L 1 KR 188/10

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 28 KR 2441/08
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 188/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
verkündet am 19. Oktober 2012

Az.: L 1 KR 188/10
Az.: S 28 KR 2441/08
Berlin

Im Namen des Volkes
Urteil

In dem Rechtsstreit

B W,
A Str., B,

- Kläger und Berufungsbeklagter -

Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt H R
Lstr., F,

gegen

AOK Nordost
Die Gesundheitskasse,
Behlertstraße 33a, 14467 Potsdam,
Gz.:

- Beklagte und Berufungsklägerin -

hat der 1. Senat des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg auf die mündliche Verhandlung vom 19. Oktober 2012 durch den Vorsitzenden Richter am Landessozialgericht Weinert, den Richter am Landessozialgericht Pfistner und den Richter am Sozialgericht Clauß sowie die ehrenamtliche Richterin Bela-van Eek und den ehrenamtlichen Richter Lorenz für Recht er-kannt:

Die Berufung wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der monatliche Beitrag zur Krankenversicherung in der Zeit vom 01. März 2008 bis 30. Juni 2008 12,00 EUR monatlich und in der Zeit vom 01. Juli 2008 bis 31. Dezember 2008 11,01 EUR monat-lich und in der Zeit vom 1. Januar 2009 bis 30. Juni 2009 14,46 EUR monatlich be-trägt.

Die Beklagte hat dem Kläger auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu erstat-ten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die besondere Zuwendung für Haftopfer nach § 17 a des Gesetzes über die Rehabilitierung und Entschädigung von Opfern rechtsstaatswidriger Strafverfolgungsmaßnahmen im Beitrittsgebiet (Strafrechtliches Rehabilitierungsgesetz StrRehaG ) bei der Berechnung des Beitrages zur Krankenversicherung zu berücksichtigen ist.

Der im Jahr 1947 geborene Kläger bezieht eine Rente wegen Erwerbsminderung in Höhe von 742,24 EUR (März 2007 bis Juni 2007) bzw. 746,12 EUR (Juli 2007 bis Juni 2008) und 754,19 EUR (ab Juli 2008). Er ist bei der Beklagten seit dem 01. April 2007 nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 Sozialge-setzbuch Fünftes Buch (SGB V) pflichtversichert.

Mit Schreiben vom 22. Mai 2007 teilte ihm die Rechtsvorgängerin der heutigen Beklagten, die AOK Berlin (nachfolgend nur noch: die Beklagte) mit, dass Beiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung ab 01. April 2007 auf Grundlage der aktuell geltenden Mindestbemes-sungsgrenze von monatlich 816,67 EUR zu entrichten seien. Die Beiträge aus der gesetzlichen Rentenversicherung erhalte sie vom Rentenversicherungsträger. Auf Grundlage der Differenz zur Mindestbemessungsgrenze (Auffüllbetrag) in Höhe von 74,43 EUR setzte sie als Beitrag für die Krankenversicherung 9,61 EUR monatlich fest.

Sie bestimmte mit Schreiben vom 27. Dezember 2007 den Beitrag zur Krankenversicherung auf 11,11 EUR monatlich ab 01. Januar 2008. Die Mindestbemessungsgrenze betrage für das Jahr 2008 828,33 EUR. Es werde deshalb ein Auffüllbetrag zum Mindesteinkommen in Höhe von 86,09 EUR berücksichtigt.

Mit Bescheid vom 25. Februar 2008 gewährte die zuständige Behörde dem Kläger erstmals die besondere Zuwendung für Haftopfer nach § 17 a StrRehaG in Höhe von monatlich 250,00 EUR

Die Beklagte setzte daraufhin mit Bescheid vom 23. Juli 2008 den Beitrag zur Krankenversi-cherung (rückwirkend) ab 01. März 2008 auf 32,25 EUR monatlich fest. Das Einkommen des Klä-gers habe sich geändert. Ab dem Zeitpunkt seien 250,00 EUR zu berücksichtigen.

Der Kläger erhob Widerspruch. Die Entschädigungsleistung nach dem StrRehaG dürfte als besondere Zuwendung für Haftopfer nicht der Berechnung der Beiträge zugrunde gelegt wer-den. Der Anspruch sei unantastbar, unpfändbar und nicht übertragbar.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 14. Oktober 2008 zurück. Die besondere Zuwendung für Haftopfer nach § 17 a StrRehaG sei nach der Besprechung des Arbeitskreises Versicherungen und Beiträge der Spitzenverbände der Krankenkassen vom 06. März 2008 den beitragspflichtigen Einnahmen nach § 240 SGB V zuzurechnen. Die Zu-wendung wirke sich auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit aus. Ihr komme eine Einkom-mensfunktion zu.
Da der Kläger nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V gesetzlich krankenversichert sei, fänden auf ihn die Grundsätze der Beitragsbemessung für freiwillig versicherte Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung Anwendung (§ 227 SGB V). Nach § 240 Abs. 1 SGB V werde die Bei-tragsbemessung durch die Satzung geregelt. Nach § 19 Abs. 1 der Satzung der Beklagten gehö-re zu den beitragspflichtigen Einnahmen freiwilliger Mitglieder das Arbeitsentgelt sowie alle Einnahmen und Geldmittel, die für den Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbraucht werden könnten (bis zur Höhe der Beitragsbemessungsgrenze), ohne Rücksicht auf ihre steuer-liche Behandlung. Mit der monatlichen Entschädigungszahlung solle eine wirtschaftliche Be-einträchtigung der Haftopfer teilweise ausgeglichen werden. Sie werde unter Anrechnung be-stimmter Einkommen gezahlt. Der besonderen Zuwendung komme auch keine der Grundren-ten nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) vergleichbare Sonderstellung zu, die es recht-fertige, sie im Beitragsrecht der freiwilligen Krankenversicherung nicht als beitragspflichtige Einnahme anzusehen. Zwar beruhe auch die Zuwendung auf einem ideellen Ausgleich für ein vom Einzelnen erbrachtes Opfer, für das die staatliche Gemeinschaft verantwortlich sei oder die Verantwortung übernehme. Anders aber als bei der BVG Grundrente stehe bei der beson-deren Zuwendung nach § 17 a StrRehaG die materielle Komponente im Vordergrund. Rechts-grundlage für die rückwirkende Feststellung ab 01. März 2008 sei § 48 Sozialgesetzbuch Zehn-tes Buch (SGB X), da die Änderungen der Einkommensverhältnisse nicht unverzüglich mitge-teilt worden seien.

Der Kläger hat hiergegen am 14. November 2008 Klage beim Sozialgericht Berlin (SG) erho-ben. Zur Begründung hat er ergänzend vorgebracht, eine Erhebung von Beiträgen auf die be-sondere Zuwendung für Haftopfer verstoße auch gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Grundgesetzes. Normal gesetzlich Krankenversicherte zahlten hierauf nämlich keine Sozialab-gaben. Soweit Rentenleistungen bezogen würden, bliebe die besondere Zuwendung in jeglicher Hinsicht außer Betracht. Der Gesetzgeber habe den Haftopfern eine abzugsfreie dauerhafte Entschädigung für erlittenes Unrecht in der ehemaligen DDR zur Verfügung stellen wollen. Nichts anderes könne deshalb gelten, wenn eine Differenz zwischen (Renten )Einkommen und der Mindestbemessungsgrenze bestehe. Soweit die Satzung der Beklagten anderes regele, ver-stoße die Satzung gegen das Gesetz.

Die Beklagte hat darauf hingewiesen, dass über §§ 227, 240 SGB V die gesamte wirtschaftli-che Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen sei.

Mit Bescheid vom 26. Januar 2009 hat die Beklagte unter Zugrundelegung der 250,00 EUR den Krankenversicherungsbeitrag ab 01. Januar 2009 auf 37,25 EUR festgesetzt (neuer Beitragssatz nach § 243 SGB V).

Mit Schriftsätzen vom 24. Juni 2009 bzw. vom 25. Juni 2009 haben sich die Beteiligten in ei-nem Verfahrensvergleich geeinigt, den Streitgegenstand auf die Beiträge zur Krankenversiche-rung (und nicht auch zur Pflegeversicherung) zu beschränken und ferner in der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 30. April 2010 auf Beiträge für den Zeitraum 01. März 2008 bis 30. Juni 2009.

Das SG hat mit Urteil vom 30. April 2010 den Bescheid vom 23. Juli 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14. Oktober 2008 sowie den Bescheid vom 26. Januar 2009 teil-weise insoweit aufgehoben, als darin Beiträge zur Krankenversicherung für den Zeitraum März 2008 bis Juni 2009 unter Berücksichtigung der besonderen Zuwendung für Haftopfer nach § 17 a StrRehaG als Einkommen festgesetzt würden. Zur Begründung hat es ausgeführt, im Rahmen der Beitragsbemessung gemäß § 227 SGB V nach den für freiwillige Mitglieder geltenden Bemessungsvorschriften des § 240 SGB V dürfe die Zuwendung für Haftopfer nicht zugrunde gelegt werden. Das Bundessozialgericht (BSG) habe nämlich bestimmte Einnahmen als nicht dem Lebensunterhalt dienend qualifiziert. So habe es die Grundrente nach § 31 BVG als nicht von der Beitragspflicht umfasst angesehen, da diese die wirtschaftliche Leistungsfä-higkeit im Sinne des § 240 SGB V nicht erhöhe und die Grundrente nach § 31 BVG nahezu im gesamten Rechtssystem privilegiert werde, indem sie nicht als Einkommen gewertet werde, das zur Bestreitung des Lebensunterhaltes diene (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 24. 01. 2007 B 12 KR 28/05 R ). Die der Grundrente nach § 31 BVG vergleichbare Sonderstellung der Haftopferentschädigung ergebe sich aus §§ 16 Abs. 4, 17 a Abs. 5 StrRehaG. Die Zuwendung sei weder pfändbar und übertragbar. Sie könne als Einkommen bei Sozialleistungen, deren Gewährung von anderen Einkommen abhängig sei, nicht berücksichtigt werden. Diese Rege-lungen dienten der Gewährleistung, dass die Zuwendung ausschließlich dem politischen Häft-ling zugute komme (Bezugnahme auf BT Drucksache 16/4842 Seite 7). Der Zurechnung zu den beitragspflichtigen Einnahmen stehe ferner entgegen, dass ihr eine wesentlich ideelle Komponente zukomme. Sie solle die wirtschaftliche Situation der Opfer der SED Diktatur zu verbessern. Der Ausgleich beruflicher Nachteile erfolge bereits über die Regelungen des Ge-setzes über den Ausgleich beruflicher Benachteiligungen für Opfer politischer Verfolgung im Beitrittsgebiet (Berufliches Rehabilitierungsgesetz BerRehaG ). Zwar handele es sich nach der Gesetzesbegründung um einen Ausgleich für verfolgungsbedingte wirtschaftliche Bedürf-tigkeit, so dass auch Elemente eines materiellen Schadensausgleiches vorhanden seien. Diese stünden aber nicht im Vordergrund. Auch sei entgegen der Formulierung in der Gesetzesbe-gründung "verfolgungsbedingt" für die Zuwendung nicht vorausgesetzt, dass ein kausaler Zu-sammenhang zwischen der Bedürftigkeit und der früheren Haft nachgewiesen oder auch nur glaubhaft gemacht werde. Dies sei deshalb eine besondere, über das Maß anderer Existenzsi-cherungsleistungen hinausgehende Leistung an besonders schwer betroffene Haftopfer bei Be-dürftigkeit. Der materielle Schadensausgleich stehe deshalb hinter der ideellen Zwecksetzung zurück.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten vom 08. Juni 2010.
Obgleich die Zuwendung nach § 17 a StrRehaG nach der Gesetzesbegründung ein Ausgleich für verfolgungsbedingte wirtschaftliche Bedürftigkeit sein solle, werde sie nur einkommensab-hängig für Berechtigte, die in ihrer wirtschaftlichen Lage besonders beeinträchtigt seien, ge-währt. Damit diene sie dem Ausgleich wirtschaftlicher Nachteile, anders als die Grundrente nach § 31 BVG. Die generalklauselartige Satzungsbestimmung der Beklagten - alle Einnahmen und Geldmittel, die für den Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbraucht werden könn-ten, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung - sei möglich gewesen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Berlin vom 30. April 2010 abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die angegriffene Entscheidung. Die besondere Zuwendung sei eine staatliche Leistung sui generis, die dem Bezieher vollständig und abzugsfrei zur Verfügung stehen solle. Der Kläger wiederholt sein Vorbringen einer Ungleichbehandlung. Soweit die Beklagte auf die Beschränkung der Zuwendung für besonders Bedürftige abstelle, verkenne sie, dass der über-wiegende Personenkreis bereits im Rentenalter stehe und Renten insoweit nicht berücksichtigt würden.

Auf die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze und die von ihnen eingereichten Unter-lagen, insbesondere die Satzung der AOK Berlin Stand 01.04.2007, die Beitragsverfahrens-grundsätze Selbstzahler vom 27. Oktober 2008 sowie die Niederschrift über die Besprechung des Arbeitskreises Versicherung und Beiträge der Spitzenverbände der Krankenkassen am 24. Oktober 2008, wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist nach § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Wie das SG im angegriffe-nen Urteil zutreffend ausgeführt hat, ist § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG nicht einschlägig, weil hier eine laufende Leistung für mehr als ein Jahr im Streit ist (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).

Die Klage ist als Anfechtungsklage zulässigund begründet.

Zur Klärung der rechtmäßigen Beitragshöhe genügt allein die Anfechtungsklage. Es bedarf keines (weiteren) Antrags, die Krankenkasse zur Berechnung des Beitrags in zutreffender Höhe zu verpflichten (BSG, Urteil vom 30. März 1995 12 RK 11/94 , unter Bezugnahme auf BSGE 64, 100, 102).

Die Beiträge gesetzlich Krankenversicherter nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V richtet sich nach § 227 SGB V entsprechend den Regelungen für freiwillig Versicherte. § 240 Abs. 1 SGB V be-stimmte für diesen Personenkreis bis zum 31. Dezember 2008, dass die Beitragsbemessung durch die Satzung der Krankenkasse geregelt werde. Inhaltlich war und ist dabei sicherzustel-len, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtige. Nach § 19 Abs. 1 der Satzung der Beklagten gehörten zu den bei-tragspflichtigen Einnahmen (bis zur Beitragsbemessungsgrenze sowie mit Mindestbetragsrege-lung) Arbeitsentgelt sowie alle Einnahmen und Geldmittel, die für den Lebensunterhalt ver-bracht werden oder verbraucht werden könnten, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behand-lung.

Seit 1. Januar 2009 wird die Beitragsbemessung nach Maßgabe derselben gesetzlichen Vorga-be für alle Krankenkassen einheitlich durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen ge-regelt. Nach § 2 Abs. 1 und § 3 Abs. 1 der vom GKV-Spitzenverband am 27.10.2008 erlasse-nen "Einheitlichen Grundsätze zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung und weiterer Mitgliedergruppen sowie zur Zahlung und Fälligkeit der von Mitgliedern selbst zu entrichtenden Beiträge (Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler)", welche nach § 1 Abs. 1 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler auch für die Mitglieder, für die § 240 SGB V entsprechend anwendbar erklärt wird, Geltungswirkung entfaltet, werden die Beiträge weiterhin nach den beitragspflichtigen Einnahmen des Mitglieds bemessen, wobei die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen ist. Konkret sind das Arbeits-entgelt, das Arbeitseinkommen, der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, der Zahlbetrag der Versorgungsbezüge sowie alle Einnahmen und Geldmittel, die für den Le-bensunterhalt verbraucht werden oder verbraucht werden können, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung zugrunde zu legen.
Die genannten Regelungen der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler füllen § 240 SGB V lediglich klarstellend aus und weichen nicht vom Gesetz ab (so zutreffend LSG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 03.11.2011 – L 5 KR 203/10 juris Rdnr. 12 mit Bezugnahme zur Problematik der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler auf LSG Baden-Württemberg 16.08.2011 -L 11 KR 3165/10; Hessisches LSG 21.02.2011 - L 1 KR 327/10 B ER).

Im Ergebnis stellt die besondere Zuwendung für Haftopfer, anders als dies das SG angenom-men hat, aus Sicht des Senats nicht per se keine Einnahme im Sinne des § 240 Abs. 1 SGB V dar (ebenso bereits Urteil des LSG Rheinland Pfalz; hiergegen ist die Revision beim BSG -B 12 KR 22/11 R- anhängig). Sie kann nicht gleichgestellt werden mit der Grundrente nach § 31 BVG:

Es gilt für die Beitragsbemessung ganz allgemein der Grundsatz, dass die gesamte wirtschaftli-che Leistungsfähigkeit von den Einnahmen und nicht von der Bedarfssituation des Mitglieds bestimmt wird. Nach dem Urteil des BSG vom 24. Januar 2007 (B 12 KR 28/05 R) sind des-halb grundsätzlich alle Einnahmen bei der Ermittlung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit im Sinne des § 240 Abs. 1 Satz 2 SGB V zu berücksichtigen, anders als nach der Rechtslage vor In Kraft Treten dieser Vorschrift. So sind auch Sozialleistungen wie das Wohngeld, Mehr-bedarfszuschläge nach den §§ 22, 23 Bundessozialhilfegesetz und die Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung der Beitragsbemessung unterworfene Einnahmen (BSG, a. a. O., Rdnr. 15 m. w. N.). Auch die Grundrente nach § 31 BVG sei insoweit nicht bereits ausdrücklich von der Beitragspflicht für freiwillige Mitglieder der gesetzlichen Krankenversi-cherung ausgeschlossen, wie dies in § 224 Abs. 1 SGB V für Krankengeld, Mutterschaftsgeld und Erziehungsgeld sowie in § 240 Abs. 2 Satz 2 SGB V für den Existenzgründungszuschuss geregelt sei. Auch aus der Tatsache, dass die Grundrente nicht zu den für Pflichtmitglieder bei-tragspflichtigen Einnahmen gehöre, lasse sich nicht auf die Beitragsfreiheit bei freiwillig Ver-sicherten schließen, weil bei Letzteren zulässig auch andere Einnahmen als bei Pflichtversi-cherten beitragspflichtig sein könnten. Auch die Privilegierung der Grundrente im Einkom-menssteuerrecht rechtfertige dies nicht. Die steuerliche Privilegierung von Einnahmen, insbe-sondere die nach § 3 Einkommenssteuergesetz (EStG), seien in der Regel im Beitragsrecht nicht zu übernehmen (BSG, a. a. O., Rdnr. 17). Die Grundrente unterscheide sich aber von den genannten Geldleistungen und auch von den ansonsten in § 3 EStG genannten Einkünften da-durch, dass sie im gesamten Rechtssystem privilegiert sei, als sie nahezu überall nicht als Ein-kommen gewertet werde, das zur Bestreitung des Lebensunterhalts zur Verfügung stehe. So werde sie im Sozialrecht bei einkommensabhängigen Leistungen nicht berücksichtigt, so bei den Regelungen über die Belastungsgrenzen bei Zuzahlungen in der gesetzlichen Krankenver-sicherung nach § 62 Abs. 1 und 2 Satz 4 SGB V, bei der Gewährung von Grundsicherungsleis-tungen nach § 11 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgesetzbuches Zweites Buch (SGB II) und nach § 82 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII).

Im Gegensatz zur Grundrente nach § 31 BVG wird die besondere Zuwendung für Haftopfer nach § 17 a StrRehaG in § 62 Abs. 2 SGB V bei der Berechnung der Zuzahlungsgrenze nicht ausdrücklich ausgeschlossen. Gleiches gilt für § 11 a SGB II (Nicht zu berücksichtigendes Einkommen) und § 82 SGB XII. Das BSG hebt ausdrücklich auf die besondere Privilegierung der Grundrente nach dem BVG oder der Gesetze, die auf das BVG verweisen, ab (BSG, a. a. O., Rdnr. 18).

Nach § 16 StrRehaG begründet die Rehabilitierung einen Anspruch auf soziale Ausgleichsleis-tungen für Nachteile, die den Betroffenen durch eine Freiheitsentziehung entstanden sind. Die Leistungen bleiben als Einkommen bei Sozialleistungen, deren Gewährung von anderen Ein-kommen abhängig ist, unberücksichtigt (§ 16 Abs. 4 StrRehaG). Die Leistungen der Kranken-versicherung sind zwar Sozialleistungen nach §§ 11, 21 Sozialgesetzbuch Erstes Buch, deren Gewährung aber nicht von anderen Einkommen abhängig ist. Nach den Grundsätzen der ge-setzlichen Krankenversicherung erhalten aber alle Versicherten einkommensunabhängig die-selben Leistungen nach § 2 SGB V.

Wird bei einem freiwillig krankenversicherten Bezieher der besonderen Zuwendung für Haft-opfer oder einem Pflichtversicherten wie dem Kläger nach § 5 Nr. 13 SGB V die Zuwendung nicht normal angerechnet, trägt insoweit die Solidargemeinschaft aller Versicherten, aber nicht die Allgemeinheit die damit verbundene Vergünstigung der Haftopfer. Die mit der Einführung des § 17 a StrRehaG bezweckte Verbesserung der Situation der Opfer der SED Diktatur (vgl. BT Drucksache 16/4842 Seite 1), in dem eine monatliche Zuwendung für diejenigen ehemali-gen politischen Häftlinge gewährt wird, deren wirtschaftliche Lage besonders beeinträchtigt ist, ist jedoch eine allgemeine staatliche Aufgabe.
Die höhere Beitragsleistungspflicht der nach § 5 Nr. 13 SGB V Pflichtversicherten sowie der freiwillig versicherten Rentenbezieher durch Berücksichtigung anderer Einnahmen als den Renten gegenüber den Versicherten in der Krankenversicherung der Rentner (§ 5 Nr. 11 SGB V; KVdR) stellt keine verfassungsrechtlich relevante Ungleichbehandlung im Sinne des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz dar. Die in der KVdR Versicherten werden vom Gesetz bewusst hinsichtlich der Beitragspflicht privilegiert (im Ergebnis ebenso bereits Urteil des Senats vom 22. März 2011 L 1 KR 353/09 , grundsätzlich ebenso: BSG, Urteil vom 17. Juli 1997 12 RK 2/97 , juris Rdnr. 11).

Die Beklagte durfte jedoch die besondere Zuwendung nicht der Beitragsbemessung zu Grunde legen, weil dafür die Regelungen in § 19 der Satzung der Beklagten bzw. § 3 Abs. 1 der Bei-tragsgrundsätze als normative Grundlage nicht ausreichen:

Generalklauselartigen Regelungen wie § 19 der Satzung der Beklagten in den Satzungen der Krankenkassen reichten grundsätzlich bis zur Neufassung des § 240 SGB V zum 01. Januar 2009 aus. Grundsätzlich beschränkt nämlich § 240 Abs. 1 Satz 2 SGB V die Bei-tragsbemessung nicht auf bestimmte Einkunftsarten und deren Zweckbestimmung. Die wirt-schaftliche Leistungsfähigkeit im Sinne des § 240 Abs. 1 Satz 2 SGB V wird von den Einnah-men und nicht von der Bedarfssituation des Mitglieds bestimmt.
Für die Bestimmung der beitragspflichtigen Einnahmen der freiwilligen Mitglieder durch die Satzung der Krankenkasse reichte deshalb eine Generalklausel aus, um neben den im Gesetz genannten beitragspflichtigen Einnahmen der versicherungspflichtig Beschäftigten auch andere Einnahmen der freiwillig Versicherten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen, die bereits in der ständigen Rechtsprechung des BSG als Einnahmen zum Lebensunterhalt anerkannt worden waren. Lediglich wenn die Feststellung der beitragspflichtigen Einnahmen auf erhebliche Schwierigkeiten stießen oder verschiedene Berechnungsweisen zur Verfügung standen und sich dem Gesetz keine eindeutigen Bewertungsmaßstäbe entnehmen ließen, setzte die Berück-sichtigung der Einnahmen eine konkretisierende Satzungsregelung voraus (so weitgehend wörtlich: BSG, Urteil vom 27. Januar 2010 B 12 KR 28/08 R , Rdnr. 15 m. w. N.).

Die besondere Haftopferentschädigung nach § 17 a StrRehaG wirft zwar keine besonderen Probleme mit verschiedenen Berechnungsmöglichkeiten aufweist (so hierzu LSG Rheinland-Pfalz, a. a. O. Rdnr. 12). Sie war und ist jedoch keine typische Einnahme. Es gab und gibt in-soweit keine eindeutigen Bewertungsmaßstäbe, welche eine Aufteilung als Einnahme ganz oder teilweise ermöglichen könnte:
Dies zeigen bereits die Regelungen in §§ 16, 17 a StrRehaG. Obgleich sie die wirtschaftliche Situation ehemaliger politischer Häftlinge der SED Diktatur verbessern soll, kommt ihr eine ideelle Funktion zu. Sie ähnelt den Schmerzensgeldzahlungen, welche nach der Rechtspre-chung des BSG ohne (Satzungs-)Regelung nicht beitragspflichtig sein konnten und können. Das SG hat hier gut vertretbar aufgezeigt, weshalb aufgrund der ideellen Zielrichtung eine Be-handlung als Einnahme generell abgelehnt werden kann. Der Betroffene muss aber ohne weite-res erkennen können, welche Einnahmen im weiteren Sinne beitragspflichtig sind. "Nur bei Satzungsregelungen, die für die nicht bereits anerkannten beitragspflichtigen Einnahmen we-nigstens in einem gewissen Umfang konkretisierte Regelungen enthalten", können die Mitglie-der erkennen, mit welchen Beitragsbelastungen sie zu rechnen haben (so BSG, Urt. v. 22.05.2003 –B 12 KR 12/02 R juris-Rdnr. 25).

Dies gilt in besonderem Maße für die Zeit ab 01. Januar 2009. Mit der Kompetenzverlagerung von der einzelnen Krankenkasse auf den GKV Spitzenverband hat die Intensität dessen Rege-lungen aufgrund ihrer Größe und Breitenwirkungen und des weit höheren potentiellen Bei-tragsvolumens erheblich zugenommen. Dessen Regelungen müssen deshalb konkreter sein bzw. die Regelungen müssen ein höheres Maß an Bestimmtheit aufweisen (so zutreffend weit-gehend wörtlich Sächsisches SG, Urteil vom 25. Januar 2012 L 1 KR 145/11 , juris Rdnr. 49 mit Bezugnahme auf Peters in: Kasseler Kommentar, § 240 SGB V Rdnr. 26).

Dass die Beitragsgrundsätze durch einen "Katalog von Einnahmen und deren beitragsrechtliche Bewertung nach § 240 SGB V" ergänzt werden, welche der Arbeitskreis Versicherung und Beiträge der Spitzenverbände der Krankenkassen am 24. Oktober 2008 beschlossen haben und in welchem auch die besondere Zuwendung als Einnahme aufgeführt wird, führt zu keinem anderen Ergebnis:

Es fehlt insoweit an einer Regelung des GKV-Spitzenverbandes im Sinne des § 240 Abs. 1 SGB V.
Der Katalog nimmt auch nicht für sich in Anspruch, Rechtsgrundlage für die Beitragspflicht der darin aufgezählten Einnahmearten zu sein, sondern verweist vielmehr auf die Vorschriften der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler, die nach Auffassung der Besprechungsteilneh-mer Rechtsgrundlage für die Beitragspflicht sind (so zutreffend wörtlich Sächsisches LSG, a. a. O. Rdnr. 43), hier also der § 3 Abs. 1 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und entspricht dem Aus-gang des Verfahrens.

Die Revision war nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen (grundsätzliche Bedeutung).
Rechtskraft
Aus
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