L 3 AL 2449/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 4 AL 3876/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AL 2449/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 08. Mai 2012 abgeändert. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 12. April 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids Nr. W 2282/10 vom 08. bzw. 18. Juni 2012 verpflichtet, über den Antrag der Klägerin vom 01. April 2012 über die Gewährung einer Umzugskostenbeihilfe erneut zu entscheiden.

2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

3. Die Beklagte erstattet der Klägerin ein Drittel der außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge.

Der 3. Senat des Landessozialgerichts Baden-Württemberg in Stuttgart hat am 24.01.2013 durch ohne mündliche Verhandlung beschlossen:

Das Urteil dieses Gerichts vom 12. Dezember 2012 wird wegen offensichtlicher Unrichtigkeit im Tenor dahin berichtigt, dass die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 12. April 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids Nr. W 2282/10 vom 08. bzw. 18. Juni 2010 verpflichtet ist, über den Antrag der Klägerin vom 01. April 2010 über die Gewährung einer Umzugskostenbeihilfe erneut zu entscheiden.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der beklagten Bundesagentur für Arbeit Leistungen aus dem Vermittlungsbudget, konkret eine Umzugskostenbeihilfe, hilfsweise eine ermessensfehlerfreie neue Entscheidung über einen entsprechenden Antrag.

Die am 04.08.1985 geborene Klägerin hatte in Berlin Tiermedizin studiert. Sie wurde mit Ablauf ihres Abschlusssemesters, zum 31.03.2010, exmatrikuliert. Bereits nach Bestehen der Abschluss¬prüfung am 09.02.2010 hatte sie sich erstmals am 11.02.2010 an die für sie örtlich zuständige Agentur für Arbeit Berlin-Süd (Regionaldirektion Berlin-Brandenburg) gewandt und um Vermittlung gebeten. Nach einem e-mail-Wechsel wurde diese Vorsprache als arbeitsuchend sowie als persönliche Arbeits¬losmeldung anerkannt. In einer e-mail vom 15.02.2010 teilte die Klägerin der Beklagten unter anderem mit, sie beantrage kein Arbeitslosengeld, da sie die notwendige Anwartschaftszeit nicht zurückgelegt habe, und sie bemühe sich intensiv um eine Anstellung im erlernten Beruf vorwiegend im "Großraum E. (50 km Umkreis)" in Baden-Württemberg.

Mit e-mail vom 19.02.2010 beantragte die Klägerin "Leistungen aus dem Vermittlungsbudget (Bewerbungskosten)". Dem gab die Beklagte statt; Eigenleistungsfähigkeit bestehe nicht. Die Klägerin berichtete in einer e-mail vom 23.02.2010 von zwei Bewerbungen bei Tierarztpraxen und einem geplanten Vorstellungstermin in Stuttgart bzw. Umgebung, und beantragte insoweit Reisekostenbeihilfe. Dem gab die Beklagte grundsätzlich statt. Am 04.03.2010 berichtete die Klägerin per e-mail von einem Vorstellungsgespräch in der Praxis des Tierarztes K. in W. in Baden-Württemberg, und beantragte hierfür Erstattung der Bewerbungskosten sowie eine Reisekostenbeihilfe für die Fahrt von der Wohnung ihrer Eltern im baden-würt¬tem¬ber¬gischen X. nach W ... K. wandte sich am 22.03.2010 an die Beklagte, teilte mit, er wolle die Klägerin als Assistentin in Vollzeit einstellen, und beantragte insoweit Eingliederungshilfen. Mit e-mail vom 30.03.2010 teilte die Klägerin der Beklagten mit, Tierarzt K. habe sie unbefristet eingestellt; daraufhin meldete sie die Beklagte aus der Vermittlung ab. Nachdem K. unter dem 06.04.2010 mitgeteilt hatte, er habe die Klägerin ab dem 01.04.2010 für zunächst EUR 2.250,00 brutto eingestellt, es lägen bei ihr aber bestimmte arbeitsplatzbezogene Minderleistungen vor, die unter anderem durch Fortbildung nach Arbeitsaufnahme behoben werden müssten, bewilligte die Beklagte - wohl unter dem 06.05.2010 - einen Eingliederungszuschuss von 40 % des Bruttolohns für die ersten drei Monate des Beschäftigungsverhältnisses.

Mit e-mail von Donnerstag, dem 01.04.2010, abgesendet um 21.41 Uhr, beantragte die Klägerin "Erstattung der Umzugskosten (früher Umzugskostenbeihilfe)" von Berlin in den Raum W., die Kosten für eine doppelte Haushaltsführung bis zum 31.05.2010, da sie erst zu diesem Datum ihre Berliner Wohnung kündigen könne, sowie eine Fahrtkostenbeihilfe für die täglichen Pendelfahrten von der Wohnung ihrer Eltern nach W. bis zur Anmietung einer eigenen Wohnung dort. Die Beklagte lehnte die Gewährung dieser drei Leistungen mit drei Bescheiden vom 12.04.2010 ab. Sie führte gleichlautend aus, die fraglichen Kosten seien vor dem Datum der Antragstellung entstanden, mithin sei der Antrag verspätet, die Klägerin sei mit dem Merkblatt Nr. 1 auf die Notwendigkeit eines rechtzeitigen Antrags hingewiesen worden, eine unbillige Härte sei nicht ersichtlich oder vorgetragen.

Am 09.05.2010 erhob der Vater der Klägerin, der in der Widerspruchsstelle der Agentur für Arbeit Y. (Regionaldirektion Baden-Württemberg) der Beklagten beschäftigt ist, im Namen und mit Vollmacht der Klägerin Widersprüche gegen die drei Ablehnungsbescheide. Er teilte mit, die Klägerin habe ab dem 01.06.2010 zunächst eine Ferienwohnung im Raum W. angemietet, erst danach könne sie konkrete Angaben zur Höhe der Umzugs- und Fahrtkosten machen. Auf seine Bitte hin übermittelte ihm die Beklagte die Handlungsempfehlungen und den Orientierungsplan (ermes¬senslenkende Weisungen) der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg bzw. der Agentur für Arbeit Berlin-Süd. Im weiteren Vorverfahren trug die Klägerin vor, sie habe in Berlin nicht das Merkblatt Nr. 1 für Arbeitslose, sondern nur das Merkblatt Nr. 3 erhalten, und sei daher nicht über die Notwendigkeit rechtzeitiger Antragstellung unterrichtet gewesen. Sie habe die Umzugskostenbeihilfe am Tag der Arbeitsaufnahme beantragt. Nach den in der Agentur für Arbeit Y. gel¬tenden Handlungsempfehlungen reiche eine Antragstellung am Tag der Arbeitsaufnahme aus. Hierauf habe sie vertraut. An Umzugskosten machte sie später EUR 826,88 (Mietkosten für einen Kleintransporter einschließlich Treibstoff EUR 477,58, Verleihgebühren für 15 Möbeldecken EUR 35,70, Kosten der Umzugsfahrt und zurück [1.232 km à EUR 0,20, insgesamt 246,40], drei Fahrten von der Wohnung ihrer Eltern an ihre neue Wohnung [zusammen EUR 67,20]) geltend. Aus den beigefügten Rechnungen und Belegen ergab sich, dass der Umzug am 18./19.04.2010 durchgeführt worden war. Die Kosten der doppelten Haushaltsführung bezifferte die Klägerin auf EUR 460,00. Die Kosten täglicher Pendelfahrten machte sie nicht mehr geltend.

Die Beklagte wies unter dem 08.06.2010 in zwei getrennten Widerspruchsbescheiden die Widersprüche hinsichtlich der Umzugskosten und der doppelten Haushaltsführung zurück. Sie führte aus, nach den (bundesweit geltenden) Geschäftsanweisungen der Beklagten müsse ein Antrag auf Leistungen aus dem Vermittlungsbudget "vor Eintritt des leistungsbegründenden Ereignisses" gestellt werden. Dies sei "das tatsächliche Entstehen der Kosten, spätestens jedoch der Tag der Beschäftigungsaufnahme". Daher sei der Antrag verspätet gewesen. Die verspätete Antragstellung sei auch nicht wegen einer unbilligen Härte zuzulassen. Nachdem die Klägerin darauf hingewiesen hatte, dass die Rechtsbehelfsbelehrung der Widerspruchsbescheide wegen ihres zwischenzeitlichen Umzugs falsch sei, übermittelte die Beklagte ihrem Bevollmächtigten unter dem 18.06.2010 neue Ausfertigungen der Widerspruchsbescheide mit geänderter Belehrung.

Am 28.06.2010 hat die Klägerin zum Sozialgericht Stuttgart (SG) zwei Klagen betreffend die Umzugskostenbeihilfe (S 17/4 AL 3876/10) und die Kosten der doppelten Haushaltsführung (S 17/4 AL 3877/10) erhoben. Sie hat vorgetragen, die Antragstellung am 01.04.2010 sei rechtzeitig erfolgt. Die Agentur für Arbeit Berlin-Süd habe die hier relevante Frage nicht in ermessenslenkenden Weisungen, sondern in einem Orientierungsplan für die zuständigen Leistungssachbearbeiter geregelt. Jedenfalls habe die Beklagte sie nicht ausreichend über die Praxis in der Agentur Berlin-Süd (bzw. der RD Berlin-Brandenburg) informiert, weswegen zumindest der Antrag, sollte er verspätet gewesen sein, wegen unbilliger Härte zuzulassen gewesen sei. Sie hat ihren Schriftwechsel mit der Beklagten, das Merkblatt Nr. 3 für Arbeitslose "Vermittlungsdienste und Leistungen" mit dem Hinweis, dass eine Förderung aus dem Vermittlungsbudget beantragt werden müsse, "bevor die Kosten entstehen", einen entsprechenden Hinweis von der Homepage des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales und erneut die Geschäftsanweisungen der BA zum Vermittlungsbudget vorgelegt. Ferner hat sie dem ab dem 01.04.2010 geltenden und am selben Tag unterzeichneten Arbeitsvertrag mit Tierarzt K. vorgelegt. Ebenso hat sie die "Ermessenslenkenden Weisungen 2009 SGB III der Agentur für Arbeit Y." über das Vermittlungsbudget vorgelegt; dort ist geregelt: "( ) Beantragung vor Eintritt des leistungsbegründenden Ereignisses, spätestens jedoch der Tag der Beschäftigungsaufnahme". Zur Zulassung eines etwa verspäteten Antrags hat sie letztlich mehrere Urteile der Sozialgerichte Ulm und Stuttgart vorgelegt.

Die Beklagte ist den Klagen entgegengetreten. Sie hat ausgeführt, die Klägerin habe am 19.02.2010 konkret Bewerbungskosten und am 23.02.2010 konkret Reisekostenbeihilfe beantragt. Sie habe daher um das Erfordernis der zeitgerechten Antragstellung gewusst. Anlass für eine Spontanberatung habe es nicht gegeben. Am 29.03.2010 habe sie - lediglich - ihre Arbeitsaufnahme zum 01.04. mitgeteilt, aber keinen Antrag gestellt.

Auf gemeinsame mündliche Verhandlung hin hat das SG die Klagen mit Urteilen vom 08.05.2012 abgewiesen. Zur Begründung hat es zu der hier betroffenen Klage hinsichtlich der Umzugskostenbeihilfe ausgeführt: Der Antrag sei nach § 324 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) verspätet gestellt worden. Leistungen der Arbeitsförderung, zu denen auch eine Förderung aus dem Vermittlungsbudget nach § 45 SGB III (a.F.) gehöre, würden nur erbracht, wenn sie vor Eintritt des leistungsbegründenden Ereignisses gestellt worden seien. Damit sei ein Lebensvorgang gemeint und nicht die Erfüllung formaler Voraussetzungen, und zwar jener Lebensvorgang, der "im Zentrum des Regelungsziels" stehe. Für die hier streitigen Entscheidungen müsse man sich daran orientieren, vor welchem Zeitpunkt die Beklagte eingeschaltet werden müsse, um noch Einfluss auf eine sachgerechte Förderung nehmen zu können. Bei Leistungen zur Mobilität stehe im Mittelpunkt die (Notwendigkeit der Leistungsgewährung zur) Aufnahme einer Beschäftigung. Daher sei der Antrag vor Beschäftigungsaufnahme zu stellen. Etwas anderes folge auch nicht aus den Geschäftsanweisungen der Beklagten. Der dort genannte Tag der Beschäftigungsaufnahme sei das letztmögliche leistungsbegründende Ereignis, nicht der letztmögliche Tag zur Antragstellung. Der verspätete Antrag habe auch nicht zur Vermeidung einer unbilligen Härte (§ 324 Abs. 1 Satz 2 SGB III) zugelassen werden können. Das Merkblatt Nr. 3 habe zwar nur auf eine Antragstellung vor Entstehung der Kosten hingewiesen; jedoch auch ausgeführt, die Förderung diene der Anbahnung oder Aufnahme einer Beschäftigung, woraus deutlich werde, dass eine bereits aufgenommene Beschäftigung nicht mehr förderfähig sei. Ein Beratungsfehler der Beklagten liege nicht vor, denn die Klägerin habe sich nicht nach Umzugsförderungen erkundigt; vielmehr habe sie konkret Bewerbungs- und Reisekosten beantragt, sodass die Beklagte davon habe ausgehen dürfen, dass der Klägerin die Fördermöglichkeiten bekannt seien. Andere Härten seien nicht ersichtlich, nachdem das Arbeitsverhältnis auch ohne Förderung zu Stande gekommen und die Klägerin durch die Ablehnung nicht sozialhilfebedürftig geworden sei, weil sie ihre Familie unterstützt habe. Nachdem es bereits an einer Härte fehle, habe die Beklagte auch keine Ermessenserwägungen über eine nachträgliche Zulassung des Antrags anstellen müssen.

Das Urteil in dem Verfahren S 4 AL 3877/10 (doppelte Haushaltsführung) hat die Klägerin mangels ausreichender Beschwer nicht angefochten, es ist rechtskräftig geworden.

Gegen das Urteil in dem Verfahren S 4 AL 3876/10 (Umzugskosten), das ihrem Bevollmächtigten am 18.05.2012 zugestellt worden ist, hat die Klägerin am 10.06.2012 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Sie trägt vor, über eine verspätete Antragszulassung müsse im Ermessenswege entschieden werden, wenn sie sich nicht negativ ausgewirkt habe. Sie habe den Antrag auf Leistungen aus dem Vermittlungsbudget insgesamt rechtzeitig gestellt, solche Anträge müssten nicht in allen Einzelheiten spezifiziert werden. So könnten Umzugskosten auch nachträglich beantragt werden. Es führe nicht zu einem befriedigenden Ergebnis, wenn ein Versicherter eine aufgenommene Beschäftigung sofort wieder aufgeben müsse, wenn keine Umzugskosten gewährt würden, oder wenn die Beklagte in solchen Fällen abwarte, ob er den Umzug aus eigenen Mitteln, etwa durch Darlehen Dritter, selbst finanziere.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 08. Mai 2012 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 12. April 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids Nr. W 2282/10 vom 08. bzw. 18. Juni 2012 a) zu verurteilen, ihr EUR 826,88 zu zahlen, b) hilfsweise zu verpflichten, über den Antrag vom 01. April 2012 auf Gewährung einer Umzugskostenbeihilfe in genannter Höhe erneut zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor, sie könne eine - zeitgerechte - allgemeine Antragstellung auf Förderung aus dem Vermittlungsbudget nicht erkennen, insbesondere nicht aus den vorherigen Kontakten zur Klägerin. Auch seien keine Anhaltspunkte dafür zu erkennen gewesen, dass eine Förderung für einen Umzug für die berufliche Eingliederung der Klägerin notwendig gewesen sei.

Der Berichterstatter des Senats hat die Klägerin persönlich sowie ihren Vater als ihren Bevollmächtigten, diesen zur Verwaltungspraxis der Agentur für Arbeit Y., angehört. Wegen des Ergebnisses wird auf das Protokoll der nichtöffentlichen Sitzung vom 11.09.2012 verwiesen.

Die Klägerin hat sich mit Schriftsatz vom 03.10.2012, die Beklagte unter dem 25.10.2012 mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe:

1. Die Berufung der Klägerin, über die der Senat nach §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig, insbesondere war sie wegen der Beschwer von EUR 826,88 nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulassungsbedürftig.

2. Die Berufung ist mit dem gestellten Hilfsantrag im Sinne einer Aufhebung der angegriffenen Bescheide und einer Verpflichtung der Beklagten zur Neubescheidung, also als Bescheidungsurteil (§ 131 Abs. 3 SGG) begründet.

a) Der Anspruch der Klägerin auf Gewährung einer Umzugskostenbeihilfe stützte sich im streitigen Zeitraum auf § 45 Abs. 1, Abs. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) in der Fassung des Gesetzes zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente (ArbMINAG) vom 21.12.2008 (BGBl I S. 2917, § 45 SGB III a.F.). Mit diesem Gesetz waren zum 01.01.2009 unter anderem die Regelungen über die Gewährung von Mobilitätshilfen in §§ 53, 54 SGB III a.F. aufgehoben und in § 45 SGB III a.F. umfassend Leistungen aus dem "Vermittlungsbudget" vorgesehen worden. Diese Leistungen sollten nach der Vorstellung des Bundesgesetzgebers auch die früheren Mobilitätshilfen, darunter die Umzugskostenbeihilfe nach § 53 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe d, § 54 Abs. 6 SGB III a.F. umfassen (BT-Drs. 16/10810, S. 23, 31 f.; vgl. auch die Erwähnung der Mobilität als Förderungsziel in § 1 Abs. 2 Nr. 1 SGB III n.F.). Durch das Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt (ArbMEinglVerbG) vom 20.12.2011 (BGBl I S. 2854) wurden die Vorschriften über das Vermittlungsbudget - ohne inhaltliche Änderungen - ab dem 01.04.2012 nach § 44 SGB III n.F. verschoben.

b) Allerdings, darin ist der Beklagten zu folgen, hatte die Klägerin den Antrag auf Gewährung der Umzugskostenbeihilfe im Sinne von § 324 Abs. 1 Satz 1 SGB III verspätet gestellt.

Auch der Senat ist der Ansicht, dass das "leistungsbegründende Ereignis" im Sinne dieser Vorschrift bei der Gewährung einer Mobilitätshilfe aus dem Vermittlungsbudget die Aufnahme des Beschäftigungsverhältnisses ist. Dies war unter der Geltung der §§ 53, 54 SGB III a.F. für die Mobilitätshilfen anerkannt (Winkler, in LPK-SGB III, 1. Aufl. 2008, § 324 Rn. 6; LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 12.12.2008, L 12 AS 2069/08, Juris Rn. 21; SG Lüneburg, Gerichtsbescheid vom 03.03.2009, S 7 AL 87/08, Juris Rn. 31). An dieser Rechtslage hat sich durch die Überführung der entsprechenden Ansprüche in § 45 SGB III a.F. nichts geändert (vgl. Hassel, in: Brand, SGB III, 6. Aufl. 2012, § 324 Rn. 5). Ein späterer Zeitpunkt, etwa die Entstehung des fraglichen Bedarfs, kann nicht das leistungsbegründende Ereignis sein. Der Wortlaut des § 45 Abs. 1 SGB III a.F. (§ 44 Abs. 1 SGB III n.F.) differenziert nur zwischen Leistungen "bei der Anbahnung" und "zur Aufnahme" einer versicherungspflichtigen Beschäftigung. Zur ersten Fallgruppe gehören z. B. die Erstattung von Bewerbungskosten und von Aufwendungen für Fahrten zu Bewerbungsgesprächen. Alle anderen Leistungen sollen dazu dienen, eine gefundene Stelle antreten zu können. Die rechtzeitige Antragstellung soll die Bundesagentur in die Lage versetzen, durch Beratungsleistungen zu verhindern, dass der Versicherte Kosten auslöst, ohne dass eine Übernahme durch die Bundesagentur gesichert ist. Dem ist eine rechtliche Bindung durch Abschluss und In-Vollzug-Setzung eines Arbeitsverhältnisses gleichzusetzen. Durch den Antritt einer Beschäftigung weit entfernt vom Wohnort entstehen jene Bedarfe, die durch die verschiedenen Mobilitätshilfen nach § 53 Abs. 2 SGB III a.F. befriedigt werden müssen. Bei rechtzeitiger Antragstellung kann die Bundesagentur z. B. eine entsprechende Stelle im Tagespendelbereich nachweisen. Diese Auslegung des Begriffs des leistungsbegründenden Ereignisses war bereits vor 2009 nicht durch § 53 Abs. 6 SGB III a.F. ausgeschlossen. Nach jener Vorschrift konnten Umzugskosten erstattet werden, wenn - unter anderem - der Umzug innerhalb zweier Jahre nach Aufnahme der Beschäftigung stattfand. Bereits damals wurde diese Regelung nicht so verstanden, dass auch der erstmalige Antrag auf Gewährung einer Umzugskostenbeihilfe binnen zweier Jahre nach Arbeitsbeginn gestellt werden konnte. Jene Frist schloss nur den einmal entstandenen Anspruch aus, wenn der angekündigte Umzug nicht binnen zweier Jahre durchgeführt wurde (Kruse in LPK-SGB III, a.a.O., § 54 Rn. 15).

Wenn nach § 324 Abs. 1 Satz 1 SGB III der Antrag "vor" Eintritt des leistungsbegründenden Ereignisses gestellt sein muss, dann meint dies, zumindest, wenn es um die Aufnahme einer Beschäftigung geht, dass ein Antrag am ersten Tag des Beschäftigungsverhältnisses verspätet ist. Ein Beschäftigungsverhältnis im Rechtssinne beginnt immer am ersten Tag der Beschäftigung um 00.00 Uhr. Ein Arbeitnehmer ist für einen ganzen Tag bei der Einzugsstelle angemeldet und er erhält seinen Lohn, wenn ein Tages-, Wochen- oder Monatslohn (und nicht etwa ein reiner Stundenlohn) vereinbart ist, für einen ganzen Tag. Dies gilt unabhängig davon, ob er an jenem Tag bereits gearbeitet hatte oder aber - z. B. wegen Sonn- oder Feiertags - arbeitsfrei hatte und unabhängig davon, wie lange die Beschäftigung am ersten Tag gedauert hat. Vor allem aber ist es unerheblich, zu welcher Tagesstunde er mit der Arbeit begonnen hat. Es hinge zu sehr von Zufällen ab, wenn ein Antrag noch als fristgerecht angesehen werden könnte, der am ersten Tag einer Beschäftigung, aber noch vor Aufnahme der konkreten Arbeit gestellt worden ist (so auch in anderem Zusammenhang, nämlich zum Zufluss von Einkommen, LSG Baden-Württemberg, Beschl. v. 17.09.2012, L 13 AS 3565/12 NZB, Juris Rn. 6). Einen entsprechenden Rechtsgedanken enthält auch § 187 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Nach dieser Vorschrift wird für die Berechnung einer Frist der Tag, in den das fristauslösende Ereignis fällt, nicht mitgerechnet, sodass jede Frist immer um 00.00 Uhr eines Tages beginnt. Dieser Gedanke kann auch bei rückwärts, in die Vergangenheit laufenden Frist herangezogen werden, wie es z. B. für die Berechnung der Rahmenfrist in § 124 Abs. 1 SGB III a.F. geschieht. Auf § 324 Abs. 1 Satz 1 SGB III bezogen heißt dies, dass die Frist zur Antragstellung immer um 24.00 Uhr des Tages endet, der dem Tag vorausgeht, an dem die Beschäftigung aufgenommen wird.

Bereits die genannte Auslegung des § 53 Abs. 6 SGB III a.F. zeigt aber, dass der Antrag auf Gewährung einer Mobilitätshilfe, auch aus § 45 Abs. 1 SGB III a.F., nicht in jeder Hinsicht konkretisiert werden muss, bevor die Beschäftigung aufgenommen wird. Dies ist bei einer Umzugskostenbeihilfe z. B. gar nicht möglich, solange die Umzugskosten nicht beziffert sind (so auch Winkler, a.a.O., Rn. 7 unter Hinweis auf Gagel, SGB III, § 324 Rn. 14 ff.).

Andererseits reicht es nicht aus, dass der Antragsteller vor Beginn der Beschäftigung ganz pauschal "Leistungen aus dem Vermittlungsbudget" beantragt. Wie bereits ausgeführt, unterscheidet auch § 45 Abs. 1 Satz 1 SGB III a.F. zumindest zwischen der Anbahnung von Beschäftigungsverhältnissen allgemein oder im Einzelfall und der Aufnahme einer konkreten Beschäftigung. Die Höhe der jeweiligen Förderung ist unter Umständen sehr unterschiedlich, da aus dem Vermittlungsbudget heraus Bewerbungskosten bis hin zu Umzugskosten übernommen werden können. Es ist daher zumindest zu verlangen, dass ein Antragsteller deutlich macht, dass er bei Aufnahme einer bestimmten Beschäftigung außerhalb des Tagespendelbereichs Leistungen zur Erreichung des Arbeitsplatzes, also Mobilitätshilfen im weiteren Sinne, begehrt. Auch dies war unter der Geltung der §§ 53, 54 SGB III a.F., die speziell die Mobilitätshilfen betrafen, anerkannt; auch dies sollte sich durch das ArbMINAG nicht ändern. Ob der Antrag vor Beginn der Beschäftigung so konkret sein muss, dass aus ihm hervorgeht, ob - letztlich - auch ein Umzug ins Auge gefasst wird oder es bei Reise- und Fahrkostenbeihilfen bleibt, kann an dieser Stelle offen bleiben.

Nötig ist demnach nur, dass der Versicherte vor Beginn der Beschäftigung deutlich macht, dass er auf Grund der Aufnahme der fraglichen Beschäftigung Leistungen zur Förderung der Mobilität, also zur Erreichung des Arbeitsplatzes, begehrt.

Bereits in diesem Sinne hatte die Klägerin ihren Antrag nicht bis zum 31.03.2010 gestellt. Zuvor hatte sie aus dem Vermittlungsbudget lediglich Leistungen zur Anbahnung von Beschäftigungsverhältnissen beantragt, nämlich Bewerbungskosten (22.02.2010) und Reisekosten zu Vorstellungsgesprächen (23.02. und 04.03.2010). Aus ihren e-mails im Februar und März 2010 ging nur hervor, dass sie eine Stelle im Raum E. suche; aus ihrer e-mail vom 30.03.2010 nur, dass sie dort am 01.04. eine Beschäftigung aufnehmen werde. Dass sie hierzu eine Umzugskostenbeihilfe benötige oder auch nur umziehen wolle, ging aus diesen Kontakten auch aus Sicht eines verständigen Erklärungsempfängers (§§ 133, 157 BGB) nicht hervor.

c) Die Beklagte war jedoch verpflichtet, die verspätete Antragstellung zuzulassen.

aa) Gemäß § 324 Abs. 1 Satz 2 SGB III kann die Bundesagentur eine verspätete Antragstellung zur Vermeidung unbilliger Härten zulassen.

Diese Härtefallregelung geht als speziellere Regelung den Vorschriften über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach §§ 27 ff. Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) und dem richterrechtlich entwickelten Institut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs vor (BSG, Urt. v. 08.02.2007, B 7a AL 22/06 R, Juris Rn. 13).

Bei dem Tatbestandsmerkmal der unbilligen Härte handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Bedeutung sich nicht aus dem Wortlaut des Gesetzes ergibt. Es ist jeweils auf die Modalitäten des Einzelfalles abzustellen (vgl. BSG, Urt. v. 03.07.2003, B 7 AL 46/02 R, Juris). Zu prüfen ist in jedem Einzelfall, welche Bedeutung die Versäumung eines Antrags nach Sinn und Zweck der die begehrte Leistung regelnden Vorschrift für den Anspruchsteller hat und wie demgegenüber das Interesse der Versichertengemeinschaft zu bewerten ist, so dass eine Güterabwägung vorzunehmen ist (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 23.04.2004, L 8 AL 4489/06). Eine unbillige Härte kann insbesondere dann gegeben sein, wenn dadurch der Bezug von Sozialhilfe oder Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende nach dem SGB II des Klägers verursacht werden würde (vgl. SG Lüneburg, a.a.O, Rn. 34 m.w.N.). Dies ist aber nicht die einzige Fallgruppe. Ein verspäteter Antrag ist auch dann zuzulassen, wenn sich die Berufung des Leistungsträgers auf die Verspätung als Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) erweist. Dies ist der Fall, wenn den Begünstigten kein Verschulden an der verspäteten Antragstellung trifft, die Versäumung aber ursächlich auf eine Verletzung der Beratungspflicht der Behörde zurückzuführen ist (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 17.03.2006, L 8 AL 2899/04, Juris). Die Verspätung muss in diesem Kontext Folge einer Beratungspflichtverletzung sein (vgl. BSG, Urt. v. 08.02.2007, a.a.O., Rn. 17).

bb) Es liegt hier die Fallgruppe der Verletzung einer Pflicht zur allgemeinen Beratung vor.

Nach § 14 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) hat jeder Anspruch auf - zutreffende - Beratung über seine sozialen Rechte und Ansprüche. Insbesondere sind die Leistungsträger gehalten, schriftliche oder sonstige Unterlagen, die sie zur Erfüllung ihrer allgemeinen Beratungspflicht vorhalten, zutreffend zu gestalten und dort keine missverständlichen oder zumindest keine falschen Aussagen zu treffen.

Diesen Anforderungen wurde im Falle der Klägerin nicht genügt. Das ihr überreichte Merkblatt Nr. 3 für Arbeitslose gibt die Rechtslage nicht zutreffend wider. Dort ist nur ausgeführt, die Leistungen aus dem Vermittlungsbudget seien "vor Entstehung der Kosten" zu beantragen. Bei einer Umzugskostenbeihilfe wird diese Aussage jeder so verstehen, dass die Entstehung der Umzugskosten gemeint sei. Anders als das SG ist der Senat auch nicht der Auffassung, aus dem Zusatz in dem Merkblatt, die Leistungen des Vermittlungsbudgets dienten der Aufnahme eines Beschäftigungsverhältnisses, sei zu entnehmen, dass der Antrag vor Beschäftigungsbeginn zu stellen sei. Diese - ersichtlich aus § 45 SGB III a.F. übernommene - Formulierung kann zwar, wie oben ausgeführt, im Rahmen der rechtlichen Auslegung als ein Indiz für die genannte Rechtsansicht genommen werden. Diese Formulierung ist aber nicht zwingend und eindeutig so zu verstehen. Ein Laie, wie es ein Antragsteller in der Regel ist, darf sich darauf berufen, dass diese Formulierung zu ungenau sei, um Aussagen über den Zeitpunkt der Antragstellung zu treffen.

Der Klägerin war auch nicht das Merkblatt Nr. 1 für Arbeitslose überreicht worden, das möglicherweise andere Angaben enthalten hatte. Jedenfalls konnte die Beklagte dieses Vorbringen, das sie noch im Widerspruchsverfahren vorgebracht hatte, nicht nachweisen. Es ist auch erklärlich, dass die Klägerin jenes Merkblatt nicht erhalten hat, denn mangels Erfüllung der Anwartschaftszeit hatte sie unstreitig keine Ansprüche auf Arbeitslosengeld oder andere beitragsabhängige Leistungen.

cc) Da der Senat demnach einen relevanten Beratungsfehler bereits in der Aushändigung allein des Merkblatts Nr. 3 erkennt, kann hier offen bleiben, ob die Klägerin - auch - auf die Auskünfte ihres Vaters über die anscheinend abweichende und anscheinend von einer agenturinternen Weisung gedeckte Praxis der Agentur für Arbeit Y. vertrauen durfte, nach der Anträge auf Leistungen aus dem Vermittlungsbudget auch dann noch als nicht verspätet betrachtet und zumindest zugelassen werden, wenn sie am ersten Tag des Beschäftigungsverhältnisses bei der Agentur eingehen.

dd) Der Wortlaut des § 324 Abs. 1 Satz 2 SGB III ("kann") deutet an, dass der Beklagten bei ihrer Entscheidung über die Zulassung des verspäteten Antrags im Normalfall ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Ermessensspielraum eingeräumt sei. Ob dies so ist, ist allerdings in der Rechtsprechung nicht abschließend geklärt. Das BSG hat in dem Urteil vom 08.02.2007 (a.a.O., Rn. 15) offen gelassen, ob es sich bei dem Begriff der "unbilligen Härte" um einen unbestimmten Rechtsbegriff handelt, der gerichtlich voll überprüfbar ist und der Verwaltung keinerlei Beurteilungsspielraum einräumt und bei dessen Vorliegen die Beklagte sodann unter pflichtgemäßer Ausübung des ihr zustehenden Ermessens darüber zu entscheiden hat, ob die verspätete Antragstellung zuzulassen ist oder ob der Begriff der Unbilligkeit grundsätzlich nicht losgelöst vom Ermessen der Behörde gewürdigt werden kann, weshalb eine einheitliche Entscheidung anzunehmen wäre (vgl. zu § 76 Abs. 2 Nr. 4 Viertes Buch Sozialgesetzbuch [SGB IV]). In der Tat spricht Einiges dafür, dass es sich bei § 324 Abs. 1 Satz 2 SGB III um eine "Kopplungsvorschrift" handelt, die bereits auf Tatbestandsseite einen höchst unbestimmten Rechtsbegriff enthält und bereits dort eine Abwägung aller relevanten Belange fordert, sodass kein Raum für weitere, darüber hinausgehende Ermessenserwägungen bleibt. Jedenfalls, so das BSG, liege eine Ermessensreduzierung auf Null vor, wenn die verspätete Antragstellung allein auf die Verletzung der Hinweis- und Beratungspflicht der Beklagten zurückzuführen ist und es keinen sachlichen Grund gibt, den verspäteten Antrag nicht zuzulassen. Ein solcher Grund wäre allenfalls ein Mitverschulden des Antragstellers an der verspäteten Antragstellung (vgl. Winkler, a.a.O., Rn. 9).

In diesem Rahmen liegt auch hier eine Ermessensreduzierung auf Null vor, sodass die Frage, ob bereits die Entscheidung über die Zulassung eines verspäteten Antrags neben der unbilligen Härte Ermessen voraussetzt, auch hier offen bleiben kann. Es ist kein Grund ersichtlich, den verspäteten Antrag nicht zuzulassen. Er war äußerst zeitnah zum maßgeblichen Beschäftigungsbeginn gestellt worden. Ein Mitverschulden der Klägerin ist nicht ersichtlich. Den Anforderungen, wie sie das Merkblatt Nr. 3 nannte, hatte sie genügt, nachdem die Umzugskosten erst am 18.04. entstanden waren.

d) Vor diesem Hintergrund kann die Beklagte aber nicht mit dem Hauptantrag der Klägerin zur Gewährung der Umzugskostenbeihilfe verurteilt werden.

Die Förderung aus dem Vermittlungsbudget ist eine reine Ermessensleistung (vgl. im Streitzeitraum § 3 Abs. 5 SGB III a.F., heute § 3 Abs. 3 SGB III n.F.). Eine Verurteilung zur Gewährung einer Ermessensleistung, also ein Leistungsurteil nach § 54 Abs. 4 SGG, und sei es lediglich ein Grundurteil nach § 130 Abs. 1 Satz 1 SGG, ist nur möglich, wenn diese Entscheidung in jeder Beziehung spruchreif ist. Dies folgt aus § 131 Abs. 2 Satz 1 SGG. Diese Vorschrift gilt zwar unmittelbar nur für Verpflichtungsklagen auf Erlass von Verwaltungsakten. Sie wird jedoch gleichermaßen auf Leistungsklagen angewandt, zumindest auf unechte Leistungsklagen nach § 54 Abs. 4 SGG, weil auch die dort streitigen Leistungen einen Verwaltungsakt voraussetzen (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 54 Rn. 37). Spruchreif im Sinne des § 131 Abs. 2 Satz 1 SGG ist eine Klage auf Gewährung einer ermessensgebundenen Leistung nur, wenn eine Ermessensreduzierung auf Null eingetreten ist, also jede andere Entscheidung als die Versagung der beantragten Leistung ermessensfehlerhaft im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG wäre (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 131 Rn. 12a).

Dies ist hier nicht der Fall. Es ist noch eine umfassende Abwägung der konkreten Belange notwendig, die für und gegen die Gewährung der begehrten Umzugskostenbeihilfe sprechen. So ist offen, ob diese Beihilfe zur Aufnahme "einer" Beschäftigung notwendig war, wie es §§ 53, 54 SGB III a.F. für die Umzugskostenbeihilfe früher ausdrücklich vorgeschrieben haben. Eventuell war eine entsprechende Stelle auch im Tagespendelbereich vom früheren Wohnort aus zu erreichen. Es wäre ggfs. auch nicht ermessensfehlerhaft, Fragen der Bedürftigkeit zu berücksichtigen, also zu klären, ob die Klägerin den Umzug aus eigener Kraft finanzieren konnte; zumal sie nur Ansprüche als Nichtleistungsempfängerin geltend macht. Ob in diesem Rahmen auch berücksichtigt werden kann, dass die Klägerin den Umzug auch ohne Leistungsgewährung durchgeführt hat, ob also bei der jetzt anstehenden Entscheidung über den Antrag - ex post - Umstände berücksichtigt werden können, die nachträglich eingetreten sind, ist hier nicht zu entscheiden. Der Senat macht in diesem Rahmen keine Vorgaben, an die die Beklagte gebunden wäre. Der Klägerin steht die Möglichkeit offen, die nun anstehende neue Entscheidung auf Ermessensfehler im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG überprüfen zu lassen.

e) Es verbleibt danach eine Verpflichtung der Beklagten zu einer ermessensgerechten Entscheidung über den Antrag der Klägerin auf Gewährung einer Umzugskostenbeihilfe aus dem Vermittlungsbudget.

3. Die Kostenentscheidung aus § 193 SGG folgt dem Obsiegen und Unterliegen der Klägerin, wobei der Senat den erfolgreichen Hilfsantrag mit der Hälfte des Wertes des Hauptantrags, also mit einem Drittel des Gesamtwerts, belegt.

4. Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich. Insbesondere kommt der Sache keine grundsätzliche rechtliche Bedeutung im Sinne von § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zu. Der Senat bewegt sich mit seiner Auslegung des § 324 Abs. 1 Satz 2 SGB III innerhalb der in der Rechtsprechung anerkannten Fallgruppen. Im Übrigen beruht die Entscheidung auf einer dem Tatrichter vorbehaltenen Würdigung der Tatsachen.
Rechtskraft
Aus
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