Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 8 AS 2612/07
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 5 AS 234/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 24. April 2009 und der Bescheid des Beklagten vom 11. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. November 2007 und des Teilanerkenntnisses vom 13. April 2012 werden abgeändert, soweit die Leistungsbewilligung über einen Betrag von mehr als 4.145,13 EUR zurückgenommen und zur Erstattung gestellt worden ist.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten für beide Rechtszüge sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger und Berufungsbeklagte wendet sich gegen einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid in Höhe von 4.153,13 EUR wegen überzahlter Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) für den Zeitraum vom 1. Februar 2005 bis 31. Mai 2006.
Der am ... 1985 geborene Kläger hatte nach Abschluss der Lernbehindertenschule von August 2003 bis 8. August 2006 beim Beruflichen Ausbildungs- und Vorbereitungswerk gGmbH D. eine Ausbildung zum Werker im Gartenbau absolviert. Er hatte mit Bescheid der Bundesagentur für Arbeit vom 16. Juni 2003 als Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für die Zeit vom 18. August 2003 bis 17. Februar 2005 Ausbildungsgeld in Höhe von monatlich 282,00 EUR sowie Lehrgangskosten erhalten. Mit weiterem Bescheid vom 14. Februar 2005 bewilligte die Bundesagentur für Arbeit das Ausbildungsgeld auch für die Zeit vom 18. Februar 2005 bis 23. Mai 2006 in Höhe von monatlich 282,00 EUR und vom 24. Mai bis 17. August 2006 in Höhe von monatlich 353,00 EUR, zusätzlich Lehrgangs- sowie Reisekosten.
Der Kläger hatte im streitigen Zeitraum ein gemeinsames Konto mit seinen Eltern und bewohnte mit diesen sowie drei Geschwistern eine Wohnung. Zum 1. April 2006 erfolgte ein gemeinsamer Umzug im gleichen Haus. Die Warmwasserbereitung erfolgte in beiden Wohnungen mit Elektroboilern. Die übrige Familie bezog als Bedarfsgemeinschaft ebenfalls Leistungen nach dem SGB II. Im streitigen Zeitraum war folgende Miete zu entrichten: Februar bis Mai 2005: 385,57 EUR/Monat (Kaltmiete und Betriebskosten 295,57 EUR, Gasabschlag 90 EUR); Juni bis Juli 2005: 405,57 EUR/Monat (Kaltmiete und Betriebskosten 295,57 EUR, Gasabschlag 110 EUR), August 2005 bis Februar 2006: 407,23 EUR/Monat (Kaltmiete und Betriebskosten 297,23 EUR, Gasabschlag 110 EUR), März 2006: 417,23 EUR/Monat (Kaltmiete 297,23 EUR, Gasabschlag 120 EUR), April bis Mai 2006: 515,37 EUR/Monat (Kaltmiete und Betriebskosten 415,37 EUR, Gasabschlag 100 EUR).
Der Vater des Klägers (im Weiteren: Zeuge) beantragte am 7. Dezember 2004 für diesen die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II und unterzeichnete mit "i.A.". Er legte eine Vollmacht des Klägers vom 18. Dezember 2004 folgenden Inhalts vor: "Ich T. L. geb. 85 gebe die uneingeschränkte Vollmacht das mein Vater M. L. geb. 56 alles in meinen Namen erledigen darf". Eine weitere Vollmacht stammt vom 31. Mai 2006. Beigefügt war eine Mietbescheinigung über eine Gesamtmiete von 295,57 EUR/Monat sowie eine Bescheinigung über Abschlagsbeträge für Gaslieferung in Höhe von 90,00 EUR/Monat (= 385,57 EUR). Als Einkommen wurden das Kindergeld sowie das Ausbildungsgeld angegeben. Dem Antrag war eine Kopie des Bescheids der Bundesagentur für Arbeit vom 16. Juni 2003 für die Zeit bis 17. Februar 2005 beigefügt.
Der Beklagte lehnte zunächst die Bewilligung von Leistungen ab (Bescheid vom 12. Januar 2005). Auf den dagegen mündlich eingelegten Widerspruch des Klägers bewilligte er mit Bescheid vom 11. April 2005 Leistungen für die Zeit vom 1. Februar bis 30. Mai 2005 in Höhe von 111,42 EUR für Februar 2005 und in Höhe von 271,22 EUR/Monat ab März 2005. Er legte als Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) 64,22 EUR/Monat (=1/6 der Gesamtmiete und Gasabschläge) zu Grunde. Als Einkommen berücksichtigte er für Februar 2005 406,00 EUR (bereinigtes Kindergeld 124,00 EUR und sonstiges Einkommen 282,00 EUR) sowie ab März 2005 nur noch das bereinigte Kindergeld (124,00 EUR). Der Widerspruch wurde mit bestandskräftigem Widerspruchsbescheid vom 12. April 2005 zurückgewiesen. Der Beklagte stellte dem Gesamtbedarf und das zu berücksichtigende Einkommen gegenüber. Dazu gehöre das um den Pauschbetrag bereinigte Kindergeld in Höhe von 124,00 EUR. Bis 17. Februar 2005 seien ferner Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Höhe von 282,00 EUR abzusetzen gewesen. Ab März 2005 stehe als Einkommen nur noch das bereinigte Kindergeld zur Verfügung.
In den Anträgen auf Weiterzahlung der Leistungen vom 19. April vom 2. November 2005 gab der Kläger an, es seien keine Änderungen eingetreten. Der Beklagte bewilligte mit bestandskräftigen Bescheiden vom 13. Mai und 9. November 2005 Leistungen für die Zeit von Juni bis November 2005 sowie von Dezember 2005 bis Mai 2006 in Höhe von 271,22 EUR/Monat. Nach erfolgtem Umzug bewilligte der Beklagte mit bestandskräftigem Änderungsbescheid vom 20. April 2006 für die Monate April und Mai 2006 292,87 EUR/Monat und berücksichtigte als KdU nunmehr 85,87 EUR.
Am 6. Juni 2006 sprach der Kläger bei dem Beklagten vor. Er gab u.a. an, laufend Ausbildungsgeld zu erhalten und legte den Bewilligungsbescheid der Bundesagentur für Arbeit vom 14. Februar 2005 vor. Ferner reichte er eine Änderungsmitteilung des Gasabschlags ab März 2006 auf 120,00 EUR sowie die Schlussrechnung der K. Energie GmbH vom 5. April 2006 mit Nachforderungsbetrag für Gaslieferungen in Höhe von 288,83 EUR ein.
Der Beklagte hörte den Kläger am 15. Juni 2006 zur beabsichtigten Rückforderung von Leistungen in Höhe von 4.215,00 EUR an. Wegen des seit dem 18. Februar 2005 bezogenen Ausbildungsgelds bestehe kein Leistungsanspruch mehr. Er habe die Überzahlung verursacht, da er eine erhebliche Änderung in den Verhältnissen nicht angezeigt habe.
Der Zeuge wandte unter dem 5. Juli 2006 schriftlich ein, am 24. Februar 2005 den Bescheid der Bundesagentur für Arbeit beim Jobcenter K. abgegeben zu haben. Er sei nicht qualifiziert zu prüfen, ob alles richtig verrechnet wurde. Des Weiteren sei der Beklagte berechtigt gewesen, den Leistungsbezug vom Arbeitsamt zu überprüfen.
Der Beklagte hob mit Bescheid vom 11. Juli 2006 die Leistungsbewilligung nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) für Februar 2005 in Höhe von 103,40 EUR, für März 2005 bis März 2006 in Höhe von 271,22 EUR/Monat und für April bis Mai 2006 in Höhe von 292,87 EUR/Monat, insgesamt in Höhe von 4.215,00 EUR, auf. Der Kläger habe die Änderung - Bezug von Ausbildungsgeld - nicht angezeigt und somit die Mitteilungspflichten zumindest grob fahrlässig verletzt. Eine Kopie des Bescheids vom 14. Februar 2005 sei nicht eingegangen. Außerdem hätte er erkennen können, dass eine Anrechnung des Ausbildungsgelds nicht erfolgt sei. Der Betrag von 4.215,00 EUR sei zu erstatten.
In seinem dagegen gerichteten Widerspruch machte der Kläger abermals geltend, den Bescheid über das Ausbildungsgeld am 24. Februar 2005 abgegeben zu haben, was sein Vater bestätigen könne. Es sei kein Datenabgleich durch den Beklagten erfolgt. Er sei geistig nicht in der Lage, die Richtigkeit des Bescheids prüfen. Für die Monate April und Mai 2006 müsse ein Anspruch von 10,78 EUR/Monat verbleiben.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 8. November 2007 als unbegründet zurück. Als Einkommen zu berücksichtigen seien das bereinigte Kindergeld und das Ausbildungsgeld. Die Verlängerung des Ausbildungsgelds sei bei der Berechnung der Leistungsansprüche nicht bekannt gewesen. Das Einkommen übersteige - bis auf April 2006 - den Gesamtbedarf, in diesem Monat bestehe ein Leistungsanspruch in Höhe von 10,87 EUR. Es ergebe sich eine Überzahlung in Höhe von 4.212,13 EUR. Abweichend zu den Beträgen im Ausgangsbescheid seien 111,40 EUR für Februar 2005 und 282,00 EUR für April 2006 zu Unrecht gezahlt worden. Die zu Unrecht erbrachten Leistungen seien nach § 50 SGB X zu erstatten. Die Rücknahme sei gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X zulässig. Der Kläger sei bösgläubig gewesen. Es sei davon auszugehen, dass er insbesondere aufgrund der verständlichen Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 12. April 2005 mit den Anspruchsvoraussetzungen vertraut gewesen sei. Auch in den jeweiligen Leistungsbescheiden sei nur das Kindergeld als Einkommen aufgeführt worden. Es hätte ihm auffallen müssen, dass der Gesamtbedarf unter dem zur Verfügung stehenden Einkommen liege.
Dagegen hat der Kläger am 10. Dezember 2007 Klage vor dem Sozialgericht Dessau-Roßlau erhoben. Ergänzend zum bisherigen Vorbringen hat er angegeben, die Leistungen verbraucht zu haben. Er sei geistig nicht in der Lage zu erkennen, welche Einkommen bei den jeweiligen Leistungsbescheiden angerechnet wurden. Darüber hinaus neige er nicht dazu, Bescheide zu lesen. Sofern Leistungen bewilligt wurden, habe er die aus seiner Sicht rechtmäßigen Zahlungen duldend entgegen genommen. Wären Kontoauszüge - wie rechtlich zulässig - angefordert worden, wären die Zahlungen der Bundesagentur für Arbeit erkennbar gewesen.
In der mündlichen Verhandlung des Rechtsstreits am 24. April 2009 hat der Kläger angegeben, der Zeuge habe den Bescheid über das Ausbildungsgeld am 24. Februar 2005 ohne sein Beisein bei dem Beklagten abgegeben. Der Zeuge hat ausgesagt, er habe den Briefumschlag mit dem Bescheid über das Ausbildungsgeld geöffnet, eine Kopie des Bescheids gefertigt, handschriftlich mit der BG-Nummer versehen und diese anlässlich einer Stellensuche am Informationsstand des Jobcenters K. abgegeben. Eine Eingangsbestätigung habe er nicht erhalten. Wann er den Bescheid übergeben habe, wisse er nicht mehr genau. Meistens leite er Unterlagen innerhalb von einer Woche weiter. Er schließe aus, dass der Bescheid erst im Juni 2005 oder später abgegeben wurde. Der Kläger habe nicht gewusst, dass er den Bescheid abgegeben habe. Er habe diesem lediglich erzählt, dass er nunmehr Ausbildungsgeld erhalte.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 24. April 2009 den Bescheid des Beklagten vom 11. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. November 2007 aufgehoben. Die Voraussetzungen des § 45 SGB X lägen nicht vor. Die Leistungsbewilligung beruhe nicht auf Angaben, die der Kläger vorsätzlich oder grob fahrlässig unvollständig gemacht habe. Es sei erwiesen, dass der Zeuge den Bescheid über das Ausbildungsgeld ab dem 18. Februar 2005 überbracht habe. Der von diesem geschilderte Ablauf könne sich tatsächlich so abgespielt haben. An seiner Glaubhaftigkeit ändere nichts, dass er hinsichtlich der Übergabe keine genauen Zeitangaben tätigen könne. Er habe den Eindruck vermittelt, dass er behördliche Schriftstücke umgehend weiterleite. Wann und von wem der Bescheid überbracht wurde, habe der Beklagte offensichtlich nicht aktenkundig gemacht. Auch der Vorwurf der grob fahrlässigen Unkenntnis der Rechtswidrigkeit sei unberechtigt. Soweit der Kläger sich nicht mit dem Inhalt von Bescheiden befasse, sei dies nur einfach fahrlässig. Hier sei die Rechtswidrigkeit der Leistungsbewilligung nach der intellektuellen Leistungs- und Einsichtsfähigkeit des Klägers und angesichts des neu eingeführten Gesetzes auch nicht ohne weiteres erkennbar gewesen. Schließlich habe der Kläger aufgrund der Überbringung des Bescheids über das Ausbildungsgeld durch den Zeugen auf die Richtigkeit der Leistungsbescheide vertrauen dürfen. Das Vertrauen sei auch schutzwürdig, weil er die gezahlten Leistungen verbraucht habe.
Gegen das ihm am 4. Juni 2009 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 1. Juli 2009 Berufung eingelegt. Die Aussage des Zeugen erscheine nicht glaubwürdig. Der Kläger habe behauptet, sein Vater habe den Bescheid am 24. Februar 2005 abgegeben. Dieser habe sich jedoch an den Tag der angeblichen Abgabe nicht erinnern können. In den Akten sei entgegen der Behauptung des Zeugen keine handschriftliche BG-Nummer vermerkt. Es sei unbeachtet geblieben, dass der Kläger anhand der Leistungsbescheide und des Widerspruchsbescheids im vorhergehenden Verfahren sehr wohl hätte erkennen müssen, dass das Ausbildungsgeld nicht angerechnet wurde. Auch belege die Abgabe des Einstellungsbescheids, dass er sich dessen bewusst gewesen sei. Der Beklagte hat auf Nachfrage mitgeteilt, die Stellensuche werde nicht dokumentiert.
Mit Beschluss vom 7. Dezember 2011 ist der Rechtsstreit zur Nachholung des Anhörungsverfahrens ausgesetzt worden. Der Beklagte hat unter dem 6. Februar 2012 die Anhörung nachgeholt. Der Kläger sei seiner Verpflichtung, die Weiterzahlung des Ausbildungsgelds mitzuteilen, grob fahrlässig nicht nachgekommen. Würden Leistungen lediglich entgegen genommen, ohne den Bewilligungsbescheid zu prüfen, liege bei offensichtlichen Fehlern grobe Fahrlässigkeit vor. Auch hätte ihm auffallen müssen, dass in den Leistungsbescheiden nur das Kindergeld als Einkommen berücksichtigt worden war. Er habe nicht davon ausgehen können, dass das Ausbildungsgeld nicht auf den Bedarf angerechnet werde.
Der Beklagte hat wegen der dem Kläger für April 2006 zustehenden weiteren KdU den zur Erstattung gestellten Betrag um 59,00 EUR reduziert. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung des Rechtsstreits dieses Teilanerkenntnis angenommen und erklärt, aus dem Antrag vom 6. Juni 2006 auf Bewilligung weiterer KdU keine weiteren Ansprüche mehr geltend zu machen.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 24. April 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakten des Beklagten über den Kläger und die Bedarfsgemeinschaft des Zeugen haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Sachvortrags der Beteiligten sowie des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die Berufung des Beklagten ist form- und fristgerecht gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erhoben worden. Sie ist auch statthaft i.S.v. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG in der seit dem 1. April 2008 geltenden Fassung. Danach ist die Berufung ohne Weiteres zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands bei einer Klage, die auf eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt gerichtet ist, 750,00 EUR übersteigt. Darunter fallen auch Ansprüche gegen einen Leistungsempfänger (Meyer/Ladewig-Keller-Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 10. Aufl. § 14 Rdnr. 10). Hier ist eine Erstattung von 4.153,13 EUR im Streit.
Der Beklagte ist gemäß § 70 Nr. 3 SGG als Rechtsnachfolger der ARGE SGB II Landkreis A-B. beteiligtenfähig. Durch Verordnung zur Änderung der Kommunalträger-Zulassungsverordnung vom 1. Dezember 2010 (BGBl. I 2010, Nr. 61) ist seit dem 1. Januar 2011 Landkreis A-B. für die Aufgabenwahrnehmung nach dem SGB II zuständig. Diese erfolgt durch die Kommunale Anstalt des öffentlichen Rechts für Beschäftigung und Arbeit des Landkreises A-B. Diese ist im vorliegenden Gerichtsverfahren gemäß § 76 Abs. 3 Satz 1, 2. Halbsatz SGB II an die Stelle des bisherigen Trägers getreten.
II.
Die Berufung ist überwiegend begründet, denn das Sozialgericht hat den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid des Beklagten vom 11. Juli 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 8. November 2007 zu Unrecht vollständig aufgehoben. Soweit der Kläger sich gegen die Aufhebung und Erstattung sowie die Rückforderung weiterer Beträge wendet, war die Klage im Wesentlichen unbegründet (1.). Lediglich soweit der Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 8. November 2007 die Leistungsbewilligung für Februar 2005 in Höhe von mehr als 103,40 EUR aufgehoben hat, war die Klage begründet (2.).
Dementsprechend waren das angefochtene Urteil überwiegend und der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 11. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. November 2007 sowie des Teilanerkenntnisses vom 13. April 2012 nur im Hinblick auf einen Teilbetrag in Höhe von mehr als 103,40 EUR für Februar 2005 abzuändern.
Rechtsgrundlage für die teilweise Rücknahme der Bewilligungsentscheidungen ist § 40 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 2 SGB III i.V.m. § 45 Abs. 1, Abs. 2 Satz 3 Ziff. 3 und Abs. 4 Satz 1 SGB X. Danach wird ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen, soweit er von Anfang an rechtswidrig begünstigend ist. Voraussetzung ist, dass der Begünstigte sich nicht auf schutzwürdiges Vertrauen berufen kann, weil er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
1.a.
Der angefochtene Bescheid vom 17. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. November 2007 begegnet keinen Bedenken hinsichtlich der formellen Rechtmäßigkeit.
Er ist hinreichend bestimmt i.S.v. § 33 Abs. 1 SGB X. Der Verfügungssatz war nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei und hat einen verständigen Empfänger in die Lage versetzt, den Umfang der monatlichen Leistungsaufhebung im Einzelnen sowie die von ihm zurückgeforderte Gesamtsumme zu erkennen (BSG, Urteil vom 7. Juli 2011, B 14 AS 153/10 R (31)). Im Ausgangsbescheid sind ausdrücklich die Zeiträume der Aufhebung sowie der Umfang der jeweiligen monatlichen Überzahlung genannt.
Da das Bestimmtheitsgebot sich nur auf den Verfügungssatz und nicht auf die Rechtsgrundlage bezieht, bedarf es hier keiner Erörterung, dass zunächst § 48 SGB X als Rechtsgrundlage genannt wurde (BSG, Urteil vom 23. März 2010, B 8 SO 2/09 R (11)).
Der Umstand, dass der Beklagte seinen Bescheid erst im Widerspruchsbescheid auf § 45 SGB X gestützt hat, ist nicht von Relevanz. Denn die Heranziehung einer anderen Rechtsgrundlage ist zulässig, soweit der Verwaltungsakt dadurch nicht in seinem Regelungsumfang oder seinem Wesensgehalt verändert oder die Rechtsverteidigung des Betroffenen in nicht zulässiger Weise beeinträchtigt oder erschwert wird. Weil die §§ 45,48 SGB X auf dasselbe Ziel, nämlich die Aufhebung eines Verwaltungsakts gerichtet sind, ist das Auswechseln dieser Rechtsgrundlagen grundsätzlich zulässig (BSG, Urteil vom 21. Juni 2011, B 4 AS 22/10 R (26)).
Auch die gemäß § 24 Abs. 1 SGB X vorzunehmende Anhörung ist ordnungsgemäß erfolgt.
Der Beklagte hatte den Kläger unter dem 15. Juni 2006 wegen der beabsichtigten Aufhebung der Leistungsbewilligung und Erstattung der überzahlten Leistungen angehört. Dabei hatte er nur auf die unterbliebene Anzeige einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse hingewiesen. Den Vorwurf der grob fahrlässigen Unkenntnis der Fehlerhaftigkeit der Leistungsbescheide erhob der Beklagte erstmals im Widerspruchsbescheid vom 8. November 2007. Da er jedoch im Gerichtsverfahren die Anhörung insoweit förmlich nachgeholt und dem Kläger Gelegenheit gegeben hat, nochmals Stellung zu nehmen, ist ein etwaiger Anhörungsfehler gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 2 SGB X geheilt (BSG, Urteil vom 9. November 2010, B 4 AS 37/09 R (12 f.)).
Die Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X ist eingehalten. Der Beklagte hatte erstmals am 6. Juni 2006 Kenntnis von der Weiterzahlung des Ausbildungsgelds erhalten. Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid war am 11. Juli 2006 erlassen worden.
b.
Der streitige Aufhebungs- und Erstattungsbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheids ist auch in materieller Hinsicht - mit Ausnahme eines zur Erstattung gestellten Betrags von mehr als 103,40 EUR für Februar 2005 - rechtmäßig.
a.a.
Der Kläger war in dem hier streitigen Zeitraum dem Grunde nach anspruchsberechtigt nach dem SGB II.
Nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung. Berechtigt, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu erhalten sind nach § 7 Abs.1 SGB II in der hier maßgeblichen Fassung Personen, die
das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben,
erwerbsfähig sind,
hilfebedürftig sind und
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben.
Erwerbsfähig ist nach § 8 Abs. 1 SGB II, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Nach § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht
durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit,
aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen
sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.
Der Kläger hatte im streitigen Zeitraum das 15. Lebensjahr vollendet, das 65. Lebensjahr noch nicht erreicht, war erwerbsfähig und hatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Hinweise für fehlende Hilfebedürftigkeit wegen einzusetzenden Vermögens hat der Senat nicht.
Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 SGB II greift hier nicht. Die Ausbildung zum Werker im Gartenbau ist nicht dem Grunde nach förderungsfähig nach den §§ 60 bis 62 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung (SGB III).
Es handelt sich nicht um eine förderungsfähige berufliche Ausbildung im Sinne von § 60 Abs. 1 SGB III. Denn die Ausbildung führt nicht zu einem staatlich anerkannten Ausbildungsberuf i.S.v. § 4 Abs. 1 Berufsbildungsgesetz (BBiG) oder der Anlage A der Handwerksordnung (HwO). Vielmehr orientiert sie sich lediglich an dem anerkannten Ausbildungsberuf "Gärtner/in" und ist eine behinderten Menschen vorbehaltene besondere Ausbildung gemäß § 66 Abs. 1 Berufsbildungsgesetz (BBiG), für die eine Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf nicht in Betracht kommt. Daher ist sie auch nicht in der Liste der staatlich anerkannten Ausbildungsberufe aufgeführt (Berufsinstitut für Berufsbildung (BIBB), Stand 1. August 2011). Dementsprechend bezog der Kläger auch nicht Berufsausbildungsbeihilfe nach den §§ 60 f. SGB III, sondern Ausbildungsgeld nach den §§ 102 f. SGB III als besondere Leistung der Förderung der beruflichen Ausbildung (vgl. Beschluss des erkennenden Senats vom 6. September 2011, L 5 AS 429/10 B ER, juris).
Der Kläger hat auch keine berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen im Sinne von § 61 Abs. 1 SGB III absolviert, denn es handelt sich um eine vollwertige Ausbildung.
b.b.
Die Bewilligung von Arbeitslosengeld II erwies sich der Höhe nach als von Anfang an rechtswidrig, weil bereits bei dem Erlass des Bescheids vom 11. April 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. April 2005 sowie der Bescheide vom 13. Mai 2005, 9. November 2005 und des Änderungsbescheids vom 20. April 2006 für die Zeit vom 1. Februar 2005 bis 31 Mai 2006 eine geringere (April 2006) bzw. gar keine Hilfebedürftigkeit des Klägers aufgrund zu berücksichtigenden Einkommens vorgelegen hat. Das von dem Kläger bezogene Ausbildungsgeld in Höhe von 282,00 EUR/Monat für die Zeit vom 18. Februar 2005 bis zum 24. Mai 2006 war ihm mit Bescheid der Bundesagentur für Arbeit vom 14. Februar 2005 und somit vor Erlass der genannten Leistungsbescheide des Beklagten bewilligt worden.
Das Ausbildungsgeld ist als Einkommen i.S.v. § 11 Abs. 1 SGB II zu berücksichtigen, denn es handelt sich um eine Einnahme in Geld (so auch BSG, Urteil vom 23. März 2010, B 8 SO 17/09 R (23) zur Anrechnung von Ausbildungsgeld im Rahmen des § 82 Abs. 1 Satz 1 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe (SGB XII).
Ein Abzug für zweckbestimmte Einnahmen gemäß § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II ist nach Auffassung des Senats von den bewilligten Leistungen nicht vorzunehmen, insbesondere nicht für Fahrtkosten oder einen ausbildungsbedingten Bedarf. Denn dem Kläger sind von der Bundesagentur für Arbeit Lehrgangskosten und Reisekosten gesondert bewilligt worden. Das ihm gewährte und auf den grundsicherungsrelevanten Bedarf anzurechnende Ausbildungsgeld enthält keinen derartigen Anteil (so auch: Sächsisches LSG, Urteil vom 1. November 2007, L 3 AS 158/06, juris; BSG, Urteil vom 22. März 2010, B 4 AS 69/09 (31) zur Berufsausbildungsbeihilfe im Rahmen des § 11 SGB II; BSG, Urteil vom 23. März 2010, B 8 SO 17/09 R (24) zum Ausbildungsgeld im Rahmen des § 83 SGB XII; offen gelassen: LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 6. Dezember 2011, L 2 AS 438/11 B ER (18), juris).
Nach Auffassung des Senats besteht auch kein Grund, das Ausbildungsgeld in entsprechender Anwendung von § 82 Abs. 3 Satz 3 SGB XII ganz oder teilweise anrechnungsfrei zu stellen, wie es der für die Sozialhilfe zuständige Senat des BSG für Besucher des Eingangsbereichs einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) vorsieht (BSG, Urteil vom 23. März 2010, B 8 SO 17/09 R (29 f.)). Der dieser Rechtsprechung zugrunde liegende Gedanke, wegen der Notwendigkeit der Gleichbehandlung mit den im Arbeitsbereich der WfbM Beschäftigten müsse das Ausbildungsgeld in Höhe deren Freibetrags anrechnungsfrei bleiben, ist auf vorliegenden Rechtsstreit nicht zu übertragen. Gegen eine vergleichbare Anrechnungsfreiheit sprechen schon die unterschiedlichen Bestimmungen zur Bemessung des anzurechnenden Einkommens in § 11 SGB II und § 82 SGB XII. Im SGB II ist eine Auffangvorschrift für weitere "begründete Fälle" des Absehens von einer Einkommensanrechnung wie in § 82 Abs. 3 Satz 3 SGB XII nicht vorgesehen. Darüber hinaus ergibt sich aus dem Kontext des genannten Urteils, dass allein die Einkommenssituation der Beschäftigten im Eingangs- und im Arbeitsbereich einer WfbM Gegenstand der Überlegungen gewesen ist. Der Kläger hat jedoch keine Ausbildung im Rahmen einer WfbM absolviert, sondern war bei einer gGmbH außerbetrieblich ausgebildet worden. Es besteht daher kein Anlass, aus Gründen einer notwendigen Gleichbehandlung die Freibetragsregelungen für im Arbeitsbereich einer WfbM Beschäftigten analog auf den Bereich des SGB II zu übertragen.
Von dem Zahlbetrag hat der Beklagte zu Recht keinen Betrag von 30,00 EUR/Monat für private Versicherungen gemäß § 11 Abs. 2 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 3 Nr. 1 Alg II-V abgesetzt, da dieser Abzug bereits beim angerechneten Kindergeld erfolgte. Da der Kläger im streitigen Zeitraum kein Auto besaß, können weitere Beträge gemäß § 11 Abs. 2 Nr. 3 SGB II nicht abgesetzt werden.
Auf den bestandskräftig bewilligten Gesamtbedarf hat der Beklagte daher zu Recht neben dem bereinigten Kindergeld das Ausbildungsgeld angerechnet.
Der Senat hatte keinen Anlass, im vorliegenden Rechtsstreit die Rechtmäßigkeit der Leistungsbewilligung in den Bewilligungsbescheiden zu überprüfen. Der Kläger hatte diese seinerzeit nicht angefochten, weshalb sie bestandskräftig geworden sind. Die sich daraus gemäß § 77 SGG ergebende Bindungswirkung bezieht sich auf den Verfügungssatz, also die Höhe, Dauer und Art der Leistung (BSG, Urteil vom 22. September 2009, B 4 AS 8/09 R (27)). Die Bescheide bleiben auch bestandskräftig, soweit sie nicht durch den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 11. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 8. November 2007 in der Gestalt des Teilanerkenntnisses vom 13. April 2012 aufgehoben worden sind (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Urteil vom 25. November 2010, L 5 AS 39/08; zum Prüfungsumfang im Rahmen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X: Urteil des Senats vom 1. März 2012, L 5 AS 339/09, juris; BSG, Urteil vom 30. September 2008, B 4 AS 29/07 R (16); Urteil vom 13. Oktober 2010, B 8 SO 11/09 R (16); LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 17. November 2010, L 11 AS 926/10 B; vgl. zu § 48 SGB X: KassKomm-Steinwedel, § 48 SGB X RN 27; Castendieck in Lüdtke, Sozialgerichtsgesetz, 3. Auflage, § 54 RN 25; Schnapp in GK-SGB X 1, § 48 RN 62; Berchthold in Berchthold/Richter, Prozesse in Sozialsachen, RN 365). Der Kläger hat im Rahmen der Rechtsbehelfe gegen den Rücknahme- und Erstattungsbescheid keine Einwendungen hinsichtlich der ursprünglich bewilligten Leistungen gemacht, die hinsichtlich der bewilligten Leistungen als Antrag nach § 44 SGB X angesehen werden könnten (BSG, Urteil vom 21. März 2002, B 7 AL 44/01R; Eicher in Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, Seite 1755, RN 10).
Soweit der Beklagte den Antrag nach § 44 SGB X auf Übernahme von weiteren KdU vom 6. Juni 2006 versehentlich nicht beschieden hatte, ist dies während des Berufungsverfahrens nachgeholt worden. Das vom Kläger angenommene Teilanerkenntnis vom 13. April 2012 trägt dem höheren Leistungsanspruch insoweit Rechnung, als für den einzigen Monat, in dem sich dies unter Anrechnung des Ausbildungsgelds auswirkte, die Rückforderung entsprechend reduziert wurde.
c.c.
Der Kläger kann sich nicht auf Vertrauensschutz i.S.v. § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X gemäß § 45 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 oder 3 SGB X berufen, weil ihm zur Überzeugung des Senats die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht bekannt war.
Grobe Fahrlässigkeit liegt nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1, 3 SGB X vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Dies verlangt, dass schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht anstellt werden und daher nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss. Entscheidend ist das individuelle Vermögen, die Fehlerhaftigkeit der gemachten Angaben erkennen zu können. Maßgeblich ist daher, ob der Kläger bei einer Parallelwertung in der Laiensphäre in der Lage gewesen wäre zu erkennen, dass das Ausbildungsgeld auf die Leistungen ab dem 18. Februar 2005 nicht angerechnet wurde (BSG, Urteil vom 18. Februar 2010, B 14 AS 76/08 R (20)).
Grundsätzlich hat die Behörde die Beweislast für das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen des § 45 SGB X zu tragen. Eine Beweislastumkehr gilt jedoch hinsichtlich des Vorwurfs der grob fahrlässigen Unkenntnis der Rechtswidrigkeit der zurückgenommenen Bewilligungsbescheide. Diese sind allein der persönlichen Sphäre des Klägers zuzuordnen, weshalb insoweit bei diesen eine besondere Nähe vorliegt (BSG, Urteil vom 8. September 2010, B 11 AL 4/09R (24)).
In vorliegendem Fall ist hinsichtlich des subjektiven Vorwurfs der Kenntnis oder Unkenntnis der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts infolge grober Fahrlässigkeit auf den Vater des Klägers abzustellen. Dieser war vom Kläger mit schriftlicher Vollmacht vom 18. Dezember 2004 gemäß § 13 Abs. 1 SGB X mit der Wahrnehmung dessen Interessen gegenüber dem Beklagten bevollmächtigt worden. Die Vollmacht war auch nicht gemäß § 168 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) allein auf die Bewilligung von Leistungen im ersten Bewilligungsabschnitt beschränkt. Weder enthält die Vollmacht eine ausdrückliche Beschränkung für den ersten Leistungsantrag vom 7. Dezember 2004, noch ergibt sich aus den Gesamtumständen, dass der Vater des Klägers für diesen nicht in allen künftigen Angelegenheiten nach dem SGB II tätig werden sollte. Der Vater des Klägers hat selbst vor dem Sozialgericht und vor dem erkennenden Senat eingeräumt, die Angelegenheiten für seinen Sohn vollumfänglich wahrgenommen zu haben. Er hat nach seinem Vorbringen den Bescheid über das Ausbildungsgeld selbst an die Behörde geschickt, ohne den Sohn von diesen Vorgängen zu informieren.
Die Vollmacht ist von dem Kläger auch zu keinem Zeitpunkt gemäß § 170 BGB durch Erklärung gegenüber dem Beklagten widerrufen worden. Sie ist auch nicht dadurch unwirksam geworden, dass der Kläger zwischenzeitlich selbst Weiterzahlungsanträge gestellt hat. Trotz Bevollmächtigung kann der Beteiligte sich selbst weiterhin uneingeschränkt an die Behörde wenden (von Wulffen, SGB X, 7. Auflage, § 13 Rn. 11), so dass die Wirksamkeit der Vollmacht dadurch nicht berührt wird.
Nach § 278 Satz 1 BGB hat der Schuldner ein Verschulden der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeiten bedient, im gleichen Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden. Dies führt zu einer Zurechnung des Verschuldens des Zeugen in Hinblick auf das Kennen müssen der fehlerhaften Bewilligung an den Kläger (BSG, Urteil vom 22. Oktober 1968, 9 RV 418/65; Urteil vom 13. Dezember 1984, 9a RV 40/83 (24); KassKomm-Steinwedel, § 45 SGB X, Rdnr. 36; Hauck-Haines-Vogelsang, § 45 SGB X, Rdnr. 40; Nomos Kommentar zum SGB X-Waschull, § 45 SGB X, Rdnr. 37).
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht für den Senat fest, dass der Zeuge die Fehlerhaftigkeit der Leistungsbewilligung ab dem 18. Februar 2005 zumindest grob fahrlässig nicht gekannt hat. Ihm war nach seinen Bekundungen in der mündlichen Verhandlung des Rechtsstreits bekannt, dass das Ausbildungsgeld als Einkommen anzurechnen ist. Deshalb habe er nach seinen Angaben den Bescheid des Arbeitsamts über die Weiterbewilligung von Ausbildungsgeld für den Folgezeitraum unverzüglich dem Beklagten vorgelegt. Ein Rechtsirrtum über den Umfang der Einkommensanrechnung hat daher bei ihm nicht vorgelegen. Die Einlassung des Zeugen gegenüber dem Senat, er habe sich das höhere Familieneinkommen mit einer anderen Berechnung erklärt, erachtet der Senat als Schutzbehauptung. Denn bei pflichtgemäßer Lektüre der Bewilligungsbescheide hätte er die zugrundeliegende Berechnung erkannt. Auch gab es keinen begründeten oder vernünftigen Hinweis für eine Änderung der Rechtslage im Februar 2005 hinsichtlich der Anrechnung des Ausbildungsgelds. Schließlich hätte der Zeuge stutzig werden müssen, als trotz - behaupteter - Vorlage einer Kopie des Ausbildungsgeldbescheids (weiterhin) der Familie um 282,00 EUR/Monat höhere Leistungen zuflossen. Der Zeuge hat gegenüber dem Senat eingeräumt, dass ihm dies durchaus aufgefallen war. Insoweit hätte es zu seinen Pflichten als Bevollmächtigter des Klägers gehört, nachzufragen, warum das Ausbildungsgeld nicht die Berechnung einbezogen wurde.
Der Zeuge hatte zur Überzeugung des Senats auch die geistigen Fähigkeiten, die Fehlerhaftigkeit der Leistungsbewilligung zu erkennen. Er verfügt über eine Facharbeiterausbildung und hatte nach seinen eigenen Angaben die sozialrechtlichen Angelegenheiten für die ganze Familie geregelt.
Nahezu zeitgleich mit dem Bewilligungsbescheid vom 11. April 2005 hatte er zudem den Widerspruchsbescheid vom 12. April 2005 erhalten, in dem der Beklagte ausgeführt hatte, dass das Ausbildungsgeld nur bis zum 17. Februar 2005 angerechnet worden war. Der Zeuge hätte mithin erkennen müssen, dass im Folgezeitraum die Anrechnung von Ausbildungsgeld unterbleiben war.
Aufgrund der Zurechenbarkeit des Verschuldens des Zeugen konnte der Senat offen lassen, ob der Kläger, wenn er selbst die Bewilligungsbescheide gelesen hätte, deren Fehlerhaftigkeit hätte erkennen können.
Desgleichen kann offen bleiben, ob eine ordnungsgemäße Mitwirkung vorgelegen hat. Zweifel bestehen aus mehreren Gründen. Weder in der Verwaltungsakte über den Kläger noch in der über die Bedarfsgemeinschaft des Zeugen findet sich eine Bescheidkopie. Nach der schriftlichen Einlassung des Zeugen im Anhörungsverfahren vom 5. Juli 2006 hat er am 24. Februar 2005 den Bescheid bei dem Beklagten abgegeben. Vor dem Sozialgericht hat er hingegen angegeben, sich an das Datum der Abgabe nicht erinnern zu können. Gegen den behaupteten Geschehensablauf spricht ferner, dass weder die bei Erstantragstellung im Dezember 2004 noch die im Juni 2006 vorgelegte Kopie des Bescheids über das Ausbildungsgeld eine handschriftlich eingetragene BG-Nummer enthält. Der Zeuge hat hingegen behauptet, immer solche beschrifteten Kopien abzugeben. Der Senat bezweifelt auch, dass der Zeuge behördliche Angelegenheiten grundsätzlich in längstens einer Woche erledigt. Aus den Verwaltungsakten über die Bedarfsgemeinschaft des Zeugen ergibt sich nämlich, dass dieser einen Bescheid über das Ausbildungsgeld für seine Tochter St. von Mitte 2005 erst zu den Akten gereicht hat, nachdem er vom Beklagten im Februar 2006 dazu aufgefordert worden war.
d.d.
Unerheblich ist, ob der Kläger die Leistungen verbraucht hat und "entreichert" ist. Bei Vorliegen grober Fahrlässigkeit gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X spielt im Rahmen der Rücknahmeentscheidung der Verbrauch der Sozialleistungen keine Rolle (BSG, Urteil vom 18. Februar 2010, B 14 AS 76/08 R(21)).
e.e.
Der Beklagte hatte gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 2 SGB III kein Ermessen auszuüben. Vielmehr hatte er eine Pflicht zur Rücknahme der Leistungsbewilligung. Deshalb ist auch dem Einwand des Klägers, der Beklagte hätte im Wege eines Datenabgleichs oder der Anforderung von Kontoauszügen die Fehlerhaftigkeit der Leistungsbewilligung bemerken können, ohne Bedeutung. Solche Umstände könnten nur im Rahmen der Ermessensausübung berücksichtigt werden.
2.
Die Klage ist deshalb zu einem geringen Teil begründet, weil der Beklagte im Widerspruchsverfahren eine Verböserung zu Lasten des Klägers vorgenommen hat.
Im Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 11. Juli 2006 war für Februar 2005 die Leistungsbewilligung in Höhe von 103,40 EUR aufgehoben und zur Erstattung gestellt worden. Im Widerspruchsbescheid vom 8. November 2007 hat der Beklagte hingegen für diesen Monat einen Betrag von 111,40 EUR berücksichtigt. Der Beklagte war jedoch an den Verfügungssatz des Bescheids vom 11. Juli 2006 gebunden, auch wenn der Kläger Widerspruch eingelegt hatte. Eine Verschlechterung zu seinen Lasten wäre nur nach Maßgabe der §§ 44 f. SGB X zulässig gewesen (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 18. Juni 2008, B 14/7b AS 67/08 (18)).
Daran ändert nichts, dass der Beklagte im Widerspruchsbescheid für den gesamten Zeitraum insgesamt eine geringere Summe als im Ausgangsbescheid zu Erstattung gestellt hat. Denn es handelt sich bei den Ansprüchen auf Leistungen nach dem SGB II jeweils um Einzelansprüche für jeden Monat des Bewilligungsabschnitts. Dies ergibt sich schon aus dem Verbot einer Saldierung von offenen Ansprüchen und Überzahlungen über mehrere Monate eines Bewilligungsabschnitts (BSG, Urteil vom 5. September 2007, B 11 B AS 15/06R (42)).
Die Klage hat daher insofern Erfolg, als über den Bescheid vom 11. Juli 2006 hinaus die Leistungen für Februar 2005 in Höhe von mehr als 103,40 EUR aufgehoben und zur Erstattung gestellt wurden. Es ergibt sich eine Differenz von 8,00 EUR, weshalb sich der zurückgenommene und zur Erstattung gestellte Überzahlungsbetrag von 4.153,13 EUR auf 4.145,13 EUR reduziert.
3.
Die gemäß § 50 SGB X zur Erstattung gestellte Summe ist - bis auf den Betrag von 8,00 EUR für Februar 2005 - der Höhe nach nicht zu beanstanden.
Die Sondervorschrift in § 40 Abs. 2 Satz 1 SGB II, wonach abweichend von § 50 SGB X nur 56 vom Hundert der bei der Leistung nach § 19 Satz 1 und 3 sowie § 28 berücksichtigten Kosten für Unterkunft, mit der Ausnahme der Kosten für Heizungs- und Warmwasserversorgung, nicht zu erstatten sind, ist hier nicht anwendbar. Dies ergibt sich aus § 40 Abs. 2 Satz 2 SGB II. Danach gilt die Ausnahme nicht in den Fällen des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X.
Insoweit waren gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X die bereits erbrachten Leistungen zu erstatten, soweit sie dem Kläger nicht zustanden.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Da der Kläger nur zu einem geringen Teil der Gesamtforderung obsiegt hat, war eine Quotelung nicht vorzunehmen.
Der Senat hat die Revision zugelassen, denn es ist obergerichtlich nicht geklärt, ob in Fällen wie dem vorliegenden § 7 Abs. 5 SGB II greift, und ob Ausbildungsgeld nach § 103 SGB III als Einkommen anrechenbar ist.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten für beide Rechtszüge sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger und Berufungsbeklagte wendet sich gegen einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid in Höhe von 4.153,13 EUR wegen überzahlter Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) für den Zeitraum vom 1. Februar 2005 bis 31. Mai 2006.
Der am ... 1985 geborene Kläger hatte nach Abschluss der Lernbehindertenschule von August 2003 bis 8. August 2006 beim Beruflichen Ausbildungs- und Vorbereitungswerk gGmbH D. eine Ausbildung zum Werker im Gartenbau absolviert. Er hatte mit Bescheid der Bundesagentur für Arbeit vom 16. Juni 2003 als Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für die Zeit vom 18. August 2003 bis 17. Februar 2005 Ausbildungsgeld in Höhe von monatlich 282,00 EUR sowie Lehrgangskosten erhalten. Mit weiterem Bescheid vom 14. Februar 2005 bewilligte die Bundesagentur für Arbeit das Ausbildungsgeld auch für die Zeit vom 18. Februar 2005 bis 23. Mai 2006 in Höhe von monatlich 282,00 EUR und vom 24. Mai bis 17. August 2006 in Höhe von monatlich 353,00 EUR, zusätzlich Lehrgangs- sowie Reisekosten.
Der Kläger hatte im streitigen Zeitraum ein gemeinsames Konto mit seinen Eltern und bewohnte mit diesen sowie drei Geschwistern eine Wohnung. Zum 1. April 2006 erfolgte ein gemeinsamer Umzug im gleichen Haus. Die Warmwasserbereitung erfolgte in beiden Wohnungen mit Elektroboilern. Die übrige Familie bezog als Bedarfsgemeinschaft ebenfalls Leistungen nach dem SGB II. Im streitigen Zeitraum war folgende Miete zu entrichten: Februar bis Mai 2005: 385,57 EUR/Monat (Kaltmiete und Betriebskosten 295,57 EUR, Gasabschlag 90 EUR); Juni bis Juli 2005: 405,57 EUR/Monat (Kaltmiete und Betriebskosten 295,57 EUR, Gasabschlag 110 EUR), August 2005 bis Februar 2006: 407,23 EUR/Monat (Kaltmiete und Betriebskosten 297,23 EUR, Gasabschlag 110 EUR), März 2006: 417,23 EUR/Monat (Kaltmiete 297,23 EUR, Gasabschlag 120 EUR), April bis Mai 2006: 515,37 EUR/Monat (Kaltmiete und Betriebskosten 415,37 EUR, Gasabschlag 100 EUR).
Der Vater des Klägers (im Weiteren: Zeuge) beantragte am 7. Dezember 2004 für diesen die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II und unterzeichnete mit "i.A.". Er legte eine Vollmacht des Klägers vom 18. Dezember 2004 folgenden Inhalts vor: "Ich T. L. geb. 85 gebe die uneingeschränkte Vollmacht das mein Vater M. L. geb. 56 alles in meinen Namen erledigen darf". Eine weitere Vollmacht stammt vom 31. Mai 2006. Beigefügt war eine Mietbescheinigung über eine Gesamtmiete von 295,57 EUR/Monat sowie eine Bescheinigung über Abschlagsbeträge für Gaslieferung in Höhe von 90,00 EUR/Monat (= 385,57 EUR). Als Einkommen wurden das Kindergeld sowie das Ausbildungsgeld angegeben. Dem Antrag war eine Kopie des Bescheids der Bundesagentur für Arbeit vom 16. Juni 2003 für die Zeit bis 17. Februar 2005 beigefügt.
Der Beklagte lehnte zunächst die Bewilligung von Leistungen ab (Bescheid vom 12. Januar 2005). Auf den dagegen mündlich eingelegten Widerspruch des Klägers bewilligte er mit Bescheid vom 11. April 2005 Leistungen für die Zeit vom 1. Februar bis 30. Mai 2005 in Höhe von 111,42 EUR für Februar 2005 und in Höhe von 271,22 EUR/Monat ab März 2005. Er legte als Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) 64,22 EUR/Monat (=1/6 der Gesamtmiete und Gasabschläge) zu Grunde. Als Einkommen berücksichtigte er für Februar 2005 406,00 EUR (bereinigtes Kindergeld 124,00 EUR und sonstiges Einkommen 282,00 EUR) sowie ab März 2005 nur noch das bereinigte Kindergeld (124,00 EUR). Der Widerspruch wurde mit bestandskräftigem Widerspruchsbescheid vom 12. April 2005 zurückgewiesen. Der Beklagte stellte dem Gesamtbedarf und das zu berücksichtigende Einkommen gegenüber. Dazu gehöre das um den Pauschbetrag bereinigte Kindergeld in Höhe von 124,00 EUR. Bis 17. Februar 2005 seien ferner Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Höhe von 282,00 EUR abzusetzen gewesen. Ab März 2005 stehe als Einkommen nur noch das bereinigte Kindergeld zur Verfügung.
In den Anträgen auf Weiterzahlung der Leistungen vom 19. April vom 2. November 2005 gab der Kläger an, es seien keine Änderungen eingetreten. Der Beklagte bewilligte mit bestandskräftigen Bescheiden vom 13. Mai und 9. November 2005 Leistungen für die Zeit von Juni bis November 2005 sowie von Dezember 2005 bis Mai 2006 in Höhe von 271,22 EUR/Monat. Nach erfolgtem Umzug bewilligte der Beklagte mit bestandskräftigem Änderungsbescheid vom 20. April 2006 für die Monate April und Mai 2006 292,87 EUR/Monat und berücksichtigte als KdU nunmehr 85,87 EUR.
Am 6. Juni 2006 sprach der Kläger bei dem Beklagten vor. Er gab u.a. an, laufend Ausbildungsgeld zu erhalten und legte den Bewilligungsbescheid der Bundesagentur für Arbeit vom 14. Februar 2005 vor. Ferner reichte er eine Änderungsmitteilung des Gasabschlags ab März 2006 auf 120,00 EUR sowie die Schlussrechnung der K. Energie GmbH vom 5. April 2006 mit Nachforderungsbetrag für Gaslieferungen in Höhe von 288,83 EUR ein.
Der Beklagte hörte den Kläger am 15. Juni 2006 zur beabsichtigten Rückforderung von Leistungen in Höhe von 4.215,00 EUR an. Wegen des seit dem 18. Februar 2005 bezogenen Ausbildungsgelds bestehe kein Leistungsanspruch mehr. Er habe die Überzahlung verursacht, da er eine erhebliche Änderung in den Verhältnissen nicht angezeigt habe.
Der Zeuge wandte unter dem 5. Juli 2006 schriftlich ein, am 24. Februar 2005 den Bescheid der Bundesagentur für Arbeit beim Jobcenter K. abgegeben zu haben. Er sei nicht qualifiziert zu prüfen, ob alles richtig verrechnet wurde. Des Weiteren sei der Beklagte berechtigt gewesen, den Leistungsbezug vom Arbeitsamt zu überprüfen.
Der Beklagte hob mit Bescheid vom 11. Juli 2006 die Leistungsbewilligung nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) für Februar 2005 in Höhe von 103,40 EUR, für März 2005 bis März 2006 in Höhe von 271,22 EUR/Monat und für April bis Mai 2006 in Höhe von 292,87 EUR/Monat, insgesamt in Höhe von 4.215,00 EUR, auf. Der Kläger habe die Änderung - Bezug von Ausbildungsgeld - nicht angezeigt und somit die Mitteilungspflichten zumindest grob fahrlässig verletzt. Eine Kopie des Bescheids vom 14. Februar 2005 sei nicht eingegangen. Außerdem hätte er erkennen können, dass eine Anrechnung des Ausbildungsgelds nicht erfolgt sei. Der Betrag von 4.215,00 EUR sei zu erstatten.
In seinem dagegen gerichteten Widerspruch machte der Kläger abermals geltend, den Bescheid über das Ausbildungsgeld am 24. Februar 2005 abgegeben zu haben, was sein Vater bestätigen könne. Es sei kein Datenabgleich durch den Beklagten erfolgt. Er sei geistig nicht in der Lage, die Richtigkeit des Bescheids prüfen. Für die Monate April und Mai 2006 müsse ein Anspruch von 10,78 EUR/Monat verbleiben.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 8. November 2007 als unbegründet zurück. Als Einkommen zu berücksichtigen seien das bereinigte Kindergeld und das Ausbildungsgeld. Die Verlängerung des Ausbildungsgelds sei bei der Berechnung der Leistungsansprüche nicht bekannt gewesen. Das Einkommen übersteige - bis auf April 2006 - den Gesamtbedarf, in diesem Monat bestehe ein Leistungsanspruch in Höhe von 10,87 EUR. Es ergebe sich eine Überzahlung in Höhe von 4.212,13 EUR. Abweichend zu den Beträgen im Ausgangsbescheid seien 111,40 EUR für Februar 2005 und 282,00 EUR für April 2006 zu Unrecht gezahlt worden. Die zu Unrecht erbrachten Leistungen seien nach § 50 SGB X zu erstatten. Die Rücknahme sei gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X zulässig. Der Kläger sei bösgläubig gewesen. Es sei davon auszugehen, dass er insbesondere aufgrund der verständlichen Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 12. April 2005 mit den Anspruchsvoraussetzungen vertraut gewesen sei. Auch in den jeweiligen Leistungsbescheiden sei nur das Kindergeld als Einkommen aufgeführt worden. Es hätte ihm auffallen müssen, dass der Gesamtbedarf unter dem zur Verfügung stehenden Einkommen liege.
Dagegen hat der Kläger am 10. Dezember 2007 Klage vor dem Sozialgericht Dessau-Roßlau erhoben. Ergänzend zum bisherigen Vorbringen hat er angegeben, die Leistungen verbraucht zu haben. Er sei geistig nicht in der Lage zu erkennen, welche Einkommen bei den jeweiligen Leistungsbescheiden angerechnet wurden. Darüber hinaus neige er nicht dazu, Bescheide zu lesen. Sofern Leistungen bewilligt wurden, habe er die aus seiner Sicht rechtmäßigen Zahlungen duldend entgegen genommen. Wären Kontoauszüge - wie rechtlich zulässig - angefordert worden, wären die Zahlungen der Bundesagentur für Arbeit erkennbar gewesen.
In der mündlichen Verhandlung des Rechtsstreits am 24. April 2009 hat der Kläger angegeben, der Zeuge habe den Bescheid über das Ausbildungsgeld am 24. Februar 2005 ohne sein Beisein bei dem Beklagten abgegeben. Der Zeuge hat ausgesagt, er habe den Briefumschlag mit dem Bescheid über das Ausbildungsgeld geöffnet, eine Kopie des Bescheids gefertigt, handschriftlich mit der BG-Nummer versehen und diese anlässlich einer Stellensuche am Informationsstand des Jobcenters K. abgegeben. Eine Eingangsbestätigung habe er nicht erhalten. Wann er den Bescheid übergeben habe, wisse er nicht mehr genau. Meistens leite er Unterlagen innerhalb von einer Woche weiter. Er schließe aus, dass der Bescheid erst im Juni 2005 oder später abgegeben wurde. Der Kläger habe nicht gewusst, dass er den Bescheid abgegeben habe. Er habe diesem lediglich erzählt, dass er nunmehr Ausbildungsgeld erhalte.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 24. April 2009 den Bescheid des Beklagten vom 11. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. November 2007 aufgehoben. Die Voraussetzungen des § 45 SGB X lägen nicht vor. Die Leistungsbewilligung beruhe nicht auf Angaben, die der Kläger vorsätzlich oder grob fahrlässig unvollständig gemacht habe. Es sei erwiesen, dass der Zeuge den Bescheid über das Ausbildungsgeld ab dem 18. Februar 2005 überbracht habe. Der von diesem geschilderte Ablauf könne sich tatsächlich so abgespielt haben. An seiner Glaubhaftigkeit ändere nichts, dass er hinsichtlich der Übergabe keine genauen Zeitangaben tätigen könne. Er habe den Eindruck vermittelt, dass er behördliche Schriftstücke umgehend weiterleite. Wann und von wem der Bescheid überbracht wurde, habe der Beklagte offensichtlich nicht aktenkundig gemacht. Auch der Vorwurf der grob fahrlässigen Unkenntnis der Rechtswidrigkeit sei unberechtigt. Soweit der Kläger sich nicht mit dem Inhalt von Bescheiden befasse, sei dies nur einfach fahrlässig. Hier sei die Rechtswidrigkeit der Leistungsbewilligung nach der intellektuellen Leistungs- und Einsichtsfähigkeit des Klägers und angesichts des neu eingeführten Gesetzes auch nicht ohne weiteres erkennbar gewesen. Schließlich habe der Kläger aufgrund der Überbringung des Bescheids über das Ausbildungsgeld durch den Zeugen auf die Richtigkeit der Leistungsbescheide vertrauen dürfen. Das Vertrauen sei auch schutzwürdig, weil er die gezahlten Leistungen verbraucht habe.
Gegen das ihm am 4. Juni 2009 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 1. Juli 2009 Berufung eingelegt. Die Aussage des Zeugen erscheine nicht glaubwürdig. Der Kläger habe behauptet, sein Vater habe den Bescheid am 24. Februar 2005 abgegeben. Dieser habe sich jedoch an den Tag der angeblichen Abgabe nicht erinnern können. In den Akten sei entgegen der Behauptung des Zeugen keine handschriftliche BG-Nummer vermerkt. Es sei unbeachtet geblieben, dass der Kläger anhand der Leistungsbescheide und des Widerspruchsbescheids im vorhergehenden Verfahren sehr wohl hätte erkennen müssen, dass das Ausbildungsgeld nicht angerechnet wurde. Auch belege die Abgabe des Einstellungsbescheids, dass er sich dessen bewusst gewesen sei. Der Beklagte hat auf Nachfrage mitgeteilt, die Stellensuche werde nicht dokumentiert.
Mit Beschluss vom 7. Dezember 2011 ist der Rechtsstreit zur Nachholung des Anhörungsverfahrens ausgesetzt worden. Der Beklagte hat unter dem 6. Februar 2012 die Anhörung nachgeholt. Der Kläger sei seiner Verpflichtung, die Weiterzahlung des Ausbildungsgelds mitzuteilen, grob fahrlässig nicht nachgekommen. Würden Leistungen lediglich entgegen genommen, ohne den Bewilligungsbescheid zu prüfen, liege bei offensichtlichen Fehlern grobe Fahrlässigkeit vor. Auch hätte ihm auffallen müssen, dass in den Leistungsbescheiden nur das Kindergeld als Einkommen berücksichtigt worden war. Er habe nicht davon ausgehen können, dass das Ausbildungsgeld nicht auf den Bedarf angerechnet werde.
Der Beklagte hat wegen der dem Kläger für April 2006 zustehenden weiteren KdU den zur Erstattung gestellten Betrag um 59,00 EUR reduziert. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung des Rechtsstreits dieses Teilanerkenntnis angenommen und erklärt, aus dem Antrag vom 6. Juni 2006 auf Bewilligung weiterer KdU keine weiteren Ansprüche mehr geltend zu machen.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 24. April 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakten des Beklagten über den Kläger und die Bedarfsgemeinschaft des Zeugen haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Sachvortrags der Beteiligten sowie des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die Berufung des Beklagten ist form- und fristgerecht gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erhoben worden. Sie ist auch statthaft i.S.v. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG in der seit dem 1. April 2008 geltenden Fassung. Danach ist die Berufung ohne Weiteres zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands bei einer Klage, die auf eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt gerichtet ist, 750,00 EUR übersteigt. Darunter fallen auch Ansprüche gegen einen Leistungsempfänger (Meyer/Ladewig-Keller-Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 10. Aufl. § 14 Rdnr. 10). Hier ist eine Erstattung von 4.153,13 EUR im Streit.
Der Beklagte ist gemäß § 70 Nr. 3 SGG als Rechtsnachfolger der ARGE SGB II Landkreis A-B. beteiligtenfähig. Durch Verordnung zur Änderung der Kommunalträger-Zulassungsverordnung vom 1. Dezember 2010 (BGBl. I 2010, Nr. 61) ist seit dem 1. Januar 2011 Landkreis A-B. für die Aufgabenwahrnehmung nach dem SGB II zuständig. Diese erfolgt durch die Kommunale Anstalt des öffentlichen Rechts für Beschäftigung und Arbeit des Landkreises A-B. Diese ist im vorliegenden Gerichtsverfahren gemäß § 76 Abs. 3 Satz 1, 2. Halbsatz SGB II an die Stelle des bisherigen Trägers getreten.
II.
Die Berufung ist überwiegend begründet, denn das Sozialgericht hat den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid des Beklagten vom 11. Juli 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 8. November 2007 zu Unrecht vollständig aufgehoben. Soweit der Kläger sich gegen die Aufhebung und Erstattung sowie die Rückforderung weiterer Beträge wendet, war die Klage im Wesentlichen unbegründet (1.). Lediglich soweit der Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 8. November 2007 die Leistungsbewilligung für Februar 2005 in Höhe von mehr als 103,40 EUR aufgehoben hat, war die Klage begründet (2.).
Dementsprechend waren das angefochtene Urteil überwiegend und der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 11. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. November 2007 sowie des Teilanerkenntnisses vom 13. April 2012 nur im Hinblick auf einen Teilbetrag in Höhe von mehr als 103,40 EUR für Februar 2005 abzuändern.
Rechtsgrundlage für die teilweise Rücknahme der Bewilligungsentscheidungen ist § 40 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 2 SGB III i.V.m. § 45 Abs. 1, Abs. 2 Satz 3 Ziff. 3 und Abs. 4 Satz 1 SGB X. Danach wird ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen, soweit er von Anfang an rechtswidrig begünstigend ist. Voraussetzung ist, dass der Begünstigte sich nicht auf schutzwürdiges Vertrauen berufen kann, weil er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
1.a.
Der angefochtene Bescheid vom 17. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. November 2007 begegnet keinen Bedenken hinsichtlich der formellen Rechtmäßigkeit.
Er ist hinreichend bestimmt i.S.v. § 33 Abs. 1 SGB X. Der Verfügungssatz war nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei und hat einen verständigen Empfänger in die Lage versetzt, den Umfang der monatlichen Leistungsaufhebung im Einzelnen sowie die von ihm zurückgeforderte Gesamtsumme zu erkennen (BSG, Urteil vom 7. Juli 2011, B 14 AS 153/10 R (31)). Im Ausgangsbescheid sind ausdrücklich die Zeiträume der Aufhebung sowie der Umfang der jeweiligen monatlichen Überzahlung genannt.
Da das Bestimmtheitsgebot sich nur auf den Verfügungssatz und nicht auf die Rechtsgrundlage bezieht, bedarf es hier keiner Erörterung, dass zunächst § 48 SGB X als Rechtsgrundlage genannt wurde (BSG, Urteil vom 23. März 2010, B 8 SO 2/09 R (11)).
Der Umstand, dass der Beklagte seinen Bescheid erst im Widerspruchsbescheid auf § 45 SGB X gestützt hat, ist nicht von Relevanz. Denn die Heranziehung einer anderen Rechtsgrundlage ist zulässig, soweit der Verwaltungsakt dadurch nicht in seinem Regelungsumfang oder seinem Wesensgehalt verändert oder die Rechtsverteidigung des Betroffenen in nicht zulässiger Weise beeinträchtigt oder erschwert wird. Weil die §§ 45,48 SGB X auf dasselbe Ziel, nämlich die Aufhebung eines Verwaltungsakts gerichtet sind, ist das Auswechseln dieser Rechtsgrundlagen grundsätzlich zulässig (BSG, Urteil vom 21. Juni 2011, B 4 AS 22/10 R (26)).
Auch die gemäß § 24 Abs. 1 SGB X vorzunehmende Anhörung ist ordnungsgemäß erfolgt.
Der Beklagte hatte den Kläger unter dem 15. Juni 2006 wegen der beabsichtigten Aufhebung der Leistungsbewilligung und Erstattung der überzahlten Leistungen angehört. Dabei hatte er nur auf die unterbliebene Anzeige einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse hingewiesen. Den Vorwurf der grob fahrlässigen Unkenntnis der Fehlerhaftigkeit der Leistungsbescheide erhob der Beklagte erstmals im Widerspruchsbescheid vom 8. November 2007. Da er jedoch im Gerichtsverfahren die Anhörung insoweit förmlich nachgeholt und dem Kläger Gelegenheit gegeben hat, nochmals Stellung zu nehmen, ist ein etwaiger Anhörungsfehler gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 2 SGB X geheilt (BSG, Urteil vom 9. November 2010, B 4 AS 37/09 R (12 f.)).
Die Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X ist eingehalten. Der Beklagte hatte erstmals am 6. Juni 2006 Kenntnis von der Weiterzahlung des Ausbildungsgelds erhalten. Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid war am 11. Juli 2006 erlassen worden.
b.
Der streitige Aufhebungs- und Erstattungsbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheids ist auch in materieller Hinsicht - mit Ausnahme eines zur Erstattung gestellten Betrags von mehr als 103,40 EUR für Februar 2005 - rechtmäßig.
a.a.
Der Kläger war in dem hier streitigen Zeitraum dem Grunde nach anspruchsberechtigt nach dem SGB II.
Nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung. Berechtigt, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu erhalten sind nach § 7 Abs.1 SGB II in der hier maßgeblichen Fassung Personen, die
das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben,
erwerbsfähig sind,
hilfebedürftig sind und
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben.
Erwerbsfähig ist nach § 8 Abs. 1 SGB II, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Nach § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht
durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit,
aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen
sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.
Der Kläger hatte im streitigen Zeitraum das 15. Lebensjahr vollendet, das 65. Lebensjahr noch nicht erreicht, war erwerbsfähig und hatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Hinweise für fehlende Hilfebedürftigkeit wegen einzusetzenden Vermögens hat der Senat nicht.
Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 SGB II greift hier nicht. Die Ausbildung zum Werker im Gartenbau ist nicht dem Grunde nach förderungsfähig nach den §§ 60 bis 62 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung (SGB III).
Es handelt sich nicht um eine förderungsfähige berufliche Ausbildung im Sinne von § 60 Abs. 1 SGB III. Denn die Ausbildung führt nicht zu einem staatlich anerkannten Ausbildungsberuf i.S.v. § 4 Abs. 1 Berufsbildungsgesetz (BBiG) oder der Anlage A der Handwerksordnung (HwO). Vielmehr orientiert sie sich lediglich an dem anerkannten Ausbildungsberuf "Gärtner/in" und ist eine behinderten Menschen vorbehaltene besondere Ausbildung gemäß § 66 Abs. 1 Berufsbildungsgesetz (BBiG), für die eine Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf nicht in Betracht kommt. Daher ist sie auch nicht in der Liste der staatlich anerkannten Ausbildungsberufe aufgeführt (Berufsinstitut für Berufsbildung (BIBB), Stand 1. August 2011). Dementsprechend bezog der Kläger auch nicht Berufsausbildungsbeihilfe nach den §§ 60 f. SGB III, sondern Ausbildungsgeld nach den §§ 102 f. SGB III als besondere Leistung der Förderung der beruflichen Ausbildung (vgl. Beschluss des erkennenden Senats vom 6. September 2011, L 5 AS 429/10 B ER, juris).
Der Kläger hat auch keine berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen im Sinne von § 61 Abs. 1 SGB III absolviert, denn es handelt sich um eine vollwertige Ausbildung.
b.b.
Die Bewilligung von Arbeitslosengeld II erwies sich der Höhe nach als von Anfang an rechtswidrig, weil bereits bei dem Erlass des Bescheids vom 11. April 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. April 2005 sowie der Bescheide vom 13. Mai 2005, 9. November 2005 und des Änderungsbescheids vom 20. April 2006 für die Zeit vom 1. Februar 2005 bis 31 Mai 2006 eine geringere (April 2006) bzw. gar keine Hilfebedürftigkeit des Klägers aufgrund zu berücksichtigenden Einkommens vorgelegen hat. Das von dem Kläger bezogene Ausbildungsgeld in Höhe von 282,00 EUR/Monat für die Zeit vom 18. Februar 2005 bis zum 24. Mai 2006 war ihm mit Bescheid der Bundesagentur für Arbeit vom 14. Februar 2005 und somit vor Erlass der genannten Leistungsbescheide des Beklagten bewilligt worden.
Das Ausbildungsgeld ist als Einkommen i.S.v. § 11 Abs. 1 SGB II zu berücksichtigen, denn es handelt sich um eine Einnahme in Geld (so auch BSG, Urteil vom 23. März 2010, B 8 SO 17/09 R (23) zur Anrechnung von Ausbildungsgeld im Rahmen des § 82 Abs. 1 Satz 1 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe (SGB XII).
Ein Abzug für zweckbestimmte Einnahmen gemäß § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II ist nach Auffassung des Senats von den bewilligten Leistungen nicht vorzunehmen, insbesondere nicht für Fahrtkosten oder einen ausbildungsbedingten Bedarf. Denn dem Kläger sind von der Bundesagentur für Arbeit Lehrgangskosten und Reisekosten gesondert bewilligt worden. Das ihm gewährte und auf den grundsicherungsrelevanten Bedarf anzurechnende Ausbildungsgeld enthält keinen derartigen Anteil (so auch: Sächsisches LSG, Urteil vom 1. November 2007, L 3 AS 158/06, juris; BSG, Urteil vom 22. März 2010, B 4 AS 69/09 (31) zur Berufsausbildungsbeihilfe im Rahmen des § 11 SGB II; BSG, Urteil vom 23. März 2010, B 8 SO 17/09 R (24) zum Ausbildungsgeld im Rahmen des § 83 SGB XII; offen gelassen: LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 6. Dezember 2011, L 2 AS 438/11 B ER (18), juris).
Nach Auffassung des Senats besteht auch kein Grund, das Ausbildungsgeld in entsprechender Anwendung von § 82 Abs. 3 Satz 3 SGB XII ganz oder teilweise anrechnungsfrei zu stellen, wie es der für die Sozialhilfe zuständige Senat des BSG für Besucher des Eingangsbereichs einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) vorsieht (BSG, Urteil vom 23. März 2010, B 8 SO 17/09 R (29 f.)). Der dieser Rechtsprechung zugrunde liegende Gedanke, wegen der Notwendigkeit der Gleichbehandlung mit den im Arbeitsbereich der WfbM Beschäftigten müsse das Ausbildungsgeld in Höhe deren Freibetrags anrechnungsfrei bleiben, ist auf vorliegenden Rechtsstreit nicht zu übertragen. Gegen eine vergleichbare Anrechnungsfreiheit sprechen schon die unterschiedlichen Bestimmungen zur Bemessung des anzurechnenden Einkommens in § 11 SGB II und § 82 SGB XII. Im SGB II ist eine Auffangvorschrift für weitere "begründete Fälle" des Absehens von einer Einkommensanrechnung wie in § 82 Abs. 3 Satz 3 SGB XII nicht vorgesehen. Darüber hinaus ergibt sich aus dem Kontext des genannten Urteils, dass allein die Einkommenssituation der Beschäftigten im Eingangs- und im Arbeitsbereich einer WfbM Gegenstand der Überlegungen gewesen ist. Der Kläger hat jedoch keine Ausbildung im Rahmen einer WfbM absolviert, sondern war bei einer gGmbH außerbetrieblich ausgebildet worden. Es besteht daher kein Anlass, aus Gründen einer notwendigen Gleichbehandlung die Freibetragsregelungen für im Arbeitsbereich einer WfbM Beschäftigten analog auf den Bereich des SGB II zu übertragen.
Von dem Zahlbetrag hat der Beklagte zu Recht keinen Betrag von 30,00 EUR/Monat für private Versicherungen gemäß § 11 Abs. 2 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 3 Nr. 1 Alg II-V abgesetzt, da dieser Abzug bereits beim angerechneten Kindergeld erfolgte. Da der Kläger im streitigen Zeitraum kein Auto besaß, können weitere Beträge gemäß § 11 Abs. 2 Nr. 3 SGB II nicht abgesetzt werden.
Auf den bestandskräftig bewilligten Gesamtbedarf hat der Beklagte daher zu Recht neben dem bereinigten Kindergeld das Ausbildungsgeld angerechnet.
Der Senat hatte keinen Anlass, im vorliegenden Rechtsstreit die Rechtmäßigkeit der Leistungsbewilligung in den Bewilligungsbescheiden zu überprüfen. Der Kläger hatte diese seinerzeit nicht angefochten, weshalb sie bestandskräftig geworden sind. Die sich daraus gemäß § 77 SGG ergebende Bindungswirkung bezieht sich auf den Verfügungssatz, also die Höhe, Dauer und Art der Leistung (BSG, Urteil vom 22. September 2009, B 4 AS 8/09 R (27)). Die Bescheide bleiben auch bestandskräftig, soweit sie nicht durch den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 11. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 8. November 2007 in der Gestalt des Teilanerkenntnisses vom 13. April 2012 aufgehoben worden sind (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Urteil vom 25. November 2010, L 5 AS 39/08; zum Prüfungsumfang im Rahmen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X: Urteil des Senats vom 1. März 2012, L 5 AS 339/09, juris; BSG, Urteil vom 30. September 2008, B 4 AS 29/07 R (16); Urteil vom 13. Oktober 2010, B 8 SO 11/09 R (16); LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 17. November 2010, L 11 AS 926/10 B; vgl. zu § 48 SGB X: KassKomm-Steinwedel, § 48 SGB X RN 27; Castendieck in Lüdtke, Sozialgerichtsgesetz, 3. Auflage, § 54 RN 25; Schnapp in GK-SGB X 1, § 48 RN 62; Berchthold in Berchthold/Richter, Prozesse in Sozialsachen, RN 365). Der Kläger hat im Rahmen der Rechtsbehelfe gegen den Rücknahme- und Erstattungsbescheid keine Einwendungen hinsichtlich der ursprünglich bewilligten Leistungen gemacht, die hinsichtlich der bewilligten Leistungen als Antrag nach § 44 SGB X angesehen werden könnten (BSG, Urteil vom 21. März 2002, B 7 AL 44/01R; Eicher in Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, Seite 1755, RN 10).
Soweit der Beklagte den Antrag nach § 44 SGB X auf Übernahme von weiteren KdU vom 6. Juni 2006 versehentlich nicht beschieden hatte, ist dies während des Berufungsverfahrens nachgeholt worden. Das vom Kläger angenommene Teilanerkenntnis vom 13. April 2012 trägt dem höheren Leistungsanspruch insoweit Rechnung, als für den einzigen Monat, in dem sich dies unter Anrechnung des Ausbildungsgelds auswirkte, die Rückforderung entsprechend reduziert wurde.
c.c.
Der Kläger kann sich nicht auf Vertrauensschutz i.S.v. § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X gemäß § 45 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 oder 3 SGB X berufen, weil ihm zur Überzeugung des Senats die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht bekannt war.
Grobe Fahrlässigkeit liegt nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1, 3 SGB X vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Dies verlangt, dass schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht anstellt werden und daher nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss. Entscheidend ist das individuelle Vermögen, die Fehlerhaftigkeit der gemachten Angaben erkennen zu können. Maßgeblich ist daher, ob der Kläger bei einer Parallelwertung in der Laiensphäre in der Lage gewesen wäre zu erkennen, dass das Ausbildungsgeld auf die Leistungen ab dem 18. Februar 2005 nicht angerechnet wurde (BSG, Urteil vom 18. Februar 2010, B 14 AS 76/08 R (20)).
Grundsätzlich hat die Behörde die Beweislast für das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen des § 45 SGB X zu tragen. Eine Beweislastumkehr gilt jedoch hinsichtlich des Vorwurfs der grob fahrlässigen Unkenntnis der Rechtswidrigkeit der zurückgenommenen Bewilligungsbescheide. Diese sind allein der persönlichen Sphäre des Klägers zuzuordnen, weshalb insoweit bei diesen eine besondere Nähe vorliegt (BSG, Urteil vom 8. September 2010, B 11 AL 4/09R (24)).
In vorliegendem Fall ist hinsichtlich des subjektiven Vorwurfs der Kenntnis oder Unkenntnis der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts infolge grober Fahrlässigkeit auf den Vater des Klägers abzustellen. Dieser war vom Kläger mit schriftlicher Vollmacht vom 18. Dezember 2004 gemäß § 13 Abs. 1 SGB X mit der Wahrnehmung dessen Interessen gegenüber dem Beklagten bevollmächtigt worden. Die Vollmacht war auch nicht gemäß § 168 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) allein auf die Bewilligung von Leistungen im ersten Bewilligungsabschnitt beschränkt. Weder enthält die Vollmacht eine ausdrückliche Beschränkung für den ersten Leistungsantrag vom 7. Dezember 2004, noch ergibt sich aus den Gesamtumständen, dass der Vater des Klägers für diesen nicht in allen künftigen Angelegenheiten nach dem SGB II tätig werden sollte. Der Vater des Klägers hat selbst vor dem Sozialgericht und vor dem erkennenden Senat eingeräumt, die Angelegenheiten für seinen Sohn vollumfänglich wahrgenommen zu haben. Er hat nach seinem Vorbringen den Bescheid über das Ausbildungsgeld selbst an die Behörde geschickt, ohne den Sohn von diesen Vorgängen zu informieren.
Die Vollmacht ist von dem Kläger auch zu keinem Zeitpunkt gemäß § 170 BGB durch Erklärung gegenüber dem Beklagten widerrufen worden. Sie ist auch nicht dadurch unwirksam geworden, dass der Kläger zwischenzeitlich selbst Weiterzahlungsanträge gestellt hat. Trotz Bevollmächtigung kann der Beteiligte sich selbst weiterhin uneingeschränkt an die Behörde wenden (von Wulffen, SGB X, 7. Auflage, § 13 Rn. 11), so dass die Wirksamkeit der Vollmacht dadurch nicht berührt wird.
Nach § 278 Satz 1 BGB hat der Schuldner ein Verschulden der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeiten bedient, im gleichen Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden. Dies führt zu einer Zurechnung des Verschuldens des Zeugen in Hinblick auf das Kennen müssen der fehlerhaften Bewilligung an den Kläger (BSG, Urteil vom 22. Oktober 1968, 9 RV 418/65; Urteil vom 13. Dezember 1984, 9a RV 40/83 (24); KassKomm-Steinwedel, § 45 SGB X, Rdnr. 36; Hauck-Haines-Vogelsang, § 45 SGB X, Rdnr. 40; Nomos Kommentar zum SGB X-Waschull, § 45 SGB X, Rdnr. 37).
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht für den Senat fest, dass der Zeuge die Fehlerhaftigkeit der Leistungsbewilligung ab dem 18. Februar 2005 zumindest grob fahrlässig nicht gekannt hat. Ihm war nach seinen Bekundungen in der mündlichen Verhandlung des Rechtsstreits bekannt, dass das Ausbildungsgeld als Einkommen anzurechnen ist. Deshalb habe er nach seinen Angaben den Bescheid des Arbeitsamts über die Weiterbewilligung von Ausbildungsgeld für den Folgezeitraum unverzüglich dem Beklagten vorgelegt. Ein Rechtsirrtum über den Umfang der Einkommensanrechnung hat daher bei ihm nicht vorgelegen. Die Einlassung des Zeugen gegenüber dem Senat, er habe sich das höhere Familieneinkommen mit einer anderen Berechnung erklärt, erachtet der Senat als Schutzbehauptung. Denn bei pflichtgemäßer Lektüre der Bewilligungsbescheide hätte er die zugrundeliegende Berechnung erkannt. Auch gab es keinen begründeten oder vernünftigen Hinweis für eine Änderung der Rechtslage im Februar 2005 hinsichtlich der Anrechnung des Ausbildungsgelds. Schließlich hätte der Zeuge stutzig werden müssen, als trotz - behaupteter - Vorlage einer Kopie des Ausbildungsgeldbescheids (weiterhin) der Familie um 282,00 EUR/Monat höhere Leistungen zuflossen. Der Zeuge hat gegenüber dem Senat eingeräumt, dass ihm dies durchaus aufgefallen war. Insoweit hätte es zu seinen Pflichten als Bevollmächtigter des Klägers gehört, nachzufragen, warum das Ausbildungsgeld nicht die Berechnung einbezogen wurde.
Der Zeuge hatte zur Überzeugung des Senats auch die geistigen Fähigkeiten, die Fehlerhaftigkeit der Leistungsbewilligung zu erkennen. Er verfügt über eine Facharbeiterausbildung und hatte nach seinen eigenen Angaben die sozialrechtlichen Angelegenheiten für die ganze Familie geregelt.
Nahezu zeitgleich mit dem Bewilligungsbescheid vom 11. April 2005 hatte er zudem den Widerspruchsbescheid vom 12. April 2005 erhalten, in dem der Beklagte ausgeführt hatte, dass das Ausbildungsgeld nur bis zum 17. Februar 2005 angerechnet worden war. Der Zeuge hätte mithin erkennen müssen, dass im Folgezeitraum die Anrechnung von Ausbildungsgeld unterbleiben war.
Aufgrund der Zurechenbarkeit des Verschuldens des Zeugen konnte der Senat offen lassen, ob der Kläger, wenn er selbst die Bewilligungsbescheide gelesen hätte, deren Fehlerhaftigkeit hätte erkennen können.
Desgleichen kann offen bleiben, ob eine ordnungsgemäße Mitwirkung vorgelegen hat. Zweifel bestehen aus mehreren Gründen. Weder in der Verwaltungsakte über den Kläger noch in der über die Bedarfsgemeinschaft des Zeugen findet sich eine Bescheidkopie. Nach der schriftlichen Einlassung des Zeugen im Anhörungsverfahren vom 5. Juli 2006 hat er am 24. Februar 2005 den Bescheid bei dem Beklagten abgegeben. Vor dem Sozialgericht hat er hingegen angegeben, sich an das Datum der Abgabe nicht erinnern zu können. Gegen den behaupteten Geschehensablauf spricht ferner, dass weder die bei Erstantragstellung im Dezember 2004 noch die im Juni 2006 vorgelegte Kopie des Bescheids über das Ausbildungsgeld eine handschriftlich eingetragene BG-Nummer enthält. Der Zeuge hat hingegen behauptet, immer solche beschrifteten Kopien abzugeben. Der Senat bezweifelt auch, dass der Zeuge behördliche Angelegenheiten grundsätzlich in längstens einer Woche erledigt. Aus den Verwaltungsakten über die Bedarfsgemeinschaft des Zeugen ergibt sich nämlich, dass dieser einen Bescheid über das Ausbildungsgeld für seine Tochter St. von Mitte 2005 erst zu den Akten gereicht hat, nachdem er vom Beklagten im Februar 2006 dazu aufgefordert worden war.
d.d.
Unerheblich ist, ob der Kläger die Leistungen verbraucht hat und "entreichert" ist. Bei Vorliegen grober Fahrlässigkeit gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X spielt im Rahmen der Rücknahmeentscheidung der Verbrauch der Sozialleistungen keine Rolle (BSG, Urteil vom 18. Februar 2010, B 14 AS 76/08 R(21)).
e.e.
Der Beklagte hatte gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 2 SGB III kein Ermessen auszuüben. Vielmehr hatte er eine Pflicht zur Rücknahme der Leistungsbewilligung. Deshalb ist auch dem Einwand des Klägers, der Beklagte hätte im Wege eines Datenabgleichs oder der Anforderung von Kontoauszügen die Fehlerhaftigkeit der Leistungsbewilligung bemerken können, ohne Bedeutung. Solche Umstände könnten nur im Rahmen der Ermessensausübung berücksichtigt werden.
2.
Die Klage ist deshalb zu einem geringen Teil begründet, weil der Beklagte im Widerspruchsverfahren eine Verböserung zu Lasten des Klägers vorgenommen hat.
Im Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 11. Juli 2006 war für Februar 2005 die Leistungsbewilligung in Höhe von 103,40 EUR aufgehoben und zur Erstattung gestellt worden. Im Widerspruchsbescheid vom 8. November 2007 hat der Beklagte hingegen für diesen Monat einen Betrag von 111,40 EUR berücksichtigt. Der Beklagte war jedoch an den Verfügungssatz des Bescheids vom 11. Juli 2006 gebunden, auch wenn der Kläger Widerspruch eingelegt hatte. Eine Verschlechterung zu seinen Lasten wäre nur nach Maßgabe der §§ 44 f. SGB X zulässig gewesen (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 18. Juni 2008, B 14/7b AS 67/08 (18)).
Daran ändert nichts, dass der Beklagte im Widerspruchsbescheid für den gesamten Zeitraum insgesamt eine geringere Summe als im Ausgangsbescheid zu Erstattung gestellt hat. Denn es handelt sich bei den Ansprüchen auf Leistungen nach dem SGB II jeweils um Einzelansprüche für jeden Monat des Bewilligungsabschnitts. Dies ergibt sich schon aus dem Verbot einer Saldierung von offenen Ansprüchen und Überzahlungen über mehrere Monate eines Bewilligungsabschnitts (BSG, Urteil vom 5. September 2007, B 11 B AS 15/06R (42)).
Die Klage hat daher insofern Erfolg, als über den Bescheid vom 11. Juli 2006 hinaus die Leistungen für Februar 2005 in Höhe von mehr als 103,40 EUR aufgehoben und zur Erstattung gestellt wurden. Es ergibt sich eine Differenz von 8,00 EUR, weshalb sich der zurückgenommene und zur Erstattung gestellte Überzahlungsbetrag von 4.153,13 EUR auf 4.145,13 EUR reduziert.
3.
Die gemäß § 50 SGB X zur Erstattung gestellte Summe ist - bis auf den Betrag von 8,00 EUR für Februar 2005 - der Höhe nach nicht zu beanstanden.
Die Sondervorschrift in § 40 Abs. 2 Satz 1 SGB II, wonach abweichend von § 50 SGB X nur 56 vom Hundert der bei der Leistung nach § 19 Satz 1 und 3 sowie § 28 berücksichtigten Kosten für Unterkunft, mit der Ausnahme der Kosten für Heizungs- und Warmwasserversorgung, nicht zu erstatten sind, ist hier nicht anwendbar. Dies ergibt sich aus § 40 Abs. 2 Satz 2 SGB II. Danach gilt die Ausnahme nicht in den Fällen des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X.
Insoweit waren gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X die bereits erbrachten Leistungen zu erstatten, soweit sie dem Kläger nicht zustanden.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Da der Kläger nur zu einem geringen Teil der Gesamtforderung obsiegt hat, war eine Quotelung nicht vorzunehmen.
Der Senat hat die Revision zugelassen, denn es ist obergerichtlich nicht geklärt, ob in Fällen wie dem vorliegenden § 7 Abs. 5 SGB II greift, und ob Ausbildungsgeld nach § 103 SGB III als Einkommen anrechenbar ist.
Rechtskraft
Aus
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SAN
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