behandlungsanspruch eines Versicherten bei Vorliegen einer Krankheit unterliegt den sich aus § 2 Abs. 1 und § 12 Abs. 1 SGB V ergebenden Beschränkungen. Nach diesen Vorschriften müssen die Leistungen der Krankenkassen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen (§ 12 Abs. 1 SGB V). Außerdem müssen Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen (§ 2 Abs.1 Satz 3 SGB V). Zu beachten sind schließlich auch die Regelungen des Leistungserbringerrechts (Viertes Kapitel des SGB V, §§ 69 bis 140h SGB V), insbesondere auch die Regelungen über die Qualitätssicherung, für den ambulanten Bereich insoweit das in § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V festgelegte Verbot mit Erlaubnisvorbehalt (vgl. dazu BSG, Urteil vom 04. April 2006 - B 1 KR 12/05 R - SozR 4 2500 § 27 Nr. 8; Urteil vom 07. November 2006 - B 1 KR 24/06 R - SozR 4-2500 § 27 Nr. 12). Danach dürfen neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkasse nur erbracht werden und gehören auch nur dann zu den den Versicherten von der Krankenkasse geschuldeten Leistungen, wenn der GBA in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V Empfehlungen u.a. über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinischer Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit abgegeben hat (ständige Rechtsprechung, z.B. BSG, Urteil vom 04. April 2006 - B 1 KR 12/05 R - SozR 4-2500 § 27 Nr. 8). Die entsprechende Richtlinie ist seit 01. April 2006 die Richtlinie des GBA zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen Versorgung (Methoden-Richtlinie), zuvor die Richtlinien zur Bewertung medizinischer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (BUB-Richtlinien). An die Entscheidungen des GBA sind Krankenkassen und Gerichte gebunden (BSG, Urteil vom 04. April 2006 - B 1 KR 12/05 R - SozR 4-2500 § 27 Nr. 8). Ohne befürwortende Entscheidung des GBA kommt eine Leistungspflicht der Krankenkassen nicht in Betracht (zu alledem auch LSG, Urteil vom 30. August 2006 - L 5 KR 281/06 - und ausführlich m.w.N. Urteil vom 31. Oktober 2007 - L 5 KR 2563/07 -, beide in juris).

Der Erlaubnisvorbehalt des § 135 Abs. 1 SGB V ist vorliegend einschlägig. Eine Untersuchungs- und Behandlungsmethode in diesem Sinne ist die auf einem theoretisch-wissenschaftlichen Konzept beruhende systematische Vorgehensweise der Untersuchung und Behandlung einer Krankheit (BSG, Urteil vom 23. Juli 1998 - B 1 KR 19/96 R - SozR 3-2500 § 31 Nr. 5; BSG, Urteil vom 28. März 2000 B 1 KR 11/98 R - SozR 3-2500 § 135 Nr.14). Neu in diesem Sinne ist eine ärztliche Untersuchungs- und Behandlungsmethode dann, wenn sie zum Zeitpunkt der Behandlung nicht als abrechnungsfähige Leistung im Einheitlichen Bemessungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen (EBM) aufgeführt wird und somit nicht Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung ist (vgl. § 9 Abs. 1 Buchst. a der Verfahrensordnung des GBA; auch BSG, Urteil vom 14. Dezember 2006 - B 1 KR 12/06 R - SozR 4-2500 § 31 Nr. 8). Diese Voraussetzungen sind für das Optifast-Programm gegeben. Bei dem Optifast-Programm handelt es sich um eine eigenständige Behandlungsmethode, weil sich das Programm als ganzheitliches interdisziplinäres Therapieprogramm versteht. Dies wird auch aus den in § 3 des Behandlungsvertrags aufgestellten Mitwirkungspflichten des Teilnehmers deutlich. Danach ist der Teilnehmer verpflichtet, zu den Sitzungen zu erscheinen, die wöchentlich angebotenen Gruppensitzungen und Bewegungstherapien zu besuchen, vor jeder Gruppensitzung die gestellten Aufgaben zu erledigen, die medizinischen Programmteile sorgfältig einzuhalten, und die erforderlichen Auskünfte (formularmäßig) zu erteilen. Dies macht deutlich, dass die einzelnen Teile des Programmes (Ernährung, Gruppensitzung = Verhaltenstherapie und Bewegungstherapie) zwingend zusammengehören und nicht in ärztliche Behandlung, psychotherapeutische Behandlung und nach der Heilmittelversorgung in Form von Bewegungstherapie und Ernährungsberatung (§§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 32 SGB V) zu erbringende Leistungen aufzuspalten ist. Sinn und Zweck des Programmes ist es gerade, alles aus einer Hand als einheitliches aufeinander abgestimmtes Programm zu erhalten. Die Behandlungsmethode ist auch neu. Sie ist im EBM nicht als abrechnungsfähige Leistung erfasst.

Eine Empfehlung des GBA für das Optifast-Programm liegt nicht vor. In der hier maßgeblichen Methoden-Richtlinie in der Fassung vom 17. Januar 2006 ist eine Prüfung und positive Bewertung des Optifast-Programms nicht enthalten. Auch der Kläger hat nicht vorgetragen, dass aufgrund einer entsprechenden Antragstellung ein Prüfungsverfahren beim GBA mit einer entsprechenden Beschlussfassung durchgeführt worden wäre. Da ein Beschluss des GBA zum Optifast-Programm im Jahr 2006 und 2007, als die Behandlung durchgeführt wurde, nicht vorlag, war das Optifast-Programm damit nicht Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung.

b) Der Kläger kann seinen Kostenerstattungsanspruch auch nicht auf § 43 Abs. 1 Nr. 2 SGB V stützen, wonach die Beklagte wirksame und effiziente Patientenschulungsmaßnahmen für chronisch Kranke als ergänzende Leistungen zur Rehabilitation zu erbringen hat, wenn sie zuletzt Krankenbehandlung geleistet hat oder leistet. Abgesehen davon, dass es insoweit an der Behandlung der Adipositas im Vorfeld fehlen dürfte, da der Kläger in der Vergangenheit keine Leistungen mit Blick auf die Adipositas in Anspruch genommen hat, handelt es sich bei dem Optifast-Programm nicht um eine wirksame und effiziente Patientenschulungsmaßnahme, so dass deren Wirtschaftlichkeit im Sinne des § 12 SGB V nicht gegeben ist. Zwar ist die Durchführung des Programms nach den Ausführungen von Prof. Dr. B. in seinem Gutachten vom 30. April 2012 aber auch dem Grundsatzgutachten des MDS vom Mai 2006 in der Regel - so auch beim Kläger - mit einem Gewichtsverlust verbunden, es fehlt insoweit jedoch, wie bereits ausgeführt, an randomisierten kontrollierten klinischen Studien, insbesondere auch mit Blick auf die Nachbeobachtungszeit (siehe hierzu sogleich unter 5.). Auch der Kläger hat nach Abschluss der Behandlung wieder zugenommen, sodass auch in seinem speziellen Fall das Optifast-Programm letztlich nicht wirksam und effizient war. Dieser Ablauf ist auch in Nr. 6.4.5 der vom Kläger der Beklagten mit dem Antrag auf Kostenübernahme vorgelegten evidenzbasierten Leitlinie Prävention und Therapie der Adipositas - Version 2005 - beschrieben. Danach zeigt das Optifast-Programm bei Beachtung der Kontraindikationen eine gute anfängliche Gewichtsabnahme in der Größenordnung von 15 bis 25 v.H., der allerdings eine Wiederzunahme von mehr als 50 v.H. des verlorenen Gewichts bei der Mehrheit der Teilnehmer innerhalb von ein bis zwei Jahren folgt.

Hinzu kommt, dass fraglich ist, ob das Optifast-Programm für den Kläger überhaupt geeignet war. Nach seiner Behauptung ist er aufgrund der Amputation nicht in der Lage, am Bewegungsprogramm teilzunehmen. Dieses ist aber ein wesentlicher Baustein des Optifast-Programms, wie im Übrigen auch von allen anderen Methoden, die starkes ernährungsbedingtes Übergewicht reduzieren sollen. Denn mit der Bewegungstherapie ist eine vermehrte körperliche Aktivität und damit ein erhöhter Energieverbrauch verbunden.

5. Ein Leistungsanspruch des Klägers ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines Systemmangels. Danach kann eine Leistungspflicht der Krankenkasse ausnahmsweise dann bestehen, wenn die fehlende Anerkennung einer neuen Behandlungsmethode darauf zurückzuführen ist, dass das Verfahren vor dem GBA trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wurde (?Systemversagen?). Ein derartiger Systemmangel wird angenommen, wenn das Verfahren vor dem GBA von den antragsberechtigten Stellen oder dem GBA selbst überhaupt nicht, nicht zeitgerecht oder nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde (vgl. BSG, Urteil vom 17. Februar 2010 - B 1 KR 10/09 R - SozR 4-2500 § 27 Nr. 18). Der Senat vermag nicht festzustellen, dass der GBA die Überprüfung des Optifast-Programms trotz Vorliegens der notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen willkürlich nicht durchgeführt hat. Hierfür fehlen jegliche Anhaltspunkte, nachdem randomisierte kontrollierte klinische Studien nach den Kriterien der evidenzbasierten Medizin nach den Ausführungen von Dr. Ta. in seinem Gutachten vom 24. Mai 2012 nicht vorliegen und auch nach der sozialmedizinischen Stellungnahme zum Schulungsprogramm Optifast 52 des MDS vom Mai 2006 eine abschließende Bewertung des Adipositasprogramms Optifast 52 nicht möglich war, da relevante Daten nicht vorlagen. Auch nach der Stellungnahme des Prof. Dr. B. vom 08. Mai 2007 hat das Optifast-Programm den Nachweis der Effektivität hinsichtlich der Gewichtsreduktion nicht zufriedenstellend er-bracht, Prof. Dr. B. weist nur darauf hin, dass das Optifast-Programm mehr Datenmaterial als alle anderen Programme aufweisen würde. Das Vorliegen einer randomisierten Studie trägt auch er ebenso wenig wie der Kläger vor.

6. Der Senat vermag auch nicht festzustellen, dass Adipositas eine seltene Erkrankung in dem Sinne darstellt, dass ein Prüfungsverfahren des GBA entbehrlich sein könnte. Adipositas ist ubiquitär, es handelt sich nicht um eine einzigartige Erkrankung, die weltweit nur extrem selten auftritt und deshalb im nationalen wie internationalen Rahmen weder systematisch erforscht noch behandelt werden könnte (vgl. dazu BSG, Urteil vom 19. Oktober 2004 - B 1 KR 27/02 R - SozR 4-2500 § 27 Nr. 1).

7. Der Kläger kann sich auch nicht auf den Beschluss des BVerfG vom 06. Dezember 2005 (1 BvR 347/98, a.a.O.) und die diese Rechtsprechung konkretisierenden Entscheidungen des BSG berufen. Der vom BVerfG entwickelte Anspruch von Versicherten auf ärztliche Behandlung mit nicht allgemein anerkannten Methoden, die durch den zuständigen GBA bisher nicht anerkannt sind, setzt eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende oder zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung voraus (z.B. BSG, Urteil vom 04. April 2006 - B 1 KR 12/04 R - SozR 4-2500 § 27 Nr. 7; Urteil vom 04. April 2006 - B 1 KR 7/05 R - SozR 4-2500 § 31 Nr. 4; Urteil vom 16. Dezember 2008 - B 1 KR 11/08 R - SozR 4-2500 § 13 Nr.19). Mit dem Kriterium einer Krankheit, die zumindest mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung in der Bewertung vergleichbar ist, ist eine strengere Voraussetzung umschrieben, als sie etwa mit dem Erfordernis einer ?schwerwiegenden? Erkrankung für die Eröffnung des sogenannten Off-label-use formuliert ist (BSG a.a.O.). Gerechtfertigt ist hiernach eine verfassungskonforme Auslegung der einschlägigen gesetzlichen Regelungen u.a. nur, wenn eine notstandsähnliche Situation im Sinne einer in einem gewissen Zeitdruck zum Ausdruck kommenden Problematik vorliegt, wie sie für einen zur Lebenserhaltung bestehenden akuten Behandlungsbedarf typisch ist. Das bedeutet, dass nach den konkreten Umständen des Falles bereits drohen muss, dass sich ein voraussichtlich tödlicher Krankheitsverlauf innerhalb überschaubaren Zeitraums mit Wahrscheinlichkeit verwirklichen wird; ähnliches kann für den nicht kompensierbaren Verlust eines wichtigen Sinnesorgans oder einer herausgehobenen Körperfunktion gelten. Einen solchen Schweregrad erreicht die Adipositas des Klägers nicht.

8. Ein Leistungsanspruch des Klägers lässt sich auch nicht auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch stützen. Für einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch ist neben dem Anspruch Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 SGB V kein Raum (BSG, Urteil vom 02. November 2007 - B 1 KR 14/07 R - SozR 4-2500 § 13 Nr. 15). Erforderlich wäre insoweit zudem ein der Beklagten zur Last fallendes Beratungsverschulden. Die Beklagte hat den Kläger jedoch bereits im Bescheid vom 11. Juli 2007 auf ihr Gesundheitsprogramm und die kostenfreie Ernährungsberatung hingewiesen und ihn darauf aufmerksam gemacht, dass er sich insoweit weiter informieren könne. Die Beklagte trifft deshalb kein Beratungsfehler. Dass der Kläger dieses Angebot nicht wahrgenommen hat, kann der Beklagten nicht vorgeworfen werden.

9. Die Beklagte verfügt mit Blick auf das Übergewicht auch über mehrere Programme etwa in Form der individuellen Beratung im Bereich der Ernährung und im Bereich der Bewegung wie aus dem von der Beklagten vorgelegten Programm Gesundheitsangebote ab Januar 2006 hervorgeht. Der Senat verkennt insoweit nicht, dass ein Bewegungsprogramm beim Kläger aufgrund seiner Beinamputation problematisch ist. Darauf hätte jedoch im Rahmen einer individuellen Beratung, bei der nach dem vom Kläger nicht bestrittenen Vortrag der Beklagten auf Wunsch ein ganz persönlicher Trainingsplan erstellt worden wäre, begegnet werden können. Daneben bietet die Beklagte auch Kurse im Zusammenhang mit dem Pfundsfitprogramm und damit der Ernährung an. Diese Maßnahmen sind dem Kläger zumutbar. Etwas anderes ergibt sich auch nicht deshalb, weil bei einem langsameren Abnahmeprozess über einen längeren Zeitraum Prothesenanpassungen vorgenommen werden müssten. Abgesehen davon, dass dem Kläger auch bei Durchführung des Optifast-Programms nach den Ausführungen von Prof. Dr. B. nach der Gewichtsreduktion von 25,8 kg die Prothese nicht mehr passte, was einer aktiven Teilnahme an den Bewegungseinheiten entgegengestanden habe, ist eine Prothesenanpassung sehr kurzfristig möglich und wird von der Beklagten übernommen. Die jeweiligen Anpassungen sind dem Kläger zumutbar. Darauf, wie oft Prothesenanpassungen vorzunehmen sind, kommt es nicht an. Bei den von der Beklagten zur Verfügung gestellten konservativen interdisziplinären Behandlungsversuchen unter Einschaltung der Fachärzte, Psychotherapie, Ernährungsberatung und Bewegungstherapie handelt es sich auch jeweils um zugelassene Behandlungsmethoden bzw. Heilmittel, die dem Kläger zur Verfügung stehen. Mit diesen - getrennt zu betrachtenden, da es sich nicht wie beim Optifast-Programm um ein einheitliches Behandlungskonzept handelt - Behandlungsmethoden und Heilmitteln existiert ein dem Kläger zumutbares durch die Beklagte zur Verfügung gestelltes Abnehmprogramm. Entgegen den Ausführungen von Dr. T. können diese Maßnahmen bei Bedarf - wie sonstige Behandlungen, die die Konsultation von Fachärzten erforderlich machen - ambulant durch einen Arzt gesteuert werden. Auch das Optifast-Programm wurde nur von einem Arzt betreut.

10. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved