S 15 AL 531/10

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
15
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 15 AL 531/10
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AL 48/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Beteiligten haben einander Kosten nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Weiterführung einer Antragspflichtversicherung in der Arbeitslosenversicherung.

Der 1958 geborene Kläger war in der Erwachsenenbildung freiberuflich tätig. Zeiten, während derer er einen Lehrauftrag wahrnahm, wechselten sich dabei wiederholt mit Zeiten der Arbeitslosigkeit ab; erstmals im Jahre 2006 - wobei anschließend die Beitragszahlung unterblieb - und dann wieder ab Februar 2009 begründete der Kläger während seiner selbständigen Tätigkeit ein Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag in der Arbeitslosenversicherung.

Ebenso stellte er - nachdem die Beklagte die Antragspflichtversicherung durch Bescheid vom 30.06.2009 wegen des Endes eines Lehrauftrags mit dem 26.06.2009 beendet und er ab dem 27.06.2009 Arbeitslosengeld bezogen hatte - am 21.07.2009 im Hinblick auf einen am 27.07.2009 beginnenden Lehrauftrag den notwendigen Antrag für ein Versicherungspflichtverhältnis nach § 28a Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) - Arbeitsförderung -. Die Beklagte erließ daraufhin am 22.07.2009 einen entsprechenden Bescheid; die Versicherung beginne am 27.07.2009; der Kläger gehöre zum Personenkreis der selbständig Tätigen; es sei ein monatlicher Beitrag in Höhe von 17,64 Euro zu zahlen. Der Bescheid enthielt Hinweise zum Ende des Versicherungspflichtverhältnisses (z.B. beim Bezug einer Entgeltersatzleistung nach dem SGB III und beim Wegfall der Voraussetzungen nach § 28a Abs. 1 S. 1 SGB III) und zu den Mitteilungspflichten des Klägers hinsichtlich der für die Weiterversicherung maßgeblichen Verhältnisse und deren Änderung. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 61 ff. der Leistungsakte verwiesen.

Der Kläger übte sodann ab 27.07.2009 eine Honorartätigkeit für den QW. und im unmittelbaren Übergang in der Zeit vom 14.09.2009 bis 09.10.2009 für das X Bildungszentrum A-Stadt aus. Ab dem 10.10.2009 war er wieder arbeitslos und erhielt (zunächst ab 08.10.2009, später korrigiert auf die Zeit) ab 10.10.2009 Arbeitslosengeld. Die Unterbrechung der selbständigen Tätigkeit teilt er der für die Weiterversicherung zuständigen Stelle der Beklagten nicht mit; die Antragspflichtversicherung wurde dementsprechend weitergeführt.

Ab 28.10.2009 (oder 29.10.2009) nahm der Kläger erneut einen Lehrauftrag (für das Institut WE.) wahr. Die Gewährung von Arbeitslosengeld wurde beendet. Einen erneuten Antrag wegen einer Versicherung nach § 28a SGB III stellte der Kläger nicht. Diese wurde allerdings auf Grund der Unkenntnis der zuständigen Abteilung der Beklagten von der zwischenzeitlichen Unterbrechung dennoch weiter fortgeführt; am 10.12.2009 erließ die Beklagte in diesem Rahmen einen Änderungsbescheid wegen der Beitragshöhe für die Zeit ab 01.01.2010.

Wegen des Endes des Lehrauftrages beim Institut WE. kam es ab dem 19.12.2009 erneut zu einer Unterbrechung der selbständigen Tätigkeit; der Kläger erhielt wiederum Arbeitslosengeld von der Beklagten. Ab dem 11.01.2010 hatte er erneut Lehraufträge beim X-Bildungszentrum - wohl mit kurzen Unterbrechungen - bis 16.04.2010. Der Kläger bezog dann ab dem 26.04.2010 wieder Arbeitslosengeld; ab dem 10.05.2010 meldete er sich aus dem Bezug ab, wobei er mit Beginn am 11. oder 14.06.2010 wieder einen Lehrauftrag beim QW. übernahm. Auch von diesen Veränderungen machte er der für die Versicherung nach § 28a SGB III zuständigen Abteilung der Beklagten keine Mitteilung; die Versicherung wurde dementsprechend durchgehend weitergeführt, obwohl der Kläger bei der jeweiligen Wiederaufnahme der selbständigen Tätigkeit keine erneuten Anträge stellte.

Nachdem ein Ende des Lehrauftrags beim QW. mit dem 15.10.2010 absehbar war, meldete sich der Kläger am 30.09.2010 zum 16.10.2010 arbeitslos. In einem Schreiben vom 06.10.2010 wies er nunmehr die für die Weiterversicherung zuständige Stelle bei der Beklagten auf das Ende der selbständigen Tätigkeit mit dem 15.10.2010 und zudem auf die Arbeitslosmeldung in der Zeit vom 26.04.2010 bis zum 09.05.2010 hin; er habe vergessen, dies zu melden. Die Beklagte überprüfte daraufhin die Leistungsdaten des Klägers und stellte dabei auch die vorangegangenen Unterbrechungen der selbständigen Tätigkeit fest.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 22.10.2010 führte sie daher aus, die Voraussetzungen für die Weiterversicherung nach § 28a SGB III lägen nicht mehr vor, weil die Tätigkeit des Klägers als Selbständiger am 09.10.2009 geendet habe. Die bewilligende Entscheidung werde deshalb "ab 10.10.2009 nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch i.V.m. § 330 Abs. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch aufgehoben". Die überzahlten Beiträge in Höhe von 226,53 Euro würden dem Kläger erstattet.

Mit Bescheid vom 09.11.2010 bewilligte sie dem Kläger sodann - ohne Berücksichtigung der Versicherungszeiten ab dem 10.10.2009 - Arbeitslosengeld für (nur) noch 41 Tage ab dem 16.10.2010.

Der Widerspruch des Klägers vom 10.11.2010 gegen den Bescheid vom 22.10.2010 blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 16.11.2010).

Der Kläger hat daraufhin am 08.12.2010 Klage erhoben.

Zur Begründung macht er wie bereits im Widerspruchsverfahren insbesondere geltend, er bestreite nicht, die Mitteilung einer Unterbrechung seiner freiberuflichen Tätigkeit vergessen zu haben. Dies sei aber nicht fahrlässig geschehen. Als sich der Lehrauftrag beim X-Zentrum seinem für den 09.10.2009 vorgesehenen Ende genähert habe, sei unsicher gewesen, ob sich ein Folgeauftrag anschließen werde. Er habe sich daher vorsorglich arbeitslos gemeldet, "mit der Option, die Arbeitslosmeldung zurückzuziehen", falls er in naher Zukunft doch noch einen Auftrag bekommen sollte. Solange habe er mit der Meldung bei der freiwilligen Arbeitslosenversicherung warten wollen. Dann habe er per Zufall ab 29.10.2009 einen Auftrag bei einem anderen Schulungsinstitut erhalten. Da er in der Zwischenzeit beim Zahnarzt gewesen sei und daher auf den Krankenversicherungsschutz durch den Arbeitslosengeldbezug angewiesen gewesen sei, habe er die Arbeitslosmeldung dennoch nicht stornieren können. Weil er zudem viel zu tun gehabt habe, habe er vergessen, die Unterbrechung seiner selbständigen Tätigkeit bei der für die Weiterversicherung zuständigen Stelle nachträglich noch zu melden. Anlässlich der zweiten Unterbrechung im Dezember 2009 sei ihm aufgefallen, dass er die erste Unterbrechung noch nicht gemeldet habe. Als er in der letzten Woche vor Weihnachten dann aber doch noch einen Folgeauftrag erhalten habe, habe er überlegt, dass es "das Beste wäre", die freiwillige Arbeitslosenversicherung weiterzuzahlen und die Unterbrechungen, wenn seine Tätigkeit ganz enden sollte, nachträglich abrechnen zu lassen; man habe ihm auch gesagt, bei einer Unterbrechung von bis zu 30 Tagen sei eine erneute Prüfung der Aufnahmevoraussetzungen nicht notwendig.

Die Beklagte mache es sich jetzt, nachdem er immerhin für ein Jahr Beiträge eingezahlt habe, zu leicht, wenn sie meine, sie könne wegen eines Regelverstoßes die eingezahlten Beiträge als nichtig behandeln, auch wenn er im Jahre 2006 das Informationsblatt erhalten habe, auf das sich die Beklagte berufe. Die Beklagte habe zudem selbstverständlich gewusst, dass er sich zwischenzeitlich arbeitslos gemeldet gehabt habe, und habe daher den Konflikt zwischen dem Bezug von Arbeitslosengeld und der Fortführung der Weiterversicherung selbst erkennen müssen. Schließlich sei die rückwirkende Abwicklung nach über einem Jahr unverhältnismäßig. Die bisher gezahlten Beiträge würden dadurch wertlos. Bei kurzen Aufträgen, wie sie bei ihm (und anderen Honorarlehrkräften) die Regel seien, sei die wiederholte An- und Abmeldung übermäßig kompliziert. Sie werde damit der sozialen und wirtschaftlichen Situation der selbständig tätigen Lehrkräfte nicht gerecht.

Der Kläger beantragt,
1. den Bescheid vom 22.10.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.11.2010 aufzuheben und
2. festzustellen, dass das Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag nach § 28a SGB III über den 10.10.2009 hinaus fortbestanden hat.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie verteidigt ihre Bescheide.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der zum Kläger geführten Leistungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Die Versicherung des Klägers in der Arbeitslosenversicherung auf der Grundlage von § 28a SGB III endete auf Grund der Unterbrechung seiner selbständigen Tätigkeit und des Bezugs von Arbeitslosengeld ab 10.10.2009.

I. Gegenstand des Rechtsstreits ist die Frage, ob die Versicherungspflicht auf Antrag mit dem 09.10.2009 (von Gesetzes wegen) endete sowie die diesbezüglich ergangene, als Aufhebungsbescheid formulierte Entscheidung der Beklagten in dem angefochtenen Bescheid vom 22.10.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.11.2010.

II. Die Klage ist als Kombination einer Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) mit einer Feststellungsklage (§ 55 SGG) statthaft.

Die Kammer geht im Anschluss an die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 30.03.2011 (B 12 AL 2/09 R) davon aus, dass (sowohl der Beginn wie) das Ende der Weiterversicherung nach § 28a SGB III von Gesetzes wegen und daher grundsätzlich ohne Rücksicht darauf eintritt, ob die Beklagte dies durch einen entsprechenden Bescheid feststellt. Das Rechtsschutzziel des Klägers muss vor diesem Hintergrund in erster Linie darauf gerichtet sein, gerichtlich festgestellt zu sehen, dass (ein gesetzlicher Beendigungstatbestand nicht eingetreten ist und daher) die Versicherung über das von der Beklagten angenommene Ende hinaus fortbestanden hat. Dies kann er (nur) mit einer Feststellungsklage nach § 55 SGG erreichen. Das notwendige Feststellungsinteresse ergibt sich aus den möglichen Auswirkungen der begehrten Feststellung auf einen Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld.

Allerdings muss der Kläger zudem verhindern, dass der (danach nur deklaratorische) Bescheid der Beklagten vom 22.10.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.11.2010 bestandskräftig wird. Auch wenn der Kläger seinem Rechtsschutzziel (allein) durch die Aufhebung des streitigen Bescheides nicht erreicht (wenn gleichzeitig der Feststellungsantrag abgewiesen wird), besteht vor diesem Hintergrund ein Rechtsschutzbedürfnis für die Anfechtungsklage.

Statthaft ist im Ergebnis eine Kombination von Anfechtungs- und Feststellungsklage (vgl. so auch BSG, a.a.O.). Die Formulierung des Klageantrags in diesem Sinne (erst) in der mündlichen Verhandlung und auf Anregung des Gerichts nach § 106 Abs. 1 SGG ist jedenfalls im Wege der - sachdienlichen - Klageänderung möglich (§ 99 Abs. 1 SGG), sofern es sich nicht ohnehin nur um die sachgerechte Auslegung und Formulierung des von Anfang an erkennbaren Begehrens des unvertretenen Klägers handeln sollte (vgl. dazu LSG SH, 25.11.2011 – L 3 AL 24/10).

Die Klage ist schließlich auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben.

III. Die Klage ist jedoch nicht begründet.

1. Der Kläger hat zunächst keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung, die Weiterversicherung habe auch in der Zeit ab dem 10.10.2009 fortbestanden.

a) Nach § 28a Abs. 2 S. 2 Nr. 1 SGB III in der hier maßgeblichen, auf das Gesetz zur strukturellen Weiterentwicklung der Pflegeversicherung vom 28.05.2008 (BGBl. I, S. 874) zurückgehenden und ab 01.07.2008 (bis 31.12.2010) geltenden Fassung (a.F.) endete das Versicherungspflichtverhältnis, wenn der Versicherungsberechtigte eine Entgeltersatzleistung nach dem SGB III bezog. Insofern ist im konkreten Fall unstreitig, dass der Kläger ab dem 10.10.2009 Arbeitslosengeld erhalten hat. Die Weiterversicherung endete nach § 28a Abs. 2 S. 2 Nr. 2 SGB III a.F. überdies, wenn die Voraussetzungen für die Versicherungspflicht auf Antrag nach § 28a Abs. 1 S. 1 SGB III a.F. nicht mehr vorlagen. Die auf die Ausübung einer selbständigen Tätigkeit gestützte Versicherung des Klägers endete daher auch unter diesem Gesichtspunkt mit dem Ende des Lehrauftrags am 09.10.2009. Eine Ruhensregelung, wie sie seit dem 01.01.2011 in § 28a Abs. 4 SGB III vorgesehen ist, war in der hier maßgeblichen Fassung noch nicht enthalten und dürfte im Übrigen auf die hiesige Fallgestaltung auch nicht anwendbar sein.

Das mit dem Bezug von Arbeitslosengeld und der Unterbrechung der selbständigen Tätigkeit verbundene Ende der Versicherungspflicht nach § 28a Abs. 2 S. 2 SGB III a.F. tritt, wie bereits erwähnt, von Gesetzes wegen und unabhängig davon ein, ob die Beklagte dies zusätzlich durch (deklaratorischen) Bescheid feststellt. Bereits der Wortlaut der Vorschrift ist in diesem Sinne formuliert; überdies entspricht ein Beginn und Ende der Versicherungspflicht (allein) auf Grund des Eintritts der entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen der üblichen Struktur der gesetzlichen Versicherungspflicht (vgl. zu der vergleichbaren Versicherung nach § 4 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) – Gesetzliche Rentenversicherung – Voelzke, Versicherungspflicht kraft Gesetz und Versicherung auf Antrag, in: Schulin, Handbuch Sozialversicherungsrecht, Bd. 3: Rentenversicherung, Rdnr. 206). Die Kammer schließt sich daher der Rechtsprechung des BSG in dieser Frage aus eigener Überzeugung an (vgl. zum Beginn der Versicherung nach § 28a SGB III: BSG, 03.06.1999 – B 12 AL 1/08 R – und zum Ende der Versicherungspflicht: BSG, 30.03.2011 – B 12 AL 2/09 R; außerdem LSG SH, 25.11.2011 – L 3 AL 24/10).

b) Die Versicherungspflicht hat auch nicht etwa mit der Wiederaufnahme einer selbständigen Tätigkeit am 28. oder 29.10.2009 erneut begonnen. Die Versicherungspflicht nach § 28a SGB III setzt einen Antrag voraus. Einen (erneuten) Antrag hat der Kläger jedoch nicht gestellt. Der frühere Antrag vom 21.07.2009 war mit dem antragsgemäßen Eintritt der Versicherungspflicht ab dem 27.07.2009 und dem entsprechenden Bescheid vom 22.07.2009 verbraucht. Schon wegen des besonderen Bedürfnisses nach Rechtsklarheit und nach einer eindeutigen Festlegung, wer zum Kreis der Versicherten gehört (vgl. Fuchs, in: Gagel, Komm. z. SGB III/SGB III, § 28a SGB III, Rdnr.11), kann von einem möglichen Fortwirken des Antrags für ein neues Versicherungspflichtverhältnis nicht ausgegangen werden.

Auch wenn man dem Vorbringen im Widerspruchs- und Klageverfahren einen erneuten Antrag entnehmen wollte, könnte dies dem Kläger nicht helfen. Der Antrag muss spätestens innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Tätigkeit, die zur Weiterversicherung berechtigt, gestellt werden (§ 28a Abs. 1 S. 3 SGB III a.F.). Diese Frist war (spätestens) am 29.11.2009 abgelaufen, ohne dass der Kläger einen erneuten Antrag gestellt hatte. Auch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 27 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – ist dem Kläger nicht zu gewähren. Dabei kann offenbleiben, ob eine entsprechende Möglichkeit im Bereich von § 28a SGB III überhaupt besteht (abl. etwa Fuchs, a.a.O., Rdnr. 11). Jedenfalls ist die Säumnis hier nicht, wie von § 27 Abs. 1 S. 1 SGB X verlangt, unverschuldet, da der Kläger nach eigenem Vortrag die Mitteilung der entsprechenden Umstände an die für die Weiterversicherung zuständige Stelle der Beklagten (wiederholt) vergessen bzw. auf Grund eigener, mit der Beklagte nicht abgestimmter und mit seinen Mitteilungspflichten in Widerstreit stehender Überlegungen, was in der konkreten Situation "das Beste" sei, auf später verschoben hat. Die damit einhergehende Entwicklung des Geschehens und damit auch das Unterbleiben einer zeitnahen (erneuten) Antragstellung sind vor diesem Hintergrund nach Auffassung der Kammer nicht unverschuldet, auch wenn man den mit der wiederholten Ab- und Anmeldung verbundenen Aufwand einbezieht. Immerhin war der Kläger zu einem entsprechenden Aufwand bei der wiederholten Arbeitslosmeldung, also dort, wo die Meldung seinen Interessen entsprach, durchaus in der Lage.

c) Durch den Bezug von Arbeitslosengeld ab 10.10.2009 und die Unterbrechung der selbständigen Tätigkeit ab diesem Tag ist damit die gesetzliche Rechtsfolge einer Beendigung der Weiterversicherung eingetreten, ohne dass es der Aufhebung des Bescheides vom 22.07.2009 nach § 48 SGB X bedurft hätte (vgl. für eine entsprechende Fallgestaltung LSG SH, 25.11.2011 – L 3 AL 24/10 – und SG Berlin, 27.03.2011, S 70 AL 4945/09). Der Bescheid vom 22.07.2009 ist auch nicht etwa so ausgestaltet, dass er aus Sicht des Klägers als Empfänger so zu verstehen gewesen wäre, dass die Beklagte ihm eine über das Gesetz hinausgehende Rechtsposition eingeräumt hätte. In dem Bescheid wird vielmehr der Beginn der Weiterversicherung mit dem 27.07.2009 festgehalten; damit werde dem entsprechenden Antrag des Klägers entsprochen. Diesen Formulierungen ist nicht zu entnehmen, dass die Beklagte zu Gunsten des Klägers einen Status als Versicherter hätte festschreiben wollen, der nur noch durch Aufhebungsbescheid – und damit entgegen der gesetzlichen Konzeption eines Endes des Versicherungspflichtverhältnisses von Gesetzes wegen mit dem Eintritt eines Beendigungstatbestandes – hätte beseitigt werden können.

Auf die von den Beteiligten im vorliegenden Rechtsstreit und im Widerspruchsverfahren diskutierten Fragen des Vertrauensschutzes und des möglichen Ablaufs der Jahresfrist nach §§ 48 Abs. 4 S. 1 i.V.m. 45 Abs. 4 S. 1 SGB X kommt es somit nicht an. Die gesetzgeberische Ausgestaltung der Beendigungsregelung dürfte auch die Heranziehung der Grundsätze über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch ausschließen (vgl. BSG, 30.03.2011, a.a.O.); jedenfalls ist ein Beratungsfehler der Beklagten nicht erkennbar, und zwar schon deswegen, weil der Kläger – fahrlässig – der zuständigen Stelle die zum Ende der Weiterversicherung führenden Umstände nicht mitgeteilt hatte, so dass für die Beklagte kein Anlass bestand, ihn über die Notwendigkeit einer erneuten Antragstellung zu belehren. Ohne dass es darauf noch ankäme, dürfte dem Kläger im Übrigen durch (das ihm ausgehändigte Merkblatt und) die vorangegangene Unterbrechung der Weiterversicherung das zutreffende Procedere bekannt gewesen sein.

d) Der Kläger kann schließlich daraus, dass die Beklagte noch am 10.12.2009 einen Änderungsbescheid über die Beitragshöhe erlassen hat, keine Rechte herleiten. Denn die Versicherung war zu diesem Zeitpunkt – wie ausgeführt – bereits kraft Gesetzes beendet.

2. Die Klage kann weiter auch hinsichtlich der Anfechtung des Bescheides vom 22.10.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.11.2010 keinen Erfolg haben. Dabei ist nach der Abweisung des Feststellungsantrags bereits fraglich, ob mit dem Bescheid noch ein Eingriff in die Rechte des Klägers verbunden sein kann; jedenfalls ergibt sich dieser nicht aus der "überschießenden" und ins Leere gehenden Formulierung des Bescheides als Aufhebungsbescheid, nachdem die Weiterversicherung bereits kraft Gesetzes ihr Ende gefunden hatte; im Übrigen sind Rechtsfehler nicht erkennbar.

a) Trotz des Endes der Versicherung kraft Gesetzes (auf der Grundlage von § 28a Abs. 2 S. 2 SGB III a.F.) ist der angegriffene Bescheid zunächst nicht wegen einer etwa fehlenden Verwaltungsaktsbefugnis der Beklagten rechtswidrig. Vielmehr war diese nicht gehindert, das Ende durch (deklaratorischen) Verwaltungsakt festzustellen (vgl. BSG, 30.03.2011 – B 12 AL 2/09 R –, wo ein entsprechender Bescheid ebenfalls unbeanstandet geblieben ist).

b) Nach Auffassung der Kammer liegt auch ein Anhörungsfehler nicht vor, obwohl eine Anhörung vor Erlass des streitigen Bescheides aus der Leistungsakte nicht ersichtlich ist.

Eine Anhörung dürfte nach § 24 Abs. 1 S. 1 SGB X auch notwendig gewesen sein, da die Beklagte mit der Entscheidung – wenn auch nur feststellend – über den Status des Klägers als Versicherter entschieden hat und damit ein Bescheid ergehen sollte bzw. ergangen ist, der ihm (zumindest auch) nachteilig war. Der bloß deklaratorische Charakter des Bescheides dürfte daran nichts ändern (vgl. für die mit dem Anhörungsrecht verbundene Frage der Beiladung in einem Verfahren, das die Feststellung der Versicherungspflicht betraf, grdl. BSG, 22.06.1983 – 12 RK 73/82; für die Anhörungspflicht bei einem deklaratorisch feststellenden Verwaltungsakt auch LSG Sachsen, 22.07.2003 – L 6 LW 16/02 – und von Wulffen, in: ders, SGB X, 7. Aufl. 2010, § 24 Rdnr. 4).

Die Anhörung war zudem nicht nach § 24 Abs. 2 SGB X verzichtbar. Namentlich lag der Ausnahmetatbestand des § 24 Abs. 2 Nr. 3 SGB X schon deswegen nicht vor, weil die Beklagte ihre Entscheidung auf weitere als die vom Kläger im Schreiben vom 06.10.2010 angegebenen Zeiträume erstreckt hat; auch sonst ist ein Ausnahmetatbestand nicht ersichtlich.

Die fehlende Anhörung ist jedoch mit heilender Wirkung nachgeholt worden (§ 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X). Insofern genügt für die Heilung im Widerspruchsverfahren, dass der Ausgangsbescheid alle für die Entscheidung wesentlichen Umstände enthält und sich der Kläger zu diesen äußern kann – was er im konkreten Fall in seinem Widerspruchsschreiben vom 10.11.2010 auch ausführlich getan hat.

Fraglich könnte insofern allein sein, ob der Ausgangsbescheid alle entscheidungserheblichen Tatsachen enthielt, obwohl die Beklagte ihre als Aufhebungsbescheid formulierte Entscheidung auf § 48 Abs. 1 S. 2 SGB X (i.V.m. § 330 Abs. 3 SGB III) – konkret offenbar § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 oder Nr. 4 SGB X – stützte, der Ausgangsbescheid aber dennoch auf die subjektiven Aufhebungsvoraussetzungen nicht einging.

Nach Auffassung der Kammer kann allerdings der bloß deklaratorische, auf die Feststellung des Endes der Versicherungspflicht kraft Gesetz beschränkte Inhalt der von der Beklagten richtigerweise zu treffenden Entscheidung nicht ohne Einfluss auf den Umfang der notwendigen Anhörung bleiben. Entscheidend ist insofern, dass sich der Betroffene zur Wahrung rechtlichen Gehörs nur zu den tatsächlichen Umständen muss äußern können, die für die Entscheidung von Bedeutung sind. Insofern ist zwar weitgehend anerkannt (wenn auch nicht gänzlich unumstritten), dass es in diesem Zusammenhang auf die Rechtsauffassung der Behörde ankommt; es liegt daher kein Anhörungsfehler vor, wenn diese rechtsirrig eine bestimmte Tatsache nicht für entscheidungserheblich gehalten und daher zu dieser nicht angehört hat (vgl. von Wulffen, a.a.O., Rdnr. 9 m.Nw. aus der Rspr. des BSG). Diese Rechtsprechung zielt darauf ab, dass ein materiell-rechtlicher (möglicherweise korrigierbarer) Fehler der Behörde, also ein Irrtum hinsichtlich der anzuwendenden Rechtssätze und deren Voraussetzungen, nicht als (möglicherweise unkorrigierbarer) Verfahrensfehler zu behandeln ist, und trägt dem Umstand Rechnung, dass die Behörde sinnvollerweise nur zu den Umständen anhören kann, die aus ihrer Sicht für die Entscheidung bedeutsam sind.

Diese Überlegungen tragen im umgekehrten Falle, wenn also die Behörde – wie hier – irrtümlich Umstände für bedeutsam hält, auf die es tatsächlich gar nicht ankommt, nicht. Eine Beeinträchtigung sachgerechter Äußerungsmöglichkeiten des Klägers ist mit einem derartigen Irrtum der Behörde nicht verbunden; Ausführungen zu Umständen, die letztlich nicht entscheidungserheblich sind, könnten seine rechtliche Situation ohnehin nicht verbessern. Eine unterlassene Anhörung zu Umständen, auf die es rechtlich nicht ankommt (auch wenn die Behörde fälschlich davon ausgegangen ist), kann damit weder eine regelrecht nach § 24 Abs. 1 SGB X erfolgte Anhörung als unzureichend erscheinen lassen noch steht sie einer Heilung nach § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X im Wege.

Im konkreten Falle erwähnte der Ausgangsbescheid vom 22.10.2010 den für das Ende der Versicherungspflicht kraft Gesetzes (und deren Feststellung durch Bescheid) allein ausreichenden Umstand, dass die selbständige Tätigkeit des Klägers mit dem 09.10.2009 geendet hatte. Hierzu konnte sich der Kläger dementsprechend äußern (und hat dies auch getan). Der Anhörungsmangel ist damit nach Auffassung der Kammer geheilt, ohne dass es noch darauf ankäme, ob insofern auch der Umstand ausreichen könnte, dass sich der Kläger in seinem Widerspruchsschreiben ohnehin umfassend zu den tatsächlichen Umständen eingelassen hat.

c) In der Sache besteht aus den oben unter III.1. genannten Gründen kein Anlass, den angegriffenen Bescheid aufzuheben. Soweit die Beklagte statt der Feststellung des Endes des Versicherungsverhältnisses bzw. über diese hinausgehend eine Aufhebungsentscheidung formuliert hat, ging dies ins Leere. Eine Verletzung des Klägers in seinen Rechten ergibt sich daraus nicht, so dass die Klage auch insoweit keinen Erfolg haben kann.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
Saved