Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 9 AL 325/09
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AL 95/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Cottbus vom 25. Februar 2011 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger steht bei der Wehrbereichsverwaltung Ost der Bundeswehr (WVO) in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis als Kraftfahrer. Nachdem er ab 1. April 2008 arbeitsunfähig erkrankt war, bezog er vom 13. Mai 2008 bis zur Anspruchserschöpfung am 28. September 2009 Krankengeld. Am 11. August 2009 meldete sich der Kläger bei der Beklagten arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld (Alg). Dabei gab er an, er habe bei der Deutschen Rentenversicherung Berlin-Brandenburg (DRV) einen Rentenantrag wegen voller Erwerbsminderung gestellt. Dieser Antrag sei abgelehnt worden und er habe dagegen Widerspruch erhoben. In einem auf Anforderung der Beklagten vom 11. August 2009 erstellten Gutachten vom 4. September 2009 kam der Facharzt für Chirurgie und Sozialmedizin Dr. H nach Auswertung der Unterlagen der DRV zu dem Ergebnis, beim Kläger bestehe noch ein vollschichtiges Leistungsvermögen für körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten. Der Kläger leide unter einer
Schilddrüsenstoffwechselstörung, einer Durchblutungsstörung des Herzmuskels und einer Bluthochdruckerkrankung. Vermutlich vorübergehend sei ein Einsatz als Berufskraftfahrer nicht möglich. Nach einem Aktenvermerk der Beklagten vom 19. Oktober 2009 erklärte der Kläger anlässlich einer persönlichen Vorsprache am selben Tag, er sei wegen eines Kreuzbandrisses weiterhin arbeitsunfähig und könne sich der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung stellen. Die Beklagte lehnte den Antrag auf Alg mit Bescheid vom 19. Oktober 2009 ab. Der Kläger sei nicht arbeitslos, weil er nicht mindestens 15 Stunden pro Woche arbeiten könne. Eine Arbeitslosengeldzahlung nach § 125 Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung – (SGB III) komme nicht in Frage, weil sein Rentenantrag bereits abgelehnt worden sei. Den unter Hinweis auf das Gutachten vom 9. September 2009 erhobenen Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23. November 2009 zurück. Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Alg lägen nicht vor, weil der Kläger arbeitsunfähig erkrankt sei und sich nicht der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestellt habe. Zum 1. Februar 2010 hat der Kläger seine Tätigkeit bei der WVO wieder aufgenommen.
Im Klageverfahren hat der Kläger vorgetragen: Er sei unter Berücksichtigung des Gutachtens vom 4. September 2009 für Vermittlungsbemühungen verfügbar gewesen. Mit seiner Äußerung am 19. Oktober 2009 habe er lediglich zum Ausdruck bringen wollen, dass etwaige Vermittlungsbemühungen wegen der Krankschreibung nicht erfolgreich sein dürften. Das Sozialgericht (SG) Cottbus hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 25. Februar 2011 abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei unbegründet. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Gewährung von Alg ab dem 11. August 2009, denn er habe aufgrund seiner Erkrankung entgegen § 119 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 SGB III den Vermittlungsbemühungen der Beklagten objektiv nicht zur Verfügung gestanden. Die aktuelle Arbeitsunfähigkeit bei Antragstellung habe sich aus dem Kreuzbandriss ergeben und nicht auf den im Gutachten vom 4. September 2009 festgestellten Gesundheitsstörungen beruht. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Gewährung von Alg gemäß § 125 SGB III. Eine mehr als sechsmonatige Minderung der
Leistungsfähigkeit des Klägers sei nach den Feststellungen im Gutachten gerade nicht gegeben. Es sei auch nichts dafür ersichtlich, dass der Kreuzbandriss zu einer mindestens sechsmonatigen Verminderung der Erwerbsfähigkeit geführt habe.
Mit seiner Berufung begehrt der Kläger Alg für die Zeit vom 29. September 2009 bis 31. Januar 2010 und trägt ergänzend vor, sein Anspruch ergebe sich jedenfalls aus § 125 Abs. 1 SGB III.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Cottbus vom 25. Februar 2011 und unter Aufhebung des Bescheides vom 19. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. November 2009 zu verurteilen, dem Kläger für die Zeit vom 29. September 2009 bis 31. Januar 2010 Arbeitslosengeld zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt den angegriffenen Gerichtsbescheid.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die zum Verfahren eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Der Berichterstatter hat am 26. September 2012 einen Erörterungstermin durchgeführt; auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.
Der den Kläger betreffende Verwaltungsvorgang der Beklagten und die Gerichtsakten haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten durch den gemäß § 155 Abs. 3 und 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) berufenen Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG entscheiden konnte, ist unbegründet.
Der Bescheid vom 19. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. November 2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Bewilligung von Alg für die Zeit vom 29. September 2009 bis 31. Januar 2010.
Anspruch auf Alg hat gemäß § 117 Abs. 1 Nr. 1 SGB III in der hier anwendbaren bis 31. März geltenden Fassung (aF) nur, wer unter anderem arbeitslos ist. Nach § 119 Abs. 1 Nr. 3 SGB III aF ist arbeitslos, wer den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht (Verfügbarkeit). Den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit steht unter anderem zur Verfügung, wer eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes (§ 119 Abs. 5 Nr. 1 SGB III aF) ausüben kann und darf sowie bereit ist (§ 119 Abs. 5 Nr. 3 SGB III aF) , jede Beschäftigung iSd Nr. 1 anzunehmen und auszuüben.
Der Kläger konnte wegen der im streitbefangenen Zeitraum aufgrund eines Kreuzbandrisses bestehenden Arbeitsunfähigkeit keine Beschäftigung iSd § 119 Abs. 5 Nr. 1 SGB III aF ausüben und war damit nicht arbeitslos. Er hat im Erörterungstermin vom 26. September 2009 auf Befragen bestätigt, dass er aufgrund des Kreuzbandrisses keine Arbeit habe verrichten können. Der Sache nach folgt dies auch aus seiner Klagebegründung vom 15. April 2010, mit der er seine Äußerung anlässlich der Vorsprache am 19. Oktober 2009 im Sinne eines Hinweises auf die Erfolglosigkeit etwaiger Vermittlungsbemühung wegen dieser Erkrankung interpretiert hatte. Etwas Abweichendes ergibt sich auch nicht aus dem Gutachten vom 4. September 2009, denn die Krankschreibung aufgrund des Kreuzbandrisses war nicht Gegenstand dieser entsprechend der Anforderung des Beklagten vom 11. August 2009 nach (damaliger) Aktenlage erstellten ärztlichen Stellungnahme.
Die aufgrund des Kreuzbandrisses des Klägers nicht bestehende objektive Verfügbarkeit des Klägers war auch nicht wegen der Nahtlosigkeitsregelung des § 125 Abs. 1 SGB III aF für den Anspruch auf Alg unschädlich. Nach dieser Vorschrift hat Anspruch auf Alg auch, wer allein deshalb nicht arbeitslos ist, weil er wegen einer mehr als sechsmonatigen Minderung seiner Leistungsfähigkeit versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigungen nicht unter den Bedingungen ausüben kann, die auf dem für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarkt ohne Berücksichtigung der Minderung der Leistungsfähigkeit üblich sind, wenn verminderte Erwerbsfähigkeit im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung nicht festgestellt worden ist (Satz 1). Die Feststellung, ob verminderte Erwerbsfähigkeit vorliegt, trifft der zuständige Träger der gesetzlichen Rentenversicherung (Satz 2). Die Voraussetzungen dieser Norm liegen jedoch nicht vor. Die Annahme einer Fiktion der objektiven Verfügbarkeit nach § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB III aF scheitert freilich entgegen der im angegriffenen Bescheid vom 19. Oktober 2009 von der Beklagten vertretenen Auffassung nicht bereits daran, dass mit der Ablehnung des Rentenantrags des Klägers durch die DRV eine negative Feststellung des Rentenversicherungsträgers über die verminderte Erwerbsminderung getroffen worden war und mithin ohne Rücksicht auf die Bestandkraft dieses Bescheides die Voraussetzungen der Nahtlosigkeitsregelung des § 125 Abs. 1 SGB III aF entfiele. Dem kann unter Berücksichtigung des zur inhaltsgleichen Vorgängervorschrift des § 105a Arbeitsförderungsgesetz ergangenen Urteils des Bundessozialgerichts (BSG) vom 9. September 1999 – B 11 AL 13/99 R = BSGE 84, 262 nicht gefolgt werden. Danach entfällt die sich allein im Rahmen der objektiven Verfügbarkeit entfaltende Sperrwirkung der Nahtlosigkeitsregelung erst dann, wenn der Rentenversicherungsträger eine positive Feststellung über das "Vorliegen von EU/BU" getroffen hat.
Dies bedeutet aber nicht, dass der Beklagten jegliche Feststellungen zur Arbeitsfähigkeit auf Grund der Regelung des § 125 Abs. 1 SGB III aF solange verwehrt sind, wie noch keine (positive) Feststellung des zuständigen Rentenversicherungsträgers vorliegt (vgl. BSG, Urteil vom 10. Mai 2007 – B 7a AL 30/06 R = SozR 4-4300 § 125 Nr. 2). § 125 Abs. 1 SGB III aF versperrt nicht von vornherein jede tatsächliche Feststellung der Bundesagentur bzw. der Gerichte zur gesundheitlichen Leistungsfähigkeit eines Antragstellers (vgl. BSGE 84, 262, 264f = SozR 3-4100 § 105a Nr. 7 S. 33 f). Die Anwendbarkeit der Nahtlosigkeitsregelung des § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB III aF setzt vielmehr die Feststellung der Tatbestandsmerkmale dieser Norm
voraus. Dies macht es erforderlich, in eigener Verantwortung Ermittlungen zur prognostischen Betrachtung des gesundheitlichen Zustandes anzustellen (vgl. BSG SozR 4-4300 § 125 Nr. 2). Es soll gerade nicht jede Leistungsminderung die Fiktion der Arbeitsfähigkeit nach § 125 SGB III aF erzeugen, sondern nur eine Leistungsminderung auf weniger als 15 Stunden wöchentlich über eine Dauer von mehr als sechs Monaten. Gegen eigenverantwortliche Ermittlungen spricht auch nicht der Sinn und Zweck der Nahtlosgewährung, denn diese will nicht jedwede Leistungslücke ausschließen, sondern nur eine solche auf Grund unterschiedlicher Beurteilung der Erwerbsfähigkeit durch die Bundesagentur einerseits und den zuständigen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung andererseits. Dementsprechend besteht die Funktion und Wirkungsweise des § 125 SGB III aF eben nicht darin, dass Alg nach Erschöpfung des Krankengelds als eine Art Anschlusskrankengeld bedingungslos fortgewährt wird und dass allein ein Antrag auf eine Erwerbsminderungsrente bzw. medizinische Rehabilitation beim Rentenversicherungsträger genügt, um fortan ohne jede Prüfung der objektiven Verfügbarkeit Arbeitslosengeld bis zum endgültigen und rechtskräftigen Abschluss eines rentenrechtlichen Verfahrens zu beziehen (ebenso BayLSG, Urteil vom 15. Dezember 2011 – L 9 AL 66/09 -, juris). Die Beklagte ist zu Recht aufgrund ihrer Prüfung der Leistungsfähigkeit zu dem Ergebnis gekommen, dass mit einer Leistungsminderung des Klägers auf Grund seiner diversen Erkrankungen auf weniger als 15 Stunden wöchentlich voraussichtlich für nicht länger als sechs Monate zu rechnen war. Aufgrund des Gutachtens vom 4. September 2009 durfte sie davon ausgehen, dass ein Einsatz des Klägers als Berufskraftfahrer aufgrund der dort angeführten Leiden nur vorübergehend nicht möglich sein würde. Diese Einschätzung teilt im Übrigen auch der Kläger, denn er ist den medizinischen Feststellungen in diesem Gutachten vorliegend beigetreten. Der Kläger hat auch hinsichtlich des Kreuzbandrisses zu keinem Zeitpunkt die Auffassung vertreten, dass insoweit mit einer mehr als sechsmonatigen Arbeitsunfähigkeit zu rechnen gewesen wäre. Im Übrigen bestätigt auch der Umstand, dass der Kläger bereits am 1. Februar 2010 seine Arbeit wieder aufgenommen hatte, die Prognose der Beklagten.
Nach alledem war der Kläger im streitbefangenen Zeitraum mangels objektiver Verfügbarkeit bereits nicht nach § 119 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 5 Nr. 1 SGB III aF arbeitslos und es lag wegen der bei ihm bestehenden nur vorübergehender Leistungsminderung kein Fall der
Nahtlosigkeitsreglung des § 125 Abs. 1 SGB III aF vor. Darüber hinaus konnte sich der Senat auch nicht davon überzeugen, dass der Kläger in diesem Zeitraum gemäß § 119 Abs. 5 Nr. 3 SGB IIII aF arbeitsbereit (subjektiv verfügbar) war. Insoweit kann offen bleiben, welche Worte der Kläger bei seiner Vorsprache bei der Beklagten am 19. Oktober 2009 konkret gewählt hatte. Jedenfalls wies er die Beklagte bei dieser Gelegenheit auf den Kreuzbandriss und seine neu eingetretene Arbeitsunfähigkeit ausdrücklich hin. Aufgrund dieser Diagnose, die offensichtlich mit einer Aufhebung der Wegefähigkeit für einige Wochen verbunden war, stand für jeden objektiven Betrachter erkennbar fest, dass der Kläger vorübergehend nicht vermittelbar war. Diese Sachlage war dem Kläger bewusst und nach seinem Vorbringen im Klageverfahren hat er mit seinen Äußerungen am 19. Oktober 2009 (zumindest auch) zum Ausdruck bringen wollen, dass etwaige Vermittlungsbemühungen wegen der Krankschreibung nicht erfolgreich sein dürften. Es ist angesichts der vom Kläger zutreffend beurteilten objektiven Sachlage schlichtweg nicht glaubhaft, wenn er nunmehr den Eindruck erwecken will, er sei ohne Rücksicht auf seine Gesundheit damals gleichwohl arbeitsbereit gewesen.
Schließlich hat der Kläger auch keinen Anspruch auf die Bewilligung von Alg im Wege der Leistungsfortzahlung nach § 126 Abs. 1 Satz 1 SGB III aF. Nach dieser Vorschrift verliert ein Arbeitsloser, der während des Bezugs von Alg auf Kosten der Krankenkasse stationär behandelt wird oder infolge von Krankheit arbeitsunfähig wird, ohne dass ihn ein Verschulden trifft, nicht den Anspruch auf Alg für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit oder der stationären Behandlung bis zur Dauer von sechs Wochen. Eine Leistungsfortzahlung kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil sie den - hier nicht gegebenen – tatsächlichen Vorbezug von Alg voraussetzt (vgl. Winkler, in Gagel, SGB III, Stand: März 2011, § 126 Rn. 15).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Nr. 2 und 3 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Der Kläger steht bei der Wehrbereichsverwaltung Ost der Bundeswehr (WVO) in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis als Kraftfahrer. Nachdem er ab 1. April 2008 arbeitsunfähig erkrankt war, bezog er vom 13. Mai 2008 bis zur Anspruchserschöpfung am 28. September 2009 Krankengeld. Am 11. August 2009 meldete sich der Kläger bei der Beklagten arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld (Alg). Dabei gab er an, er habe bei der Deutschen Rentenversicherung Berlin-Brandenburg (DRV) einen Rentenantrag wegen voller Erwerbsminderung gestellt. Dieser Antrag sei abgelehnt worden und er habe dagegen Widerspruch erhoben. In einem auf Anforderung der Beklagten vom 11. August 2009 erstellten Gutachten vom 4. September 2009 kam der Facharzt für Chirurgie und Sozialmedizin Dr. H nach Auswertung der Unterlagen der DRV zu dem Ergebnis, beim Kläger bestehe noch ein vollschichtiges Leistungsvermögen für körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten. Der Kläger leide unter einer
Schilddrüsenstoffwechselstörung, einer Durchblutungsstörung des Herzmuskels und einer Bluthochdruckerkrankung. Vermutlich vorübergehend sei ein Einsatz als Berufskraftfahrer nicht möglich. Nach einem Aktenvermerk der Beklagten vom 19. Oktober 2009 erklärte der Kläger anlässlich einer persönlichen Vorsprache am selben Tag, er sei wegen eines Kreuzbandrisses weiterhin arbeitsunfähig und könne sich der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung stellen. Die Beklagte lehnte den Antrag auf Alg mit Bescheid vom 19. Oktober 2009 ab. Der Kläger sei nicht arbeitslos, weil er nicht mindestens 15 Stunden pro Woche arbeiten könne. Eine Arbeitslosengeldzahlung nach § 125 Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung – (SGB III) komme nicht in Frage, weil sein Rentenantrag bereits abgelehnt worden sei. Den unter Hinweis auf das Gutachten vom 9. September 2009 erhobenen Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23. November 2009 zurück. Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Alg lägen nicht vor, weil der Kläger arbeitsunfähig erkrankt sei und sich nicht der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestellt habe. Zum 1. Februar 2010 hat der Kläger seine Tätigkeit bei der WVO wieder aufgenommen.
Im Klageverfahren hat der Kläger vorgetragen: Er sei unter Berücksichtigung des Gutachtens vom 4. September 2009 für Vermittlungsbemühungen verfügbar gewesen. Mit seiner Äußerung am 19. Oktober 2009 habe er lediglich zum Ausdruck bringen wollen, dass etwaige Vermittlungsbemühungen wegen der Krankschreibung nicht erfolgreich sein dürften. Das Sozialgericht (SG) Cottbus hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 25. Februar 2011 abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei unbegründet. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Gewährung von Alg ab dem 11. August 2009, denn er habe aufgrund seiner Erkrankung entgegen § 119 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 SGB III den Vermittlungsbemühungen der Beklagten objektiv nicht zur Verfügung gestanden. Die aktuelle Arbeitsunfähigkeit bei Antragstellung habe sich aus dem Kreuzbandriss ergeben und nicht auf den im Gutachten vom 4. September 2009 festgestellten Gesundheitsstörungen beruht. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Gewährung von Alg gemäß § 125 SGB III. Eine mehr als sechsmonatige Minderung der
Leistungsfähigkeit des Klägers sei nach den Feststellungen im Gutachten gerade nicht gegeben. Es sei auch nichts dafür ersichtlich, dass der Kreuzbandriss zu einer mindestens sechsmonatigen Verminderung der Erwerbsfähigkeit geführt habe.
Mit seiner Berufung begehrt der Kläger Alg für die Zeit vom 29. September 2009 bis 31. Januar 2010 und trägt ergänzend vor, sein Anspruch ergebe sich jedenfalls aus § 125 Abs. 1 SGB III.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Cottbus vom 25. Februar 2011 und unter Aufhebung des Bescheides vom 19. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. November 2009 zu verurteilen, dem Kläger für die Zeit vom 29. September 2009 bis 31. Januar 2010 Arbeitslosengeld zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt den angegriffenen Gerichtsbescheid.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die zum Verfahren eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Der Berichterstatter hat am 26. September 2012 einen Erörterungstermin durchgeführt; auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.
Der den Kläger betreffende Verwaltungsvorgang der Beklagten und die Gerichtsakten haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten durch den gemäß § 155 Abs. 3 und 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) berufenen Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG entscheiden konnte, ist unbegründet.
Der Bescheid vom 19. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. November 2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Bewilligung von Alg für die Zeit vom 29. September 2009 bis 31. Januar 2010.
Anspruch auf Alg hat gemäß § 117 Abs. 1 Nr. 1 SGB III in der hier anwendbaren bis 31. März geltenden Fassung (aF) nur, wer unter anderem arbeitslos ist. Nach § 119 Abs. 1 Nr. 3 SGB III aF ist arbeitslos, wer den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht (Verfügbarkeit). Den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit steht unter anderem zur Verfügung, wer eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes (§ 119 Abs. 5 Nr. 1 SGB III aF) ausüben kann und darf sowie bereit ist (§ 119 Abs. 5 Nr. 3 SGB III aF) , jede Beschäftigung iSd Nr. 1 anzunehmen und auszuüben.
Der Kläger konnte wegen der im streitbefangenen Zeitraum aufgrund eines Kreuzbandrisses bestehenden Arbeitsunfähigkeit keine Beschäftigung iSd § 119 Abs. 5 Nr. 1 SGB III aF ausüben und war damit nicht arbeitslos. Er hat im Erörterungstermin vom 26. September 2009 auf Befragen bestätigt, dass er aufgrund des Kreuzbandrisses keine Arbeit habe verrichten können. Der Sache nach folgt dies auch aus seiner Klagebegründung vom 15. April 2010, mit der er seine Äußerung anlässlich der Vorsprache am 19. Oktober 2009 im Sinne eines Hinweises auf die Erfolglosigkeit etwaiger Vermittlungsbemühung wegen dieser Erkrankung interpretiert hatte. Etwas Abweichendes ergibt sich auch nicht aus dem Gutachten vom 4. September 2009, denn die Krankschreibung aufgrund des Kreuzbandrisses war nicht Gegenstand dieser entsprechend der Anforderung des Beklagten vom 11. August 2009 nach (damaliger) Aktenlage erstellten ärztlichen Stellungnahme.
Die aufgrund des Kreuzbandrisses des Klägers nicht bestehende objektive Verfügbarkeit des Klägers war auch nicht wegen der Nahtlosigkeitsregelung des § 125 Abs. 1 SGB III aF für den Anspruch auf Alg unschädlich. Nach dieser Vorschrift hat Anspruch auf Alg auch, wer allein deshalb nicht arbeitslos ist, weil er wegen einer mehr als sechsmonatigen Minderung seiner Leistungsfähigkeit versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigungen nicht unter den Bedingungen ausüben kann, die auf dem für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarkt ohne Berücksichtigung der Minderung der Leistungsfähigkeit üblich sind, wenn verminderte Erwerbsfähigkeit im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung nicht festgestellt worden ist (Satz 1). Die Feststellung, ob verminderte Erwerbsfähigkeit vorliegt, trifft der zuständige Träger der gesetzlichen Rentenversicherung (Satz 2). Die Voraussetzungen dieser Norm liegen jedoch nicht vor. Die Annahme einer Fiktion der objektiven Verfügbarkeit nach § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB III aF scheitert freilich entgegen der im angegriffenen Bescheid vom 19. Oktober 2009 von der Beklagten vertretenen Auffassung nicht bereits daran, dass mit der Ablehnung des Rentenantrags des Klägers durch die DRV eine negative Feststellung des Rentenversicherungsträgers über die verminderte Erwerbsminderung getroffen worden war und mithin ohne Rücksicht auf die Bestandkraft dieses Bescheides die Voraussetzungen der Nahtlosigkeitsregelung des § 125 Abs. 1 SGB III aF entfiele. Dem kann unter Berücksichtigung des zur inhaltsgleichen Vorgängervorschrift des § 105a Arbeitsförderungsgesetz ergangenen Urteils des Bundessozialgerichts (BSG) vom 9. September 1999 – B 11 AL 13/99 R = BSGE 84, 262 nicht gefolgt werden. Danach entfällt die sich allein im Rahmen der objektiven Verfügbarkeit entfaltende Sperrwirkung der Nahtlosigkeitsregelung erst dann, wenn der Rentenversicherungsträger eine positive Feststellung über das "Vorliegen von EU/BU" getroffen hat.
Dies bedeutet aber nicht, dass der Beklagten jegliche Feststellungen zur Arbeitsfähigkeit auf Grund der Regelung des § 125 Abs. 1 SGB III aF solange verwehrt sind, wie noch keine (positive) Feststellung des zuständigen Rentenversicherungsträgers vorliegt (vgl. BSG, Urteil vom 10. Mai 2007 – B 7a AL 30/06 R = SozR 4-4300 § 125 Nr. 2). § 125 Abs. 1 SGB III aF versperrt nicht von vornherein jede tatsächliche Feststellung der Bundesagentur bzw. der Gerichte zur gesundheitlichen Leistungsfähigkeit eines Antragstellers (vgl. BSGE 84, 262, 264f = SozR 3-4100 § 105a Nr. 7 S. 33 f). Die Anwendbarkeit der Nahtlosigkeitsregelung des § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB III aF setzt vielmehr die Feststellung der Tatbestandsmerkmale dieser Norm
voraus. Dies macht es erforderlich, in eigener Verantwortung Ermittlungen zur prognostischen Betrachtung des gesundheitlichen Zustandes anzustellen (vgl. BSG SozR 4-4300 § 125 Nr. 2). Es soll gerade nicht jede Leistungsminderung die Fiktion der Arbeitsfähigkeit nach § 125 SGB III aF erzeugen, sondern nur eine Leistungsminderung auf weniger als 15 Stunden wöchentlich über eine Dauer von mehr als sechs Monaten. Gegen eigenverantwortliche Ermittlungen spricht auch nicht der Sinn und Zweck der Nahtlosgewährung, denn diese will nicht jedwede Leistungslücke ausschließen, sondern nur eine solche auf Grund unterschiedlicher Beurteilung der Erwerbsfähigkeit durch die Bundesagentur einerseits und den zuständigen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung andererseits. Dementsprechend besteht die Funktion und Wirkungsweise des § 125 SGB III aF eben nicht darin, dass Alg nach Erschöpfung des Krankengelds als eine Art Anschlusskrankengeld bedingungslos fortgewährt wird und dass allein ein Antrag auf eine Erwerbsminderungsrente bzw. medizinische Rehabilitation beim Rentenversicherungsträger genügt, um fortan ohne jede Prüfung der objektiven Verfügbarkeit Arbeitslosengeld bis zum endgültigen und rechtskräftigen Abschluss eines rentenrechtlichen Verfahrens zu beziehen (ebenso BayLSG, Urteil vom 15. Dezember 2011 – L 9 AL 66/09 -, juris). Die Beklagte ist zu Recht aufgrund ihrer Prüfung der Leistungsfähigkeit zu dem Ergebnis gekommen, dass mit einer Leistungsminderung des Klägers auf Grund seiner diversen Erkrankungen auf weniger als 15 Stunden wöchentlich voraussichtlich für nicht länger als sechs Monate zu rechnen war. Aufgrund des Gutachtens vom 4. September 2009 durfte sie davon ausgehen, dass ein Einsatz des Klägers als Berufskraftfahrer aufgrund der dort angeführten Leiden nur vorübergehend nicht möglich sein würde. Diese Einschätzung teilt im Übrigen auch der Kläger, denn er ist den medizinischen Feststellungen in diesem Gutachten vorliegend beigetreten. Der Kläger hat auch hinsichtlich des Kreuzbandrisses zu keinem Zeitpunkt die Auffassung vertreten, dass insoweit mit einer mehr als sechsmonatigen Arbeitsunfähigkeit zu rechnen gewesen wäre. Im Übrigen bestätigt auch der Umstand, dass der Kläger bereits am 1. Februar 2010 seine Arbeit wieder aufgenommen hatte, die Prognose der Beklagten.
Nach alledem war der Kläger im streitbefangenen Zeitraum mangels objektiver Verfügbarkeit bereits nicht nach § 119 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 5 Nr. 1 SGB III aF arbeitslos und es lag wegen der bei ihm bestehenden nur vorübergehender Leistungsminderung kein Fall der
Nahtlosigkeitsreglung des § 125 Abs. 1 SGB III aF vor. Darüber hinaus konnte sich der Senat auch nicht davon überzeugen, dass der Kläger in diesem Zeitraum gemäß § 119 Abs. 5 Nr. 3 SGB IIII aF arbeitsbereit (subjektiv verfügbar) war. Insoweit kann offen bleiben, welche Worte der Kläger bei seiner Vorsprache bei der Beklagten am 19. Oktober 2009 konkret gewählt hatte. Jedenfalls wies er die Beklagte bei dieser Gelegenheit auf den Kreuzbandriss und seine neu eingetretene Arbeitsunfähigkeit ausdrücklich hin. Aufgrund dieser Diagnose, die offensichtlich mit einer Aufhebung der Wegefähigkeit für einige Wochen verbunden war, stand für jeden objektiven Betrachter erkennbar fest, dass der Kläger vorübergehend nicht vermittelbar war. Diese Sachlage war dem Kläger bewusst und nach seinem Vorbringen im Klageverfahren hat er mit seinen Äußerungen am 19. Oktober 2009 (zumindest auch) zum Ausdruck bringen wollen, dass etwaige Vermittlungsbemühungen wegen der Krankschreibung nicht erfolgreich sein dürften. Es ist angesichts der vom Kläger zutreffend beurteilten objektiven Sachlage schlichtweg nicht glaubhaft, wenn er nunmehr den Eindruck erwecken will, er sei ohne Rücksicht auf seine Gesundheit damals gleichwohl arbeitsbereit gewesen.
Schließlich hat der Kläger auch keinen Anspruch auf die Bewilligung von Alg im Wege der Leistungsfortzahlung nach § 126 Abs. 1 Satz 1 SGB III aF. Nach dieser Vorschrift verliert ein Arbeitsloser, der während des Bezugs von Alg auf Kosten der Krankenkasse stationär behandelt wird oder infolge von Krankheit arbeitsunfähig wird, ohne dass ihn ein Verschulden trifft, nicht den Anspruch auf Alg für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit oder der stationären Behandlung bis zur Dauer von sechs Wochen. Eine Leistungsfortzahlung kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil sie den - hier nicht gegebenen – tatsächlichen Vorbezug von Alg voraussetzt (vgl. Winkler, in Gagel, SGB III, Stand: März 2011, § 126 Rn. 15).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Nr. 2 und 3 SGG liegen nicht vor.
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