L 9 U 1026/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 8 U 4233/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 1026/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 02. Dezember 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung eines bullösen Pemphigoids als Folge eines Arbeitsunfalles streitig.

Der 1960 geborene Kläger erlitt am 21.05.1979 bei Rangierarbeiten im Bahnhof M. einen Unfall, der u.a. eine traumatische Amputation am rechten Fuß und am linken Unterschenkel zur Folge hatte. Mit Bescheid vom 18.05.1981 gewährte die Beklagte anstelle der bereits festgesetzten vorläufigen Unfallrente in Höhe von 80% der Vollrente eine Dauerrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 70 v.H. ab dem 1. Juli 1981. Als Folgen des Arbeitsunfalles hatte sie eine Amputation am linken Unterschenkel, Hautveränderungen im Stumpfbereich entzündlich und narbig, Minderung der Muskelmasse im linken Unterschenkelstumpf, eine Amputation am rechten Vorfuß, stark verhornte Narbenbildung, endgradige Bewegungseinschränkung linker Daumen und Narben am linken Daumen anerkannt. Mit Bescheid vom 04.12.1981 gewährte die Beklagte wieder eine Verletztenrente nach einer MdE um 80 v.H. ab dem 01.07.1981. Die gewährte Rente wurde in der Folge für die Dauer von zehn Jahren teilweise abgefunden (Bescheid vom 20.09.1989).

Mit einem am 15.04.2008 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben beantragte der Kläger die Anerkennung eines bullösen Pemphigoids als Folge des Arbeitsunfalles vom 21.05.1979. Er verwies auf am 12.06.2007 aufgetretene mehrere größere nässende Hautblasen, welche zunächst in der Praxisklinik Dr. J. behandelt worden seien. Die Blasen seien aufgrund der verordneten Gazeverbände ausgetrocknet und es habe sich neue Haut gebildet. Am Unterschenkelstumpf in Höhe des Knies habe sich eine Druckstelle mit starker Entzündung ausgebildet. Der Hausarzt Dr. K. habe eine Lösung zum Auftragen auf die Haut sowie Unacid PD Antibiotikum zum Einnehmen verordnet. Hierauf habe er mit Durchfall reagiert, weshalb Perenterol Forte verordnet worden sei. Weil sich die Entzündung nur mäßig zurückgebildet habe, sei er zu dem Chirurgen Dr. Z. überwiesen worden, der erneut Unacid PD Antibiotikum verordnet habe. Am 21.08.2007 sei dann mit einem anderen Medikament versucht worden, die fortschreitende Blasenbildung auf der Haut zu bekämpfen. Mittlerweile hätten sich starke Hautrötungen und Juckreiz im Lenden- und Hüftbereich gebildet, die er sich nicht habe erklären können. Darüber hinaus habe auch der Bauchnabel genässt. Der behandelnde Dermatologe Dr. H. habe aufgrund einer Hautprobe den Verdacht auf das Vorliegen eines bullösen Pemphigoids gestellt und die Überweisung an die Universitätsklinik Freiburg veranlasst. Dort sei die Diagnose bestätigt worden.

In der Akte liegt der Zwischenbericht des Dr. Z. vom 20.09.2007 vor, der ausgeführt hat, dass bei der Vorstellung am 13.09.2007 die Verhältnisse am Stumpf links weitgehend reizlos gewesen seien. Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. K. gab in seinem Bericht vom 06.09.2007 an, am 12.06.2007 sei es am Prothesenschaft links nach neuer Prothese zu Hauterosionen und Spannungsblasen gekommen. Im Bericht des Dr. H. an Dr. Z. vom 22.08.2007 wurde ausgeführt, dass derzeit eine Unterschenkelprothese mit einem Silikonliner direkt auf der Haut getragen würde, wodurch es zu einer Hyperhidrose und entzündlichen Hautirritationen komme. Unter dem 10.01.2008 teilte er mit, dass nach einer nochmaligen Änderung an der Prothese es zu einer Besserung der Entzündung am Amputationsstumpf gekommen sei, sodass der empfohlene Eingriff zur operativen Sanierung der Fistel vorerst nicht mehr durchgeführt werde. Im Bericht des Universitätsklinikums Freiburg vom 10.10.2007 wurde anhand des klinischen Bildes, der Befunde der direkten Immunfluoreszenz sowie des Pemphigoid-ELISA die Diagnose eines bullösen Pemphigoids bestätigt. Aufgrund des generalisierten Befallmusters und des hohen Eruptionsdruckes bestehe die Indikation zur Einleitung einer immunsuppressiven Therapie unter stationären Bedingungen, die der Kläger jedoch strikt ablehne. Eine immunsuppressive Therapie wurde sodann am 08.10.2007 ambulant begonnen. Auf Anfrage teilte Dr. H. unter dem 02.06.2008 mit, den Kläger seit dem 24.07.2007 regelmäßig dermatologisch zu behandeln. Es habe sich zunächst eine über ca. 2 cm sondierbare kutane Fistel gezeigt, die nach orthopädiemechanischen Änderungen an der Prothese im Folgenden nicht weiter behandlungsbedürftig gewesen sei. Ab dem 21.08.2007 habe sich eine zunächst als unspezifisches Nabelekzem eingestufte Entzündung am Bauchnabel gezeigt, die unter topischer Therapie mit Cortisonsalben nicht zur Abheilung gekommen sei. Ab September 2007 seien juckende Pappeln an den Beinen und am Körperstamm hinzu gekommen, später auch vereinzelt Bläschen. Die Entnahme einer Hautbiopsie habe schließlich die Diagnose eines bullösen Pemphigoids gesichert. Diese Diagnose sei durch die Universitätshautklinik F. bestätigt worden. In der durchgeführten Fokus-/Tumorsuche sei kein zugrunde liegendes Malignom gefunden worden. Die Familienanamnese bezüglich blasenbildender Hauterkrankungen sei leer. Als Auslöser des bullösen Pemphigoids seien jedoch Medikamente, insbesondere Antibiotika gut bekannt. Aus dermatologischer Sicht sei somit ein mittelbarer Zusammenhang zwischen einer behandlungsbedürftigen Komplikation einer anerkannten Unfallfolge und dem Auftreten eines am Ehesten medikamenteninduzierten bullösen Pemphigoids möglich. Dr. Z. teilte auf Anfrage der Beklagten unter dem 11.06.2008 mit, dass das bullöse Pemphigoid gelegentlich nach Antibiotikagabe auftrete. Da bei den entzündlichen Veränderungen am Stumpf eine Antibiotikatherapie notwendig gewesen sei, müsse auch das Pemphigoid als mittelbare Folge des Unfalles vom 21.05.1979 angesehen werden. Prof. Dr. B., Dr. P. und Dr. S. teilten auf Anfrage der Beklagten unter dem 09.07.2008 mit, dass die Entwicklung eines bullösen Pemphigoids in der Vergangenheit in Einzelfällen mit der Einnahme eines Antibiotikums in Verbindung gebracht worden sei. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Antibiotikum und Entstehung eines bullösen Pemphigoids sei jedoch nicht sicher belegt. Nach aktuellem Kenntnisstand sei der ursächliche Zusammenhang zwar möglich und könne nicht ausgeschlossen werden, könne aber auch nicht bewiesen werden. Nach Anhörung ihres Beratungsfacharztes lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 27.08.2008 einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem bullösen Pemphigoid und dem Versicherungsfall vom 21.05.1979 ab. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch. Er vertrat die Auffassung, dass alle näher aufgeführten Indizien für einen Zusammenhang zwischen der Behandlung mit einem Antibiotikum und dem bullösen Pemphigoid sprechen würden. Mit seinem Schreiben vom 13.10.2008 ergänzte der Kläger seinen Vortrag. Mit Widerspruchsbescheid vom 21.11.2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 01.12.2008 Klage erhoben. Unter Wiederholung und Vertiefung des bisher Vorgetragenen hat der Kläger daran festgehalten, dass das bullöse Pemphigoid als Folge des Arbeitsunfalles anzuerkennen sei.

Das SG hat Beweis erhoben durch das Einholen sachverständiger Zeugenaussagen beim Chirurgen Dr. Z., der Dermatologin Prof. Dr. B. und dem Dermatologen Dr. H ... Prof. Dr. B. hielt in der zusammen mit Dr. P. und Dr. R. vorgelegten Zeugenaussage vom 29.04.2009 daran fest, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Einnahme eines Antibiotikums und der Entstehung eines bullösen Pemphigoids nach aktuellem Kenntnisstand nicht nachweisbar sei. Dr. H. führte u.a. aus, dass das bullöse Pemphiguid eine relativ seltene Erkrankung mit unbekannter Ätiologie sei, die meisten Krankheitsfälle spontan aufträten und Medikamente als Auslöser bei nur ca. einem Drittel der Fälle eine Rolle spielten. Unacid sei ein häufig verabreichtes Antibiotikum. In der Medikamenteninformation würden unter gelegentlichen Nebenwirkungen Hautreaktionen und schwere akute Überempfindlichkeitsreaktionen, nicht jedoch explizit das bullöse Pemphigoid genannt. Diese Argumente sprächen gegen einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Auftreten des bullösen Pemphigoids und der erfolgten Gabe des Antibiotikums Unacid. Für einen solchen Zusammenhang spräche aber, dass das Antibiotikum Penicillin als eines der Medikamente geführt werde, die ein bullöses Pemphiguid auslösen können. Das in Unacid enthaltene Ampicillin weise eine strukturelle Ähnlichkeit mit Penicillin auf. Die zeitliche Abfolge mit Auftreten des bullösen Pemphigoids einige Wochen nach Gabe des Medikamentes sei plausibel, eine das bullöse Pemphigoid begünstigende Grunderkrankung liege im vorliegenden Fall nicht vor, eine Tumorerkrankung sei ausgeschlossen worden. Das Lebensalter bei Erkrankungsbeginn sei ungewöhnlich niedrig, weil das bullöse Pemphigoid üblicherweise eine Erkrankung des höheren Lebensalters sei. Dr. Z. hat unter dem 22.06.2009 Angaben zum Behandlungsverlauf in der Zeit vom 24-07.2007 bis 13.09.2007 gemacht (vgl. Bl. 76 f. der Sozialgerichtsakten).

Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das SG Prof. Dr. B. mit der Erstellung eines fachärztlich-dermatologischen Gutachtens beauftragt. Sie führte aus, dass sich das bullöse Pemphigoid in klinischer Remission befinde, sodass unter Fortführung der immunsuppressiven Therapie mit Azathioprin derzeit diesbezüglich keine Beeinträchtigungen vorlägen. Am Oberschenkelstumpf zeigten sich aktuell keine Entzündungszeichen. Beim bullösen Pemphigoid handele es sich um eine Erkrankung, die meist im höheren Lebensalter auftrete. Es seien jedoch auch Fälle eines bullösen Pemphigoids im Kindesalter beschrieben worden. Eine neuere Studie aus dem Jahr 2009 beschreibe, dass die Inzidenz des bullösen Pemphigoids bereits ab dem 40. Lebensjahr ansteige, wobei sich der stärkste Anstieg der Inzidenz um das 80. Lebensjahr finde. Nachdem sich das Krankheitsbild im 47. Lebensjahr beim Kläger gezeigt habe, handele es sich folglich um ein vergleichsweise frühes, jedoch nicht ungewöhnliches Manifestationsalter. Das bullöse Pemphigoid trete in den meisten Fällen spontan auf, Einzelfälle, bei denen das bullöse Pemphigoid im zeitlichen Zusammenhang nach einer Medikamenteneinnahme, einer UV- oder Röntgenbestrahlung, Verletzungen oder Tumoren auftrete, seien in der Literatur beschrieben. Eine ausführliche Literaturrecherche habe ergeben, dass bisher nur ein Fall veröffentlicht worden sei, bei dem es an einem Amputationsstumpf zu einem bullösen Pemphigoid gekommen sei. Es sei davon auszugehen, dass Extremitätenamputationen mit nachfolgenfolgender Prothesenanpassung nicht grundsätzlich das Risiko für ein bullöses Pemphigoid erhöhten. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass das bullöse Pemphigoid durch die langjährigen Hautentzündungen am Unterschenkelstumpf getriggert worden sei. Juckende Blasen am Unterschenkelstumpf habe der Kläger bereits vor der Einnahme von Unacid entwickelt, was mit hoher Wahrscheinlichkeit bereits der ersten Manifestation des bullösen Pemphigoids entsprochen habe. Darüber hinaus zeige eine Studie aus dem Jahr 1996 kein erhöhtes Risiko für das Auftreten eines bullösen Pemphigoids mit der Einnahme von Antibiotika. Bei den wenigen in der Literatur dokumentierten Fällen, die tatsächlich nach Antibiotikaeinnahme eine blasenbildende Autoimmunerkrankung entwickelt hätten, sei es innerhalb kurzer Zeit nach Absetzen der Medikamente und Einleitung einer Immunsuppression zu einer vollständigen Ausheilung der Erkrankung gekommen, was hier jedoch nicht der Fall sei. Bei bereits bestehender Hautfragilität infolge von Antikörpern sei es durch die Unterdruckprothese zu einer raschen Manifestation der Blasenbildung zunächst im Stumpfbereich gekommen. Man müsse jedoch davon ausgehen, dass die Erkrankung auch ohne Umstellung auf eine Unterdruckprothese früher oder später aufgetreten wäre. Zusammenfassend sei eine spontane Entstehung des bullösen Pemphigoids wahrscheinlich. Eine Begünstigung durch die langjährigen rezidivierenden Entzündungen am Unterschenkelstumpf, welche sekundär infolge des Unfalles und der Prothesenanpassung entstanden seien, sei denkbar.

Mit Urteil vom 2. Dezember 2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es sich den Ausführungen von Frau Prof. Dr. B. angeschlossen, wonach das bullöse Pemphigoid eine seltene Autoimmunerkrankung der Haut darstelle und in den meisten Fällen spontan auftrete. Die Auslösung des bullösen Pemphigoids durch die Antibiotikatherapie mit Unacid sei im Ergebnis sehr unwahrscheinlich.

Gegen das ihm am 15.02.2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 10.03.2011 Berufung eingelegt. Er hält an der von ihm vertretenen Auffassung fest und führt ergänzend aus, dass selbst dann, wenn sich bereits vor der Einnahme von Unacid juckende Blasen am Unterschenkelstumpf entwickelt hatten und die Erkrankung an bullösem Pemphigoid nicht unmittelbar medikamenteninduziert gewesen sein sollte, die Ursachen des bullösen Pemphigoids in diesem Fall in den in die Stumpfhaut diffundierenden chemischen Wirkstoffen - vornehmlich Polyurethan - zu sehen seien, die aus dem direkten Hautkontakt zwischen dem sogenannten "Inliner" der prothetischen Gliedmaßenversorgung und dem linken Unterschenkel resultierten. Unfallbedingt und durch den dauernden Kontakt mit Inlinern werde die natürliche Schutzschicht der Haut am Unterschenkelstumpf seit Jahrzehnten hoch belastet. Diese extreme Belastung der Stumpfhaut und der damit verbundene Verlust, auf natürliche Weise eine die Elastizität der Haut erhaltende Fettschicht zu bilden, hätte bei sorgfältiger Prüfung als Ursache der Erkrankung bullöses Pemphigoid ausgemacht werden können.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 2. Dezember 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 27. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. November 2008 aufzuheben und festzustellen, dass die Krankheit bullöses Pemphiguid Folge des Arbeitsunfalles vom 21. Mai 1979 ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat erneut Prof. Dr. B. im Rahmen einer ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme als gerichtliche Sachverständige gehört. Sie hält daran fest, dass ein Zusammenhang für die Aggravation des bullösen Pemphigoids durch Unacid PD nicht sicher belegt sei, aber sicher nicht als ursächlich zu betrachten sei. Die chronisch-rezidivierende Hautentzündung einschließlich Fistelbildung am Amputationsstumpf aufgrund der Hyperhidrosis, Reibung und Druck in den Jahren 1979 bis 2007 könnten dagegen das Auftreten des bullösen Pemphigoids begünstigen. Bei einem bullösen Pemphigoid handele es sich um eine spontan auftretende Erkrankung, deren Auslösung durch eine Antibiotikatherapie aus den ausgeführten Gründen als nicht wahrscheinlich erachtet werden könne. Ergänzend hat sie auf Anfrage des Senats mitgeteilt, dass sich in medizinischen Fachzeitschriften und Datenbanken keine Einzelfallberichte oder strukturierten Fallstudien fänden, die einen Zusammenhang diffundierender Wirkstoffe, insbesondere mit dem sogenannten Inliner - vornehmlich Polyurethan -, und die Auslösung eines bullösen Pemphigoids beobachtet hätten. Weiterhin hätten Kontaktallergien gegenüber der Prothese ausgeschlossen werden können. Auch insoweit werde kein hinreichend wahrscheinlicher Zusammenhang gesehen.

Hierauf hat der Kläger nochmals erwidert und ausgeführt, dass es sich seines Erachtens bei seiner Erkrankung allenfalls um ein dem bullösen Pemphigoid sehr ähnliches Krankheitsbild gehandelt habe. Nach Absetzen des PU-Liners und gleichzeitiger Erhöhung der Cortisongabe hätten sich die Blasen reduziert und seien auch nach geraumer Zeit nicht wieder aufgetreten. Unter bekannter Therapie werde die Prothese mit einem Silikonliner getragen wie auch vor den Schwierigkeiten mit dem PU-Liner. Die Beharrlichkeit, mit der die These des bullösen Pemphigoids aufrecht erhalten werde, verwundere ihn daher.

Mit den Beteiligten wurde am 05.02.2013 der Sach- und Streitstand erörtert. Die Beteiligten wurden auf die Möglichkeit einer Entscheidung durch Beschluss gem. § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

II.

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da der Kläger keinen Anspruch auf die Feststellung bullösen Pemphigoid als Folge des Unfalles vom 21.05.1979 hat.

Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann das LSG - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Der Berichterstatter hat die Beteiligten im Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage auch auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Eine Zustimmung der Beteiligten ist nicht erforderlich.

Das Begehren auf Feststellung von Unfallfolgen kann zulässigerweise mit der kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage (§ 54 Abs. 1, § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG) verfolgt werden (vgl. BSG, Urteil vom 15.05.2012 - B 2 U 31/11 R -, m.w.N. (juris)).

Nach § 102 SGB VII haben die Versicherten gegen den zuständigen Unfallversicherungsträger einen Anspruch auf Feststellung einer Unfallfolge (oder eines Versicherungsfalls), wenn ein Gesundheitsschaden durch den Gesundheitserstschaden eines Versicherungsfalls rechtlich wesentlich verursacht wird. Der Gesundheitsschaden muss sicher feststehen (Vollbeweis) und durch Einordnung in eines der gängigen Diagnosesysteme (z. B. ICD-10, DSM IV) unter Verwendung der dortigen Schlüssel exakt bezeichnet werden (so auch BSG a.a.O.).

Voraussetzung für die Anerkennung bzw. Feststellung einer Gesundheitsstörung als Folge eines Arbeitsunfalls, der hier am 21.05.1979 eingetreten und von der Beklagten auch anerkannt ist, ist u. a. ein wesentlicher ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und einem Gesundheitserstschaden (haftungsbegründende Kausalität) und dem Gesundheitserstschaden und der fortdauernden Gesundheitsstörung (sog. haftungsausfüllende Kausalität). Dabei müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, zu denen - neben der versicherten Tätigkeit und dem Unfallereignis - der Gesundheitserstschaden und die eingetretenen fortdauernden Gesundheitsstörungen gehören, mit einem der Gewissheit nahekommenden Grad der Wahrscheinlichkeit erwiesen sein (Vollbeweis, siehe oben). Für die Bejahung eines ursächlichen Zusammenhanges zwischen Einwirkung und dem Gesundheitserstschaden sowie dem Gesundheitserstschaden und fortdauernden Gesundheitsstörungen gilt im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung die Kausalitätstheorie der "wesentlichen Bedingung". Diese hat zur Ausgangsbasis die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie. In einem ersten Schritt ist zu prüfen, ob das Ereignis nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden, bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen. Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens abgeleitet werden. Bei mehreren konkurrierenden Ursachen muss die rechtlich wesentliche Bedingung nicht "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig" sein. Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die anderen Ursachen keine überragende Bedeutung haben. Kommt einer der Ursachen gegenüber den anderen eine überragende Bedeutung zu, ist sie allein wesentliche Ursache und damit allein Ursache im Rechtssinn (vgl. hierzu das grundlegende Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 17= BSGE 96, 196-209).

Bei der Überzeugungsbildung des Tatsachengerichts genügt für die Feststellung des naturwis-senschaftlich-philosophischen Ursachenzusammenhangs der Beweisgrad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit (st. Rspr., BSG, Urteile vom 02.02.1978 - 8 RU 66/77 - BSGE 45, 285, 287 = SozR 2200 § 548 Nr. 38 S. 105 f, vom 30.04.1985 - 2 RU 43/84 - BSGE 58, 80, 83 = SozR 2200 § 555a Nr. 1 S. 3 f und vom 15.05.2012 - B 2 U 31/11 R - (Juris)). Dieser ist erfüllt, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht; allein die Möglichkeit eines Ursachenzusammenhangs genügt dagegen nicht (BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 17, Rn. 20; BSG vom 18.1.2011 - B 2 U 5/10 R - SozR 4-2700 § 200 Nr. 3).

Die hier vorzunehmende Kausalitätsbeurteilung hat im Übrigen auf der Basis des aktuellen wis-senschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen. Dies schließt die Prüfung ein, ob ein Ereignis nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet war, eine bestimmte körperliche Störung hervorzurufen (BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - a.a.O.).

Gemessen an den vorstehenden Voraussetzungen hat der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung weiterer Unfallfolgen wegen des Arbeitsunfalles vom 21.05.1979. Wegen der weiteren Begründung nimmt der Senat zunächst Bezug auf die zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung des SG und sieht daher insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen von einer weitergehenden Darstellung ab (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend ist (lediglich) auszuführen, dass der Senat die Beweiswürdigung des SG teilt, wonach keine beachtliche Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass das bullöse Pemphigoid durch die Antibiotikatherapie ausgelöst sein könnte. Es fehlt hier bereits an einem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand, der eine solche Pathogenese belegt. Die gehörte Sachverständige hat insoweit ausgeführt, dass in der Literatur zwar einzelne Fälle dokumentiert seien, die nach einer Beta-Laktamantibiotika-Einnahme eine blasenbildende Autoimmunerkrankung entwickelt haben, es nach Absetzen der Medikamente und Einleitung einer immunsuppressiven Therapie aber zu einer vollständigen Ausheilung der Erkrankung gekommen war. Gerade dies war jedoch beim Kläger nicht der Fall, weil trotz äußerlicher Abheilung und Beschwerdefreiheit (Remission der Erkrankung bei der Untersuchung am 14.04.2009 nach immunsuppressiver Therapie, vgl. sachverständige Zeugenaussage Prof. Dr. B. vom 29.04.2009, Bl. 27f. SG-Akten) noch immer Antikörper-Titer gegen Kollagen XVII nachweisbar waren und sind, was für ein noch aktives bullöses Pemphigoid spricht (Gutachten vom 14.07.2010, S. 7). Schließlich belegt die Fallkontrollstudie von Bastuji-Garin S. et al aus dem Jahr 1996 gerade kein erhöhtes Risiko für das Auftreten eines bullösen Pemphigoids mit der Einnahme von Antibiotika, wie die Sachverständige ebenfalls nachvollziehbar und überzeugend referiert hat. Damit kann auch im vorliegenden Fall eine rechtlich wesentliche Verursachung durch die Einnahme von Unacid, ungeachtet der Tatsache, dass juckende Blasenbildungen bereits vor der Einnahme des Medikamentes dokumentiert waren, nicht positiv festgestellt werden. Gleiches gilt im Übrigen für eine Verursachung durch den sog. Inliner bzw. durch Polyurethan. Auch insoweit liegen keine medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse für einen Zusammenhang zwischen diffundierenden Wirkstoffen und der Auslösung eines bullösen Pemphigoids vor. Anderes wird vom Kläger substantiiert auch nicht behauptet oder belegt. Soweit eine Triggerung durch rezidivierende Entzündungen von Prof. Dr. B. als möglich angesprochen wurde, ergibt sich hieraus keine rechtlich wesentliche Verursachung für eine - wie sie ausführt - grundsätzlich spontan auftretende Erkrankung.

Soweit der Kläger zuletzt die Diagnose eines bullösen Pemphigoids selbst in Zweifel zieht, vermag dies schon deshalb nicht zu überzeugen, weil diese Diagnose durch die durchgeführten Untersuchungen gesichert ist. Ärztliche Äußerungen, die diese in Zweifel ziehen, liegen nicht vor, sodass weitere Ermittlungen von Amts wegen nicht erforderlich sind.

Die Berufung des Klägers ist damit als unbegründet zurückzuweisen. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved