Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 4 R 783/11 ER WA
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 R 304/11 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag des Antragstellers im Beschwerdeverfahren auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 01. Juni 2010 wird als unzulässig verworfen.
Der Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 09. August 2011 wird abgeändert und es wird festgestellt, dass die Anfechtungsklage vom 27. Dezember 2010 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 01. Juni 2010, geändert durch Bescheid vom 16. Juni 2010, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. November 2010 und des Überprüfungsbescheides vom 05. April 2011 aufschiebende Wirkung hat.
Die Beteiligten tragen die Kosten beider Verfahrenszüge jeweils zur Hälfte.
Der Streitwert wird für beide Instanzen auf jeweils 146.403,22 EUR festgesetzt.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Feststellung bzw. Herstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Anfechtungsklage gegen den aufgrund einer Betriebsprüfung erlassenen Beitragsbescheid der Antragsgegnerin. Antragserweiternd begehrt er im Beschwerdeverfahren die Feststellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den ursprünglichen Bescheid.
Der am ... 1952 geborene Antragsteller vermittelte im Zeitraum 01. Januar 2001 bis zum 31. Juli 2005 unter der Bezeichnung "Agentur K." insgesamt 81 dienstleistende Mitarbeiter (u.a. Bild-, MAZ- und Tontechniker) an den M. (M). Der M. meldete dem Antragsteller seinen monatlichen Personalbedarf, worauf dieser dann für den Einsatz der jeweiligen Mitarbeiter die Dienstpläne erstellte. Der Antragsteller hatte mit dem M. einen pauschalen Stundenverrechnungssatz vereinbart, wobei dessen monatliches Budget variierte. Mit den Mitarbeitern schloss der Antragsteller ausschließlich mündliche Produktionsdienstleistungsverträge mit festen Stundenpauschalen. Über ihren Vergütungsanspruch stellten die Mitarbeiter dem Antragsteller Rechnungen mit Umsatzsteuer.
Wegen einer möglichen Nichtbeteiligung des Personalrats des M. sollte ab März 2005 für die künftige Zusammenarbeit mit dem Antragsteller ein Rahmenvertrag zur Arbeitnehmerüberlassung geschlossen werden. Gegenüber dem Personalrat erklärte der Antragsteller, dass vier regelmäßig zum Einsatz gekommene Mitarbeiter fest bei ihm angestellt und sechs weitere Mitarbeiter freie Mitarbeiter seien.
K. S., eine frühere Mitarbeiterin des Antragstellers, die sich beim M. als Festangestellte einzuklagen versuchte, zeigte den Antragsteller infolge eines internen Zerwürfnisses bei der Staatsanwaltschaft und dem Hauptzollamt wegen illegaler Arbeitnehmerüberlassung u.a. an. Hierauf erging am 18. Dezember 2009 gegen den Antragsteller ein Strafbefehl wegen § 266 a Strafgesetzbuch (Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt) mit einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von 10 Monaten (Az ...).
Nach einer beim Antragsteller durchgeführten Beitragsüberwachung gemäß § 28p Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – (SGB IV) für den Zeitraum 01. Januar 2001 bis zum 31. Juli 2005 erließ die Antragsgegnerin den Bescheid vom 01. Juni 2010 mit einer Nachforderung für Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 656.637,84 EUR. Aufgrund der Unterlagen des Hauptzollamtes M. und der Staatsanwaltschaft H. sei ersichtlich, dass der Antragsteller die bei ihm in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehenden Arbeitnehmer nicht zur Sozialversicherung angemeldet habe und für sie auch keine Beiträge entrichtet worden seien, obgleich sie gegen Entgelt beschäftigt gewesen seien. Die in den Anlagen zum Bescheid aufgeführten Arbeitnehmer hätten in der für den Antragsteller ausgeübten Beschäftigung der Kranken-, Pflege-, Rentenversicherungspflicht und der Beitragspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlegen. Entsprechend seien für die Arbeitnehmer die Sozialversicherungsbeiträge in Anlage 1 nachberechnet worden. Eine Verjährung der vorsätzlich vorenthaltenen Beiträge sei nicht eingetreten. Mit weiterem Bescheid vom 16. Juni 2010 wurde der zuvor ergangene Bescheid wegen einer offenbaren Unrichtigkeit nach § 38 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) berichtigt, da für den Mitarbeiter M. S. die unzuständige Krankenkasse, die A. anstatt der B., angenommen wurde, so dass sich die Nachforderung auf 652.651,58 EUR änderte.
Der Antragsteller legte gegen den Bescheid vom 01. Juni 2010 am 15. Juni 2010 Widerspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Die Antragsgegnerin lehnte den Antrag unter dem 20. Juli 2010 ab.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30. November 2010 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch zurück. Da die Widerspruchsbegründung des Antragstellers erst am 29. November 2010 bei der Antragsgegnerin einging, habe sie dem Widerspruchsausschuss nicht mehr rechtszeitig vorgelegen. Die Antragsgegnerin behandelte die verspätete Widerspruchsbegründung als Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X.
Der Antragsteller hat am 14. Februar 2011 beim Sozialgericht Halle (SG) einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Begehren gestellt, die aufschiebenden Wirkung seiner Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 01. Juni 2010 in der geänderten Fassung vom 16. Juni 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. November 2011 festzustellen, hilfsweise die aufschiebende Wirkung anzuordnen. Der Antragsteller ist der Auffassung, der Widerspruch habe aufschiebende Wirkung, da § 7a Abs. 7 SGB IV auch für Bescheide nach § 28p Abs. 1 SGB IV gelte. Den Strafbefehl habe er akzeptiert, da er einen langwierigen Strafprozess mit entsprechender psychischer Belastung habe unbedingt vermeiden wollen. Die sofortige Vollziehung stelle eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte dar, da sie zu seiner Zahlungsunfähigkeit führe und seine wirtschaftliche Existenz unmittelbar vernichte. Er verfüge über kein verwertbares Barvermögen und besitze nur sog. "Schrottimmobilien". Als Bild- und Toningenieur erziele er ein monatliches Bruttoeinkommen von 3.636,- EUR, wovon ihm nach Abzug der laufenden Verbindlichkeiten ein verfügbares Einkommen von 1.145,33 EUR verbliebe. Es bestünden auch offensichtliche und ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides, so dass auch deswegen die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anzuordnen sei. Die Feststellung einer abhängigen Beschäftigung sei auch nicht hinreichend bestimmt nach § 33 Abs. 1 SGB X, da die Antragsgegnerin keine zeitliche und inhaltliche Konkretisierung der angeblich abhängigen Beschäftigungsverhältnisse vornehme; sie verwende unbesehen die Ermittlungsergebnisse des Hauptzollamtes. Die von ihm vermittelten Personen seien als freie Mitarbeiter selbständig tätig gewesen; sie seien in ihrer Entscheidung, ob und wieviel sie arbeiten wollten, frei gewesen. Feste Arbeitszeiten habe er nicht vorgegeben. Sie hätten auch nicht auf Dauer und im Wesentlichen nur für ihn tätig sein müssen. Die Arbeitskontrolle vor Ort habe beim M. gelegen; die Mitarbeiter seien ihm nicht weisungsunterworfen gewesen. Die Mitarbeiter hätten weder Urlaubsanspruch noch Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall gehabt. Im Übrigen sei der Anspruch nach vier Jahren gemäß § 25 Abs. 1 SGB IV verjährt.
Das SG hat nach Hinweis, es sei noch kein Klageverfahren anhängig, den Antrag mit Beschluss vom 21. Februar 2011 zurückgewiesen. Es könne weder eine aufschiebende Wirkung festgestellt noch eine solche angeordnet werden, da beim SG eine Anfechtungsklage des Antragstellers nicht anhängig sei.
Am 22. Februar 2011 sind beim SG Halle nach Verweisungsbeschluss des SG Magdeburg vom 31. Januar 2011 die Prozessakten des Hauptsacheverfahrens eingegangen und seitdem dort unter dem Az. S 4 R 204/11 anhängig.
Gegen den am 28. Februar 2011 zugestellten Beschluss vom 21. Februar 2011 hat der Antragsteller am selben Tag beim SG Halle Beschwerde unter Aufrechterhaltung seiner bisherigen Anträge eingelegt. Er habe bereits zuvor (am 22. Februar 2011) vorgetragen, dass auf Grund der fehlerhaften Rechtsmittelbelehrung der Antragsgegnerin beim SG Magdeburg das Hauptsacheverfahren anhängig gemacht und zugleich die Abgabe an das örtlich zuständige SG Halle beantragt worden sei.
Mit Überprüfungsbescheid vom 05. April 2011 hat die Antragsgegnerin den Bescheid vom 01. Juni 2010, geändert durch Bescheid vom 16. Juni 2010, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. November 2011 teilweise aufgehoben und ihn auf eine Nachforderung von 585.612,87 EUR abgeändert.
Hinsichtlich der aufschiebenden Wirkung hat die Antragsgegnerin vorgetragen, das Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X sei nunmehr mit Bescheid vom 05. April 2011 beendet worden, nachdem die Einwände erst nach Versendung des Widerspruchsbescheides vorgebracht worden seien. Der Widerspruch des Antragstellers habe keine aufschiebende Wirkung, da kein Antragsverfahren nach § 7a SGB IV vorliege und damit dessen Abs. 7 keine Anwendung finden könne. Das Widerspruchsverfahren sei mit Bescheid vom 30. November 2010 beendet worden. Die Beitragslast treffe jeden Beitragspflichtigen unabhängig von seiner Einkommens- und Vermögenslage, daher stelle eine Zahlungsunfähigkeit des Antragstellers keine unbillige Härte dar; im Übrigen bestehe bei den Einzugstellen die Möglichkeit der Stundung oder Ratenzahlung nach § 76 SGB IV. Mit Abschluss des Überprüfungsverfahrens habe das vorläufige Rechtsschutzverfahren seine Erledigung gefunden.
Mit Beschluss vom 23. Mai 2011 hat das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt auf die Beschwerde des Antragstellers den Beschluss des SG vom 21. Februar 2011 aufgehoben und zur erneuten Entscheidung an das SG zurückverwiesen. Es habe ein wesentlicher Verfahrensmangel vorgelegen, da dem SG bewusst gewesen sei, dass der Antragsteller möglicherweise beim SG Magdeburg eine Anfechtungsklage erhoben habe. Ferner habe das SG seine an die Antragsgegnerin gestellte Frist, binnen zwei Wochen zum Antrag Stellung zu nehmen, nicht abgewartet, sondern vor Fristablauf ohne inhaltliche Prüfung entschieden. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass das SG bei einer summarischen inhaltlichen Prüfung zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre.
Mit Beschluss vom 09. August 2011 hat das SG erneut den Antrag des Antragstellers auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage vom 27. Dezember 2010 bzw. hilfsweise deren Anordnung zurückgewiesen. Nach § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG habe die Anfechtungsklage kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung. § 7a Abs. 7 SGB IV greife nicht ein, da es sich vorliegend nicht um ein Anfrageverfahren bzw. Statusfeststellungsverfahren im Sinne von Abs. 1 und 2 der genannten Vorschrift handle. Auch eine analoge Anwendung sei ausgeschlossen, da es um grundlegend unterschiedliche Sachverhalte gehe, zumal im Anfrageverfahren keine Festsetzung der Beitragshöhe erfolge. § 7a Abs. 7 SGB IV sei als Ausnahmeregelung zu § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG zu verstehen. Die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage könne auch nicht hilfsweise angeordnet werden, da die Voraussetzungen nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG nicht gegeben seien, denn der Bescheid vom 05. April 2011 sei nicht offensichtlich rechtswidrig. Der Umstand, dass der Antragsteller die Zahlungsverpflichtung nicht begleichen könne, führe nicht zum Unterbleiben der Bescheidvollziehung, da über die Pfändungsschutzvorschriften der Zivilprozessordnung hinreichender Schutz gewährt werde. Die durch den Antragsteller vermittelten Personen hätten zu ihm in einem Beschäftigungsverhältnis nach § 7 SGB IV gestanden. Die Antragsgegnerin habe sich auf die strafrechtlichen Ermittlungen und das Geständnis des Antragstellers beziehen können. Hieraus habe der sichere Schluss gezogen werden können, dass die dem M. vermittelten Personen in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zum Antragsteller gestanden hätten. Entsprechend den vom Antragsteller aufgestellten Dienstplänen hätten die Mitarbeiter beim M. Arbeitsleistungen wie abhängig Beschäftige erbracht. Maßgeblich für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung der Beschäftigung seien die tatsächlichen Verhältnisse und nicht der Wille der Beteiligten. Aus den Anlagen der angefochtenen Bescheide sei zu entnehmen, für welche Arbeitnehmer welche Beiträge hätten entrichtet werden müssen. Mithin erschienen die angefochtenen Bescheide als rechtmäßig.
Gegen den am 16. August 2011 zugestellten Beschluss des SG vom 09. August 2011 hat der Antragsteller am 13. September 2011 Beschwerde eingelegt. Er vertritt die Auffassung, § 7a Abs. 7 SGB IV beanspruche auch bei Bescheiden nach § 28p Abs. 1 SGB IV Geltung und damit komme dem "Widerspruch" aufschiebende Wirkung zu. Im Übrigen könne die aufschiebende Wirkung eines "Widerspruchs" durch das Gericht angeordnet werden, wobei die gegenläufigen Interessen der Beteiligten abzuwägen seien, was nicht geschehen sei. Es sei nicht klar, weshalb mit hinreichender Sicherheit der Schluss zu ziehen sei, dass die bei ihm beschäftigten Mitarbeiter in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis gestanden hätten. Das SG habe insoweit den Amtermittlungsgrundsatz verletzt.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
den Beschuss des Sozialgerichts Halle vom 09. August 2011 aufzuheben und festzustellen, dass die Klage vom 27. Dezember 2010 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 01. Juni 2010, geändert durch Bescheid vom 16. Juni 2010, in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 30. November 2010 und des Überprüfungsbescheides vom 05. April 2011 aufschiebende Wirkung hat,
hilfsweise,
die begehrte aufschiebende Wirkung anzuordnen;
ferner beantragt der Antragsteller (erstmalig im Beschwerdeverfahren mit Schriftsatz vom 07. Dezember 2011),
die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid vom 01. Juni 2010 festzustellen bzw. insoweit die aufschiebende Wirkung anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde des Antragstellers vom 13. September 2011 gegen den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 09. August 2011 zurückzuweisen.
Sie hält ihre angefochtenen Bescheide für rechtmäßig. Für Statusentscheidungen im Rahmen von Betriebsprüfungen existiere seit 01. Januar 2008 keine dem § 7a Abs. 7 Satz 1 SGB IV entsprechende Regelung mehr. Mit dem Wegfall von § 7b SGB IV zum 31. Dezember 2007 entfalle die aufschiebende Wirkung von Widerspruch oder Klage außerhalb eines Anfrageverfahrens nach § 7a SGB IV.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten Bezug genommen, die Gegenstand der Beratung des Senats gewesen sind.
II.
Die Beschwerde ist teilweise zulässig und begründet.
1.
Die Beschwerde ist unzulässig, soweit der Antragsteller erstmalig im Beschwerdeverfahren beantragt, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid vom 01. Juni 2010 festzustellen bzw. dessen aufschiebende Wirkung anzuordnen. Streitgegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung, nicht aber die erstinstanzliche Entscheidung von Neuanträgen. Vor dem Sozialgericht war ausschließlich die durch die Anfechtungsklage vom 27. Dezember 2010 bedingte aufschiebende Wirkung Streitgegenstand und ist daher auch nur insoweit vor dem SG beantragt worden. Soweit der Antragsteller bereits im Verwaltungsverfahren mit seinem Widerspruch vom 15. Juni 2010 die Aussetzung der Vollziehung des Bescheides vom 01. Juni 2010 beantragt hatte, war sein Antrag bestandskräftig mit Bescheid vom 20. Juli 2010 abgelehnt worden. Die zweitinstanzliche Antragserweiterung auf den "Widerspruch" erscheint auch nicht sachdienlich, da nach Erhebung der Anfechtungsklage hierfür kein Rechtschutzbedürfnis mehr gegeben ist.
2.
Der Feststellungsantrag des Antragstellers in Bezug auf die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage ist zulässig; der Antragsteller hat hieran auch ein Feststellungsinteresse. Bestehen – wie vorliegend – Zweifel am Vorliegen der aufschiebenden Wirkung einer Anfechtungsklage und lehnt die Behörde diese ausdrücklich ab, dann ist ein Rechtsschutzbedürfnis an einer gerichtlichen Klärung zu bejahen.
Die Beschwerde ist auch begründet, soweit der Antragsteller beantragt, festzustellen, dass seine Klage vom 27. Dezember 2010 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 01. Juni 2010, geändert durch Bescheid vom 16. Juni 2010, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. November 2010 und des Überprüfungsbescheides vom 05. April 2011 aufschiebende Wirkung hat. Der Beschluss des SG vom 09. August 2011 ist insoweit rechtswidrig und entsprechend abzuändern.
Nach § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG haben Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung. Die aufschiebende Wirkung entfällt nach § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG unter anderem bei einer Entscheidung über die Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten. In den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 4 SGG durch Beschluss die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. In entsprechender Anwendung der Regelung in § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG soll die Anordnung der aufschiebenden Wirkung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
Nach § 7a Abs. 7 Satz 1 SGB IV haben Widerspruch und Klage gegen Entscheidungen, dass eine Beschäftigung vorliegt, aufschiebende Wirkung.
Vorliegend ist der Bescheid vom 05. April 2011 gemäß § 96 Abs. 1 SGG, der in der Beschwerdeinstanz des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens entsprechend gilt, Verfahrensgegenstand geworden, da er den ursprünglich angefochtenen Bescheid vom 01. Juni 2010 in der Fassung vom 16. Juni 2010 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 30. November 2010 inhaltlich abändert.
Die Anfechtungsklage hat grundsätzlich aufschiebende Wirkung; dies gilt auch in Status-Angelegenheiten, § 86a Abs. 1 SGG. Eine Ausnahme, wie von § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG vorgesehen, liegt hier nicht vor. Der streitgegenständliche Bescheid enthält zwar eine Beitragsnacherhebung, aber als Voraussetzung wird hierfür der Status der Mitarbeiter des Antragstellers als versicherungspflichtig Beschäftigte festgestellt. Nach § 7a Abs. 7 SGB IV haben Widerspruch und Klage hinsichtlich statusrechtlicher Entscheidungen grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Dieser vorläufige Rechtsschutz kann nicht dadurch entfallen, dass daneben auch noch Beiträge nachgefordert werden. Gegenüber § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG ist § 7 SGB IV lex specialis (vgl. Seewald, Beitragsnachforderungen und vorläufiger Rechtsschutz, SGb 2012, 253, 254; ders. in KassKomm § 7a SGB IV Rdnr. 25). Nach der Gesetzesbegründung zu § 7a Abs. 7 SGB IV gilt die Vorschrift nicht nur für Statusentscheidungen der Rentenversicherung Bund, sondern auch für Statusentscheidungen der übrigen Sozialversicherungsträger außerhalb des Anfrageverfahrens nach § 7a SGB IV (vgl. BT-Drs. 14/1855 S. 8). Auch in der Rechtsprechung wird die Anwendbarkeit von § 7 Abs. 7 SGB IV bei Betriebsprüfungen nach § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV bejaht (LSG Hamburg, Beschluss vom 25. März 2000 – L 3 B 80/00 ER –; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 07. Juli 2008 – L 16 B 30/08 KR ER –; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 21. September 2009 – L 4 R 196/09 B ER; jeweils in juris). Das Verhältnis von § 7a Abs. 7 SGB IV zu § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG ist allerdings in der Literatur und Rechtsprechung streitig (vgl. zur Gegenmeinung Berchtold in: Kommentar zum Sozialrecht, hrsg. von Kreikebohm, Spellbrink, Waltermann, § 40 SGB IV, Rn. 12); dort wird zumindest in Betriebsprüfungsverfahren die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen auf Grund von § 7 Abs. 7 SGB IV abgelehnt, da es sich um eine Ausnahmevorschrift handle. Dieser teleologischen Reduzierung der Norm gegen den bekannten Willen des Gesetzgebers kann sich der Senat nicht anschließen. Die endgültige materiell-rechtliche Klärung bleibt der Entscheidung in der Hauptsache vorbehalten.
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. §§ 154 bis 162 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Antragsgegnerin als Körperschaft des öffentlichen Rechts und der Antragsteller als Inhaber des einzelkaufmännischen Gewerbebetriebes "Agentur K." gehören nicht zu dem in § 183 SGG genannten kostenprivilegierten Kreis. Nach § 154 Abs. 1 VwGO haben die Beteiligten die Kosten je zur Hälfte zu tragen. Der Antragsteller unterliegt mit seinem im Schriftsatz vom 07. Dezember 2011 erstmalig im Beschwerdeverfahren gestellten Antrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs. Der Antrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage hat dagegen Erfolg. Da der Antragsteller damit zur Hälfte mit seinen Anträgen unterliegt, erscheint es angemessen, auch die Verfahrenskosten hälftig zu teilen.
4.
Der Streitwert ist nach § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) für das Beschwerdeverfahren sowie für das vorläufige Rechtsschutzverfahren vor dem SG jeweils auf 146.403,22 EUR festzusetzen. Der Streitwert ist nach Ermessen anhand der sich aus dem Antrag des Antragstellers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache zu bestimmen. Maßgebender Anhaltspunkt für den Gegenstandswert sind die von der Antragsgegnerin begehrten Sozialversicherungsbeiträge. Für das einstweilige Anordnungsverfahren war der Hauptsachestreitwert von 585.612,87 EUR auf ein Viertel zu reduzieren (vgl. Ziffer 11.1 Streitwertkatalog 2012, Stand Mai 2012).
Der Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Der Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 09. August 2011 wird abgeändert und es wird festgestellt, dass die Anfechtungsklage vom 27. Dezember 2010 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 01. Juni 2010, geändert durch Bescheid vom 16. Juni 2010, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. November 2010 und des Überprüfungsbescheides vom 05. April 2011 aufschiebende Wirkung hat.
Die Beteiligten tragen die Kosten beider Verfahrenszüge jeweils zur Hälfte.
Der Streitwert wird für beide Instanzen auf jeweils 146.403,22 EUR festgesetzt.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Feststellung bzw. Herstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Anfechtungsklage gegen den aufgrund einer Betriebsprüfung erlassenen Beitragsbescheid der Antragsgegnerin. Antragserweiternd begehrt er im Beschwerdeverfahren die Feststellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den ursprünglichen Bescheid.
Der am ... 1952 geborene Antragsteller vermittelte im Zeitraum 01. Januar 2001 bis zum 31. Juli 2005 unter der Bezeichnung "Agentur K." insgesamt 81 dienstleistende Mitarbeiter (u.a. Bild-, MAZ- und Tontechniker) an den M. (M). Der M. meldete dem Antragsteller seinen monatlichen Personalbedarf, worauf dieser dann für den Einsatz der jeweiligen Mitarbeiter die Dienstpläne erstellte. Der Antragsteller hatte mit dem M. einen pauschalen Stundenverrechnungssatz vereinbart, wobei dessen monatliches Budget variierte. Mit den Mitarbeitern schloss der Antragsteller ausschließlich mündliche Produktionsdienstleistungsverträge mit festen Stundenpauschalen. Über ihren Vergütungsanspruch stellten die Mitarbeiter dem Antragsteller Rechnungen mit Umsatzsteuer.
Wegen einer möglichen Nichtbeteiligung des Personalrats des M. sollte ab März 2005 für die künftige Zusammenarbeit mit dem Antragsteller ein Rahmenvertrag zur Arbeitnehmerüberlassung geschlossen werden. Gegenüber dem Personalrat erklärte der Antragsteller, dass vier regelmäßig zum Einsatz gekommene Mitarbeiter fest bei ihm angestellt und sechs weitere Mitarbeiter freie Mitarbeiter seien.
K. S., eine frühere Mitarbeiterin des Antragstellers, die sich beim M. als Festangestellte einzuklagen versuchte, zeigte den Antragsteller infolge eines internen Zerwürfnisses bei der Staatsanwaltschaft und dem Hauptzollamt wegen illegaler Arbeitnehmerüberlassung u.a. an. Hierauf erging am 18. Dezember 2009 gegen den Antragsteller ein Strafbefehl wegen § 266 a Strafgesetzbuch (Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt) mit einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von 10 Monaten (Az ...).
Nach einer beim Antragsteller durchgeführten Beitragsüberwachung gemäß § 28p Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – (SGB IV) für den Zeitraum 01. Januar 2001 bis zum 31. Juli 2005 erließ die Antragsgegnerin den Bescheid vom 01. Juni 2010 mit einer Nachforderung für Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 656.637,84 EUR. Aufgrund der Unterlagen des Hauptzollamtes M. und der Staatsanwaltschaft H. sei ersichtlich, dass der Antragsteller die bei ihm in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehenden Arbeitnehmer nicht zur Sozialversicherung angemeldet habe und für sie auch keine Beiträge entrichtet worden seien, obgleich sie gegen Entgelt beschäftigt gewesen seien. Die in den Anlagen zum Bescheid aufgeführten Arbeitnehmer hätten in der für den Antragsteller ausgeübten Beschäftigung der Kranken-, Pflege-, Rentenversicherungspflicht und der Beitragspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlegen. Entsprechend seien für die Arbeitnehmer die Sozialversicherungsbeiträge in Anlage 1 nachberechnet worden. Eine Verjährung der vorsätzlich vorenthaltenen Beiträge sei nicht eingetreten. Mit weiterem Bescheid vom 16. Juni 2010 wurde der zuvor ergangene Bescheid wegen einer offenbaren Unrichtigkeit nach § 38 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) berichtigt, da für den Mitarbeiter M. S. die unzuständige Krankenkasse, die A. anstatt der B., angenommen wurde, so dass sich die Nachforderung auf 652.651,58 EUR änderte.
Der Antragsteller legte gegen den Bescheid vom 01. Juni 2010 am 15. Juni 2010 Widerspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Die Antragsgegnerin lehnte den Antrag unter dem 20. Juli 2010 ab.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30. November 2010 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch zurück. Da die Widerspruchsbegründung des Antragstellers erst am 29. November 2010 bei der Antragsgegnerin einging, habe sie dem Widerspruchsausschuss nicht mehr rechtszeitig vorgelegen. Die Antragsgegnerin behandelte die verspätete Widerspruchsbegründung als Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X.
Der Antragsteller hat am 14. Februar 2011 beim Sozialgericht Halle (SG) einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Begehren gestellt, die aufschiebenden Wirkung seiner Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 01. Juni 2010 in der geänderten Fassung vom 16. Juni 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. November 2011 festzustellen, hilfsweise die aufschiebende Wirkung anzuordnen. Der Antragsteller ist der Auffassung, der Widerspruch habe aufschiebende Wirkung, da § 7a Abs. 7 SGB IV auch für Bescheide nach § 28p Abs. 1 SGB IV gelte. Den Strafbefehl habe er akzeptiert, da er einen langwierigen Strafprozess mit entsprechender psychischer Belastung habe unbedingt vermeiden wollen. Die sofortige Vollziehung stelle eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte dar, da sie zu seiner Zahlungsunfähigkeit führe und seine wirtschaftliche Existenz unmittelbar vernichte. Er verfüge über kein verwertbares Barvermögen und besitze nur sog. "Schrottimmobilien". Als Bild- und Toningenieur erziele er ein monatliches Bruttoeinkommen von 3.636,- EUR, wovon ihm nach Abzug der laufenden Verbindlichkeiten ein verfügbares Einkommen von 1.145,33 EUR verbliebe. Es bestünden auch offensichtliche und ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides, so dass auch deswegen die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anzuordnen sei. Die Feststellung einer abhängigen Beschäftigung sei auch nicht hinreichend bestimmt nach § 33 Abs. 1 SGB X, da die Antragsgegnerin keine zeitliche und inhaltliche Konkretisierung der angeblich abhängigen Beschäftigungsverhältnisse vornehme; sie verwende unbesehen die Ermittlungsergebnisse des Hauptzollamtes. Die von ihm vermittelten Personen seien als freie Mitarbeiter selbständig tätig gewesen; sie seien in ihrer Entscheidung, ob und wieviel sie arbeiten wollten, frei gewesen. Feste Arbeitszeiten habe er nicht vorgegeben. Sie hätten auch nicht auf Dauer und im Wesentlichen nur für ihn tätig sein müssen. Die Arbeitskontrolle vor Ort habe beim M. gelegen; die Mitarbeiter seien ihm nicht weisungsunterworfen gewesen. Die Mitarbeiter hätten weder Urlaubsanspruch noch Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall gehabt. Im Übrigen sei der Anspruch nach vier Jahren gemäß § 25 Abs. 1 SGB IV verjährt.
Das SG hat nach Hinweis, es sei noch kein Klageverfahren anhängig, den Antrag mit Beschluss vom 21. Februar 2011 zurückgewiesen. Es könne weder eine aufschiebende Wirkung festgestellt noch eine solche angeordnet werden, da beim SG eine Anfechtungsklage des Antragstellers nicht anhängig sei.
Am 22. Februar 2011 sind beim SG Halle nach Verweisungsbeschluss des SG Magdeburg vom 31. Januar 2011 die Prozessakten des Hauptsacheverfahrens eingegangen und seitdem dort unter dem Az. S 4 R 204/11 anhängig.
Gegen den am 28. Februar 2011 zugestellten Beschluss vom 21. Februar 2011 hat der Antragsteller am selben Tag beim SG Halle Beschwerde unter Aufrechterhaltung seiner bisherigen Anträge eingelegt. Er habe bereits zuvor (am 22. Februar 2011) vorgetragen, dass auf Grund der fehlerhaften Rechtsmittelbelehrung der Antragsgegnerin beim SG Magdeburg das Hauptsacheverfahren anhängig gemacht und zugleich die Abgabe an das örtlich zuständige SG Halle beantragt worden sei.
Mit Überprüfungsbescheid vom 05. April 2011 hat die Antragsgegnerin den Bescheid vom 01. Juni 2010, geändert durch Bescheid vom 16. Juni 2010, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. November 2011 teilweise aufgehoben und ihn auf eine Nachforderung von 585.612,87 EUR abgeändert.
Hinsichtlich der aufschiebenden Wirkung hat die Antragsgegnerin vorgetragen, das Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X sei nunmehr mit Bescheid vom 05. April 2011 beendet worden, nachdem die Einwände erst nach Versendung des Widerspruchsbescheides vorgebracht worden seien. Der Widerspruch des Antragstellers habe keine aufschiebende Wirkung, da kein Antragsverfahren nach § 7a SGB IV vorliege und damit dessen Abs. 7 keine Anwendung finden könne. Das Widerspruchsverfahren sei mit Bescheid vom 30. November 2010 beendet worden. Die Beitragslast treffe jeden Beitragspflichtigen unabhängig von seiner Einkommens- und Vermögenslage, daher stelle eine Zahlungsunfähigkeit des Antragstellers keine unbillige Härte dar; im Übrigen bestehe bei den Einzugstellen die Möglichkeit der Stundung oder Ratenzahlung nach § 76 SGB IV. Mit Abschluss des Überprüfungsverfahrens habe das vorläufige Rechtsschutzverfahren seine Erledigung gefunden.
Mit Beschluss vom 23. Mai 2011 hat das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt auf die Beschwerde des Antragstellers den Beschluss des SG vom 21. Februar 2011 aufgehoben und zur erneuten Entscheidung an das SG zurückverwiesen. Es habe ein wesentlicher Verfahrensmangel vorgelegen, da dem SG bewusst gewesen sei, dass der Antragsteller möglicherweise beim SG Magdeburg eine Anfechtungsklage erhoben habe. Ferner habe das SG seine an die Antragsgegnerin gestellte Frist, binnen zwei Wochen zum Antrag Stellung zu nehmen, nicht abgewartet, sondern vor Fristablauf ohne inhaltliche Prüfung entschieden. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass das SG bei einer summarischen inhaltlichen Prüfung zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre.
Mit Beschluss vom 09. August 2011 hat das SG erneut den Antrag des Antragstellers auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage vom 27. Dezember 2010 bzw. hilfsweise deren Anordnung zurückgewiesen. Nach § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG habe die Anfechtungsklage kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung. § 7a Abs. 7 SGB IV greife nicht ein, da es sich vorliegend nicht um ein Anfrageverfahren bzw. Statusfeststellungsverfahren im Sinne von Abs. 1 und 2 der genannten Vorschrift handle. Auch eine analoge Anwendung sei ausgeschlossen, da es um grundlegend unterschiedliche Sachverhalte gehe, zumal im Anfrageverfahren keine Festsetzung der Beitragshöhe erfolge. § 7a Abs. 7 SGB IV sei als Ausnahmeregelung zu § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG zu verstehen. Die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage könne auch nicht hilfsweise angeordnet werden, da die Voraussetzungen nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG nicht gegeben seien, denn der Bescheid vom 05. April 2011 sei nicht offensichtlich rechtswidrig. Der Umstand, dass der Antragsteller die Zahlungsverpflichtung nicht begleichen könne, führe nicht zum Unterbleiben der Bescheidvollziehung, da über die Pfändungsschutzvorschriften der Zivilprozessordnung hinreichender Schutz gewährt werde. Die durch den Antragsteller vermittelten Personen hätten zu ihm in einem Beschäftigungsverhältnis nach § 7 SGB IV gestanden. Die Antragsgegnerin habe sich auf die strafrechtlichen Ermittlungen und das Geständnis des Antragstellers beziehen können. Hieraus habe der sichere Schluss gezogen werden können, dass die dem M. vermittelten Personen in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zum Antragsteller gestanden hätten. Entsprechend den vom Antragsteller aufgestellten Dienstplänen hätten die Mitarbeiter beim M. Arbeitsleistungen wie abhängig Beschäftige erbracht. Maßgeblich für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung der Beschäftigung seien die tatsächlichen Verhältnisse und nicht der Wille der Beteiligten. Aus den Anlagen der angefochtenen Bescheide sei zu entnehmen, für welche Arbeitnehmer welche Beiträge hätten entrichtet werden müssen. Mithin erschienen die angefochtenen Bescheide als rechtmäßig.
Gegen den am 16. August 2011 zugestellten Beschluss des SG vom 09. August 2011 hat der Antragsteller am 13. September 2011 Beschwerde eingelegt. Er vertritt die Auffassung, § 7a Abs. 7 SGB IV beanspruche auch bei Bescheiden nach § 28p Abs. 1 SGB IV Geltung und damit komme dem "Widerspruch" aufschiebende Wirkung zu. Im Übrigen könne die aufschiebende Wirkung eines "Widerspruchs" durch das Gericht angeordnet werden, wobei die gegenläufigen Interessen der Beteiligten abzuwägen seien, was nicht geschehen sei. Es sei nicht klar, weshalb mit hinreichender Sicherheit der Schluss zu ziehen sei, dass die bei ihm beschäftigten Mitarbeiter in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis gestanden hätten. Das SG habe insoweit den Amtermittlungsgrundsatz verletzt.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
den Beschuss des Sozialgerichts Halle vom 09. August 2011 aufzuheben und festzustellen, dass die Klage vom 27. Dezember 2010 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 01. Juni 2010, geändert durch Bescheid vom 16. Juni 2010, in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 30. November 2010 und des Überprüfungsbescheides vom 05. April 2011 aufschiebende Wirkung hat,
hilfsweise,
die begehrte aufschiebende Wirkung anzuordnen;
ferner beantragt der Antragsteller (erstmalig im Beschwerdeverfahren mit Schriftsatz vom 07. Dezember 2011),
die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid vom 01. Juni 2010 festzustellen bzw. insoweit die aufschiebende Wirkung anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde des Antragstellers vom 13. September 2011 gegen den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 09. August 2011 zurückzuweisen.
Sie hält ihre angefochtenen Bescheide für rechtmäßig. Für Statusentscheidungen im Rahmen von Betriebsprüfungen existiere seit 01. Januar 2008 keine dem § 7a Abs. 7 Satz 1 SGB IV entsprechende Regelung mehr. Mit dem Wegfall von § 7b SGB IV zum 31. Dezember 2007 entfalle die aufschiebende Wirkung von Widerspruch oder Klage außerhalb eines Anfrageverfahrens nach § 7a SGB IV.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten Bezug genommen, die Gegenstand der Beratung des Senats gewesen sind.
II.
Die Beschwerde ist teilweise zulässig und begründet.
1.
Die Beschwerde ist unzulässig, soweit der Antragsteller erstmalig im Beschwerdeverfahren beantragt, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid vom 01. Juni 2010 festzustellen bzw. dessen aufschiebende Wirkung anzuordnen. Streitgegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung, nicht aber die erstinstanzliche Entscheidung von Neuanträgen. Vor dem Sozialgericht war ausschließlich die durch die Anfechtungsklage vom 27. Dezember 2010 bedingte aufschiebende Wirkung Streitgegenstand und ist daher auch nur insoweit vor dem SG beantragt worden. Soweit der Antragsteller bereits im Verwaltungsverfahren mit seinem Widerspruch vom 15. Juni 2010 die Aussetzung der Vollziehung des Bescheides vom 01. Juni 2010 beantragt hatte, war sein Antrag bestandskräftig mit Bescheid vom 20. Juli 2010 abgelehnt worden. Die zweitinstanzliche Antragserweiterung auf den "Widerspruch" erscheint auch nicht sachdienlich, da nach Erhebung der Anfechtungsklage hierfür kein Rechtschutzbedürfnis mehr gegeben ist.
2.
Der Feststellungsantrag des Antragstellers in Bezug auf die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage ist zulässig; der Antragsteller hat hieran auch ein Feststellungsinteresse. Bestehen – wie vorliegend – Zweifel am Vorliegen der aufschiebenden Wirkung einer Anfechtungsklage und lehnt die Behörde diese ausdrücklich ab, dann ist ein Rechtsschutzbedürfnis an einer gerichtlichen Klärung zu bejahen.
Die Beschwerde ist auch begründet, soweit der Antragsteller beantragt, festzustellen, dass seine Klage vom 27. Dezember 2010 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 01. Juni 2010, geändert durch Bescheid vom 16. Juni 2010, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. November 2010 und des Überprüfungsbescheides vom 05. April 2011 aufschiebende Wirkung hat. Der Beschluss des SG vom 09. August 2011 ist insoweit rechtswidrig und entsprechend abzuändern.
Nach § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG haben Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung. Die aufschiebende Wirkung entfällt nach § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG unter anderem bei einer Entscheidung über die Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten. In den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 4 SGG durch Beschluss die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. In entsprechender Anwendung der Regelung in § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG soll die Anordnung der aufschiebenden Wirkung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
Nach § 7a Abs. 7 Satz 1 SGB IV haben Widerspruch und Klage gegen Entscheidungen, dass eine Beschäftigung vorliegt, aufschiebende Wirkung.
Vorliegend ist der Bescheid vom 05. April 2011 gemäß § 96 Abs. 1 SGG, der in der Beschwerdeinstanz des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens entsprechend gilt, Verfahrensgegenstand geworden, da er den ursprünglich angefochtenen Bescheid vom 01. Juni 2010 in der Fassung vom 16. Juni 2010 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 30. November 2010 inhaltlich abändert.
Die Anfechtungsklage hat grundsätzlich aufschiebende Wirkung; dies gilt auch in Status-Angelegenheiten, § 86a Abs. 1 SGG. Eine Ausnahme, wie von § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG vorgesehen, liegt hier nicht vor. Der streitgegenständliche Bescheid enthält zwar eine Beitragsnacherhebung, aber als Voraussetzung wird hierfür der Status der Mitarbeiter des Antragstellers als versicherungspflichtig Beschäftigte festgestellt. Nach § 7a Abs. 7 SGB IV haben Widerspruch und Klage hinsichtlich statusrechtlicher Entscheidungen grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Dieser vorläufige Rechtsschutz kann nicht dadurch entfallen, dass daneben auch noch Beiträge nachgefordert werden. Gegenüber § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG ist § 7 SGB IV lex specialis (vgl. Seewald, Beitragsnachforderungen und vorläufiger Rechtsschutz, SGb 2012, 253, 254; ders. in KassKomm § 7a SGB IV Rdnr. 25). Nach der Gesetzesbegründung zu § 7a Abs. 7 SGB IV gilt die Vorschrift nicht nur für Statusentscheidungen der Rentenversicherung Bund, sondern auch für Statusentscheidungen der übrigen Sozialversicherungsträger außerhalb des Anfrageverfahrens nach § 7a SGB IV (vgl. BT-Drs. 14/1855 S. 8). Auch in der Rechtsprechung wird die Anwendbarkeit von § 7 Abs. 7 SGB IV bei Betriebsprüfungen nach § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV bejaht (LSG Hamburg, Beschluss vom 25. März 2000 – L 3 B 80/00 ER –; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 07. Juli 2008 – L 16 B 30/08 KR ER –; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 21. September 2009 – L 4 R 196/09 B ER; jeweils in juris). Das Verhältnis von § 7a Abs. 7 SGB IV zu § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG ist allerdings in der Literatur und Rechtsprechung streitig (vgl. zur Gegenmeinung Berchtold in: Kommentar zum Sozialrecht, hrsg. von Kreikebohm, Spellbrink, Waltermann, § 40 SGB IV, Rn. 12); dort wird zumindest in Betriebsprüfungsverfahren die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen auf Grund von § 7 Abs. 7 SGB IV abgelehnt, da es sich um eine Ausnahmevorschrift handle. Dieser teleologischen Reduzierung der Norm gegen den bekannten Willen des Gesetzgebers kann sich der Senat nicht anschließen. Die endgültige materiell-rechtliche Klärung bleibt der Entscheidung in der Hauptsache vorbehalten.
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. §§ 154 bis 162 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Antragsgegnerin als Körperschaft des öffentlichen Rechts und der Antragsteller als Inhaber des einzelkaufmännischen Gewerbebetriebes "Agentur K." gehören nicht zu dem in § 183 SGG genannten kostenprivilegierten Kreis. Nach § 154 Abs. 1 VwGO haben die Beteiligten die Kosten je zur Hälfte zu tragen. Der Antragsteller unterliegt mit seinem im Schriftsatz vom 07. Dezember 2011 erstmalig im Beschwerdeverfahren gestellten Antrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs. Der Antrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage hat dagegen Erfolg. Da der Antragsteller damit zur Hälfte mit seinen Anträgen unterliegt, erscheint es angemessen, auch die Verfahrenskosten hälftig zu teilen.
4.
Der Streitwert ist nach § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) für das Beschwerdeverfahren sowie für das vorläufige Rechtsschutzverfahren vor dem SG jeweils auf 146.403,22 EUR festzusetzen. Der Streitwert ist nach Ermessen anhand der sich aus dem Antrag des Antragstellers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache zu bestimmen. Maßgebender Anhaltspunkt für den Gegenstandswert sind die von der Antragsgegnerin begehrten Sozialversicherungsbeiträge. Für das einstweilige Anordnungsverfahren war der Hauptsachestreitwert von 585.612,87 EUR auf ein Viertel zu reduzieren (vgl. Ziffer 11.1 Streitwertkatalog 2012, Stand Mai 2012).
Der Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
SAN
Saved