Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
1
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 4 AS 2670/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 AS 3784/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 6. August 2012 wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Mit seiner Untätigkeitsklage begehrte der Kläger den Beklagten zu verpflichten, über seinen Widerspruch gegen den Bescheid vom 31.01.2012 zu entscheiden, wobei der Beklagte noch im Klageverfahren den Widerspruchsbescheid vom 29.06.2012 erlassen hat.
Der 1953 geborene Kläger, der bis zum 31.12.2011 in B. lebte, erhielt bis 31.12.2011 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II; vgl. Bewilligungsbescheid des Jobcenters S.-Z. vom 26.11.2011). Die Regelleistung für den Monat Dezember 2011 wurde am 01.12. ausgezahlt. Zum 01.01.2012 wurde die Leistungsbewilligung wegen Umzugs und des damit verbundenen Zuständigkeitswechsels aufgehoben (Aufhebungsbescheid des Jobcenters Steglitz-Zehlendorf vom 02.12.2011).
Am 02.01.2012 beantragte er beim Beklagten die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Er gab hierbei an, in dessen örtlichen Zuständigkeitsbereich zu wohnen (Adresse: D.straße ..., ... I.). Mit Bescheid vom gleichen Tag bewilligte die Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 01. bis 31.12.2011 vorläufig KdU i.H.v. 300 EUR. Zur Begründung für die vorläufige Bewilligung wurde ausgeführt, dass Unklarheiten bezüglich seines Einkommens bestünden. Im Übrigen sei die Regelleistung für den Monat Dezember 2011 bereits in B. ausgezahlt worden.
Am 05.01.2012 teilte er mit, er werde zum 01.01.2012 umziehen (neue Adresse: I ..., ... I.). Mit Bescheid vom 31.01.2012 bewilligte der Beklagte für die Zeit vom 01.01. bis 31.05.2012 SGB-II-Leistungen in Höhe von monatlich 724 EUR (Regelbedarf: 374 EUR, Kosten für Unterkunft und Heizung [KdU] 350 EUR) als Vorschuss. Gründe für die Bewilligung als Vorschuss seien Unklarheiten im Hinblick auf sein Einkommen.
Mit Bescheid vom 14.02.2012 teilte der Beklagte mit, der Bewilligungszeitraum laufe am 29.02.2012 ab. Daraufhin stellte der Kläger am 23.02.2012 einen Weiterbewilligungsantrag. Am gleichen Tag legte er auch Widerspruch gegen den Bescheid vom 31.01.2012 ein. Zur Begründung trug er umfangreich vor, ihm seien Leistungen bereits ab dem 01.12.2011 i.H.v. 864 EUR (364 EUR Regelbedarf, 100 EUR Mehrbedarf und 400 EUR KdU) zu gewähren. Ab Januar 2012 habe er Anspruch auf monatlich 974 EUR (374 EUR Regelbedarf, 100 EUR Mehrbedarf und 500 EUR KdU). Darüber hinaus begehrte er weitere Feststellungen, u.a. den Verstoß gegen die Menschenrechtskonvention.
Mit Schreiben vom 28.02.2012 teilte der Beklagte mit, das Beendigungsschreiben vom 14.02.2012 sei durch einen Programmfehler entstanden und als gegenstandslos zu betrachten. Es gelte weiterhin der Bewilligungsbescheid vom 31.01.2012.
Auf den Weiterbewilligungsantrag vom 21.05.2012 bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 23.05.2012 SGB-II-Leistungen für die Zeit vom 01.06. bis 30.11.2012 in Höhe von monatlich insgesamt 724 EUR (Regelbedarf: 374 EUR, KdU 350 EUR). Diese Bewilligungsentscheidung wurde mit Bescheid vom 21.06.2012 ab dem 01.07.2012 ganz aufgehoben. Zur Begründung wurde angegeben, der Kläger sei bereits zum 01.04.2012 unbekannt verzogen, sodass der gewöhnliche Aufenthalt nicht klar sei. SGB-II-Leistungen wurden jedoch tatsächlich bis 31.08.2012 gewährt. Der Widerspruch des Klägers hiergegen wurde mit Widerspruchsbescheid vom 30.07.2012 zurückgewiesen.
Bereits mit Schreiben vom 24.05.2012 hatte die Beklagte den Kläger informiert, dass er die Regelleistung für Dezember 2011 in B. erhalten habe, sodass nur eine Entscheidung über die KdU für diesen Monat ergangen sei. Mit weiterem Schreiben vom gleichen Tag lehnte der Beklagte einen (isoliert gestellten) Antrag des Klägers auf Übernahme von "Verfahrens- und Sonderkosten" ab.
Am 29.05.2012 hat der Kläger beim Sozialgericht Freiburg (SG) vorläufigen Rechtsschutz beantragt und Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in gesetzlicher Höhe ab dem 01.12.2011, die Anmeldung bei der Betriebskrankenkasse m. sowie die Erstattung der ihm außergerichtlich und gerichtlich entstandenen Verfahrenskosten in Höhe von insgesamt 961,20 EUR begehrt (AZ: S 4 AS 2568/12 ER). Das Verfahren blieb erfolglos (Beschluss des SG vom 13.07.2012; Senatsbeschluss vom 02.10.2012 - L 1 AS 3635/12 ER-B).
Am 30.05.2012 hat der Kläger bezüglich seines Widerspruchs gegen den Bescheid vom 31.01.2012 beim SG "Untätigkeits-, Leistungs- und Regelsatzklage" erhoben und geltend gemacht, nach drei Monaten sei noch immer kein Widerspruchsbescheid ergangen. Auch sei ihm bislang keine Akteneinsicht gewährt worden. Darüber hinaus beantrage er die Anmeldung bei der m. Betriebskrankenkasse, die Zahlung von insgesamt 961,20 EUR "Verfahrenskosten" (Rechnungen der Firma C.) und ab dem 01.12.2012 eine höhere Regelleistung. Die Untätigkeitsklage hat das SG unter dem Verfahren S 4 AS 2670/12 und die übrigen Klagen unter dem Verfahren S 4 AS 2812/12 geführt.
Der Beklagte hat hierauf entgegnet, aus nicht nachvollziehbaren Gründen sei der Widerspruch nicht an die zuständige Widerspruchsstelle weitergeleitet worden. Dieses Versehen sei im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes aufgefallen. Bereits am 01.06.2012 sei der Widerspruch "in die Bearbeitung" genommen worden. Mit Schreiben vom 05.06.2012 sei der Kläger um Vorlage weiterer Unterlagen gebeten worden. Man werde unverzüglich über den Widerspruch entscheiden. Mit Widerspruchsbescheid vom 29.06.2012 hat der Beklagte dann den Widerspruch als teilweise unzulässig und im Übrigen als unbegründet zurückgewiesen. Die Rechtsbehelfsbelehrung enthielt den Hinweis, der Widerspruchsbescheid werde gemäß § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Verfahrens S 4 AS 2812/12.
Mit Schreiben vom 03.07.2012 hat das SG den Kläger gebeten, das Verfahren S 4 AS 2670/12 für erledigt zu erklären. Daraufhin hat der Kläger unter dem 08.07.2012 mitgeteilt, dass er nicht verstehe, weshalb zwei Verfahren geführt würden. Es handele sich um eine kombinierte Klage. Eine Erledigungserklärung lehne er ausdrücklich ab. Mit Schreiben vom 11.07.2012 hat das SG darauf hingewiesen, dass "neben" der Leistungsklage auch eine Untätigkeitsklage erhoben worden sei, die unter dem Verfahren S 4 AS 2670/12 geführt werde. Gleichzeitig wies es auf die beabsichtigte Entscheidung durch Gerichtsbescheid hin. Der Kläger hat unterschriftlich bestätigt, das Schreiben am 14.07.2012 erhalten zu haben (Einschreiberücksendeschein vom 14.07.2012, Bl. 117a der SG-Akte).
Mit Gerichtsbescheid vom 06.08.2012 hat das SG die Klage abgewiesen und ausgeführt, die Untätigkeitsklage sei nach Erlass des Widerspruchsbescheids vom 29.06.2012 unzulässig. Außergerichtliche Kosten seien nicht zu erstatten, da es der Kläger unterlassen habe, den Rechtsstreit für erledigt zu erklären. Er habe damit Anlass für die gerichtliche Entscheidung gegeben.
Hiergegen richtet sich die am 03.09.2012 beim Landessozialgericht eingelegte Berufung des Klägers, mit der er geltend macht, das SG habe "willkürlich" seinen Klage in zwei Verfahren aufgetrennt. Auch habe er die Anhörung zum Gerichtsbescheid nicht erhalten. Eine detaillierte Begründung und Antragstellung könne erst nach Akteneinsicht erfolgen. Hinsichtlich der weiteren Begründung wird auf Bl. 1 bis 13 der LSG-Akte Bezug genommen.
Der Kläger beantragt wörtlich (Bl. 13 der LSG-Akte),
"die Aufhebung des Gerichtsbescheides betreffs Klage und des Beschlusses betreffs Prozesskostenhilfe. Desweiteren beantrage ich für dieses Verfahren Prozesskostenhilfe sowie die Auferlegung aller gerichtlichen und aussergerichtlichen Verfahrenskosten auf den Staat, da ausschließlich die 4. Kammer bzw. der Richter ... bzw. das beklagte Jobcenter Landkreis L. Anlass für dieses Verfahren und für die gerichtlichen Entscheidungen gegeben hat bzw. hatten. Desweiteren beantrage ich die Feststellung der Rechts- und Verfassungswidrigkeit dieser verwaltungsrechtlichen Handlungen und Entscheidungen des Jobcenters Landkreis Lörrach und der gerichtlichen Verfahrenshandlungen und Entscheidungen der 4. Kammer - Richter ... - des SG Freiburg sowie die Verletzung der einschlägigen internationalen Menschenrechtsvereinbarungen (UN- und EU-Konventionen einschließlich EMRK) durch die vorgenannten (Jobcenter und Sozialgericht)."
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Der Senat hat am 08.10.2012 die von dem Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz für eine Woche an die Gemeindeverwaltung I. zur Akteneinsichtnahme durch den Kläger übersandt und diesen hierüber unterrichtet. Die Gemeinde I. hat mit Schreiben vom 25.10.2012 angegeben, der Kläger sei in der Zeit vom 12. bis 24.10.2012 nicht erschienen.
Mit Beschluss vom 27.11.2012 hat der Senat die Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von dem Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs. 1 (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn die ursprünglich zulässige Untätigkeitsklage (§ 88 SGG) ist mit Erlass des Widerspruchsbescheids vom 29.06.2012 unzulässig geworden.
Das SG durfte durch Gerichtsbescheid entscheiden, da die Voraussetzungen des § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG vorliegen und die Beteiligten auch vorher angehört wurden (Abs. 1 Satz 2). Wenn ein Beteiligter mit Rechtsmittel rügt, er habe die Anhörungsmitteilung nicht erhalten, muss der Zugang nachweisbar sein. Ist das nicht der Fall, ist die Rüge eines Verstoß gegen das Gebot rechtlichen Gehörs begründet (Art. 103 Abs 1 Grundgesetz, § 62 SGG). So liegt der Fall hier nicht. Denn entgegen der Behauptung des Klägers ergibt sich aus dem seine Unterschrift tragenden Einschreiberücksendeschein vom 14.07.2012 (Bl. 117a der SG-Akte), dass er das Anhörungsschrieben des SG vom 11.07.2012 am 14.07.2012 erhalten hat. Ein Verstoß gegen das Gebot rechtlichen Gehörs liegt daher nicht vor.
Ein Verfahrensfehler liegt im Übrigen auch nicht darin, dass das SG in der Klageschrift vom 26.05.2012 mehrere Klagen gesehen und diese insofern in zwei Verfahren aufgeteilt hat. Bereits aus der vom Kläger selbst gewählten Überschrift "Untätigkeits-, Leistungs- und Regelsatzklage" folgt, dass es ihm um mehrere selbstständige Begehren ging. Aus der Begründung seines Klageschriftsatzes ergibt sich zudem, dass er nicht nur die Verbescheidung seines Widerspruchs gegen den Bescheid vom 31.01.2012 begehrte, sondern auch die Anmeldung bei der mhplus Betriebskrankenkasse, die Zahlung von insgesamt 961,20 EUR Verfahrenskosten und ab dem 01.12.2012 eine höhere Regelleistung. Bei den zuletzt genannten Streitpunkten handelt es sich aber teilweise um andere Streitgegenstände - zumal im Bescheid vom 31.01.2013 nicht über die vom Kläger gesondert beantragte Zahlung von "Verfahrenskosten" (Rechnungen der Firma C.) entschieden wurde -, sodass zwei Verfahren angelegt werden konnten.
Die Untätigkeitsklage richtet sich nach § 88 SGG. Danach gilt: Ist ein Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht beschieden worden, so ist die Klage nicht vor Ablauf von 6 Monaten seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsaktes zulässig. Liegt ein zureichender Grund dafür vor, dass der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist aus, die verlängert werden kann. Wird innerhalb dieser Frist dem Antrag stattgegeben, so ist die Hauptsache für erledigt zu erklären (§ 88 Abs. 1 SGG). Das gleiche gilt, wenn über einen Widerspruch nicht entschieden worden ist, mit der Maßgabe, dass als angemessene Frist eine solche von 3 Monaten gilt (§ 88 Abs. 2 SGG).
Die am 30.05.2012 beim SG erhobene Untätigkeitsklage mit dem Antrag, den Beklagten zur Entscheidung über den Widerspruch vom 23.02.2012 gegen den Bescheid vom 31.01.2012 zu verurteilen, war zwar zulässig. Denn sie wurde nach der 3-Monats-Frist des § 88 Abs. 2 SGG erhoben. Nachdem der Beklagte aber den begehrten Widerspruchsbescheid am 29.06.2012 erlassen hat, wäre die Hauptsache für erledigt zu erklären gewesen (§ 88 Abs. 1 Satz 3 SGG). Diese Erledigungserklärung hat der Kläger ausdrücklich nicht abgegeben. Gibt jedoch der Kläger die Erklärung nach § 88 Abs. 1 Satz 3 SGG nicht ab, ist die Klage als unzulässig abzuweisen, da kein Rechtschutzbedürfnis mehr gegeben ist (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24.20.2011 - L 11 R 1531/10; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 10. Auflage 2012, § 88 RdNr. 11, 12a).
Wird mit dem Widerspruchsbescheid dem Antrag des Klägers - wie vorliegend - nicht entsprochen, kann der Kläger die Untätigkeitsklage im Regelfall in eine Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage ändern, weil die Klageänderung zumeist sachdienlich sein dürfte (§ 99 Abs. 1 SGG). Der Antrag muss jedoch innerhalb der für den ergangenen Bescheid maßgebenden Anfechtungsfrist gestellt werden (Udsching in Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Auflage 2011, IV RdNr. 59). Eine Klageänderung war vorliegend aber nicht notwendig, da der Beklagte in der Rechtsbehelfsbelehrung des Widerspruchsbescheids vom 29.06.2012 ausdrücklich darauf hingewiesen hatte, dass dieser gemäß § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens S 4 AS 2812/12 werde. Die dennoch nicht für erledigt erklärte Untätigkeitsklage war daher als unzulässig abzuweisen.
Vor diesem Hintergrund konnten auch die übrigen Anträge des Klägers keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. In diesem Zusammenhang weist der Senat darauf hin, dass er keinen Grund gesehen hat, die Kostenentscheidung des SG abzuändern. Denn der Kläger hat durch seine sehr umfangreichen Schriftsätze und die zahlreichen Anträgen - einschließlich des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes am SG - selbst zu einer gewissen Verfahrensverzögerung beigetragen.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Mit seiner Untätigkeitsklage begehrte der Kläger den Beklagten zu verpflichten, über seinen Widerspruch gegen den Bescheid vom 31.01.2012 zu entscheiden, wobei der Beklagte noch im Klageverfahren den Widerspruchsbescheid vom 29.06.2012 erlassen hat.
Der 1953 geborene Kläger, der bis zum 31.12.2011 in B. lebte, erhielt bis 31.12.2011 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II; vgl. Bewilligungsbescheid des Jobcenters S.-Z. vom 26.11.2011). Die Regelleistung für den Monat Dezember 2011 wurde am 01.12. ausgezahlt. Zum 01.01.2012 wurde die Leistungsbewilligung wegen Umzugs und des damit verbundenen Zuständigkeitswechsels aufgehoben (Aufhebungsbescheid des Jobcenters Steglitz-Zehlendorf vom 02.12.2011).
Am 02.01.2012 beantragte er beim Beklagten die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Er gab hierbei an, in dessen örtlichen Zuständigkeitsbereich zu wohnen (Adresse: D.straße ..., ... I.). Mit Bescheid vom gleichen Tag bewilligte die Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 01. bis 31.12.2011 vorläufig KdU i.H.v. 300 EUR. Zur Begründung für die vorläufige Bewilligung wurde ausgeführt, dass Unklarheiten bezüglich seines Einkommens bestünden. Im Übrigen sei die Regelleistung für den Monat Dezember 2011 bereits in B. ausgezahlt worden.
Am 05.01.2012 teilte er mit, er werde zum 01.01.2012 umziehen (neue Adresse: I ..., ... I.). Mit Bescheid vom 31.01.2012 bewilligte der Beklagte für die Zeit vom 01.01. bis 31.05.2012 SGB-II-Leistungen in Höhe von monatlich 724 EUR (Regelbedarf: 374 EUR, Kosten für Unterkunft und Heizung [KdU] 350 EUR) als Vorschuss. Gründe für die Bewilligung als Vorschuss seien Unklarheiten im Hinblick auf sein Einkommen.
Mit Bescheid vom 14.02.2012 teilte der Beklagte mit, der Bewilligungszeitraum laufe am 29.02.2012 ab. Daraufhin stellte der Kläger am 23.02.2012 einen Weiterbewilligungsantrag. Am gleichen Tag legte er auch Widerspruch gegen den Bescheid vom 31.01.2012 ein. Zur Begründung trug er umfangreich vor, ihm seien Leistungen bereits ab dem 01.12.2011 i.H.v. 864 EUR (364 EUR Regelbedarf, 100 EUR Mehrbedarf und 400 EUR KdU) zu gewähren. Ab Januar 2012 habe er Anspruch auf monatlich 974 EUR (374 EUR Regelbedarf, 100 EUR Mehrbedarf und 500 EUR KdU). Darüber hinaus begehrte er weitere Feststellungen, u.a. den Verstoß gegen die Menschenrechtskonvention.
Mit Schreiben vom 28.02.2012 teilte der Beklagte mit, das Beendigungsschreiben vom 14.02.2012 sei durch einen Programmfehler entstanden und als gegenstandslos zu betrachten. Es gelte weiterhin der Bewilligungsbescheid vom 31.01.2012.
Auf den Weiterbewilligungsantrag vom 21.05.2012 bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 23.05.2012 SGB-II-Leistungen für die Zeit vom 01.06. bis 30.11.2012 in Höhe von monatlich insgesamt 724 EUR (Regelbedarf: 374 EUR, KdU 350 EUR). Diese Bewilligungsentscheidung wurde mit Bescheid vom 21.06.2012 ab dem 01.07.2012 ganz aufgehoben. Zur Begründung wurde angegeben, der Kläger sei bereits zum 01.04.2012 unbekannt verzogen, sodass der gewöhnliche Aufenthalt nicht klar sei. SGB-II-Leistungen wurden jedoch tatsächlich bis 31.08.2012 gewährt. Der Widerspruch des Klägers hiergegen wurde mit Widerspruchsbescheid vom 30.07.2012 zurückgewiesen.
Bereits mit Schreiben vom 24.05.2012 hatte die Beklagte den Kläger informiert, dass er die Regelleistung für Dezember 2011 in B. erhalten habe, sodass nur eine Entscheidung über die KdU für diesen Monat ergangen sei. Mit weiterem Schreiben vom gleichen Tag lehnte der Beklagte einen (isoliert gestellten) Antrag des Klägers auf Übernahme von "Verfahrens- und Sonderkosten" ab.
Am 29.05.2012 hat der Kläger beim Sozialgericht Freiburg (SG) vorläufigen Rechtsschutz beantragt und Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in gesetzlicher Höhe ab dem 01.12.2011, die Anmeldung bei der Betriebskrankenkasse m. sowie die Erstattung der ihm außergerichtlich und gerichtlich entstandenen Verfahrenskosten in Höhe von insgesamt 961,20 EUR begehrt (AZ: S 4 AS 2568/12 ER). Das Verfahren blieb erfolglos (Beschluss des SG vom 13.07.2012; Senatsbeschluss vom 02.10.2012 - L 1 AS 3635/12 ER-B).
Am 30.05.2012 hat der Kläger bezüglich seines Widerspruchs gegen den Bescheid vom 31.01.2012 beim SG "Untätigkeits-, Leistungs- und Regelsatzklage" erhoben und geltend gemacht, nach drei Monaten sei noch immer kein Widerspruchsbescheid ergangen. Auch sei ihm bislang keine Akteneinsicht gewährt worden. Darüber hinaus beantrage er die Anmeldung bei der m. Betriebskrankenkasse, die Zahlung von insgesamt 961,20 EUR "Verfahrenskosten" (Rechnungen der Firma C.) und ab dem 01.12.2012 eine höhere Regelleistung. Die Untätigkeitsklage hat das SG unter dem Verfahren S 4 AS 2670/12 und die übrigen Klagen unter dem Verfahren S 4 AS 2812/12 geführt.
Der Beklagte hat hierauf entgegnet, aus nicht nachvollziehbaren Gründen sei der Widerspruch nicht an die zuständige Widerspruchsstelle weitergeleitet worden. Dieses Versehen sei im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes aufgefallen. Bereits am 01.06.2012 sei der Widerspruch "in die Bearbeitung" genommen worden. Mit Schreiben vom 05.06.2012 sei der Kläger um Vorlage weiterer Unterlagen gebeten worden. Man werde unverzüglich über den Widerspruch entscheiden. Mit Widerspruchsbescheid vom 29.06.2012 hat der Beklagte dann den Widerspruch als teilweise unzulässig und im Übrigen als unbegründet zurückgewiesen. Die Rechtsbehelfsbelehrung enthielt den Hinweis, der Widerspruchsbescheid werde gemäß § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Verfahrens S 4 AS 2812/12.
Mit Schreiben vom 03.07.2012 hat das SG den Kläger gebeten, das Verfahren S 4 AS 2670/12 für erledigt zu erklären. Daraufhin hat der Kläger unter dem 08.07.2012 mitgeteilt, dass er nicht verstehe, weshalb zwei Verfahren geführt würden. Es handele sich um eine kombinierte Klage. Eine Erledigungserklärung lehne er ausdrücklich ab. Mit Schreiben vom 11.07.2012 hat das SG darauf hingewiesen, dass "neben" der Leistungsklage auch eine Untätigkeitsklage erhoben worden sei, die unter dem Verfahren S 4 AS 2670/12 geführt werde. Gleichzeitig wies es auf die beabsichtigte Entscheidung durch Gerichtsbescheid hin. Der Kläger hat unterschriftlich bestätigt, das Schreiben am 14.07.2012 erhalten zu haben (Einschreiberücksendeschein vom 14.07.2012, Bl. 117a der SG-Akte).
Mit Gerichtsbescheid vom 06.08.2012 hat das SG die Klage abgewiesen und ausgeführt, die Untätigkeitsklage sei nach Erlass des Widerspruchsbescheids vom 29.06.2012 unzulässig. Außergerichtliche Kosten seien nicht zu erstatten, da es der Kläger unterlassen habe, den Rechtsstreit für erledigt zu erklären. Er habe damit Anlass für die gerichtliche Entscheidung gegeben.
Hiergegen richtet sich die am 03.09.2012 beim Landessozialgericht eingelegte Berufung des Klägers, mit der er geltend macht, das SG habe "willkürlich" seinen Klage in zwei Verfahren aufgetrennt. Auch habe er die Anhörung zum Gerichtsbescheid nicht erhalten. Eine detaillierte Begründung und Antragstellung könne erst nach Akteneinsicht erfolgen. Hinsichtlich der weiteren Begründung wird auf Bl. 1 bis 13 der LSG-Akte Bezug genommen.
Der Kläger beantragt wörtlich (Bl. 13 der LSG-Akte),
"die Aufhebung des Gerichtsbescheides betreffs Klage und des Beschlusses betreffs Prozesskostenhilfe. Desweiteren beantrage ich für dieses Verfahren Prozesskostenhilfe sowie die Auferlegung aller gerichtlichen und aussergerichtlichen Verfahrenskosten auf den Staat, da ausschließlich die 4. Kammer bzw. der Richter ... bzw. das beklagte Jobcenter Landkreis L. Anlass für dieses Verfahren und für die gerichtlichen Entscheidungen gegeben hat bzw. hatten. Desweiteren beantrage ich die Feststellung der Rechts- und Verfassungswidrigkeit dieser verwaltungsrechtlichen Handlungen und Entscheidungen des Jobcenters Landkreis Lörrach und der gerichtlichen Verfahrenshandlungen und Entscheidungen der 4. Kammer - Richter ... - des SG Freiburg sowie die Verletzung der einschlägigen internationalen Menschenrechtsvereinbarungen (UN- und EU-Konventionen einschließlich EMRK) durch die vorgenannten (Jobcenter und Sozialgericht)."
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Der Senat hat am 08.10.2012 die von dem Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz für eine Woche an die Gemeindeverwaltung I. zur Akteneinsichtnahme durch den Kläger übersandt und diesen hierüber unterrichtet. Die Gemeinde I. hat mit Schreiben vom 25.10.2012 angegeben, der Kläger sei in der Zeit vom 12. bis 24.10.2012 nicht erschienen.
Mit Beschluss vom 27.11.2012 hat der Senat die Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von dem Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs. 1 (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn die ursprünglich zulässige Untätigkeitsklage (§ 88 SGG) ist mit Erlass des Widerspruchsbescheids vom 29.06.2012 unzulässig geworden.
Das SG durfte durch Gerichtsbescheid entscheiden, da die Voraussetzungen des § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG vorliegen und die Beteiligten auch vorher angehört wurden (Abs. 1 Satz 2). Wenn ein Beteiligter mit Rechtsmittel rügt, er habe die Anhörungsmitteilung nicht erhalten, muss der Zugang nachweisbar sein. Ist das nicht der Fall, ist die Rüge eines Verstoß gegen das Gebot rechtlichen Gehörs begründet (Art. 103 Abs 1 Grundgesetz, § 62 SGG). So liegt der Fall hier nicht. Denn entgegen der Behauptung des Klägers ergibt sich aus dem seine Unterschrift tragenden Einschreiberücksendeschein vom 14.07.2012 (Bl. 117a der SG-Akte), dass er das Anhörungsschrieben des SG vom 11.07.2012 am 14.07.2012 erhalten hat. Ein Verstoß gegen das Gebot rechtlichen Gehörs liegt daher nicht vor.
Ein Verfahrensfehler liegt im Übrigen auch nicht darin, dass das SG in der Klageschrift vom 26.05.2012 mehrere Klagen gesehen und diese insofern in zwei Verfahren aufgeteilt hat. Bereits aus der vom Kläger selbst gewählten Überschrift "Untätigkeits-, Leistungs- und Regelsatzklage" folgt, dass es ihm um mehrere selbstständige Begehren ging. Aus der Begründung seines Klageschriftsatzes ergibt sich zudem, dass er nicht nur die Verbescheidung seines Widerspruchs gegen den Bescheid vom 31.01.2012 begehrte, sondern auch die Anmeldung bei der mhplus Betriebskrankenkasse, die Zahlung von insgesamt 961,20 EUR Verfahrenskosten und ab dem 01.12.2012 eine höhere Regelleistung. Bei den zuletzt genannten Streitpunkten handelt es sich aber teilweise um andere Streitgegenstände - zumal im Bescheid vom 31.01.2013 nicht über die vom Kläger gesondert beantragte Zahlung von "Verfahrenskosten" (Rechnungen der Firma C.) entschieden wurde -, sodass zwei Verfahren angelegt werden konnten.
Die Untätigkeitsklage richtet sich nach § 88 SGG. Danach gilt: Ist ein Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht beschieden worden, so ist die Klage nicht vor Ablauf von 6 Monaten seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsaktes zulässig. Liegt ein zureichender Grund dafür vor, dass der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist aus, die verlängert werden kann. Wird innerhalb dieser Frist dem Antrag stattgegeben, so ist die Hauptsache für erledigt zu erklären (§ 88 Abs. 1 SGG). Das gleiche gilt, wenn über einen Widerspruch nicht entschieden worden ist, mit der Maßgabe, dass als angemessene Frist eine solche von 3 Monaten gilt (§ 88 Abs. 2 SGG).
Die am 30.05.2012 beim SG erhobene Untätigkeitsklage mit dem Antrag, den Beklagten zur Entscheidung über den Widerspruch vom 23.02.2012 gegen den Bescheid vom 31.01.2012 zu verurteilen, war zwar zulässig. Denn sie wurde nach der 3-Monats-Frist des § 88 Abs. 2 SGG erhoben. Nachdem der Beklagte aber den begehrten Widerspruchsbescheid am 29.06.2012 erlassen hat, wäre die Hauptsache für erledigt zu erklären gewesen (§ 88 Abs. 1 Satz 3 SGG). Diese Erledigungserklärung hat der Kläger ausdrücklich nicht abgegeben. Gibt jedoch der Kläger die Erklärung nach § 88 Abs. 1 Satz 3 SGG nicht ab, ist die Klage als unzulässig abzuweisen, da kein Rechtschutzbedürfnis mehr gegeben ist (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24.20.2011 - L 11 R 1531/10; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 10. Auflage 2012, § 88 RdNr. 11, 12a).
Wird mit dem Widerspruchsbescheid dem Antrag des Klägers - wie vorliegend - nicht entsprochen, kann der Kläger die Untätigkeitsklage im Regelfall in eine Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage ändern, weil die Klageänderung zumeist sachdienlich sein dürfte (§ 99 Abs. 1 SGG). Der Antrag muss jedoch innerhalb der für den ergangenen Bescheid maßgebenden Anfechtungsfrist gestellt werden (Udsching in Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Auflage 2011, IV RdNr. 59). Eine Klageänderung war vorliegend aber nicht notwendig, da der Beklagte in der Rechtsbehelfsbelehrung des Widerspruchsbescheids vom 29.06.2012 ausdrücklich darauf hingewiesen hatte, dass dieser gemäß § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens S 4 AS 2812/12 werde. Die dennoch nicht für erledigt erklärte Untätigkeitsklage war daher als unzulässig abzuweisen.
Vor diesem Hintergrund konnten auch die übrigen Anträge des Klägers keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. In diesem Zusammenhang weist der Senat darauf hin, dass er keinen Grund gesehen hat, die Kostenentscheidung des SG abzuändern. Denn der Kläger hat durch seine sehr umfangreichen Schriftsätze und die zahlreichen Anträgen - einschließlich des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes am SG - selbst zu einer gewissen Verfahrensverzögerung beigetragen.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
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