Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 7 (17) AS 54/08
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 19 AS 1502/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 17.06.2011 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert wird auf 1.710,87 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Streitig ist, ob dem Beklagten ein Anspruch nach § 115 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) in Höhe von 1.710,87 EUR zusteht.
Die Klägerin betreibt deutschlandweit Schuh- und Schlüsseldienstbetriebe. 2007 arbeitete der Beigeladene in einer Hamburger Filiale der Klägerin. Er war bei ihr von 1981 an beschäftigt und verdiente unter Einbeziehung von Prämien monatlich zwischen 1.600 und 2.300 EUR brutto, laut Arbeitgeberbescheinigung vom 07.02.2007 zuletzt 1.615,77 EUR. Die Klägerin behauptet nach einer Videoüberwachung, der Beigeladene habe sich zwei Zwanzig-Euro-Scheine eingesteckt. Der Beigeladene wurde mit dem Vorwurf konfrontiert, bestritt ihn aber und lehnte eine einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses ab. Daraufhin wurde ihm mit Schreiben vom 17.04.2007 fristlos, hilfsweise fristgerecht gekündigt. Am 19.04.2007 meldete sich der Beigeladene krank. Am 03.05.2007 erhob er Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Hamburg (11 Ca 196/07) und bot der Klägerin seine Arbeitsleistung weiter an.
Nach einer ersten Vorsprache beim Beklagten im Mai 2007 stellte der Beigeladene am 04.06.2007 für sich und seine Familie (Ehefrau und zwei Kinder) einen Antrag auf Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Mit Bescheid vom 05.06.2007 wurde dem Beigeladenen von der Bundesagentur für Arbeit (wegen einer Sperrzeit erst) ab dem 18.07.2007 Arbeitslosengeld mit einem täglichen Leistungsbetrag in Höhe von 30,57 EUR gewährt.
Mit Schreiben vom 02.07.2007 machte die Rechtsvorgängerin des Beklagten (nachfolgend einheitlich Beklagter) gegenüber der Klägerin einen gesetzlichen Anspruchsübergang nach § 115 SGB X geltend.
Mit Bescheid vom 02.07.2007 gewährte der Beklagte dem Beigeladenen und seiner Familie Leistungen nach dem SGB II u.a. für den 04.06.2007 - 30.06.2007 in Höhe von 1.307,76 EUR und für den 01.07.2007 - 31.07.2007 in Höhe von 1.521,07 EUR. Mit Bescheid vom 20.08.2007 hob der Beklagte die Bewilligung von Leistungen für Juli 2007 gegenüber dem Beigeladenen wegen des erhaltenen Arbeitslosengeldes teilweise in Höhe von 427,98 EUR auf.
Nach vorheriger Einigung zwischen Beigeladenem und Klägerin stellte das Arbeitsgericht Hamburg mit Beschluss vom 14.09.2007 das Zustandekommen und den Inhalt folgenden Vergleiches fest:
"1. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endet aufgrund fristgerechter ordentlicher Arbeitgeberkündigung vom 17.04.2007 zum 31.07.2007. Eine Entgeltfortzahlung erfolgt nicht.
2. Die Beklagte zahlt an den Kläger eine Abfindung in Höhe von EUR 5.000,00 brutto.
...
4. Zwischen den Parteien besteht Einigkeit dahingehend, dass mit der genannten Zahlung der Anspruch des Klägers auf Abrechnung, Arbeitszeitausgleich und Überstunden erledigt ist ebenso wie der Urlaubsanspruch des Klägers. In tatsächlicher Hinsicht besteht Einigkeit dahingehend, dass dem Kläger der gesamte ihm zustehende Urlaub in natura gewährt worden ist.
5. Damit sind alle wechselseitigen finanziellen Ansprüche der Parteien aus dem Arbeitsverhältnis und aus Anlass seiner Beendigung erledigt. "
Am 26.10.2007 zahlte die Klägerin an den Beigeladenen die Abfindung aus. Abgesehen von einer einmaligen Aufforderung zur Vorlage entsprechender Kontoauszüge ist der Beklagte dieser Zahlung an den Beigeladenen nicht weiter nachgegangen.
Der Beklagte machte gegenüber der Klägerin am 10.12.2007, 21.12.2007 und 14.01.2008 einen Erstattungsanspruch in Höhe von 2.400,85 EUR geltend. Am 13.12.2007 widersprach die Klägerin dem Erstattungsbegehren und erklärte, die Zeit vom 17.04.2007 bis zum 31.07.2007 sei wie unbezahlter Urlaub des Beigeladenen zu behandeln. Am 06.02.2008 legte sie "gegen den geltend gemachten Erstattungsanspruch Widerspruch ein", zahlte aber den vom Beklagten geforderten Betrag unter Vorbehalt. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 15.04.2008 als unbegründet zurück. Die Abfindung stelle verkapptes Arbeitsentgelt dar.
Am 22.04.2008 hat die Klägerin Klage erhoben.
Auf einen Antrag der Klägerin auf Verweisung des Rechtsstreits an die Arbeitsgerichtsbarkeit hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 03.12.2009 den Sozialrechtsweg für zulässig erklärt. Der Beschluss ist rechtskräftig geworden.
Am 10.06.2011 hat der Beklagte die "Bescheide" vom 14.01.2008 und 15.04.2008 aufgehoben. Er hat außerdem ein Teilanerkenntnis in Höhe von 689,98 EUR abgegeben, das die Klägerin angenommen hat.
Die Klägerin hat vorgetragen, die Abfindung sei vor allem wegen der langen Betriebszugehörigkeit erfolgt. Die Vereinbarung der ordentlichen Kündigung habe dazu gedient, dem Beigeladenen die Wiederaufnahme einer Beschäftigung zu erleichtern.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie 1.710,87 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat vorgetragen, nach nochmaliger Berechnung der für Juni und Juli 2007 gezahlten Leistungen und unter Abzug der mit Bescheid vom 20.08.2007 aufgehobenen Leistungen bestehe ein Erstattungsanspruch nur noch in Höhe von 1.710,87 EUR.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 17.06.2011 abgewiesen. Der Klägerin stehe kein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch zu, da dem Beklagten jedenfalls in der noch streitigen Höhe ein Anspruch nach § 115 SGB X zugestanden habe. Trotz der Erklärung im Vergleich, dass keine Entgeltfortzahlung erfolgen solle, stelle die Abfindung - auch ihrem Betrag nach - in etwa das Nettogehalt für die Monate Mai bis Juli 2007 dar. Auch die ordentliche Kündigung sei wohl unwirksam gewesen. Ein Verzicht des Beigeladenen auf Entgelt sei nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr möglich gewesen, nachdem die Klägerin ab Erhalt des Schreibens des Beklagten vom 02.07.2007 hinsichtlich des Forderungsübergangs bösgläubig gewesen sei.
Am 22.08.2011 (einem Montag) hat die Klägerin gegen das ihr am 20.07.2011 zugestellte Urteil Berufung eingelegt.
Die Klägerin trägt vor, es könne sich bei der Abfindung schon deshalb nicht um Arbeitsentgelt handeln, da der Beigeladene nicht mehr gearbeitet habe. Eine fristgemäße Kündigung sei erst zum 30.11.2007 möglich gewesen. Es liege auch kein Verzicht des Beigeladenen nach Ende des Arbeitsverhältnisses vor. Mit Vergleichsschluss seien Beendigung und Verzicht vielmehr gleichzeitig eingetreten. Eine Kündigung sei sehr wohl zulässig gewesen, da auch die Videoüberwachung zulässig gewesen sei. Das dreifache Nettogehalt habe nicht 5.000 EUR, sondern lediglich ca. 4.000 EUR ausgemacht. Die Abfindung habe dem Beigeladenen unmittelbar nach dem Vergleich ausgezahlt werden müssen, da andernfalls eine Vollstreckung gedroht hätte.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 17.06.2011 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an sie 1.710,87 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte trägt vor, es handele sich nicht um eine "normale" Abfindung. Immerhin habe der Vorwurf der Unterschlagung im Raum gestanden. Es sei nicht verständlich, warum die Klägerin in Kenntnis des Erstattungsverlangens des Beklagten die volle Summe an den Beigeladenen ausgezahlt habe. Eine Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung gegenüber dem Beigeladenen wegen der Abfindung würde an der Jahresfrist der §§ 45, 48 SGB X scheitern.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten, die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten und die beigezogene Gerichtsakte des Arbeitsgerichts Hamburg (11 Ca196/07) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Eine Prüfung der Zulässigkeit des Sozialrechtswegs findet im Berufungsverfahren nicht statt, § 202 Sozialgerichtsgesetz - SGG - i.V.m. § 17a Abs. 5 Gerichtsverfassungsgesetz - GVG - (vgl. zum Rechtsweg BAG Beschluss vom 12.06.1997 - 9 AZB 5/97 = juris Rn 6, 8).
Das beklagte Jobcenter ist gemäß § 70 Abs. 1 SGG beteiligtenfähig (vgl. BSG Urteil vom 18.01.2011 - B 4 AS 99/10 R = juris Rn 11). Nach § 76 Abs. 3 Satz 1 SGB II ist die gemeinsame Einrichtung als Rechtsnachfolger an die Stelle der bisherigen beklagten Arbeitsgemeinschaft getreten.
Die Berufung ist innerhalb der einmonatigen Frist des § 151 Abs. 1 SGG eingelegt worden. Nach Zustellung des Urteils des Sozialgerichts am 20.07.2011 wäre die Frist eigentlich am 20.08.2011 abgelaufen. Da der 20.08.2011 ein Samstag war, endete die Frist gemäß § 63 Abs. 3 SGG aber erst am 22.08.2011. An diesem Tag ging die Berufung beim erkennenden Gericht ein.
Das Sozialgericht hat die nach Aufhebung der Bescheide vom 14.01.2008 und 15.04.2008 als reine Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG statthafte Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung von 1.710,87 EUR gegen den Beklagten.
Als Anspruchsgrundlage kommt ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung in Betracht (vgl. BSG Urteil vom 15.02.2000 - B 11 AL 45/99 R = juris Rn 27). Der Beklagte hat mit der Zahlung von 1.710,87 EUR zwar eine Leistung der Klägerin i.S.v. § 812 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB - erlangt. Dies geschah jedoch nicht ohne Rechtsgrund. Rechtsgrund für diese Leistung war § 115 Abs. 1 SGB X.
Danach geht der Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf den Leistungsträger bis zur Höhe der erbrachten Sozialleistungen über, soweit der Arbeitgeber den Anspruch des Arbeitnehmers auf Arbeitsentgelt nicht erfüllt und deshalb ein Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat.
Hier hat die Klägerin als Arbeitgeberin des Beigeladenen dessen Ansprüche auf Arbeitsentgelt jedenfalls für Juni und Juli 2007 nicht erfüllt und der Beklagte dem Beigeladenen Leistungen nach dem SGB II erbracht.
Dem Beigeladenen stand für diesen Zeitraum ein Anspruch auf Arbeitsentgelt aus seinem Arbeitsvertrag gemäß §§ 611, 615 Satz 1 BGB nach den Grundsätzen des Annahmeverzugs zu. Der Kläger hatte seine Arbeitsleistung mit seiner Kündigungsschutzklage vom 03.05.2007 ausdrücklich angeboten. Der Arbeitsvertrag war auch weiter gültig. Denn die fristlose Kündigung vom 17.04.2007 ist nach Ziffer 1) des Vergleiches vom 14.09.2007 mit Vereinbarung einer ordentlichen Kündigung zum 31.07.2007 konkludent aufgehoben worden (vgl. hierzu BAG Urteil vom 17.04.1986 - 2 AZR 308/85 = juris Rn 39 ff. und Denck mit insofern zustimmender Anmerkung in SGb 12/86, S 489, 491). Anhaltspunkte für einen Verfall der Entgeltansprüche des Beigeladenen sind nicht ersichtlich. Selbst wenn für die Aufrechterhaltung der Entgeltansprüche Schriftform erforderlich gewesen sein sollte, wäre dem mit Erhebung der Kündigungsschutzklage Genüge getan worden (vgl. BAG Urteil vom 17.04.1986 - 2 AZR 308/85 = juris Rn 47; LAG Köln Urteil vom 19.07.2002 - 4 Sa 21/01 = juris Rn 38 f.; LAG Schleswig-Holstein Urteil vom 30.04.2008 - 6 Sa 436/07 = juris Rn 58).
Der Entgeltanspruch des Beigeladenen ist nicht durch Verzicht untergegangen. Es ist bereits fraglich, ob die Vereinbarung, dass eine Entgeltfortzahlung nicht erfolge, den Entgeltanspruch betrifft. Immerhin ist Entgeltfortzahlung ein Begriff, der üblicherweise die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall betrifft (vgl. das Entgeltfortzahlungsgesetz - EntgFG). Der Kläger war zwar ab dem 19.04.2007 krankgeschrieben. Es ist aber nicht ersichtlich, dass dieser Zustand bis in den Juni 2007 andauerte. Im Übrigen wäre der sechswöchige Anspruch nach § 3 Abs. 1 Satz 1 EntgFG im Juni 2007 bereits ausgelaufen gewesen. Wenn ein regelmäßig gerade nicht zu unterstellender Verzicht auf Entgeltansprüche vereinbart werden soll, muss dies hinreichend deutlich zum Ausdruck kommen (vgl. BSG Urteil vom 16.12.1980 - 3 RK 40/79 = juris Rn 21 ff.; Kater in KassKomm, Stand: April 2011, § 115 SGB X Rn 54).
Jedenfalls wäre ein etwaiger Verzicht unwirksam. Denn die Entgeltansprüche des Beigeladenen für Juni und Juli 2007 waren zum Zeitpunkt des Vergleichsschlusses bereits nach § 115 Abs. 1 SGB X auf den Beklagten übergegangen. Dem Beigeladenen fehlte damit die Verfügungsbefugnis (vgl. BAG Urteil vom 23.09.1981 - 5 AZR 527/79 = juris Rn 20; LAG Schleswig-Holstein aaO Rn 54 ff.; Kater aaO Rn 51, 55, 57, 58, 62; Bieresborn in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl. 2010, § 115 Rn 6). Die Klägerin kann sich gegenüber dem Beklagten nicht nach §§ 404, 412 BGB auf einen etwaigen Verzicht berufen. Denn "zur Zeit der Abtretung" (hier: des Anspruchsübergangs) lag noch kein Verzicht vor (vgl. hierzu BAG Urteil vom 17.04.1986 - 2 AZR 308/85 = juris Rn 45; krit. insofern Denck aaO S 491 ff., der seine Kritik allerdings maßgeblich auf § 117 AFG stützt, der hier keine Rolle spielt). Der Beklagte muss auch nicht gemäß §§ 407 Abs. 1, 412 BGB einen etwaigen Verzicht des Beigeladenen gegenüber der Klägerin gegen sich gelten lassen (vgl. BAG Urteil vom 20.08.1980 - 5 AZR 218/78 = juris Rn 28). Denn der Klägerin als Schuldnerin des Anspruches war zum Zeitpunkt des Vergleichsschlusses aufgrund des Schreibens des Beklagten vom 02.07.2007 bereits der Anspruchsübergang bekannt. Die Kenntnis wird durch die Mitteilung des Sozialleistungsträgers an den Arbeitgeber vermittelt, dass er für einen bestimmten Zeitraum die Sozialleistung zahle oder zahlen werde (vgl. BAG Urteil vom 20.08.1980 - 5 AZR 218/78 = juris Rn 28 f.; Kater aaO Rn 43).
Der Entgeltanspruch des Beigeladenen ist auch nicht durch Erfüllung erloschen. Dabei kann an dieser Stelle dahinstehen, ob ein Teil des Abfindungsbetrages in der Sache Arbeitsentgelt (auch) für Juni und Juli 2007 darstellt. Denn jedenfalls wäre eine etwaige Erfüllung nach §§ 404, 407 Abs. 1, 412 BGB im Verhältnis von Klägerin und Beklagtem nicht zu berücksichtigen.
Für Juni 2007 hat der Beklagte an den Beigeladenen und seine Familie mit Bescheid vom 02.07.2007 1.307,76 EUR und für Juli 2007 zunächst 1.521,07 EUR erbracht, wobei er die Leistungsbewilligung für Juli 2007 wegen des ab dem 18.07.2007 von der Bundesanstalt für Arbeit gewährten Arbeitslosengeldes wieder in Höhe von 427,98 EUR aufgehoben hat.
Aufgrund von § 33 Abs. 5 SGB II i.V.m. § 34b SGB II in der ab dem 01.04.2011 gültigen Fassung (zuvor § 34a SGB II) umfasst der Ersatzanspruch nach § 115 Abs. 1 SGB X auch die an die Familienmitglieder des Beigeladenen gewährten Leistungen (vgl. BAG Urteil vom 21.03.2012 - 5 AZR 61/11 = juris Rn 14 f.; LAG Niedersachsen Urteil vom 23.06.2011 - 4 Sa 1859/10 = juris Rn 27; Nehls aaO Rn 10).
Auf den Streit, ob im Rahmen von § 115 Abs. 1 SGB X die Rechtmäßigkeit der Leistungsgewährung zu prüfen ist (dagegen Bieresborn aaO Rn 5; Kater aaO Rn 14, 36; LAG Niedersachsen aaO Rn 28; vgl. auch ausführlich Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 33 Rn 15a zur cessio legis in § 33 SGB II nF; a.A. ohne nähere Begründung Nehls aaO Rn 10; Pickel in Pickel/Marschner, SGB X, Stand: Oktober 2010, § 115 Rn 18; Pohl in BeckOK-SGB X, Stand: 01.09.2012, § 115 Rn 16), kommt es hier nicht an. Anhaltspunkte für eine Rechtswidrigkeit der Leistungsgewährung sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
Im Hinblick auf den Leistungszeitraum 04.06.2007 bis 31.07.2007 (zum Erfordernis einer sachlichen und zeitlichen Kongruenz vgl. Pohl aaO Rn 17 f.) sind jedenfalls Ansprüche in der hier streitigen Höhe von 1.710,87 EUR übergegangen. Das gilt auch dann, wenn bei der Bestimmung der Höhe der für Juli 2007 gewährten Leistungen die spätere teilweise Aufhebung in Höhe von 427,98 EUR berücksichtigt wird, so dass Leistungen für Juni 2007 in Höhe von 1.307,76 EUR und für Juli 2007 in Höhe von 1.093,09 EUR zu berücksichtigen wären. Diesen Leistungen steht das Arbeitsentgelt für Juni und Juli 2007 gegenüber, wobei angesichts der Arbeitgeberbescheinigung vom 07.02.2007 von einem regelmäßigen monatlichen Bruttogehalt von 1.615,77 EUR auszugehen ist. Hiervon berechnen sich die Freibeträge nach § 30 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 sowie Satz 3 SGB II in der vom 01.10.2005 bis zum 31.12.2010 gültigen Fassung, hier 310 EUR (zur Maßgeblichkeit des Bruttogehalts vgl. Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 30 Rn 10, 15). Ausgehend von der Gehaltsabrechnung für Februar 2007, die bei einem Bruttogehalt von 1.685,82 EUR ein Netto von 1.330,90 EUR auswies, bedeutet dies letztlich ein anzurechnendes Einkommen von ca. 1000 EUR. Auch wenn für Juni 2007 wegen des Leistungsbeginns am 04.06.2007 nur 27/30, also 900 EUR, berücksichtigt werden, sind für beide Monate Ansprüche in der hier streitigen Höhe übergegangen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -.
Anlass, die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, besteht nicht.
Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz - GKG - und ist gemäß §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.
Tatbestand:
Streitig ist, ob dem Beklagten ein Anspruch nach § 115 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) in Höhe von 1.710,87 EUR zusteht.
Die Klägerin betreibt deutschlandweit Schuh- und Schlüsseldienstbetriebe. 2007 arbeitete der Beigeladene in einer Hamburger Filiale der Klägerin. Er war bei ihr von 1981 an beschäftigt und verdiente unter Einbeziehung von Prämien monatlich zwischen 1.600 und 2.300 EUR brutto, laut Arbeitgeberbescheinigung vom 07.02.2007 zuletzt 1.615,77 EUR. Die Klägerin behauptet nach einer Videoüberwachung, der Beigeladene habe sich zwei Zwanzig-Euro-Scheine eingesteckt. Der Beigeladene wurde mit dem Vorwurf konfrontiert, bestritt ihn aber und lehnte eine einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses ab. Daraufhin wurde ihm mit Schreiben vom 17.04.2007 fristlos, hilfsweise fristgerecht gekündigt. Am 19.04.2007 meldete sich der Beigeladene krank. Am 03.05.2007 erhob er Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Hamburg (11 Ca 196/07) und bot der Klägerin seine Arbeitsleistung weiter an.
Nach einer ersten Vorsprache beim Beklagten im Mai 2007 stellte der Beigeladene am 04.06.2007 für sich und seine Familie (Ehefrau und zwei Kinder) einen Antrag auf Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Mit Bescheid vom 05.06.2007 wurde dem Beigeladenen von der Bundesagentur für Arbeit (wegen einer Sperrzeit erst) ab dem 18.07.2007 Arbeitslosengeld mit einem täglichen Leistungsbetrag in Höhe von 30,57 EUR gewährt.
Mit Schreiben vom 02.07.2007 machte die Rechtsvorgängerin des Beklagten (nachfolgend einheitlich Beklagter) gegenüber der Klägerin einen gesetzlichen Anspruchsübergang nach § 115 SGB X geltend.
Mit Bescheid vom 02.07.2007 gewährte der Beklagte dem Beigeladenen und seiner Familie Leistungen nach dem SGB II u.a. für den 04.06.2007 - 30.06.2007 in Höhe von 1.307,76 EUR und für den 01.07.2007 - 31.07.2007 in Höhe von 1.521,07 EUR. Mit Bescheid vom 20.08.2007 hob der Beklagte die Bewilligung von Leistungen für Juli 2007 gegenüber dem Beigeladenen wegen des erhaltenen Arbeitslosengeldes teilweise in Höhe von 427,98 EUR auf.
Nach vorheriger Einigung zwischen Beigeladenem und Klägerin stellte das Arbeitsgericht Hamburg mit Beschluss vom 14.09.2007 das Zustandekommen und den Inhalt folgenden Vergleiches fest:
"1. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endet aufgrund fristgerechter ordentlicher Arbeitgeberkündigung vom 17.04.2007 zum 31.07.2007. Eine Entgeltfortzahlung erfolgt nicht.
2. Die Beklagte zahlt an den Kläger eine Abfindung in Höhe von EUR 5.000,00 brutto.
...
4. Zwischen den Parteien besteht Einigkeit dahingehend, dass mit der genannten Zahlung der Anspruch des Klägers auf Abrechnung, Arbeitszeitausgleich und Überstunden erledigt ist ebenso wie der Urlaubsanspruch des Klägers. In tatsächlicher Hinsicht besteht Einigkeit dahingehend, dass dem Kläger der gesamte ihm zustehende Urlaub in natura gewährt worden ist.
5. Damit sind alle wechselseitigen finanziellen Ansprüche der Parteien aus dem Arbeitsverhältnis und aus Anlass seiner Beendigung erledigt. "
Am 26.10.2007 zahlte die Klägerin an den Beigeladenen die Abfindung aus. Abgesehen von einer einmaligen Aufforderung zur Vorlage entsprechender Kontoauszüge ist der Beklagte dieser Zahlung an den Beigeladenen nicht weiter nachgegangen.
Der Beklagte machte gegenüber der Klägerin am 10.12.2007, 21.12.2007 und 14.01.2008 einen Erstattungsanspruch in Höhe von 2.400,85 EUR geltend. Am 13.12.2007 widersprach die Klägerin dem Erstattungsbegehren und erklärte, die Zeit vom 17.04.2007 bis zum 31.07.2007 sei wie unbezahlter Urlaub des Beigeladenen zu behandeln. Am 06.02.2008 legte sie "gegen den geltend gemachten Erstattungsanspruch Widerspruch ein", zahlte aber den vom Beklagten geforderten Betrag unter Vorbehalt. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 15.04.2008 als unbegründet zurück. Die Abfindung stelle verkapptes Arbeitsentgelt dar.
Am 22.04.2008 hat die Klägerin Klage erhoben.
Auf einen Antrag der Klägerin auf Verweisung des Rechtsstreits an die Arbeitsgerichtsbarkeit hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 03.12.2009 den Sozialrechtsweg für zulässig erklärt. Der Beschluss ist rechtskräftig geworden.
Am 10.06.2011 hat der Beklagte die "Bescheide" vom 14.01.2008 und 15.04.2008 aufgehoben. Er hat außerdem ein Teilanerkenntnis in Höhe von 689,98 EUR abgegeben, das die Klägerin angenommen hat.
Die Klägerin hat vorgetragen, die Abfindung sei vor allem wegen der langen Betriebszugehörigkeit erfolgt. Die Vereinbarung der ordentlichen Kündigung habe dazu gedient, dem Beigeladenen die Wiederaufnahme einer Beschäftigung zu erleichtern.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie 1.710,87 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat vorgetragen, nach nochmaliger Berechnung der für Juni und Juli 2007 gezahlten Leistungen und unter Abzug der mit Bescheid vom 20.08.2007 aufgehobenen Leistungen bestehe ein Erstattungsanspruch nur noch in Höhe von 1.710,87 EUR.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 17.06.2011 abgewiesen. Der Klägerin stehe kein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch zu, da dem Beklagten jedenfalls in der noch streitigen Höhe ein Anspruch nach § 115 SGB X zugestanden habe. Trotz der Erklärung im Vergleich, dass keine Entgeltfortzahlung erfolgen solle, stelle die Abfindung - auch ihrem Betrag nach - in etwa das Nettogehalt für die Monate Mai bis Juli 2007 dar. Auch die ordentliche Kündigung sei wohl unwirksam gewesen. Ein Verzicht des Beigeladenen auf Entgelt sei nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr möglich gewesen, nachdem die Klägerin ab Erhalt des Schreibens des Beklagten vom 02.07.2007 hinsichtlich des Forderungsübergangs bösgläubig gewesen sei.
Am 22.08.2011 (einem Montag) hat die Klägerin gegen das ihr am 20.07.2011 zugestellte Urteil Berufung eingelegt.
Die Klägerin trägt vor, es könne sich bei der Abfindung schon deshalb nicht um Arbeitsentgelt handeln, da der Beigeladene nicht mehr gearbeitet habe. Eine fristgemäße Kündigung sei erst zum 30.11.2007 möglich gewesen. Es liege auch kein Verzicht des Beigeladenen nach Ende des Arbeitsverhältnisses vor. Mit Vergleichsschluss seien Beendigung und Verzicht vielmehr gleichzeitig eingetreten. Eine Kündigung sei sehr wohl zulässig gewesen, da auch die Videoüberwachung zulässig gewesen sei. Das dreifache Nettogehalt habe nicht 5.000 EUR, sondern lediglich ca. 4.000 EUR ausgemacht. Die Abfindung habe dem Beigeladenen unmittelbar nach dem Vergleich ausgezahlt werden müssen, da andernfalls eine Vollstreckung gedroht hätte.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 17.06.2011 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an sie 1.710,87 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte trägt vor, es handele sich nicht um eine "normale" Abfindung. Immerhin habe der Vorwurf der Unterschlagung im Raum gestanden. Es sei nicht verständlich, warum die Klägerin in Kenntnis des Erstattungsverlangens des Beklagten die volle Summe an den Beigeladenen ausgezahlt habe. Eine Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung gegenüber dem Beigeladenen wegen der Abfindung würde an der Jahresfrist der §§ 45, 48 SGB X scheitern.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten, die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten und die beigezogene Gerichtsakte des Arbeitsgerichts Hamburg (11 Ca196/07) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Eine Prüfung der Zulässigkeit des Sozialrechtswegs findet im Berufungsverfahren nicht statt, § 202 Sozialgerichtsgesetz - SGG - i.V.m. § 17a Abs. 5 Gerichtsverfassungsgesetz - GVG - (vgl. zum Rechtsweg BAG Beschluss vom 12.06.1997 - 9 AZB 5/97 = juris Rn 6, 8).
Das beklagte Jobcenter ist gemäß § 70 Abs. 1 SGG beteiligtenfähig (vgl. BSG Urteil vom 18.01.2011 - B 4 AS 99/10 R = juris Rn 11). Nach § 76 Abs. 3 Satz 1 SGB II ist die gemeinsame Einrichtung als Rechtsnachfolger an die Stelle der bisherigen beklagten Arbeitsgemeinschaft getreten.
Die Berufung ist innerhalb der einmonatigen Frist des § 151 Abs. 1 SGG eingelegt worden. Nach Zustellung des Urteils des Sozialgerichts am 20.07.2011 wäre die Frist eigentlich am 20.08.2011 abgelaufen. Da der 20.08.2011 ein Samstag war, endete die Frist gemäß § 63 Abs. 3 SGG aber erst am 22.08.2011. An diesem Tag ging die Berufung beim erkennenden Gericht ein.
Das Sozialgericht hat die nach Aufhebung der Bescheide vom 14.01.2008 und 15.04.2008 als reine Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG statthafte Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung von 1.710,87 EUR gegen den Beklagten.
Als Anspruchsgrundlage kommt ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung in Betracht (vgl. BSG Urteil vom 15.02.2000 - B 11 AL 45/99 R = juris Rn 27). Der Beklagte hat mit der Zahlung von 1.710,87 EUR zwar eine Leistung der Klägerin i.S.v. § 812 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB - erlangt. Dies geschah jedoch nicht ohne Rechtsgrund. Rechtsgrund für diese Leistung war § 115 Abs. 1 SGB X.
Danach geht der Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf den Leistungsträger bis zur Höhe der erbrachten Sozialleistungen über, soweit der Arbeitgeber den Anspruch des Arbeitnehmers auf Arbeitsentgelt nicht erfüllt und deshalb ein Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat.
Hier hat die Klägerin als Arbeitgeberin des Beigeladenen dessen Ansprüche auf Arbeitsentgelt jedenfalls für Juni und Juli 2007 nicht erfüllt und der Beklagte dem Beigeladenen Leistungen nach dem SGB II erbracht.
Dem Beigeladenen stand für diesen Zeitraum ein Anspruch auf Arbeitsentgelt aus seinem Arbeitsvertrag gemäß §§ 611, 615 Satz 1 BGB nach den Grundsätzen des Annahmeverzugs zu. Der Kläger hatte seine Arbeitsleistung mit seiner Kündigungsschutzklage vom 03.05.2007 ausdrücklich angeboten. Der Arbeitsvertrag war auch weiter gültig. Denn die fristlose Kündigung vom 17.04.2007 ist nach Ziffer 1) des Vergleiches vom 14.09.2007 mit Vereinbarung einer ordentlichen Kündigung zum 31.07.2007 konkludent aufgehoben worden (vgl. hierzu BAG Urteil vom 17.04.1986 - 2 AZR 308/85 = juris Rn 39 ff. und Denck mit insofern zustimmender Anmerkung in SGb 12/86, S 489, 491). Anhaltspunkte für einen Verfall der Entgeltansprüche des Beigeladenen sind nicht ersichtlich. Selbst wenn für die Aufrechterhaltung der Entgeltansprüche Schriftform erforderlich gewesen sein sollte, wäre dem mit Erhebung der Kündigungsschutzklage Genüge getan worden (vgl. BAG Urteil vom 17.04.1986 - 2 AZR 308/85 = juris Rn 47; LAG Köln Urteil vom 19.07.2002 - 4 Sa 21/01 = juris Rn 38 f.; LAG Schleswig-Holstein Urteil vom 30.04.2008 - 6 Sa 436/07 = juris Rn 58).
Der Entgeltanspruch des Beigeladenen ist nicht durch Verzicht untergegangen. Es ist bereits fraglich, ob die Vereinbarung, dass eine Entgeltfortzahlung nicht erfolge, den Entgeltanspruch betrifft. Immerhin ist Entgeltfortzahlung ein Begriff, der üblicherweise die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall betrifft (vgl. das Entgeltfortzahlungsgesetz - EntgFG). Der Kläger war zwar ab dem 19.04.2007 krankgeschrieben. Es ist aber nicht ersichtlich, dass dieser Zustand bis in den Juni 2007 andauerte. Im Übrigen wäre der sechswöchige Anspruch nach § 3 Abs. 1 Satz 1 EntgFG im Juni 2007 bereits ausgelaufen gewesen. Wenn ein regelmäßig gerade nicht zu unterstellender Verzicht auf Entgeltansprüche vereinbart werden soll, muss dies hinreichend deutlich zum Ausdruck kommen (vgl. BSG Urteil vom 16.12.1980 - 3 RK 40/79 = juris Rn 21 ff.; Kater in KassKomm, Stand: April 2011, § 115 SGB X Rn 54).
Jedenfalls wäre ein etwaiger Verzicht unwirksam. Denn die Entgeltansprüche des Beigeladenen für Juni und Juli 2007 waren zum Zeitpunkt des Vergleichsschlusses bereits nach § 115 Abs. 1 SGB X auf den Beklagten übergegangen. Dem Beigeladenen fehlte damit die Verfügungsbefugnis (vgl. BAG Urteil vom 23.09.1981 - 5 AZR 527/79 = juris Rn 20; LAG Schleswig-Holstein aaO Rn 54 ff.; Kater aaO Rn 51, 55, 57, 58, 62; Bieresborn in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl. 2010, § 115 Rn 6). Die Klägerin kann sich gegenüber dem Beklagten nicht nach §§ 404, 412 BGB auf einen etwaigen Verzicht berufen. Denn "zur Zeit der Abtretung" (hier: des Anspruchsübergangs) lag noch kein Verzicht vor (vgl. hierzu BAG Urteil vom 17.04.1986 - 2 AZR 308/85 = juris Rn 45; krit. insofern Denck aaO S 491 ff., der seine Kritik allerdings maßgeblich auf § 117 AFG stützt, der hier keine Rolle spielt). Der Beklagte muss auch nicht gemäß §§ 407 Abs. 1, 412 BGB einen etwaigen Verzicht des Beigeladenen gegenüber der Klägerin gegen sich gelten lassen (vgl. BAG Urteil vom 20.08.1980 - 5 AZR 218/78 = juris Rn 28). Denn der Klägerin als Schuldnerin des Anspruches war zum Zeitpunkt des Vergleichsschlusses aufgrund des Schreibens des Beklagten vom 02.07.2007 bereits der Anspruchsübergang bekannt. Die Kenntnis wird durch die Mitteilung des Sozialleistungsträgers an den Arbeitgeber vermittelt, dass er für einen bestimmten Zeitraum die Sozialleistung zahle oder zahlen werde (vgl. BAG Urteil vom 20.08.1980 - 5 AZR 218/78 = juris Rn 28 f.; Kater aaO Rn 43).
Der Entgeltanspruch des Beigeladenen ist auch nicht durch Erfüllung erloschen. Dabei kann an dieser Stelle dahinstehen, ob ein Teil des Abfindungsbetrages in der Sache Arbeitsentgelt (auch) für Juni und Juli 2007 darstellt. Denn jedenfalls wäre eine etwaige Erfüllung nach §§ 404, 407 Abs. 1, 412 BGB im Verhältnis von Klägerin und Beklagtem nicht zu berücksichtigen.
Für Juni 2007 hat der Beklagte an den Beigeladenen und seine Familie mit Bescheid vom 02.07.2007 1.307,76 EUR und für Juli 2007 zunächst 1.521,07 EUR erbracht, wobei er die Leistungsbewilligung für Juli 2007 wegen des ab dem 18.07.2007 von der Bundesanstalt für Arbeit gewährten Arbeitslosengeldes wieder in Höhe von 427,98 EUR aufgehoben hat.
Aufgrund von § 33 Abs. 5 SGB II i.V.m. § 34b SGB II in der ab dem 01.04.2011 gültigen Fassung (zuvor § 34a SGB II) umfasst der Ersatzanspruch nach § 115 Abs. 1 SGB X auch die an die Familienmitglieder des Beigeladenen gewährten Leistungen (vgl. BAG Urteil vom 21.03.2012 - 5 AZR 61/11 = juris Rn 14 f.; LAG Niedersachsen Urteil vom 23.06.2011 - 4 Sa 1859/10 = juris Rn 27; Nehls aaO Rn 10).
Auf den Streit, ob im Rahmen von § 115 Abs. 1 SGB X die Rechtmäßigkeit der Leistungsgewährung zu prüfen ist (dagegen Bieresborn aaO Rn 5; Kater aaO Rn 14, 36; LAG Niedersachsen aaO Rn 28; vgl. auch ausführlich Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 33 Rn 15a zur cessio legis in § 33 SGB II nF; a.A. ohne nähere Begründung Nehls aaO Rn 10; Pickel in Pickel/Marschner, SGB X, Stand: Oktober 2010, § 115 Rn 18; Pohl in BeckOK-SGB X, Stand: 01.09.2012, § 115 Rn 16), kommt es hier nicht an. Anhaltspunkte für eine Rechtswidrigkeit der Leistungsgewährung sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
Im Hinblick auf den Leistungszeitraum 04.06.2007 bis 31.07.2007 (zum Erfordernis einer sachlichen und zeitlichen Kongruenz vgl. Pohl aaO Rn 17 f.) sind jedenfalls Ansprüche in der hier streitigen Höhe von 1.710,87 EUR übergegangen. Das gilt auch dann, wenn bei der Bestimmung der Höhe der für Juli 2007 gewährten Leistungen die spätere teilweise Aufhebung in Höhe von 427,98 EUR berücksichtigt wird, so dass Leistungen für Juni 2007 in Höhe von 1.307,76 EUR und für Juli 2007 in Höhe von 1.093,09 EUR zu berücksichtigen wären. Diesen Leistungen steht das Arbeitsentgelt für Juni und Juli 2007 gegenüber, wobei angesichts der Arbeitgeberbescheinigung vom 07.02.2007 von einem regelmäßigen monatlichen Bruttogehalt von 1.615,77 EUR auszugehen ist. Hiervon berechnen sich die Freibeträge nach § 30 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 sowie Satz 3 SGB II in der vom 01.10.2005 bis zum 31.12.2010 gültigen Fassung, hier 310 EUR (zur Maßgeblichkeit des Bruttogehalts vgl. Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 30 Rn 10, 15). Ausgehend von der Gehaltsabrechnung für Februar 2007, die bei einem Bruttogehalt von 1.685,82 EUR ein Netto von 1.330,90 EUR auswies, bedeutet dies letztlich ein anzurechnendes Einkommen von ca. 1000 EUR. Auch wenn für Juni 2007 wegen des Leistungsbeginns am 04.06.2007 nur 27/30, also 900 EUR, berücksichtigt werden, sind für beide Monate Ansprüche in der hier streitigen Höhe übergegangen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -.
Anlass, die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, besteht nicht.
Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz - GKG - und ist gemäß §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.
Rechtskraft
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